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Entscheidungen

StPO

KLageerzwingungsverfahren, Antragsbegründung, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 03.12.2010 - 1 Ws 146/10

Fundstellen:

Leitsatz: Ein zulässig begründeter Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren setzt Darlegung aller Tatsachen voraus, die die Erhebung der Klage begründen sollen.


OLG Köln, Beschl. v. 03.12.2010 - 1 Ws 146/10
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

In pp.
Gründe
I.
Der Antragsteller wirft der Beschuldigten im Kern vor, durch Weiterführung ihrer steuerberatenden Tätigkeit ("durch Buchführungsarbeiten, die Abgabe von Steuererklärungen etc.", S. 24, 25 der Antragsschrift) nach Eintritt der Insolvenzreife der P. N. & T. GmbH Beihilfe zu der von dem Geschäftsführer der Gesellschaft verübten Insolvenzverschleppung begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Beschwerde des Antragstellers hat der Generalstaatsanwalt mit Bescheid vom 27.07.2010, der dem Antragsteller am 02.08.2010 ohne Rechtsmittelbelehrung zugegangen ist, zurückgewiesen.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 StPO) ist am 28.10.2010 bei dem Oberlandesgericht eingegangen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
1.
Der Senat teilt die vom Antragsteller im Einzelnen begründete Auffassung, er sei zur Wahrnehmung der Rechte des Verletzten im Sinne des § 172 Abs. 1 S. 1 StPO berechtigt. Auch der Generalstaatsanwalt hat in der Vorlageverfügung die Meinung vertreten, dass der Antrag nicht wegen fehlender Verletzteneigenschaft unzulässig sei. Dazu hat er ausgeführt: "Auch wenn der Antragsteller als Insolvenzverwalter nicht Verletzter im engeren Sinne des § 172 sein kann, dürfte er "wie ein Verletzter" die Rechte der juristischen Person, deren Vermögensinteressen er wahrnimmt, im Strafprozess ausüben können (…), wird dem Insolvenzverwalter doch auch bei der Stellung des Strafantrags ein Handeln aus eigenem Recht zugebilligt (Fischer, StGB, 57. Aufl. § 77 Rdn. 22) und nicht lediglich als Vertreter im Willen der verletzten (juristischen) Person. Nichts Anderes kann dann bei der weiteren Geltendmachung des Strafverfolgungsinteresses in Rahmen des § 172 StPO gelten, (…)." Dem stimmt der Senat zu.
2.
Auch ist die Antragsfrist gewahrt. Die Monatsfrist für die Beantragung der gerichtlichen Entscheidung lief nicht, weil der Bescheid des Generalstaatsanwalts keine Rechtmittelbelehrung enthält (§ 172 Abs. 2 S. 1, 2 StPO).
3.
Gleichwohl ist der Klageerzwingungsantrag ohne Prüfung seiner sachlichen Berechtigung als unzulässig zu verwerfen, weil er nicht insgesamt den aus § 172 Abs. 3 StPO herzuleitenden inhaltlichen Anforderungen an seine Begründung genügt.
Nach § 172 Abs. 3 S. 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zum einen die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und zum anderen die zu deren Nachweis geeigneten Beweismittel angeben. Gefordert wird eine Begründung, die es dem Gericht ermöglicht, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft oder sonstige Unterlagen das Begehren des Antragstellers auf seine Berechtigung zu überprüfen. Hierzu bedarf es einer aus sich heraus verständlichen und in sich geschlossenen Darstellung des Sachverhalts, aus dem sich der hinreichende Tatverdacht zur Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht ergeben soll (vgl. Wortlaut § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO). Zur Sachdarstellung in diesem Sinne gehört auch, dass der Antragsteller die etwaige Einlassung des Beschuldigten (vgl. KG NJW 1969, 108; OLG Nürnberg NStZ-RR 1998, 143; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 13.12.2007 - 52 Zs 593/07 -; Schmid, in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 172 Rn. 38) , die von der Staatsanwaltschaft getätigten Ermittlungen und deren wesentliche Ergebnisse, die Gründe der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung, den Inhalt der dagegen eingelegten Beschwerde (vgl. zu Letzterem SenE v. 04.11.2003 - 1 Zs 989/03 -; SenE v. 23.04.2008 - 53 Zs 48/08 -) sowie den Inhalt der Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts so konkret und vollständig wiedergibt, dass der Senat - auch insoweit ohne Rückgriff auf die Akten - überprüfen kann, ob die Staatsanwaltschaft das Legalitätsprinzip verletzt hat (vgl. OLG Düsseldorf JMBl NW 1992, 106 = VRS 82, 352; OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 331; OLG Hamm VRS 107, 197; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 172 Rn. 27). Die erforderliche Vermittlung des Sachverhalts kann nur insoweit durch eine Bezugnahme auf den Akteninhalt oder auf - dem Antrag beigefügte - Anlagen ersetzt werden, als die in Bezug genommenen Schriftstücke lediglich der näheren Erläuterung oder Ergänzung des Antragsvorbringens dienen (OLG Hamm VRS 100, 310; VRS 107, 197; st. Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 27.01.2004 - 1 Zs 539/03 -; SenE v. 08.03.2005 - 1 Zs 2202/04 -; SenE v. 11.10.2005 - 52 Zs 197/05 -).
Den danach zu stellenden Anforderungen genügt die vorliegende Antragsschrift nicht in vollem Umfang. Die Sachverhaltsdarstellung ist nicht zureichend vollständig. Für den Beihilfevorsatz eines herangezogenen firmenexternen Beraters - wie hier der Beschuldigten - sind grundsätzlich folgende - allgemein für berufstypische "neutrale” Handlungen geltende - Grundsätze zu beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den "Alltagscharakter”; es ist als "Solidarisierung” mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als "sozialadäquat” anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung "die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein” ließ (so insgesamt BGH NStZ 2000, 34).
Hier schöpft die Antragsschrift zur Zielrichtung des Handelns des Geschäftsführers und zum Kenntnisstand der Beschuldigten insoweit den Inhalt der Ermittlungsakten nicht zureichend aus. In der Niederschrift vom 07.10.2010 über die polizeilichen Vernehmung des Geschäftsführers N.-U. als Zeuge heißt es u.a. (Blatt 41 d. EA.):
"Frage: Hat Frau S. mit Ihnen über die schwierige wirtschaftliche Lage des Unternehmens gesprochen und Sie auf eine mögliche Insolvenz hingewiesen, bzw. auf Ihre Pflicht, gegebenenfalls Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen? Antw.: Wir haben einige Male über die schwierige wirtschaftliche Lage des Unternehmens gesprochen. Ich selbst war damals noch Eigentümer einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der F. 2, in der ich auch selbst wohnte. Frau S. wusste dies und sie wusste auch, dass ich die Wohnung notfalls verkaufen wollte, wenn das Wasser bis zum Hals steht. Wir sind auch beide davon ausgegangen, dass ich die Firma durch den Verkauf der Wohnung retten kann.
Im Jahre 2006 hat dann die L. Bank damit gedroht, den Dispokredit in Höhe von ca. 50.000,- € zu kündigen. Ich habe dann gesagt, dass ich meine Wohnung verkaufen werde, was ich auch tat. Ich erlöste durch den Verkauf 160.000,- € und zahlte damit den Dispokredit zurück. Ich zahlte auch alle rückständigen Mieten des Geschäftslokals und bezahlte auch einige Lieferanten. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die L. Bank auch die beiden anderen Kredite in Höhe von insgesamt ca. 75.000,- € gekündigt hat."
Zu dieser Aussage lässt sich der Antragsschrift nichts entnehmen. Die Beschuldigte hat sich im Ermittlungsverfahren u.a. wie folgt eingelassen (S. 2, 3 des Schriftsatzes ihrer Verteidiger vom 11.12.2009, Blatt 59, 60 d. EA.):
"(…) Unsere Mandantin fertigte für die Schuldnerin den Jahresabschluss für das Jahr 2004 an, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von € 10.150,29 auswies. Anlässlich der Besprechung dieser Bilanz am 08.11.2005 in den Geschäftsräumen der Schuldnerin wies unsere Mandantin Herrn N.-U. auf den Fehlbetrag hin und erläuterte ihm die Konsequenz einer Insolvenzverschleppung. Herr N.-U. teilte unserer Mandantin daraufhin mit, dass er nunmehr "alle Gläubiger im Griff" habe und die letzten Verbindlichkeiten abbezahle.
(…)Herr N.-U. erklärte gegenüber unserer Mandantin regelmäßig, dass er eine ihm gehörende Eigentumswohnung verkaufen wolle, um mit dem dadurch erzielten Erlös sämtliche Verbindlichkeiten abzulösen, so dass dann "alles wieder gut sei und das Unternehmen gesund". Auch über dieses Gespräch vom 17.07.2006 (…). (…) Wie unserer Mandantin im Rahmen der laufenden Finanzbuchführung für die Schuldnerin im Jahre 2006 bekannt wurde, hatte Herr N.-U. seine Wohnung im Jahr 2006 verkauft und aus dem Erlös einen Betrag von 100.000,- am 31.10.2006 auf das Konto der Schuldnerin eingezahlt. Damit waren die in den Vorjahren erwirtschafteten Fehlbeträge ausgeglichen. (…)."
Zu diesen Einlassungen der Beschuldigten lässt sich der Antragsschrift ebenfalls nichts Zureichendes entnehmen.
Der Komplex Verkauf der Eigentumswohnung wird auf den Seiten 26 unten / 27 oben der Antragsschrift lediglich bruchstückhaft angesprochen.
III.
Im Übrigen wäre der Klageerzwingungsantrag auch unbegründet. Wie die Staatsanwaltschaft (Bescheid vom 07.06.2010) und der Generalstaatsanwalt (Bescheid vom 27.07.2010) unter näherer Darlegung zutreffend ausgeführt haben, erfüllt das Verhalten der Beschuldigten nicht den Straftatbestand der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung. Das in Rede stehende Verhalten der Beschuldigten ist - jedenfalls vor dem Hintergrund der Erklärungen des Geschäftsführers und seiner (schließlich auch verwirklichten) Bereitschaft, eigenes Vermögen zur Rettung der GmbH einzusetzen - als noch "berufstypisch" und "sozialadäquat” im Sinne der oben unter II. 3. dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze zu bewerten. Zutreffend heißt es im Bescheid des Generalstaatsanwalts: "Hier ist zu ihren Gunsten nicht zu übersehen, dass die Beschuldigte mehrfach auf die schlechte finanzielle Situation des Unternehmens und die Konsequenzen einer möglichen Insolvenzverschleppung hingewiesen und ihm pflichtgemäßes Handeln eindringlich nahegelegt hat. Die Annahme, sie habe sich hier mit dem Firmeninhaber zu einer strafbaren Handlung solidarisiert (…) liegt fern."


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Anmerkung:


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