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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 567/08 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Eine besondere Sicherung gegen Wegnahme i.S.v. § 243 Abs. 1 S. 2 StGB liegt nur dann vor, wenn durch sie die Wegnahme des Inhalts des Behältnisses nicht unwesentlich erschwert wird. Auf eine Kraftentfaltung kommt es nicht an. Auch eine abgeschlossene Türe, die aber durch leichtes Anheben dennoch zu öffnen ist, kann ein Wegnahmehindernis i.S.v. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB sein, wenn diese Möglichkeit des Öffnens für den Täter nicht leicht erkennbar ist und er sie erst nach einiger Untersuchung herausfindet.
2. Das Einverständnis der Beteiligten nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO ist ein von den übrigen Voraussetzungen unabhängiger, selbständiger Verlesungsgrund. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass er auch dann zur Anwendung kommt, wenn kein Fall der Ersetzung der Zeugenvernehmung im engeren Sinne vorliegt (Anschluss an BGH NJW 2002, 309).

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte:

Normen: StGB § 242; StGB § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

Beschluss:

Strafsache
Beschluss vom 27. 1. 2009
In pp.

1. Das Urteil des Landgerichts Detmold vom 23.10.2008 (4 Ns 31 Js 788/07 – 91/08) wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils wie folgt berichtigt wird: „Die Berufung wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte eines Diebstahls schuldig ist“.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Detmold vom 22.02.2008 „wegen Diebstahl in besonders schwerem Fall“ zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht – kleine Strafkammer – Detmold mit dem angefochtenen Urteil verworfen, wobei das Landgericht das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB als verwirklicht ansah.
Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
„Der Zeuge N. wohnt in dem Mehrfamilienhaus C-Straße in E. Zu seiner Wohnung gehört ein Kellerraum, der mit einer abschließbaren, begehbaren Gitterbox versehen ist. Das Schloss an der Tür zu dieser Gitterbox ist nicht voll funktionsfähig. Die Tür schließt nicht bündig an der Zarge ab. Das hat zur Folge, dass zweimal umschlossen werden muss, damit der Bolzen des Schlosses überhaupt in die Türzarge ragt. Aber auch beim zweimaligen Abschließen ragt er nur wenig in die Zarge, so dass die Tür auch im verschlossenen Zustand durch Anheben geöffnet werden kann. Der Zeuge lagerte in dem Keller unter anderem neun Sportbögen mit Pfeilen und anderem Zubehör, Angelruten, Fahrzeugmodelle und diverses Werkzeug. Am Samstag, dem 28.07.2007 hielt er sich zuletzt im Keller auf und fand noch alle Gegenstände an ihrem Platz. Die Tür der Gitterbox war zweimal umgeschlossen. Als er am Nachmittag des folgenden Tages nach Hause zurückkehrte und erneut seinen Keller aufsuchte, musste er den Verlust sämtlicher Gegenstände im Wert von 6 700 Euro feststellen. Diese hatte der Angeklagte in der Zwischenzeit entweder allein oder mit einem oder mehreren Mittätern entwendet.“
Des weiteren hat das Landgericht festgestellt, dass bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten eine Rolle mit Spezialgarn für Sportbögen, welche dem Geschädigten gehörte, gefunden worden war. Zur Türe der Gitterbox hat es festgestellt, dass diese durch Anheben „recht einfach“ zu öffnen war. Der Verdacht war auf den Angeklagten gefallen, weil er von dem in anderer Sache als Beschuldigten polizeilich vernommenen C. entsprechend belastet wurde.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel gem. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision hat auf die Sachrüge hin teilweise Erfolg.
1.
Das angefochtene Urteil war im Strafausspruch auf die Sachrüge hin aufzuheben. Insoweit war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4; 354 Abs. 2 StPO).
a)
Die der Strafzumessung zu Grunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt einer eingeschränkten Prüfung des Revisionsgerichts. Es darf die Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt ( BGH NStZ 1983, 277, 278; OLG Hamm Beschl.v. 06.12.2007 – 3 Ss 492/07; OLG Hamm Beschl.v. 29.08.2001 – 2 Ss 488/01). Dagegen ist es für die revisionsrechtliche Prüfung ohne Belang, ob die vom Tatrichter gezogenen Schlüsse zwingend sind und eine abweichende Würdigung der Beweise aus Sicht des Revisionsgerichts ebenso gut möglich oder überzeugender gewesen wäre ( BGH Beschl.v. 06.03.2008 – 5 StR 192/07; BGH NJW 2007, 384, 387; OLG Hamm Urt.v. 20.05.2008 – 3 Ss 179/08).
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil – soweit der Strafausspruch betroffen ist – nicht gerecht, da sie lückenhaft ist. Das Landgericht hat hier einen besonders schweren Fall des Diebstahls bejaht, weil es das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB (verschlossene Gitterbox als verschlossenes Behältnis) als verwirklicht ansah. Es hat aber hat im Rahmen der Beweiswürdigung nicht dargelegt, worauf die Feststellungen zur Beschaffenheit der Gitterboxtür und zu der Frage, ob diese zum Tatzeitpunkt verschlossen war, beruhen. Diese Angaben kann, das lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, allein der Geschädigte N. gemacht haben, da der Angeklagte die Tat bestreitet und die weiteren Zeugen hierüber nichts ausgesagt haben bzw. keine Erkenntnisse haben konnten. Es lässt sich aber dem angefochtenen Urteil – welches alleinige Grundlage der der revisionsgerichtlichen Überprüfung im Rahmen der Sachrüge ist – nicht entnehmen, ob der Geschädigte N. von der Strafkammer als Zeuge vernommen worden ist und entsprechende Angaben gemacht hat. Allein aus der Tatsache, dass der N. in dem angefochtenen Urteil stets als der „Zeuge N.“ bezeichnet wird, kann nicht gefolgert werden, dass er tatsächlich als Zeuge vernommen worden ist, denn auch derjenige, der überhaupt den Verdacht auf den Angeklagten gelenkt hatte (C.), der eindeutig vor der Strafkammer nicht als Zeuge vernommen worden ist, wird im Urteil als der „Zeuge C.“ bezeichnet.
Gleiches gilt für den Umfang des Schadens (also welche weiteren Gegenstände, außer der Rolle Spezialgarn für Bogenschützen, entwendet wurden und welchen Wert sie hatten), den die Strafkammer straferschwerend berücksichtigt.
b)
Darüber hinaus tragen die Feststellungen im angefochtenen Urteil weder die Bejahung eines Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB, noch nach § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB.
§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis gegen Wegnahme besonders gesichert ist. Eine besondere Sicherung gegen Wegnahme liegt dabei nur dann vor, wenn durch sie die Wegnahme des Inhalts des Behältnisses nicht unwesentlich erschwert wird (OLG Frankfurt NJW 1988, 3028; Schmitz in MK-StGB Bd. 3, 2003, § 243 Rdn. 32; Wittig in BeckOK-StGB, Ed. 7, § 243 Rdn. 18.1). Dabei kommt es nicht auf eine Kraftentfaltung an, ob und wie der Täter die Schutzvorrichtung beseitigt, ist irrelevant (BT-Drucks. IV/650, S. 403; OLG Frankfurt a.a.O.).
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich – ungeachtet der Frage, ob die Gitterbox überhaupt ein verschlossenes Behältnis im Sinne des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB oder aber ein umschlossener Raum im Sinne von § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB ist – dem Urteil nicht entnehmen. Das Berufungsgericht stellt lediglich fest, dass die Türe zur Gitterbox auch im abgeschlossenen Zustand durch Anheben recht einfach zu öffnen war. Es fehlen aber Feststellungen dazu, ob sie die Wegnahme für den Angeklagten dennoch nicht unwesentlich erschwerte, etwa weil er die einfache Öffnungsmöglichkeit erst nach einigem Untersuchen der Gitterbox erkannte, weil sie nicht leicht erkennbar war.
Ergänzend ist anzumerken, dass auch eine Verwirklichung des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB (Einbrechen in einen umschlossenen Raum) den Urteilsgründen nicht entnommen werden kann. Hierzu wäre eine nicht unerhebliche Kraftentfaltung erforderlich ( BGH NStZ 2000, 143; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 140, 141; Fischer StGB 55. Aufl. § 243 Rdn. 5). Das Berufungsgericht geht indes von der Möglichkeit des recht einfachen Öffnens durch Anheben der Türe aus. Das kann – angesichts der Beschreibung der Schließvorrichtung und des Türdefekts – nur so verstanden werden, dass die Türe durch leichtes Anheben geöffnet werden konnte.
Der neue Tatrichter wird – wenn er in der neuen Hauptverhandlung zur Bejahung eines Regelbeispiels gelangen sollte – auch Gelegenheit haben, zu prüfen, ob gegebenenfalls die Indizwirkung des Regelbeispiels für besonders schwere Fälle entkräftet wird (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 297; BGH NStZ 1982, 425). Hierzu könnte Anlass bestehen, wenn zwar ein Regelbeispiel noch zu bejahen ist, wegen der leichten Öffnungsmöglichkeit der Türe (ggf. in Verbindung mit anderen strafmildernden Gesichtspunkten) die Anwendung des erhöhten Strafrahmens nicht angemessen erscheinen lassen.
2.
a)
Im übrigen (hinsichtlich des Schuldspruchs) hat die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere ist die ihm zu Grunde liegende Beweiswürdigung rechtlich nicht zu beanstanden. Dass der Angeklagte zumindest die Spezialgarnrolle aus dem Keller des Geschädigten entwendet hat und nicht etwa zum Tatzeitpunkt mit seiner damaligen Freundin bei seiner Mutter war, ist ein – was ausreichend ist (vgl. BGH NJW 2006, 1297, 1298)– möglicher Schluss aufgrund der im Urteil mitgeteilten Beweismittel. Die Beweiswürdigung ist insoweit nicht – wie die Revision meint – deswegen lückenhaft, weil sich das Urteil nicht mit der Möglichkeit auseinandersetzt, dass der Angeklagte gegenüber C. möglicherweise nur geprahlt oder aber seinerseits nur über eine von Dritten verübte Tat berichtet und C. ihn hinsichtlich der Täterschaft falsch verstanden habe. Hierbei handelt es sich, insbesondere angesichts des Umstandes, dass ein Teil der Tatbeute beim Angeklagten gefunden wurde, um eine nicht erörterungswürdige, rein hypothetische Möglichkeit.
Auch ist – anders als die Revision meint – rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, wie er an die Spezialgarnrolle gelant ist, deswegen nicht glaubt, weil er noch nicht einmal den Namen des Bekannten, der ihm dies gegeben haben soll, nennen konnte. Insoweit musste es nicht berücksichtigen, dass insoweit als „Bekannter“ auch sein früher mitangeklagter Schwager in Betracht kommt, weil ihm gegenüber ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehen könnte. Denn der Angeklagte hat sich nicht etwa hierauf berufen und gesagt, dass er den Namen des Bekannten wegen eines Zeugnisverweigerungsrechts nicht mitteilen wolle, sondern dass er nicht wisse, von welchem Bekannten er die Garnrolle bekommen habe.
b)
Allerdings war der Tenor des angefochtenen Urteils analog § 354 Abs. 1 StPO wie geschehen zu berichtigen, da das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle als Strafzumessungsregel (ungeachtet seines etwaigen Vorliegens) nicht in die Urteilsformel – wie es das Amtsgericht getan hat – aufzunehmen ist (vgl.: Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 260 Rdn. 25). Daher hätte bereits das Landgericht eine entsprechende Klarstellung in die Urteilsformel aufnehmen müssen.
III.
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1.
Näherer Erörterung bedarf hier allein die von der Revision gerügte „Verletzung des § 251 Abs. 1 S. 1 StPO; 244 Abs. 2 StPO“.
a)
Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Andrej C., der in anderer Sache als Beschuldigter vernommen wurde, gegenüber der Polizei ausgesagt, dass der ihm nur als „X“ bekannte Angeklagte ihm von seinem Einbruch berichtet und ihm gesagt habe, „er habe dort gut herausgeholt“. Er habe die Vernehmungsbeamten sodann zum Haus des Geschädigten geführt und dieses als Tatobjekt gezeigt. Vor dem Amtsgericht habe C. hingegen gesagt, er habe dies alles nur erfunden, damit er freigelassen werde, habe gar nicht gewusst, dass in das Haus eingebrochen wurde, habe nicht gewusst, wen er mit „X“ gemeint habe und habe den Vernehmungsamten auch kein bestimmtes Haus gezeigt, sondern nur „in einen Kreis“ gezeigt. Wegen dieser Aussage in der ersten Instanz sei gegen C. ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage eingeleitet worden.
Wegen des gegen ihn anhängigen Strafverfahrens hat C. bereits vor der Berufungshauptverhandlung schriftlich erklärt, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch mache und keine Aussage vor der kleinen Strafkammer machen möchte. Das Berufungsgericht hat ihn daraufhin nicht geladen, sondern seine erstinstanzliche Aussage mit Zustimmung des Angeklagten, seines Verteidigers und des Vertreters der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung verlesen und festgestellt, dass C. nicht vereidigt worden ist. Zu seiner polizeilichen Aussage hat das Landgericht den damaligen Vernehmungsbeamten als Zeugen vernommen.
Die Revision ist der Ansicht, dass die Verlesung der amtsgerichtlichen Aussage unzulässig gewesen sei. Das Landgericht sei gehalten gewesen, den C. zu laden, da durchaus denkbar gewesen sei, dass C. seine erstinstanzliche Aussage wiederhole. Zumindest hätte das Landgericht die Verhörsperson, also den Strafrichter, als Zeugen vernehmen müssen.
b)
Die den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügende Rüge, bei der es sich der Sache nach um eine solche der Verletzung der §§ 250, 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO und § 244 Abs. 2 StPO handelt, ist unbegründet.
aa) Das Landgericht hat zu Recht die Vernehmung des Zeugen C. durch Verlesung der Niederschrift über seine richterliche Vernehmung vor dem Strafrichter nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO ersetzt, da der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte sich mit der Verlesung einverstanden erklärt haben.
Das Einverständnis der Beteiligten ist ein von den übrigen Voraussetzungen unabhängiger, selbständiger Verlesungsgrund. Wer zustimmt, kann nicht in seinen prozessualen Rechten verletzt sein (Diemer in KK-StPO 6. Aufl. § 251 Rdn. 12).
Zwar wird nach älterer höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Verlesung auch mit Zustimmung aller Beteiligten nicht für zulässig erachtet, wenn kein Fall der „Ersetzung“ vorliegt. Danach setzt die Verlesung von richterlichen Niederschriften voraus, dass die Person, deren Aussage in der Hauptverhandlung verlesen wird, in dieser Hauptverhandlung nicht vernommen worden ist; hingegen soll die Verlesung unzulässig sein, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung erschienen ist (BGH NStZ 1996, 96 m.w.N.; BGH NStZ 1982, 342; BGH NJW 1956, 1528). Allerdings hat der Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung selbst Zweifel geäußert, ob hieran noch festzuhalten ist. Die Auslegung, nach der ein Ersetzen einer Zeugenaussage dann nicht vorliege, wenn sich der Zeuge in der Hauptverhandlung lediglich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen und nicht zur Sache ausgesagt hat, sei vom Gesetzeswortlaut nicht zwingend und in der Sache nicht gefordert (BGH NJW 2002, 309). Der Senat, der der zuletzt geschilderten Ansicht zuneigt, braucht letztlich nicht zu entscheiden, welcher der beiden Meinungen zu folgen ist. Auch nach der erstgenannten Ansicht wäre hier die Verlesung zulässig gewesen, da der Zeuge in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht nicht erschienen ist, also ein Fall der Ersetzung tatsächlich gegeben war.
bb) Auch die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge hat keinen Erfolg.
Es ist nicht ersichtlich, warum sich das Landgericht hätte gedrängt sehen müssen, den Zeugen C. trotz seiner Erklärung, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen werde, zu laden und zu versuchen, ihn zu vernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass er sich trotz seiner Erklärung nachträglich noch umentschieden und doch eine Aussage zur Sache gemacht hätte, sind nicht vorgetragen. Darüber hinaus weist die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht darauf hin, dass der Zeuge, der außerhalb der Hauptverhandlung gegenüber dem Gericht – wie hier – eindeutig und endgültig erklärt, er wolle nicht aussagen, nicht mehr geladen werden muss (BGH NStZ 1986, 181; vgl. auch BGH NStZ 2001, 48 m.w.N.; Rogall in SK-StPO – Stand Juli 2003 – § 55 Rdn. 46).
Auch ist nicht ersichtlich, warum sich das Gericht unter Aufklärungsgerichtspunkten hätte gedrängt sehen müssen, den Amtsrichter als Zeugen zu vernehmen. Der Inhalt einer Aussage lässt sich häufig am Zuverlässigsten durch das Protokoll feststellen, so dass es der in § 250 StPO zum Ausdruck gebrachte Gedanke bestmöglicher Sachaufklärung sogar gebieten kann, das Protokoll zu verlesen (BGH NJW 2002, 309; Diemer in KK-StPO a.a.O.). Warum hier ein Mehr an Erkenntnissen durch die Vernehmung des Amtsrichters hätte erlangt werden können, wird von der Revision nicht aufgezeigt.
2.
Im Übrigen schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 05.01.2009 nach eigener Prüfung an.




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