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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 262/08 OLG Hamm

Leitsatz: Um den Beweiswert der Aussage eines Zeugen zum Wiedererkennen nach einer Wahllichtbildvorlage durch das Revisionsgericht sachgerecht würdigen zu können, ist es erforderlich, nähere Feststellungen zu Inhalt und Qualität der Wahllichtbildvorlage zu treffen, insbesondere auch dazu, ob sie den Anforderungen der Ziffer 18 RiStBV genügte.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Wiedererkennen; Wahllichtbildvorlage; Anforderungen; Urteilsgründe;

Normen: StPO 261

Beschluss:

Strafsache
gegen K.J.
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsge-richts Bochum vom 12. Februar 2008 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 07. 2008 durch den Vorsitzenden den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandes-gericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Ge-neralstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufge-hoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kos-ten des Revisionsverfahrens – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bo-chum zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - hat gegen den Angeklagten wegen räu-berischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpres-sung und versuchter Körperverletzung (§§ 223, 249, 253, 255, 316a Abs. 1, 22, 23, 52 StGB, 1, 3 JGG) einen Dauerarrest von zwei Wochen verhängt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte zunächst Rechtsmittel eingelegt und dann – nach Urteilszustel-lung am 01. April 2008 – mit am 02. Mai 2008 eingegangenem Schriftsatz vom sel-ben Tage erklärt, dass das Rechtsmittel als Revision geführt werden soll. Die Gene-ralstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache vorläufig Erfolg. Die tatrich-terliche Beweiswürdigung ist lückenhaft.

Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des schweigenden An-geklagten u.a. wie folgt begründet:

„Das Gericht folgt der glaubhaften Aussage des Zeugen R.. Dieser hat den An-geklagten bei einer Wahlbildvorlage zu 70 – 80 % wiedererkannt und ihn auch von der Person her zutreffend beschrieben.

Er habe das Gesicht des Angeklagten trotz der Dunkelheit kurz gesehen, als dieser unter der Laterne hervortrat, um um das Auto herumzugehen. Die Aus-sage ist deshalb glaubhaft, weil der Zeuge R. den Angeklagten auf einem Licht-bild wiedererkannte, obwohl ihm dieser zuvor nicht als Verdächtiger von der Polizei vorgeführt worden war, er diesen also allein aufgrund seiner Erinnerung identifizieren konnte.“

Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass dies den oberge-richtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung im Fall einer Lichtbildvorlage und des (wiederholten) Wiedererkennens nicht genügt. Nach den tatrichterlichen Ausfüh-rungen kam der Wiedererkennung des Angeklagten durch den Zeugen R. im Rah-men der durch die Polizei durchgeführten Lichtbildvorlage maßgebende Bedeutung für die Überführung des Angeklagten als Täter der ihm zur Last gelegten Tat zu. Bei dieser Sachlage hätte die Beweiswürdigung des Tatrichters aber eine für das Revisi-onsgericht nachprüfbare Erörterung der subjektiven Gewissheit des Zeugen R. beim Wiedererkennen des Angeklagten anlässlich der Bildvorlage enthalten müssen. Dies gilt hier umso mehr, als der Zeuge den ihm vorher unbekannten Täter während der Tathandlung nur kurze Zeit, als er um das Taxi herumging, in einer spontanen Situa-tion im Rahmen des sich entwickelnden Angriffs auf den Zeugen beobachten konnte. In einem solchen Fall darf sich der Tatrichter aber nicht ohne weiteres auf die Ge-wissheit des Zeugen beim ersten Wiedererkennen verlassen, sondern muss anhand objektiver Kriterien nachprüfen, welche Qualität eine solche Aussage im Ermittlungs-verfahren hatte (vgl. der von der Generalstaatsanwaltschaft angeführte Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 29. November 2004 in 3 Ss 467/04 unter Hinweis auf OLG Frankfurt a.M., NStZ 1988, 41; OLG Koblenz, NStZ-RR 2001, 110; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2001, 109, 110; siehe auch die weiteren Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 4. Aufl., 2006, Rn. 871 und Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, Rn. 512 ff.).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Zwar wird mitgeteilt, dass der Zeuge R. im Rahmen der Wahllichtbildvorlage bei der Polizei den Ange-klagten zu „70 – 80 wiedererkannt“ habe. Um den Beweiswert dieser Aussage sach-gerecht würdigen zu können, wäre es aber erforderlich gewesen, nähere Feststel-lungen zu Inhalt und Qualität der Wahllichtbildvorlage zu treffen, insbesondere auch dazu, ob sie den Anforderungen der Ziffer 18 RiStBV genügte. Im Einzelnen hätte der Tatrichter Feststellungen dazu treffen müssen, wie das Lichtbild des Angeklagten beschaffen und ob es überhaupt zu dessen Identifizierung geeignet war, ferner dazu, wie sich das Erscheinungsbild des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung darstellt. Weiter wären Feststellungen dazu zu treffen gewesen, welche Personen auf den anderen Lichtbildern der Wahllichtbildvorlage abgebildet waren, insbesonde-re ob es sich um Personen gleichen Geschlechts, ähnlichen Alters und ähnlicher Er-scheinung verglichen mit dem Angeklagten handelte und ob aus der Form der Wahl-lichtbildvorlage auch nicht erkennbar war, welches der Lichtbilder den Beschuldigten darstellte (vgl. Ziffer 18 RiStBV) (vgl. hierzu OLG Koblenz NStZ-RR 2001, 110, 111; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 109, 110; OLG Frankfurt NStZ 1988, 41, 42; OLG Zweibrücken, a.a.O.). Insbesondere kann insoweit von Bedeutung sein, ob die ver-wendeten Lichtbilder die gesamte Statur der jeweiligen Person oder nur ein Portrait zeigten (OLG Zweibrücken, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.). Darüber hinaus kommen Feststellungen dazu in Betracht, welche Einzelheiten der Täterphysiognomie sich der Zeuge R. anlässlich des Tatgeschehens eingeprägt hat und aufgrund welcher kon-kreten Übereinstimmung er in der Lage war, das Lichtbild des Angeklagten im Rah-men der Lichtbildvorlage als das des Täters zu identifizieren. Mit ggf. festgestellten Mängeln des Vorlageverfahrens und der hierdurch bedingten Beeinträchtigung des Beweiswerts der Täteridentifizierung muss sich zudem das tatrichterliche Urteil aus-einandersetzen, wobei unter Verwendung etwaiger zusätzlicher Beweisanzeichen alle gleich naheliegenden Deutungsmöglichkeiten für und gegen den Angeklagten zu erörtern sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Auch muss der Tatrichter mitteilen, ob der Zeuge den Angeklagten in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat und sich ande-renfalls damit auseinandersetzen, aus welchen Gründen der Zeuge den Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht mehr wiedererkannt hat, insbesondere, ob der Ange-klagte sein äußeres Erscheinungsbild inzwischen verändert hat, und zwar in Bezug einmal auf das bei der Wahllichtbildvorlage verwendete Lichtbild, dann auf sein Aus-sehen am Tattage und schließlich in Bezug auf sein äußeres Erscheinungsbild im Rahmen der Hauptverhandlung (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.).

Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung allerdings darauf hin, dass der nun entscheidende Tatrichter nicht gehindert ist, die bereits im angefochtenen Urteil ge-gen den Angeklagten verwendeten Indizien, die teilweise erhebliches Gewicht ha-ben, erneut zu verwenden und in seine Beweiswürdigung mit einzubeziehen.



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