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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 55/09 OLG Hamm

Leitsatz: Wird – wie nach den nordrhein-westfälischen Regelungen zur Weihnachtsamnestie 2008 -die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft im Rahmen einer Weihnachtsamnestie mit einem Straferlass verbunden, so hindert dies jedenfalls dann den Eintritt der Führungsaufsicht nach § 68f StGB, wenn der Verurteilte deswegen weniger als zwei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafhaft, Straferlass, Weihnachsamnestie, Führungsuafsicht, Eintritt, 2-Jahres-Frist

Normen: GG Art. 103 Abs. 2; StGB § 68f; StVollzG § 43

Beschluss:

Strafsache
In pp.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht N. mit Urteil vom 24.06.2003, rechtskräftig seit dem 17.12.2003 wegen Körperverletzung, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und Körperverletzung unter Auflösung der Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 04.10.2002 – 10 Ls 56 Js 1816/01 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilte, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer, nachts von einer Feier zurückkehrend, zunächst seine Ehefrau über einen Zeitraum von 15 Minuten mehrfach in das Gesicht schlug und sodann Tätlichkeiten und Beleidigungen gegen die in der Folgezeit von einer vor dem Haus befindlichen Passantin herbeigerufenen Polizeibeamten beging. Die einbezogenen Strafen bezogen sich auf Steuerhinterziehungen und Vorenthalten von Arbeitsentgelten. Die Bewährungszeit wurde auf 5 Jahre festgesetzt. Dem Beschwerdeführer wurde die ratenweise Wiedergutmachung seiner Steuerschuld zur Auflage gemacht.
Vor der vorliegenden Verurteilung war der Beschwerdeführer bereits 16 mal bestraft worden. Die Verurteilungen beziehen sich ausschließlich auf Straßenverkehrsdelikte, Betrug und Steuerhinterziehung und wurden meist mit Geld oder Bewährungsstrafen geahndet. Einmal wurde im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gegen ihn eine vollstreckbare Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt, die er auch verbüßt hat.
Das Amtsgericht N. hat die dem Beschwerdeführer gewährte Strafaussetzung zur Bewährung mit Beschluss vom 10.04.2006 widerrufen, weil er gegen die Bewährungsauflage der Wiedergutmachung der Steuerschuld gröblich und beharrlich verstoßen hatte. Eine Anrechnung bereits erbrachter Leistungen lehnte das Amtsgericht ab.
Nach Festnahme am 12.11.2006 hat der Verurteilte die o.g. Gesamtfreiheitsstrafe bis zum 06.11.2008 verbüßt. An diesem Tage ist er aufgrund des Gnadenerweises des Leitenden Oberstaatsanwalts in C. vom 08.10.2008 im Rahmen der Weihnachtsamnestie 2008 aus der Strafhaft vorzeitig entlassen worden. Gleichzeitig ist ihm Straferlass für den auf Grund der Gnadenanordnung nicht vollstreckten Teil der Strafe ab dem 06.11.2008 gewährt worden. Das reguläre Strafende wäre der 10.11.2008 gewesen.
Nach der o.g. Verurteilung vom 24.06.2003 ist der Beschwerdeführer am 04.11.2003 wegen Fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr, am 20.02.2006 wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelten in vier Fällen und am 13.12.2007 wegen Betruges jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Nach mündlicher Anhörung hat die Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Führungsaufsicht nicht entfällt, die Dauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre bestimmt und die Unterstellung des Verurteilten unter einen Bewährungshelfer angeordnet. Gegen diesen Beschluss wendet er sich mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
1.
Die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht C. war zur Entscheidung berufen, auch wenn ihr die Akten erst nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Strafvollzug vorgelegt worden sind, da dieser drei Monate vor seiner Haftentlassung in einer zu ihrem Bezirk gehörenden Justizvollzugsanstalt einsaß (vgl. zur Zuständigkeit: OLG Celle Beschl.v. 15.02.2008 – 1 Ws 60/08 – juris).
2.
Die Strafvollstreckungskammer hat (zwar unter umfänglicher Auswertung der Rechtsprechung und mit beachtlichen Gründen, im Ergebnis aber) zu Unrecht entschieden, dass die Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintritt und nicht entfällt.
Die Voraussetzungen für einen Eintritt der Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 1 StGB liegen hier nicht vor, da die gegen den Beschwerdeführer verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren nicht vollständig vollstreckt wurde. Aufgrund der Anordnung des Leitenden Oberstaatsanwalts in C. ist er vielmehr in den Genuss der Weihnachtsamnestie gekommen, wurde vier Tage vor Vollverbüßung aus der Strafhaft entlassen und diese restliche Strafe erlassen.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft im Rahmen einer Weihnachtsamnestie einer vollständigen Vollstreckung im Sinne des § 68f Abs. 1 StGB entgegensteht.
a) Das Oberlandesgericht Celle – dessen Ansicht sich die Strafvollstreckungskammer angeschlossen hat – vertritt die Auffassung, dass dies nicht der Fall ist (Beschl.v. 15.02.2008 – 1 Ws 70/08 – juris). Es vertritt die Auffassung, dass die vorzeitige Entlassung im Rahmen einer Weihnachtsamnestie der Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes nach § 16 Abs. 2 und 3 StVollzG gleichstehe. Für letztere sei aber anerkannt, dass sie einer vollständigen Vollstreckung im Sinne des § 68f Abs. 1 StGB nicht entgegenstehe. Es handele sich auch bei der Entscheidung im Rahmen der Weihnachtsamnestie lediglich um eine Vorverlagerung des Entlassungszeitpunkts. Der Gesetzgeber habe durch das Institut der Führungsaufsicht eine Hilfe bei der Wiedereingliederung und Kontrolle des Verurteilten sicherstellen wollen. Die Hilfsbedürftigkeit bei der Wiedereingliederung habe er wesentlich im Hinblick auf die Dauer des Strafvollzuges beurteilt. Diese Hilfsbedürftigkeit sieht das Oberlandesgericht Celle nicht wesentlich dadurch verringert, dass der Verurteilte im Rahmen der Weihnachtsamnestie bis zu zwei Monaten früher entlassen werde. Der Wortlaut des § 68f Abs. 1 StGB bilde keine unüberwindbare Schranke, weil „vollständige Vollstreckung“ auch als Vollstreckung ohne Verbleiben eines Strafrestes ausgelegt werden könne.
Auch in der Literatur gibt es eine Reihe von Stimmen, die ebenfalls der Auffassung sind, dass eine vorzeitige Entlassung im Rahmen der Weihnachtsamnestie eine „vollständige Vollstreckung“ nicht hinderte (Schmitz StV 2007, 608; zweifelnd auch: Schneider in LK-StGB 12. Aufl. § 68f Rdn. 12).
b) Das Kammergericht Berlin vertritt hingegen in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft auf Grund eines Gnadenerweises einer vollständigen Vollstreckung i.S.d. § 68f Abs. 1 StGB entgegenstehe ( KG Berlin JR 1979, 293; NStZ 2004, 228; Beschl.v. 09.12.2005 – 5 Ws 562/05 = BeckRS 2007, 12326). Es beruft sich zur Begründung auf den Wortlaut der Vorschrift sowie darauf, dass die vorzeitige Entlassung nicht auf dem Gesetz sondern auf einem politischen Gnadenakt beruht. Dem KG Berlin folgen aus der Literatur u.a. Fischer StGB 56. Aufl. § 68f Rdn. 6; Heuchemer in BeckOK-StGB Edition 7, § 68f Rdn. 9; Horn in SK-StGB (Stand: Mai 1999) § 68f Rdn. 3; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 68f Rdn. 1; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 68f Rdn. 5).
c) Der erkennende Senat vermag sich der erstgenannten Ansicht trotz beachtlicher Argumente letztlich nicht anzuschließen, sondern ist ebenfalls der Auffassung, dass – jedenfalls in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden – die Gewährung der Weihnachtsamnestie eine Vollverbüßung im Sinne des § 68b Abs. 1 StGB hindert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hier (anders als in dem vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Fall) der Verurteilte nicht nur die Freiheitsstrafe nicht vollständig verbüßt hat, sondern auch seine Haftzeit aufgrund der Weihnachtsamnestie weniger als zwei Jahre betrug. Ob eine andere Bewertung geboten wäre, wenn der Verurteilte wenigstens zwei Jahre in Haft verbracht hätte und es nur an der vollständigen Verbüßung mangeln würde, braucht hier nicht entschieden zu werden.
aa) Dass eine vorzeitige Entlassung aufgrund der Weihnachtsamnestie den Eintritt der Führungsaufsicht hindert, ist allerdings nicht schon allein deswegen der Fall, weil etwa wegen der in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Wortlautgrenze es ausgeschlossen wäre, auch bei einer Strafverbüßung von weniger als zwei Jahren Freiheitsstrafe in den Weihnachtsamnestiefällen eine Vollverbüßung im Sinne von § 68f Abs. 1 StGB zu bejahen. Die Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG, aus dem auch die Wortlautschranke hergeleitet wird, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht für die Maßregeln der Besserung und Sicherung ( BVerfGE 109, 133, 167 ), zu der auch die Führungsaufsicht gehört (§ 61 Nr. 4 StGB).
bb) Indes führt auch die Gesetzesauslegung unter Berücksichtigung aller Auslegungsmethoden zu dem Ergebnis, dass hier eine Vollverbüßung nicht vorliegt. Ausgehend vom Wortlaut ist für den Eintritt der Führungsaufsicht die vollständige Vollstreckung einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe vor. Eine Strafe zu „vollstrecken“ bedeutet, sie durchzuführen und ist vom Wortsinn her gleichbedeutend mit „vollziehen“.
cc) Wie eine Strafe zu vollziehen ist und was zum Strafvollzug gehört, bestimmt sich nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes. Aus den Vorschriften der §§ 11, 13 und 16 StVollzG ergibt sich, dass Strafvollzug nicht ausschließlich innerhalb einer Anstalt stattfindet, sondern auch der Aufenthalt des Verurteilten in Freiheit unter den dort genannten Voraussetzungen Teil des Strafvollzuges ist. Ebenso wie die Gewährung von Urlaub ist auch bei der Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes nach § 16 Abs. 3 StVollzG keine Unterbrechung der Vollstreckung gegeben. Es handelt sich vielmehr um Strafzeit, die zum Zweck der Entlassungsvorbereitung und Eingliederungshilfe außerhalb der Anstalt verbracht werden darf, so dass sich hier an der vollständigen Verbüßung nichts ändert ( OLG Zweibrücken Beschl.v. 22.06.1992 – 1 Ws 296/92 – juris; vgl. auch Schneider in LK-StGB 12. Aufl. § 68f Rdn. 12 m.w.N.). Dementsprechend ist zunächst einmal nicht zwingend, dass eine vorzeitige Entlassung im Rahmen einer Weihnachtsamnestie keinen Strafvollzug mehr darstellt und deswegen eine vollständige Vollstreckung i.S.d. § 68f Abs. 1 StGB hindern würde.
dd) Im vorliegenden Fall ist aber nicht bloß eine vorzeitige Entlassung gewährt worden, sondern auch ein Erlass des noch nicht verbüßten Teils der Strafe. In der Gnadenanordnung wird zwischen diesen beiden Entscheidungsinhalten ausdrücklich differenziert. Diese Differenzierung entspricht auch der RV des Justizministeriums NRW vom 29.07.2008 – 4250 – III.27 über die „Vorzeitige Entlassung für die im Strafvollzug befindlichen Strafgefangenen aus Anlass des Weihnachtsfestes 2008“. Dort ist unter A.I.1.3. die Entlassung bereits zum 06.11.2008 geregelt. Unter A.II.1. ist sodann bestimmt, dass der aufgrund der Weihnachtsamnestie nicht verbüßte Strafrest zu erlassen ist. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Differenzierung zwischen vorzeitiger Entlassung und Straferlass.
Die Erlassbestimmung der nordrhein-westfälischen Regelung zur Weihnachtsamnestie kann damit nicht lediglich als Umschreibung, wie die vorzeitige Entlassung praktisch umzusetzen ist, angesehen werden (so aber das Oberlandesgericht Celle in der o.g. Entscheidung für die niedersächsische Regelung). Der Regelungsgehalt der nordrhein-westfälischen Rundverfügung zur Weihnachtsamnestie geht damit zwar über das mit ihr bezweckte Ziel hinaus. Grund für die Amnestie sind (auch) soziale Aspekte, nämlich dem in der Weihnachtszeit zu entlassenden Strafgefangenen durch die vorzeitige Entlassung die Arbeitssuche und Behördengänge zu erleichtern, welche in der unmittelbaren Zeit der Festtage wegen Betriebsferien oder nur notdürftig besetzten Ämtern erschwert würde (vgl. Schmitz StV 2007, 608, 609). Dieser Zweck könnte aber ohne weiteres durch eine bloße vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft erreicht werden, bei der sich der Verurteilte zwar in Freiheit befindet, aber – vergleichbar einem Hafturlaub oder der Vorverlegung des Entlassungstermins – weiterhin der Einwirkung des Strafvollzuges unterliegt. Ungeachtet dessen bestimmt aber die Rundverfügung ausdrücklich auch den Straferlass (auf diese Besonderheit hat bereits Schmitz StV 2007, 608, 612 FN 41 hingewiesen). Bestimmt aber die Gnadenanordnung unter Verwirklichung der entsprechenden Rundverfügung dann ausdrücklich nicht nur die vorzeitige Entlassung (mit der Konsequenz, dass der Verurteilte formal noch der Einwirkung des Strafvollzugs unterliegt und lediglich die Reststrafzeit in Freiheit verbringen darf) sondern darüber hinaus auch den Straferlass, so ist hierdurch die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zum 06.11.2008 endgültig beendet worden.
ee) Ferner liegt auch keine der Anrechnungsregelung der § 43 StVollzG vergleichbare Neuberechnung der Strafzeit aufgrund gesetzlicher Grundlage vor, die bei Vollstreckung bis zum nach § 43 StVollzG berechneten Entlassungszeitpunkt ebenfalls eine vollständige Vollstreckung begründen könnte ( KG Berlin NStZ 2004, 228 f.; a.A. Schmitz StV 2007, 608, 612). Bei der Anrechnungsregelung nach § 43 StVollzG handelt es sich um eine Anerkennung von Arbeit durch monetäre Entlohnung und Haftzeitverkürzung, wodurch dem Verurteilten im Rahmen der Resozialisierung klar gemacht wird, dass Erwerbsarbeit zur Herstellung einer Lebensgrundlage sinnvoll ist (vgl. BVerfG NJW 2002, 2023, 2024). Eine solche Konstellation liegt bei einem Gnadenerweis, der ohne jegliche Gegenleistung des Verurteilten erfolgt, ersichtlich nicht vor.
ff) Der historische Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 68f StGB die Möglichkeit des Gnadenerweises nicht erkennbar im Blick gehabt (vgl. Schmitz StV 2007, 608, 610, 613). Im Hinblick auf die gesetzgeberische Zielsetzung erscheint es aber nicht angängig, eine vollständige Vollstreckung einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe dann anzunehmen, wenn – wie hier – weniger als zwei Jahre tatsächlich vollstreckt wurden. Im Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht, auf den die gegenwärtige Fassung des § 68f StGB zurückgeht, heißt es (BT-Drs. 16/1993 S. 23):
„Das Institut der Führungsaufsicht dient sowohl der Hilfe bei der Wiedereingliederung als auch der Kontrolle besonders rückfallgefährdeter Straftäter. Ihr Hilfsbedarf richtet sich in erster Linie nach der Dauer des Strafvollzuges und ist somit nicht abhängig davon, ob der Verbüßung ein Einzel- oder Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde lag (…). Ein solcher Bedarf besteht in der Regel umso eher, je länger sich eine verurteilte Person im Strafvollzug befunden hat. Darüberhinaus gibt auch die Höhe einer Gesamtstrafe als Folge eines einheitlichen Strafzumessungsaktes Aufschluss über das Maß der an den Tag gelegten kriminellen Energie und das Ausmaß der verschuldeten Tatfolgen, mithin über das Gefahrenpotential der verurteilten Person und ihren Kontrollbedarf.“
Aus dieser Gesetzesbegründung lässt sich folgern, dass der Gesetzgeber zum einen Verurteilte, die zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurden, für so gefährlich hält, dass sie grundsätzlich einer Führungsaufsicht bedürfen. Diese Gefährlichkeit liegt bei dem Beschwerdeführer angesichts der von ihm über Jahre hinweg verwirklichten, z.T. erheblichen Straftaten, auch zweifelsohne vor. Zum anderen hält der Gesetzgeber die Hilfsbedürftigkeit aber nur dann für gegeben, wenn sich der Verurteilte lange Zeit im Strafvollzug befunden hat und zieht darauf die gesetzliche Grenze bei mindestens zwei Jahren. Dementsprechend sieht er die Hilfsbedürftigkeit bei kürzer andauernden Freiheitsentziehungen nicht als gegeben an. Auch wenn hier die Zweijahresgrenze um nur vier Tage unterschritten wurde, so sieht sich der Senat nicht in der Lage, sich über die gesetzgeberische Wertung hinwegzusetzen, zumal dann auch erhebliche Unsicherheit entstünde, bis zu welcher Unterschreitung der Zweijahresgrenze der Hilfsaspekt noch greift oder nicht.
3.
Der Senat konnte davon absehen, die Sache zunächst der zuständigen Gnadenbehörde zwecks Prüfung einer Rücknahme des Gnadenerweises nach A.I.10 der o.g. RV vorzulegen. Zwar ist hier die Weihnachtsamnestie zu Unrecht gewährt worden, weil die Voraussetzung für sie nicht vorlagen: Nach A.I.1.3. scheidet eine vorzeitige Entlassung aus, wenn im Falle des § 68f Abs. 1 S. 1 StGB die vorzeitige Entlassung den Eintritt der Führungsaufsicht verhindern würde, was hier der Fall ist. Indes handelt es sich hierbei nicht um einen nachträglich bekannt gewordenen Umstand (welcher in A.I.10 der RV vorausgesetzt wird), sondern um einen bloßen Fehler bei der Anwendung der Rundverfügung. Die Umstände, die die Gewährung der Weihnachtsamnestie hinderten, nämlich dass der Beschwerdeführer eine zweijährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat und die Vollverbüßung erst am 10.11.2008 eingetreten wäre, waren schon vorher bekannt, d.h. aktenkundig.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 467 StPO.




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