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Entscheidungen

OWi

Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, Anforderungen, Geständnis

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 15.02.2011 - III-3 RBs 30/11

Fundstellen:

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die Feststellungen im tatrichterlichen Urteil wegen einer Geschwindigkeitsüberscheitung


In pp. hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG HHamm am 15. 2. 2011 beschlossen:
Die Sache wird dem 3. Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen, da es geboten ist, das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen (§ 80 a Abs. 3 OWiG).
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe verworfen, dass die Geldbuße auf 800, Euro festgesetzt wird.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 1200,- Euro verurteilt und daneben ein 2-monatiges Fahrverbot verhängt.
Das Amtsgericht hat zu den persönlichen Verhältnissen und zum Verkehrsverstoß folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene ist von Beruf Taxifahrer. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder. Angaben zu seinem monatlichen Einkommen hat er nicht gemacht.
Es liegen 4 Eintragungen im Verkehrszentralregister vor.
1.
Am 16.11.2005 verurteilte das Amtsgericht U ihn wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 Euro. Rechtskraft trat am 04.01.2006 ein.
2.
Unter dem 02.01.2006 — rechtskräftig am 24.01.2006 - verhängte der Kreis I gegen den Betroffenen eine Geldbuße i.H.v. 105,00 Euro wegen des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21km/h.
3.
Unter dem 18.09.2006 - rechtskräftig am 06.10.2006 - verhängte der Kreis I gegen den Betroffenen eine Geldbuße i.H.v. 40,00 Euro wegen des Beförderns eines Kindes als Kraftfahrzeugführer ohne jede Sicherung bzw. des Nicht-Sorgens für eine Sicherung des Kindes als Verantwortlicher.
4.
Unter dem 16.01.2007 — rechtskräftig am 02.02.2007 - verhängte der Kreis I gegen den Betroffenen eine Geldbuße i.H.v. 105,00 Euro wegen des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h.
5.
Unter dem 28.01.2009 — rechtskräftig am 18.09.2009 - verhängte der Kreis I gegen den Betroffenen eine Geldbuße i.H.v. 205,00 Euro wegen des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h und setzte ein einmonatiges Fahrverbot fest.
II.
Der Betroffene befuhr am 13.12.2009 um 22.24 Uhr mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … die linke Fahrspur des P in Fahrtrichtung stadtauswärts vor der Ausfahrt K. Aufgrund der vorhandenen Beschilderung hätte der Betroffene erkennen können und müssen, dass für den oben genannten Autobahnabschnitt die Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h galt.
Dennoch überschritt er die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit um 65 km/h.
III.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen beruhen auf seinen in der Hauptverhandlung gemachten Angaben. Die Feststellungen zu den Voreintragungen beruhen auf dem im Rahmen der Hauptverhandlung verlesenen Verkehrszentralregisterauszug.
Der Betroffene hat die Tat vollumfänglich eingeräumt".
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die er mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründet hat. Der Generalstaatsanwalt beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.
II.
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden, weil es gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG geboten ist, das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen. Der vorliegende Einzelfall gibt Veranlassung, die Frage, welche Anforderungen an den vom Tatrichter festzustellenden objektiven und subjektiven Tatbestand und an den Darlegungsumfang der Beweiswürdigung bei Vorliegen eines Geständnisses zu stellen sind, (weiter) festzuschreiben und dadurch möglichen Fehlentscheidungen durch ein anderes Gericht vorzubeugen.
Die Entscheidung über die Übertragung der Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern beruht auf einer Entscheidung des Einzelrichters gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG.
III.
Die fristgemäß eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts zulässige Rechtsbeschwerde führt zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs. Das Rechtsmittel hat jedoch letztlich für den Betroffenen nur einen unwesentlichen Erfolg.
1.
Die auf der Grundlage des Geständnisses des Betroffenen gewonnenen Feststellungen tragen dessen Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften, obwohl in den Urteilsgründen weder das Messverfahren genannt noch mitgeteilt wird, welcher Toleranzwert berücksichtigt worden ist. Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.08.1993 (NZV 1993, 485 ff.) zu den Feststellungen zum Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit stellt es keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils dar, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit entweder auf ein uneingeschränktes, glaubhaftes Geständnis des Betroffenen oder auf die Mitteilung des Messverfahrens und der nach Abzug der Messtoleranz ermittelten Geschwindigkeit stützt. Beide Entscheidungsgrundlagen stehen nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alternativ nebeneinander, so dass es der Mitteilung des Messverfahrens und der Messtoleranz dann nicht bedarf, wenn ein uneingeschränktes, glaubhaftes Geständnis des Betroffenen vorliegt (Senat , Beschluss vom 01.02.2008 - 3 Ss OWi 22/07- iuris = NStZ-RR 2008, 355; ebenso nunmehr auch: OLG Hamm , Beschluss vom 25.02.2010 – III-(5) 6 Ss OWi 980/09; vgl. auch Saarl. OLG, Beschluss v. 19.05.2006 - Ss(B)26/2006 – iuris).
a)
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils werden durch die fehlenden Angaben zu Messverfahren und Toleranzwert ohnehin nicht berührt.
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzabzug nicht Teil der den Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung tragenden Feststellungen sind, sondern zu der ihm zugrunde liegenden Beweiswürdigung gehören (Beschluss v. 22.06.2004 3 Ss OWi 350/04 ; Beschluss v. 18.03.2004 3 Ss OWi 11/04 , Beschluss v. 9.12.2004 - 3 Ss 679/04). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (B GHSt 39, 291, 301; ebenso: OLG Köln NZV 2003, 100; ). Tragend für den Schuldspruch sind die für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden, also die Angaben zu Fahrzeug, vorgeschriebener Geschwindigkeit, tatsächlich gefahrener Geschwindigkeit, zu Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie zu Ort und Zeit der Tatbegehung (S enat , Beschluss v. 09.12.2004 – 3 Ss OWi 679/04 - iuris; Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 71, Rn.42 a m.w.N.).
b)
Aber auch in der Beweiswürdigung sind Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzabzug dann entbehrlich, wenn der Betroffene die Tat eingestanden hat (Senat , Beschluss vom 1.02.2008, 3 Ss OWi 22/07, Saarländisches OLG, a.a.O.).
Die Tatrichterin war insbesondere nicht gehalten, sich weitergehend in den Urteilsgründen mit der Frage eines glaubhaften Geständnisses auseinanderzusetzen. Soweit Einzelrichter des Senats dies in der Vergangenheit vereinzelt anders entschieden haben (etwa Beschluss vom 17.11.2006 – 3 Ss OWi 1570/06; Beschluss v. 11.07.2006 – 3 Ss OWi 960/06 – beide iuris) wird daran nicht mehr festgehalten.
aa)
Der Tatrichter hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung mit der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses zu befassen und dieses mit den übrigen gewonnenen Erkenntnissen abzugleichen.
bb)
Hiervon zu unterscheiden sind aber die Anforderungen an den Darlegungsumfang der Urteilsgründe.
Das Bußgeldverfahren dient nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung (BVerfGE 27,18,28 f.; 45,272,288 f. m.w.N.). Es ist schon im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet (Bohnert in KK-OWiG Einl. Rn. 97)
Gerade in Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren, die, wie das vorliegende, durch einen einfach gelagerten Sachverhalt, einen vergleichsweise unbedeutenden Tatvorwurf und eine verhältnismäßig geringfügige Sanktion gekennzeichnet sind, reicht deshalb, anders als bei komplexen Sachverhalten oder gar in Strafverfahren, die Angabe aus, dass der Betroffene die Tat gestanden hat (OLG Jena, DAR 2004, 663, Schleswig-Holsteinisches OLG, NZV 2003, 394; OLG Koblenz, NStZ 2004, 396). Dies gilt umso mehr, wenn er anwaltlich in der Hauptverhandlung erster Instanz vertreten war und keine sonstigen Einwendungen gegen die Richtigkeit der ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung erhoben hat (O LG Jena, a.a.O.).
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof (BGHSt 39, 291, 301) ausgeführt, dass der Begriff des Geständnisses im Einzelfall unterschiedliche Bedeutung haben könne, ein Geständnis aber insbesondere auch dann vorliege, wenn der Betroffene an den konkreten Vorfall überhaupt keine Erinnerung habe, aufgrund seines regelmäßigen Fahrverhaltens oder der anders gelagerten Zielrichtung seines Verteidigungsvorbringens die Zuverlässigkeit der Geräte und das Ergebnis der Messung aber nicht bezweifeln will(BGH, a.a.O.)
Hat sich demgemäß der Tatrichter Gewissheit von der Richtigkeit des Geständnisses unter Berücksichtigung des übrigen Verfahrensstoffes verschafft und bringt er dieses Ergebnis in den Urteilsgründen dadurch zum Ausdruck, dass er von einem glaubhaften und uneingeschränkten Geständnis des Betroffenen hinsichtlich dessen Fahrereigenschaft und der Geschwindigkeitsüberschreitung ausgeht, was sich vorliegend aus der Beschreibung "vollumfänglich" unschwer ergibt, ist dagegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern (so bereits Senat, Beschlüsse v. 01.02.2008 und v. 14.11.2005, a.a.O.; Saarl. OLG, a.a.O.; OLG Jena, a.a.O.).
2.
Dadurch, dass die Tatrichterin nur eine fahrlässige Begehungsweise angenommen hat, obwohl eine vorsätzliche Begehung aufgrund des erheblichen Maßes der Geschwindigkeitsüberschreitung nahelag, wird der Betroffene nicht beschwert.
3.
Der Rechtsfolgenausspruch des Urteils hält demgegenüber einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
a)
Der Rechtsfolgenausspruch ist fehlerhaft, da das Höchstmaß des Bußgeldrahmens gemäß § 17 Abs. 2 OWiG für fahrlässig begangene Verkehrsordnungswidrigkeiten von 1000,00 EUR überschritten worden ist. Das hierdurch die reduzierte (zweimonatige) Verhängung eines im Bußgeldbescheid vorgesehenen (dreimonatigen) Fahrverbotes ausgeglichen werden sollte, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht (zu vgl. OLG Hamm, NZV 1994, 201).
Insoweit hat der Senat jedoch von seiner Möglichkeit zur eigenen Entscheidung nach § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch gemacht und hat die Regelbuße von 440,- Euro aufgrund der erheblichen Voreintragungen auf 800,- Euro erhöht. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Betroffene nur wenige Monate vor der hier in Rede stehenden Tat rechtskräftig (18. 9. 2009) wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 46 km/h mit einer Geldbuße von 205,- Euro und einem Fahrverbot von einem Monat belegt worden war.
b.)
Gegen das vom Amtsgericht verhängte zweimonatige Fahrverbot bestehen keine Bedenken. Umstände, die es im vorliegenden Fall rechtfertigen könnten, von der Verhängung eines zweimonatigen Regelfahrverbotes abzusehen, liegen nach den Feststellungen des Amtsgerichts Bielefeld nicht vor. Der Betroffene hat sowohl gröblich (§ 4 Abs. 1 Nr.1 BKatV) als auch beharrlich ( § 4 Abs.2, S.2. BKatV) gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verstoßen. Ob die ursprünglich im Bußgeldbescheid festgesetzte Dauer eines Fahrverbots von drei Monaten angemessen war, bedarf insoweit keiner Entscheidung.
Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung des Betroffenen sind nicht ersichtlich und werden von der Verteidigung auch nicht aufgezeigt.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.
Aufgrund des geringen Erfolges erscheint es vorliegend nicht unbillig, den Betroffenen mit den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten.

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