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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 515/08 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Ein Haftfortdauerbeschluss nach § 268b StPO bedarf der Begründung, aus der hervorgeht, welcher Taten der Angeklagte dringend verdächtig ist und worauf die richterliche Überzeugungsbildung beruht. Der bloße Verweis auf einen früheren Haftbefehl reicht regelmäßig nicht. Das gilt um so mehr, wenn die Verurteilung deutlich von den Vorwürfen des ursprünglichen Haftbefehls abweicht.
2. Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht, kann im Beschwerdeverfahren regelmäßig nur zur Aufhebung des für die Haft nicht konstitutiv wirkenden Haftfortdauerbeschlusses führen, wenn das Beschwerdegericht an einer eigenen Sachentscheidung mangels hinreichender Tatsachengrundlagen gehindert ist. Er führt regelmäßig nicht auch zu einer Aufhebung des früheren Haftbefehls.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Haftfortdauerbeschluss; Anforderungen; Begründung

Normen: StPO 268b; StPO 114

Beschluss:

Strafsache
In pp.
Der Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Bielefeld vom 07.11.2008 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Haftfortdauer (§ 268b StPO) und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an die II. große Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der mehrfach – auch einschlägig – vorbestrafte Beschwerdeführer ist aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 02.01.2008 (9 Gs 2/08) am 29.01.2008 vorläufig festgenommen worden. Der Haftbefehl wurde ihm noch am gleichen Tage bekannt gegeben. Er befindet sich seit dem – mit einer Unterbrechung zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Tagen – ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Mit dem Haftbefehl wurden ihm vier Taten der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2; 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, 52, 53 StGB). Ihm wurde darin vorgeworfen, (1) Anfang Mai 2007 den gesondert verfolgten I beauftragt zu haben, für ihn an einem näher bezeichneten Übernahmeort 500 gr Marihuana aus den Niederlanden nach C. zu bringen, was dieser auch tat, sodann (2) und (3) „in der Folgezeit“ (vor dem 15.06.2007) 2 weitere gleichgelagerte Taten begangen zu haben und schließlich (4) am 15.06.2007 I zum Transport von 309,6 gr Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 16,5 % aus den Niederlanden nach C. veranlasst zu haben, wobei I diesen Transport durchführte und hierbei in Deutschland auffiel. Sämtliche Betäubungsmittelmengen waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Beschwerdeführer bestimmt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Haftbefehl verwiesen.
Nach Durchführung weiterer Ermittlungen, insbesondere Vernehmungen von Zeugen, hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld am 14.04.2008 gegen den Beschwerdeführer Anklage erhoben wegen 365 Taten des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wegen der vier oben genannten Taten, die Grundlage des Haftbefehls waren, sowie wegen drei Taten des gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die ersten 365 Taten beziehen sich jeweils auf Verkäufe von ca. 0,8 gr Marihuana in der Zeit vom 03.11.2005 bis zum 03.11.2006. Die letzten Anklagepunkte beziehen sich auf Taten im Juli/August 2007 bzw. unmittelbar vor dem 05.12.2007 und zwar zweimal auf Handeltreiben mit 1 500 Gramm Marihuana und einmal mit rund 3 400 gr Marihuana. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anklageschrift verwiesen.
Die Anklage hat die Strafkammer mit Beschluss vom 21.05.2008 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. In dem Beschluss heißt es weiter:
„III.
Unter Anordnung der Fortdauer der Haft aus den Gründen ihrer Anordnung wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 02.01.2008 (9 Gs 2/08 ) entsprechend dem Wortlaut der Anklageschrift vom 14.04.2008 neu gefasst.“
In der Hauptverhandlung vom 07.11.2008 erteilte das Gericht ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls folgende rechtliche Hinweise:
„1)
In den Fällen 1 – 365 der Anklage kommt auch eine Bestrafung wegen unerlaubten Erwerbs und unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln in Betracht (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. BtMG).
2)
In den Fällen 366-369 kommt auch eine Bestrafung wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Betracht (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG).“
Sodann wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung hinsichtlich der soeben genannten Fälle in dem genannten Umfang gem. § 154a Abs. 2 StPO beschränkt.
Auf Antrag des Staatsanwalts erging dann folgender Kammerbeschluss:
„Das Verfahren wird hinsichtlich der Anklagevorwürfe 1 – 365 insoweit eingestellt, als mehr als 180 Fälle des unerlaubten Erwerbs und der unerlaubten Veräußerung von Betäubungsmitteln in Rede stehen (§ 154 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO).
Ferner wird das Verfahren hinsichtlich der Fälle 366 – 369 der Anklage insoweit eingestellt, als mehr als 2 Fälle der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln vorzuwerfen sind. Das Verfahren wird hinsichtlich der Fälle 370 – 372 der Anklage gem. § 154 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO eingestellt.“
Nach zwölftägiger Hauptverhandlung ist der Beschwerdeführer am 07.11.2008 wie folgt verurteilt worden:
„Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 90 Fällen, wegen unerlaubten Veräußerns von Betäubungsmitteln in 90 Fällen und wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 21.05.2007 (10 Ds 71 Js 1002/06 – 182/07) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Der Angeklagte wird ferner wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 22.01.2008 (10 Ds 71 Js 847/07 – 1125/07) zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Die Unterbringung des Angeklagten in eine Entziehungsanstalt wird angeordnet.“
Gleichzeitig hat die Strafkammer folgenden Beschluss verkündet:
„Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 02.01.2008 (9 Gs 2/08 ) bleibt aufrecht erhalten und aus den Gründen seines Erlasses in Vollzug.“
Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte am 24.11.2008 Beschwerde erhoben. Der Beschwerde hat die Strafkammer mit Beschluss vom 28.11.2008 nicht abgeholfen, weil der Haftgrund der Fluchtgefahr weiter vorliege und die Haftfortdauer auch nicht unverhältnismäßig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Nichtabhilfebeschluss verwiesen.
Das vollständig abgefasste Urteil liegt derzeit noch nicht vor.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat einen – vorläufigen – Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Haftentscheidung und zur Zurückverweisung zwecks erneuter Prüfung der Haftfortdauer durch das Landgericht.
1.
Soweit die Aufrechterhaltung des Haftbefehls wegen der vier Taten der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfolgt ist, kann dies schon nicht richtig sein, da zwei dieser Taten nach § 154 StPO von der Verfolgung ausgenommen wurden und die Anordnung und der Vollzug von Untersuchungshaft wegen solcher Taten, die wegen eines Verfahrenshindernisses nicht mehr zur Aburteilung gelangen, schlechthin unverhältnismäßig ist bzw. gar der dringende Tatverdacht zu verneinen wäre (vgl.: Hilger in LR-StPO 26. Aufl. § 112 Rdn. 14 m.w.N.).
2.
Entscheidend ist allerdings, dass die angefochtene Entscheidung – auch unter Berücksichtigung des Nichtabhilfebeschlusses – im Übrigen nicht den Anforderungen genügt, die an eine Haftentscheidung während laufender Hauptverhandlung bzw. nach erfolgter Aburteilung zu stellen sind.
a) In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es für die hiesige Entscheidung dahin stehen kann, ob bereits die „Anpassung“ des Haftbefehls im Eröffnungsbeschluss rechtsfehlerhaft war (vgl. §§ 114, 114a, 115 StPO; OLG Hamburg NStZ-RR 2003, 346; OLG Hamm Beschl.v. 14.11.2007 – 2 Ws 342/07 ), da jedenfalls die angegriffene Haftbescheidung (der Haftfortdauerbeschluss gem. § 268b StPO) sich zur Begründung allein auf den Ursprungshaftbefehl stützt.
b) Nach § 114 Abs. 2 Nr. 2 und 4 StPO sind im Haftbefehl (u.a.) die Taten, derer der Angeklagte dringend verdächtig ist, sowie die den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen anzuführen. Auch der Haftfortdauerbeschluss bedarf grundsätzlich einer Begründung nach § 34 StPO (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 268b Rdn. 3). Ob bzw. inwieweit der dringende Tatverdacht darzulegen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Der Umstand der Verurteilung ist regelmäßig schon ein wichtiges Indiz für sein Vorliegen, so dass es regelmäßig (und so lange das vollständig abgefasste Urteil noch nicht vorliegt) ausreicht, wenn die Grundzüge der Überzeugungsbildung in dem Beschluss dargelegt werden, so dass dem Beschwerdegericht eine Überprüfung ermöglicht wird ( BGH NStZ 2006, 297; Senat NStZ 2008, 649; OLG Rostock Beschl.v. 28.01.2004 – I Ws 20/04 = BeckRS 2005, 09620; ThürOLG StV 2005, 559). Eine solche Begründung ist um so notwendiger, wenn die Verurteilung – wie hier – erheblich von den Vorwürfen des Haftbefehls abweicht ( ThürOLG Beschl.v. 04.09.2006 – 1 Ws 304/06 = BeckRS 2007, 05413).
Dem wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Sie selbst enthält keinerlei Begründung. Auch über einen Verweis auf den Ursprungshaftbefehl „aus den Gründen seines Erlasses“) wird keine hinreichende Begründung in sie inkorporiert. Das ergibt sich hier schon daraus, dass der Haftbefehl sich auf den Vorwurf der vierfachen täterschaftlichen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stützt. Diese Taten finden sich in dem Tenor des Urteils vom 07.11.2008 so nicht wieder. Es lässt sich anhand des Hauptverhandlungsprotokolls nachvollziehen, dass diese Taten rechtlich nur noch als Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln (in nicht nicht geringer Menge) gewertet wurden und zwei dieser Taten zur Aburteilung gelangt sind, sie im Übrigen nach § 154 StPO vorläufig eingestellt wurden. Das ergibt sich aus den Hinweis- und Einstellungsbeschlüssen sowie dem Urteilstenor. Offenbar – darauf deutet jedenfalls der protokollierte Antrag der Staatsanwaltschaft hin – ging es nur noch um (Brutto-) Mengen von 15 bzw. 25 Gramm. Welche konkreten Taten des Haftbefehls eingestellt und welche zur Aburteilung gelangt sind, kann der Senat allerdings anhand des Akteninhalts schon nicht feststellen, da die Einstellungsbeschlüsse insoweit zu unbestimmt gefasst sind und sich aus dem Tenor des Urteils hierfür naturgemäß nichts ergibt. Anhand der im Tenor vorgenommenen Ausurteilung von zwei Strafen und die von der Strafkammer angenommene Zäsurwirkung des Urteils vom 21.05.2007 lässt sich auch nicht zweifelsfrei feststellen, um welche (auch im Haftbefehl enthaltenen) Taten es sich bei den abgeurteilten handelt. Dies ist auch unter Hinzuziehung der Aussage des gesondert verfolgten I vom 15.06.2007 (ungeachtet der Problematik, dass der Senat davon ausgehen muss, dass er seine Aussage jedenfalls nicht uneingeschränkt in der Hauptverhandlung wiederholt hat), dass er die (Haftbefehls-) Tat Nr. 1 Anfang Mai 2007, die Taten Nr. 2 und 3 etwas später im Wochenrhythmus und die Tat Nr. 4 definitiv am 15.06.2007 begangen hat, nicht möglich.
Hinzu kommt, dass die Strafkammer ihre Begründungsverweisung auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 02.01.2008 durch die andersartige Aburteilung bzw. Nichtaburteilung der ihm zu Grunde liegenden Taten in dem am 07.11.2008 verkündeten Urteil selbst entkräftet. Das, was der gesondert verfolgte I zur Begründung des Haftbefehls ausgesagt hat, hat er offenbar in der Hauptverhandlung so nicht mehr wiederholt, denn anders wäre die völlig andersartige Aburteilung von nur zwei der vier Haftbefehlstaten nicht erklärbar. Also kann sich der dringende Tatverdacht gerade nicht mehr aus der im Haftbefehl genannten Aussage des gesondert verfolgten I ergeben. Woraus sich der stark veränderte Tatverdacht (nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Betäubungsmittelmenge, andersartige Beteiligungsform) ergibt, wird für den Senat weder aus dem angefochtenen Beschluss, noch aus dem Protokoll der Hauptverhandlung noch aus dem übrigen Akteninhalt erkennbar.
Die grundsätzlich dem Senat als Beschwerdegericht mögliche Anpassung und Neufassung des Haftbefehls ist hier nicht durchführbar. Denn der Senat kann den Haftbefehl auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnisse auch nicht auf die übrigen der Verurteilung zu Grunde liegenden Taten stützen. Auch diese sind im Vergleich zur Anklage und zum Eröffnungsbeschluss rechtlich anders bewertet worden, und es kann anhand des Hauptverhandlungsprotokolls nicht bewertet werden, ob dies auf einem im Vergleich zum Ermittlungsverfahren veränderten Beweisergebnis beruht und welches dieses war.
3.
a) Das Fehlen der Darstellung der Taten, wegen der noch ein dringender Tatverdacht bejaht wird, und das Fehlen seiner Begründung muss daher zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen. Der Verfahrensmangel zieht jedoch nicht die Aufhebung des Haftbefehls nach sich. Ein Verstoß gegen Begründungspflichten in einem Haftfortdauerbeschluss genügt hierfür grundsätzlich nicht ( ThürOLG StV 2005, 559, 560; ThürOLG Beschl.v. 04.09.2006 – 1 Ws 304/06 = BeckRS 2007, 05413).
Der Haftbefehl war auch vom Beschwerdegericht nicht aufzuheben, etwa weil schon jetzt erkennbar wäre, dass ein dringender Tatverdacht oder ein Haftgrund eindeutig fehlt oder die Verhältnismäßigkeit eindeutig zu verneinen wäre.
aa) Der Umstand, dass der Angeklagte verurteilt wurde – wenn auch anders als ursprünglich vorgeworfen – ist ein Indiz, dass der dringende Tatverdacht jedenfalls im Umfang der Verurteilung besteht.
bb) Angesichts der Verurteilung zu Freiheitsstrafen von insgesamt 2 Jahren und 9 Monaten und der angeordneten Unterbringung nach § 64 StGB, der in den Niederlanden lebenden Freundin bzw. Ehefrau des Angeklagten (ausweislich seiner eigenen Angaben im Ermittlungsverfahren hat der Angeklagte eine iranische Ehefrau, die mit einem gemeinsamen Kind in den Niederlanden lebt; im Nichtabhilfebeschluss der Strafkammer ist hingegen von einer in den Niederlanden lebenden Freundin die Rede) und seiner bisherigen Verstöße gegen den ausländerrechtlich zugewiesenen räumlichen Aufenthaltsbereich (er hat zuletzt – ausweislich des Urteils des Amtsgerichts Bielefeld vom 21.05.2007, 10 Ds 71 Js 1002/06 182/07 – trotz seiner Aufenthaltsbeschränkung als bestandskräftig ausgewiesener Asylbewerber, der nur aus humanitären Gründen geduldet ist, die Bundesrepublik verlassen und ist aus den Niederlanden erneut eingereist, obwohl er wusste, dass seine Duldung mit der Ausreise erloschen war) ist Fluchtgefahr gegeben.
cc) Die Untersuchungshaft, die nun schon knapp ein Jahr vollzogen wird, ist angesichts der erheblichen Verurteilung auch noch nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass einige Hauptverhandlungstermine nur wenige Minuten andauerten. Das wurde jedoch jedenfalls dadurch kompensiert, dass in dieser Zeit – überobligationsmäßig – nahezu täglich verhandelt wurde.
b) Der Senat hat im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot davon abgesehen, die schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten oder eine ergänzende Stellungnahme der Strafkammer zur Beweiswürdigung und zur Konkretisierung der abgeurteilten Taten einzuholen (vgl. dazu OLG Karlsruhe Beschl.v. 26.09.2000 – 3 Ws 196/00 – juris), um sodann ggf. eine eigene Entscheidung in der Sache zu treffen. Die Urteilsabsetzungsfrist beträgt hier 9 Wochen ab dem Tag der Urteilsverkündung und dauert daher noch einige Zeit an. Schriftliche Urteilsgründe sind bisher nicht zu den dem Senat vorgelegten Akten gelangt. Dazu kommt, dass auch bei Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe voraussichtlich nicht alle Zweifelsfragen, wie z.B. die Frage, ob angesichts der unbestimmten Fassung der Einstellung nach § 154 StPO möglicherweise eingestellte Taten abgeurteilt wurden, geklärt werden könnten.
4.
Der Haftfortdauerbeschluss ist nicht konstitutiv für die Fortdauer der Untersuchungshaft, so dass nicht allein wegen seiner Aufhebung der Angeklagte auf freien Fuß zu setzen gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 268b Rdn. 4; Pfeiffer StPO 5. Aufl. § 268b Rdn. 2). Vielmehr wird nunmehr die Strafkammer zeitnah erneut über die Haftfortdauer in ordnungsgemäßer Weise zu befinden haben (vgl. dazu ThürOLG StV 2005, 559, 561; ThürOLG Beschl.v. 04.09.2006 – 1 Ws 304/06 = BeckRS 2007, 05413).
III.
Da der Beschwerdeführer nicht allein die Aufhebung des Haftfortdauerbeschlusses begehrt, sondern auch die Aufhebung, hilfsweise die Außervollzugsetzung des Haftbefehls, der Senat aber – wie dargelegt – an einer abschließenden Entscheidung über dieses Begehren gehindert war, war die Kostenentscheidung der Strafkammer vorzubehalten.




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