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Leitsatz: Zum Entfallen der Kostenerstattungspflicht der Staatskasse bei einer Verfahrenseinstellung wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit.
In pp. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen Gründe: Zu dem Rechtsmittel (das sich mangels Beschwer im übrigen bei sinnentsprechender Auslegung nur dagegen richtet, dass davon abgesehen worden ist, der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten aufzuerlegen) hat sich die Generalstaatsanwaltschaft mit Vorlageverfügung vom 28.07.2010 wie folgt geäußert: I. Mit Urteil vom 01.12.2009 hat das Amtsgericht A. gegen den Angeklagten wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in 2 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten festgesetzt. Die Vollstreckung der Strafe hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt. Nach form- und fristgerecht eingelegtem, als Berufung anzusehendem Rechtsmittel hat der Verteidiger des Angeklagten unter Vorlage eines vorläufigen Entlassungsberichts einer Therapieklinik in M. vom 17.02.2010 mitgeteilt, dass der bei Einlieferung sich im vegetativen Status befindliche intravenös drogen- sowie benzodiazepin- und alkoholabhängige Angeklagte als Folge eines epoxischen Hirnschadens nach kardiopulmonaler Reanimation im Rahmen einer Heroinintoxikation auf äußere Reize (akustische Reize, stärkere taktile Reize) nur schwach reagiere. Lediglich teilweise habe eine Augenfolgebewegung auf Darbietung eines Spiegels als Reiz beobachtet werden können. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Chefarzt der Neurologie der Klinik am 26.04.2010 mitgeteilt, dass es als extrem unwahrscheinlich gelten müsse, dass der Angeklagte jemals wieder verhandlungsfähig wird. Mit Beschluss vom 10.05.2010 hat die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts K. das Verfahren außerhalb der wegen des Gesundheitszustands des Angeklagten nie stattgefundenen - Hauptverhandlung gemäß § 206 a Abs. 1 StPO auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO hat das Gericht davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Mit Schriftsatz vom 21.06.2010 hat der Verteidiger des Angeklagten mitgeteilt, dass dem Beschluss des Landgerichts A. vom 10.05.2010 betreffende Empfangsbekenntnis, datiert mit dem Eingangsdatum vom 17.05.2010, sei per Fach zusammen mit einem Schriftsatz vom 21.05.2010, in dem er sofortige Beschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss eingelegt habe, an das Landgericht A. übersandt worden. Rein vorsorglich für den Fall, dass der Beschwerdeschriftsatz nicht zu den Akten gelangt sein sollte, hat der Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Nach Mitteilung des Gerichts, dass der Schriftsatz vom 21.05.2010 nicht bei den Akten befindlich sei, hat der Verteidiger diesen nachgereicht. Das Empfangsbekenntnis befindet sich bis heute nicht bei den Akten. II. ( ) a) Soweit der Angeklagte sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Auslagenentscheidung wendet, ist diese statthaft. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Vorschrift des § 464 Abs. 3 StPO, da diese nur die Art des Rechtsmittels regelt, nicht dagegen die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde begründet. So ist insbesondere bei in der Hauptsache einer Anfechtung entzogenen gerichtlichen Entscheidungen (z.B. §§ 153 Abs. 2 Satz 4, 153aAbs. 2 Satz 4 StPO) eine Anfechtung der Auslagenentscheidung nicht möglich. Vorliegend ergibt sich die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde jedoch daraus, dass § 206a Abs. 2 StPO grundsätzlich den Beschwerdeweg in der Hauptsachenentscheidung eröffnet. Dass der Angeklagte durch die Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO nicht beschwert und seine diesbezügliche Beschwerde unzulässig ist, ist jedoch für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Auslagenentscheidung unerheblich. Insoweit folgt aus der allgemeinen Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde die Zulässigkeit der Anfechtung der Nebenentscheidung über die Auslagen (OLG Zweibrücken, NStZ 1987, 425; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 60, 61; Meyer-Goßner, a.a.O., § 464 Rdnr. 19). In Ermangelung eines in den Akten befindlichen Nachweises über die erfolgte Zustellung des angegriffenen Beschlusses ist entsprechend den Angaben des Verteidigers davon auszugehen, dass diesem der Beschluss am 17.05.2010 zugestellt und er mit Schriftsatz vom 21.05.2010 innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt hat. b) In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Zwar müssen im Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last fallen, sofern das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist. Gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kann jedoch ausnahmsweise davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse aufzuerlegen, wenn dieser wegen einer strafbaren Handlung nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind bereits erfüllt, wenn bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen (vgl. BGH, NStZ 2000, 330; OLG Jena, NStZ-RR 2007, 254, 255; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2003, 286, 287; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, 246; OLG Köln, NJW 1991, 506, 507; Meyer-Goßner, a.a.O., § 467 Rdnr. 16). Der Gegenmeinung, wonach eine Versagung der Auslagenerstattung nur in Betracht kommt, wenn bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit eine Verurteilung erfolgt wäre (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 288; OLG Hamm NStZ-RR 1997, 127; KG, NJW 1994, 600; OLG München, NStZ 1989, 134, 135; OLG Zweibrücken, NStZ 1989, 134), vermag nicht zu überzeugen. Eine solche Auslegung würde den Anwendungsbereich der Vorschrift wegen der mit Blick auf die Unschuldsvermutung erforderlichen Schuldspruchreife auf Fälle beschränkt, in denen ein Verfahrenshindernis erst in der Hauptverhandlung nach dem letzten Wort des Angekl. zu Tage tritt (BGH, NStZ 2000, 330, 331; OLG Hamm, VRS 100, 52, 54 : OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2003, 286, 287). Bei Einstellungen vor vollständiger Durchführung der Hauptverhandlung wäre demnach ein Absehen von der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse von vornherein ausgeschlossen. Für die praktische Anwendung der Norm bliebe, ohne dass dies dem Wortlaut des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO zu entnehmen wäre, nur ein äußerst begrenzter Raum. Für ein Anknüpfen bei der Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO an die bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebene Verdachtslage spricht zudem der Umstand, dass auch im Rahmen der bei Ermessenseinstellungen nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO zu treffenden Auslagenentscheidungen maßgeblich auf die Stärke des Tatverdachts abgestellt werden darf (vgl. BGH, NStZ 2000, 330, 331; Meyer-Goßner, a.a.O., § 467 Rdnr. 19). Dieser Auslegung stehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen. Die Unschuldsvermutung (Art 6 Abs. 2 MRK) schließt nicht aus, in einer das Strafverfahren ohne förmlichen Schuldspruch beendenden Entscheidung einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen und zu bewerten und dies bei der Entscheidung über die kostenrechtlichen Folgen zu berücksichtigen. Rechtsfolgen, die keinen Strafcharakter haben, können deshalb auch in einer das Verfahren abschließenden Entscheidung an einen verbleibenden Tatverdacht geknüpft werden. Allerdings muss in diesen Fällen, in denen die Schuld nicht prozessordnungsgemäß festgestellt worden ist, aus der Begründung deutlich hervorgehen, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung oder -zuweisung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage (BGH, NStZ 2000, 330, 331; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2000, 60, 61; OLG Köln, NJW 1991, 506, 507; BVerfG, NJW 1992, 1612, 1613; BVerfG, NStZ-RR 1996, 45). Vorliegend sind die Voraussetzungen für ein Absehen von der Auslagenerstattung gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO gegeben. Der Angeklagte hat einen Tatvorwurf bereits in seiner polizeilichen Vernehmung beide Tatvorwürfe sodann in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht A. am 01.12.2009 in Anwesenheit seines Verteidigers. eingestanden. Auch habe Zeugen den Angeklagten bei der Tatbegehung beobachtet. Konkrete Umstände, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Schuld in Frage gestellt hätten, sind nicht ersichtlich. Dass das Landgericht A. angesichts dieser Eindeutigkeit des Tatverdachts von dem ihm eingeräumten Ermessen in der Weise Gebrauch gemacht hat, dass es von einer Auslagenerstattung abgesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob es weiterer Gründe, die es unbillig erscheinen lassen, die Staatskasse mit den Auslagen des Angeklagten zu belasten, insbesondere eines vorwerfbaren prozessualen Verhaltens des Angeklagten, bedarf (verneinend wohl BGH, NStZ 2000, 330, 331; a.A.: OLG Köln, NJW 1991, 506, 507 f.; LG Koblenz, NStZ 1983, 235; Gieg, in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 467 Rdnr. 10; Meyer-Goßner, a.a.O., § 467 Rdnr. 18). Ausweislich des Entlassungsberichts ist der Gesundheitszustand des Angeklagten und damit auch seine Verhandlungsunfähigkeit auf seinen Heroin- und weiteren Rauschmittelabusus zurückzuführen. Da er somit das Verfahrenshindernis selbst herbeigeführt hat, wäre es angesichts des erheblichen Tatverdachts in jedem Fall unbillig, dass die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last fallen (in diesem Sinne auch OLG Köln, a.a.O.). Dass es sich bei der getroffenen Entscheidung nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung handelt, ergibt sich daraus, dass das Gericht das Verfahren in demselben Beschluss gemäß § 206a Abs. 1 StPO eingestellt hat. Dem stimmt der Senat zu, der im gleichen Sinne schon früher entschieden hat. (Senat 6.12.2002 - 2 Ws 604/02 - = Stra Fo 2003, 105; 26.02.2009 2 Ws 66/09 -).
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