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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 84/09 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Im Rahmen der Prüfung der Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl wegen Nichterscheinen des Angeklagten ist das Gericht nur zu solchen Aufklärungsmaßnahmen verpflichtet, die kurzfristig möglich sind und nicht etwa zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen.
2. In der Vorlage eines Attestes kann jedenfalls dann keine (konkludente) Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht gesehen werden, wenn im Urteil ausdrücklich festgestellt ist, dass die für die Annahme einer Entschuldigung zu dürftigen Angaben im Attest gerade auf dem Fehlen einer (weitergehenden) Entbindung liegen.
amtlich

Senat: 3

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Verwerfung, Einspruch; Strafbefehl, Berufung; genügende Entschuldigung; Aufklärungspflicht des Gerichts

Normen: StPO § 329; StPO § 344 Abs. 2 S. 2; StPO § 411

Beschluss:

Strafsache
Inpp.
Urteil
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Detmold hatte gegen den Angeklagten am 30.04.2008 einen Strafbefehl wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz erlassen und darin gegen ihn eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro verhängt. Den dagegen gerichteten Einspruch des Angeklagten hat das Amtsgericht mit Urteil vom 29.08.2008 als unzulässig verworfen. Auf die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil hat das Landgericht diese mit dem angefochtenen Urteil verworfen.
Im angefochtenen Urteil heißt es u.a.:
„Im Einzelnen war der Gang des erstinstanzlichen Verfahrens wie folgt:
Unter dem 30.04.2008 erließ das Amtsgericht gegen den Angeklagten einen Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 10,00 EUR wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Bei einer Zwangsräumung am 23.06.2006 war auf seinem Grundstück zahlreiche Munition gefunden worden. Auf seinen Einspruch vom 08.07.2008 beraumte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 29.08.2008, 13.15 Uhr an. Die entsprechende Ladung wurde dem Angeklagten am 29.08.2008 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 26.08.2008 beantragte Rechtsanwalt X. für den Angeklagten die Verlegung des Hauptverhandlungstermins, weil der bisherige Verteidiger erkrankt sei und der jetzt angesetzte Hauptverhandlungstermin vom einzig mandatierten Verteidiger – Rechtsanwalt M. – nicht wahrgenommen werden könne, da dieser bis zum 12.10.2008 anderweitig gebunden sei. Das Amtsgericht reagierte mit Fax vom 27.08.2008 an den Verteidiger Rechtsanwalt M. und teilte diesem mit, dass dem Antrag auf Terminsverlegung nicht entsprochen werden könne, da zur Zeit der Mandatierung bereits Hauptverhandlungstermin bestimmt gewesen sei. Nun beantragte der Angeklagte selbst mit Fax vom 27.08.2008 die Terminsverlegung, da bisher keiner seiner Rechtsanwälte Akteneinsicht gehabt habe. Am selben Tage sandte das Amtsgericht ein Fax desselben Inhaltes wie zuvor an Rechtsanwalt M. an den Angeklagten.
Am Terminstag, dem 29.08.2008 um 12.47 Uhr – also nicht einmal 30 Minuten vor dem auf 13.15 Uhr anberaumten Termin – ging beim Amtsgericht per Fax ein Attest des Arztes für innere Medizin T. vom 28.08.2008 betreffend den Angeklagten ein, in dem es heißt:
‚Wegen einer akuten Magenerkrankung ist der Patient am 29.08.2008 nicht verhandlungsfähig‘.
Im Hauptverhandlungstermin am 29.08.2008 um 13.15 Uhr waren weder der Angeklagte noch ein Verteidiger erschienen. Das Amtsgericht verwarf den Einspruch gegen den Strafbefehl gemäß § 412 StPO und führte zur Begründung aus:
‚Die ohne genaue Diagnose eingereichte ärztliche Stellungnahme reicht nicht aus, da es dem Gericht nicht möglich ist, festzustellen, ob der Angeklagte auf Grund der attestierten Erkrankung tatsächlich verhandlungsunfähig ist‘.
Unter dem 16.11.2008 ergänzte der Arzt T. sein Attest dahin, dass in der ärztlichen Bescheinigung vom 28.08.2008 keine Diagnose genannt wurde, da zum Zeitpunkt der Attestausstellung durch den Patienten keine Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber dem Gericht vorgelegen habe.“
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und führt insbesondere aus, dass das Amtsgericht weitere Aufklärung hinsichtlich der Verhandlungsunfähigkeit bzw. der Unzumutbarkeit der Teilnahme des Angeklagten an der Hauptverhandlung etwa durch Nachfrage beim behandelnden Arzt hätte anstellen müssen.
II.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Soweit der Angeklagte die Rüge der Verletzung der §§ 412, 329 Abs. 1, 244 Abs. 2 StPO erhebt, ist sie unbegründet.
a) Diese Rüge wird vom Angeklagten zwar nicht ausdrücklich erhoben. Vielmehr ist ausdrücklich nur von der Rüge der Verletzung materiellen Rechts die Rede. Aufgrund der Ausführungen in der Revisionsbegründung ergibt sich aber noch hinreichend, dass der Angeklagte auch die Rüge der Verletzung der oben genannten Verfahrensnormen erheben will, was nach dem Rechtsgedanken des § 300 StPO beachtlich ist.
b) Die Rüge ist unbegründet.
Zutreffend ist, dass es für die Erhebung der Rüge grundsätzlich im Sinne von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ausreicht, wenn aus der Revisionsbegründung hervorgeht, dass Entschuldigungsgründe vorgebracht worden sind und dass das Gericht pflichtwidrig die gebotene Aufklärung unterlassen habe, denn das Revisionsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteil gebunden, so dass diese nicht wiederholt zu werden brauchen (vgl. OLG Hamm Beschl.v. 14.06.2008 – 2 Ss 208/04 – www.burhoff.de; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 120). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung noch gerecht.
Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, dass das Amtsgericht den Einspruch des Angeklagten zu Recht verworfen hat, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht erschienen und sein Ausbleiben auch nicht entschuldigt war, sind indes frei von Rechtsfehlern.
aa) Zwar heißt es zu Beginn der rechtlichen Würdigung, das der Angeklagte sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt hatte, was auf einen unzutreffenden rechtlichen Prüfungsmaßstab hindeuten könnte, da es insoweit darauf ankommt, ob er genügend entschuldigt ist (OLG Hamm a.a.O.; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 329 Rdn. 18). Die weiteren Ausführungen der Berufungsstrafkammer lassen aber erkennen, dass sie genau dies auch geprüft hat (u.a. UA S. 4: „Fehlen die erforderlichen konkreten Angaben über die Schwere der Erkrankung im Attest, vermag das Gericht nicht festzustellen, ob der Angeklagte tatsächlich verhandlungsunfähig war und es ihm unmöglich bzw. unzumutbar war, zu der Hauptverhandlung zu erscheinen“).
bb) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte nicht hinreichend entschuldigt war.
Das vorgelegte Attest ist diesbezüglich unergiebig. Dass darin ausgeführt wird, der Angeklagte sei „verhandlungsfähig“ ist ohne Bedeutung, da dies eine Wertung ist, die dem Gericht obliegt.
Es ist nicht ersichtlich, dass das Amts- und das Landgericht die Verhandlungsfähigkeit bzw. die Unzumutbarkeit des Erscheinens des Angeklagten zum amtsgerichtlichen Hauptverhandlungstermin hätten weiter aufklären können.
(1) Das Amtsgericht wäre nur zu solchen Aufklärungsmaßnahmen verpflichtet gewesen, die kurzfristig möglich gewesen wären und nicht etwa zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung geführt hätten (OLG Hamm a.a.O.; BayObLG NStZ-RR 2003, 87; OLG Koblenz Beschl.v. 30.10.2007 – 2 Ss 226/03 = BeckRS 30332050; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 329 Rdn. 20). In der Rechtsprechung wird vielfach – insbesondere wenn es um zur Entschuldigung vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geht, welche gerade nicht ausreichen, da Arbeitsunfähigkeit und Verhandlungsunfähigkeit nicht identisch sind und aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch keine Diagnose hervorgeht – in der Vorlage von Attest bzw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine konkludente Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den Angeklagten gesehen, welche eine Nachfrage seitens des Gerichtes beim ausstellenden Arzt ermögliche, so dass keine nennenswerten Verzögerungen der Hauptverhandlung zu erwarten seien (OLG Hamm – 5. Strafsenat/Senat für Bußgeldsachen – NStZ-RR 2009, 120; BayObLG NStZ-RR 1999, 143; OLG Karlsruhe NStZ 1994, 141; OLG Koblenz Beschl.v. 30.10.2003 – 2 Ss 226/03 = beckRS 2003, 30332050).
Ob dem in dieser Allgemeinheit, im Hinblick auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Angeklagten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gefolgt werden kann, kann hier dahinstehen. Diese Möglichkeit war hier nicht gegeben. Das vorgelegte Attest war – wie sich aus der im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Stellungnahme des Arztes vom 16.11.2008 ergibt – deswegen so knapp gehalten, weil durch den Angeklagten keine (weitergehende) Entbindung von der Schweigepflicht vorgelegen hatte. Dementsprechend hätte auch ein telefonisches Auskunftsersuchen nicht weiter geführt, da der Arzt mangels Entbindung von der Schweigepflicht keine Auskunft erteilt hätte und auch nicht hätte erteilen dürfen (§ 203 StGB).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Angeklagte auf eine eventuelle telefonische gerichtliche Nachfrage zu einer weitergehenden Entbindung von der Schweigepflicht bereit gewesen wäre (so dass das Amtsgericht sodann den Arzt kurzfristig hätte befragen oder das Landgericht weitere Aufklärung betreiben können), da selbst die „Ergänzung“ des ursprünglichen Attestes durch Schreiben des Arztes vom 16.11.2008 nicht etwa nähere Ausführungen zum Gesundheitszustand enthielt, sondern lediglich die Ursache für die knappen Ausführungen im Ursprungsattest schildert. Zu diesem Zeitpunkt war dem Angeklagten indes aufgrund des amtsgerichtlichen Urteils bereits bewusst, dass letzteres als nicht ausreichend angesehen wurde. Dass der Angeklagte bei gerichtlicher Anfrage den Arzt von der Schweigepflicht entbunden hätte, wird auch von der Revision nicht vorgetragen.
Dem Amtsgericht standen damit keine kurzfristig erfolgversprechenden weiteren Aufklärungsmöglichkeiten zu. Die Beauftragung eines Amtsarztes hätte erfahrungsgemäß eine zu weitgehende zeitliche Verzögerung bedeutet.
(2) Auch das Landgericht war zur Aufklärung der Verhandlungsfähigkeit nicht gehalten, einen ärztlichen Sachverständigen einzuschalten. Der gesundheitliche Zustand des Angeklagten im Berufungsverfahren gibt regelmäßig keinen Aufschluss über seine Verhandlungsfähigkeit eines halbes Jahr zuvor. Die ohne Entbindung von der Schweigepflicht dürftige Schildung „wegen einer akuten Magenerkrankung“ bietet keine hinreichende Anknüpfungstatsache für eine sachverständige Begutachtung zu dieser Frage.
Soweit man in dem Vortrag des Revisionsführers eine Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO im Hinblick darauf erblicken könnte, dass das Landgericht nicht weitere Nachforschung bei dem behandelnden Arzt betrieben, ihn gar ggf. als Zeuge vernommen hat, entspräche eine solche Rüge nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Es ist nicht vorgetragen und auch aus dem angefochtenen Urteil nicht ersichtlich, dass der Angeklagte die frühere Nichtentbindung des Arztes von der Schweigepflicht aufgehoben hat oder diese auf entsprechende gerichtliche Nachfrage aufgehoben hätte.
2.
Sofern in dem Vorbringen des Angeklagten, seine Gründe für eine Verfahrenseinstellung seien nicht gewürdigt worden bzw. er habe keine Akteneinsicht in der ersten Instanz erhalten, sind diese Rügen bereits nicht entsprechend § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ausgeführt.
3.
Die erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts führt nur zur Überprüfung auf das Vorliegen von Verfahrenshindernissen (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 329 Rdn. 49 m.w.N.), welche hier nicht gegeben sind.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.




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