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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 231/09 OLG Hamm

Leitsatz: Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung wegen eines Ladungsmangels analog §§ 44, 45, 329 Abs. 3 StPO kann nur auf (rechtzeitigen) Antrag, nicht aber von Amts wegen, gewährt werden.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Wiedereinsetzung; von Amts wegen; Versäumung der Berufungshauptverhandlung; Ladungsmangel

Normen: StPO 44; StPO 45; StPO 329 Abs. 3

Beschluss:

Strafsache
In pp hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 15. 07. 2009 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Beschwerdeführer.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hatte den Beschwerdeführer wegen Körperverletzung, Bedrohung in zwei Fällen und wegen Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Auf die Berufung des Beschwerdeführers beraumte das Landgericht Termin zur Berufungshauptverhandlung an und lud den Beschwerdeführer hierzu unter der seinerzeit bekannten Anschrift. Die Ladung wurde ausweislich der Zustellungsurkunde am 20.03.2009 „in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt“. Zur Berufungshauptverhandlung erschien der Beschwerdeführer unentschuldigt nicht, so dass seine Berufung nach § 329 StPO verworfen wurde. Das Verwerfungsurteil wurde dem Verteidiger des Beschwerdeführers, dessen Vollmacht sich bei den Akten befand, am 06.04.2009 zugestellt.
Am 08.04.2009 hat der Verteidiger des Beschwerdeführers ein Ratenzahlungsgesuch an die Staatsanwaltschaft Bielefeld gerichtet. Am 06.05.2009 ging bei der Staatsanwaltschaft eine von dieser angeforderte Einkommensauskunft des Beschwerdeführers ein sowie ein weiteres Schreiben, in dem er erklärt, er wäre bereit 100 bis 200 Euro monatlich zu zahlen, vorausgesetzt, die Geldstrafe betrüge weniger als 2000 Euro.
Am 04.05.2009 wandte sich der Beschwerdeführer an das Landgericht und teilte u.a. mit, dass er den Termin zur Berufungshauptverhandlung am 31.03.2009 versäumt habe, weil er „kurz zuvor aus der Wohnung“ weggezogen war und die Post erst am 07.04.2009 „zu Gesicht bekommen“ habe. Tatsächlich war es so, dass der Angeklagte sich am 02.03.2009 rückwirkend zum 01.03.2009 aus seiner bisherigen Wohnung, unter der er geladen worden war, an eine andere Anschrift abgemeldet hatte. Dies ist dem Gericht allerdings erst mehrere Wochen nach Erlass des Verwerfungsurteils bekannt geworden.
Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 04.05.2009 hat das Landgericht als Wiedereinsetzungsgesuch gegen die Versäumung der Hauptverhandlung gewertet und dieses als unzulässig verworfen, weil es nicht innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO gestellt worden ist und ein das Verschulden ausschließender Sachverhalt weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sei.
Der Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 03.06.2009 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 04.06.2009 an das Landgericht bemängelt er „das Urteil“ als falsch und ungerecht und kündigte an, die Geldstrafe nicht zu zahlen, bis die „Wahrheit ans Licht“ gekommen ist. Dies hat das Landgericht als sofortige Beschwerde gegen seinen Beschluss vom 28.05.2009 angesehen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 04.06.2009 kann als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 28.05.2009 ausgelegt werden, da er sich darin generell gegen seine Verurteilung richtet.
2.
Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.
a) Zu Recht hat das Landgericht das Wiedereinsetzungsgesuch verworfen, weil der Beschwerdeführer dieses nicht binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses gestellt hat (vgl. § 45 Abs. 1 StPO).
Es ist in der Rechtsprechung weitgehend anerkannt, dass eine Wiedereinsetzung entsprechend §§ 329 Abs. 3, 44, 45 StPO in Betracht kommt, wenn der Angeklagte nicht ordnungsgemäß geladen war und damit eine Säumnis nicht vorlag. Voraussetzung dafür ist neben der fehlenden ordnungsgemäßen Ladung, dass der Ladungsmangel kausal für das Nichterscheinen war und ein fristgerecht eingegangener Wiedereinsetzungsantrag mit den nach §§ 44, 45 Abs. 2 StPO erforderlichen Tatsachenangaben vorliegt (vgl.: OLG Hamm NStZ-RR 2008, 380; OLG Hamm NStZ 1982, 521; OLG Köln NStZ-RR 2002, 142 jew.m.w.N.).
Hier fehlt es jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung. Dem Beschwerdeführer war der Umstand, dass er zu einer Berufungshauptverhandlung auf den 31.03.2009 geladen war, nach eigenen Angaben am 07.04.2009 bekannt geworden. Einen Wiedereinsetzungsantrag hat er aber erst am 04.05.2009 – und damit verspätet – gestellt. Frühere Schreiben des Verteidigers bzw. des Beschwerdeführers selbst betreffen nur die Bitte um Gewährung von Ratenzahlung, können aber nicht als Wiederseinsetzungsantrag ausgelegt werden.
b) Eine Wiedereinsetzung auch ohne Antrag, von Amts wegen, scheidet aus. Diese kommt bei Versäumung der Hauptverhandlung nach § 329 StPO nicht in Betracht, denn ob der Angeklagte das Verfahren fortgesetzt wissen will, welches durch sein Nichterscheinen zum Abschluss gekommen ist, muss ihm selbst überlassen bleiben (Cirener in: BeckOK-StPO Ed. 3 § 45 Rdn. 14; Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 45 Rdn. 32; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 45 Rdn. 12; Baukelmann NStZ 1984, 297, 300). Darüber hinaus setzt § 329 Abs. 3 StPO voraus, dass der Angeklagte die Wiedereinsetzung „beansprucht“, also entsprechend darum nachsuchen muss. Dies spricht ebenfalls (auch bei der analogen Anwendung des
§ 329 Abs. 3 StPO) dafür, eine Wiedereinsetzung nur auf Antrag zu gewähren (Julius/u.a.-Rautenberg StPO 4. Aufl. § 329 Rdn. 47; vgl. zur parallelen Problematik bei § 235 StPO: Gmel in KK-StPO 6. Aufl. § 235 Rdn. 6). Ob der abweichenden Auffassung, die eine Wiedereinsetzung von Amts wegen auch bei Versäumung der Hauptverhandlung zulassen will (so u.a.: OLG Düsseldorf NJW 1980, 1704, 1705; OLG Hamburg NStZ-RR 2001, 302; Maul in KK-StPO 6. Aufl. § 45 Rdn. 17), gefolgt werden kann, kann dahinstehen. Nach dieser Auffassung kommt eine Wiedereinsetzung von Amts wegen bei Terminversäumnis nur dann in Betracht, wenn der Wille des Beschwerdeführers zur Fortsetzung des Verfahrens eindeutig zum Ausdruck kommt, wie dies bei Versäumung einer Frist durch Nachholung der gebotenen Handlung geschieht (OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.; Frisch in SK-StPO Stand: Okt. 2001 § 329 Rdn. 58; Maul in KK-StPO 6. Aufl. § 46 Rdn. 17). Das ist hier nicht der Fall. Den diversen Schreiben des Verteidigers bzw. des Beschwerdeführers ist einerseits das Begehren um Ratenzahlung bzw. der Hinweis auf fehlende finanzielle Mittel zu entnehmen, was gegen einen Willen zur Fortsetzung des Verfahrens spricht, andererseits, dass das Urteil nicht der „Wahrheit“ entspricht, was für eine Weiterführung in der Sache sprechen könnte. Ein eindeutiger Wille zur Fortführung des Verfahrens ergibt sich daraus nicht – auch wenn die Auffassung des Landgerichts, das Schreiben vom 04.05.2009 als Wiedereinsetzungsgesuch auszulegen, vertretbar ist. Zudem überzeugt die Ansicht, dass ein entsprechendes eindeutiges Fortführungsbegehren bereits in (jeglichem) Wiedereinsetzungsgesuch gesehen werden kann ( OLG Hamburg NStZ-RR 2001, 302 f.), nicht. Grundsätzlich mag das zwar der Fall sein. Kommt es aber auf das Wiedereinsetzungsgesuch an, so müssen dann auch die hierfür geltenden Vorschriften, u.a. § 45 Abs. 1 StPO, beachtet werden. Ein verspätetes Wiedereinsetzungsgesuch – wie hier – reicht nicht aus. Eine andere Betrachtung würde dem Interesse der Rechtssicherheit im Hinblick auf die Rechtskraft eines strafrechtlichen Erkenntnisses zuwider laufen.
Darüber hinaus sind Ladungsmängel nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie entweder in einem ordnungsgemäßen Wiedereinsetzungsgesuch dargetan sind oder sich ohne weiteres aus den Akten ergeben ( OLG Köln NStZ-RR 2002, 142, 144). Auch das ist hier nicht der Fall, denn es ist zwar der Zeitpunkt der Ummeldung bekannt, welcher vor der Zustellung der Ladung lag. Dieser ist aber nicht identisch mit der tatsächlichen Beendigung der Nutzung als Wohnung durch den Beschwerdeführer. Auf die tatsächliche Nutzung als Wohnung kommt es indes an (vgl. Zöller-Stöber ZPO 26. Aufl. § 178 Rdnr. 4). Der Beschwerdeführer teilt lediglich mit, dass er die Hauptverhandlung am 31.03.2009 versäumt habe, weil er „kurz zuvor“ weggezogen sei. Ob dies zum Zeitpunkt der Einlegung in den Briefkasten am 20.03.2009 bereits geschehen war, teil er nicht mit.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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