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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 60/08 OLG Hamm

Leitsatz: Eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung setzt nicht voraus, dass die Behandlung des Opfers durch den Täter das Leben des Opfers konkret gefährdet hat. Ausreichend ist vielmehr, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls generell hierzu geeignet ist. In diesem Zusam-menhang kann auch ein wuchtig gegen den Kopf des Verletzten geführter Kopfstoß lebensgefährlich sein.

Die Milderung des Strafrahmens steht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB in pflichtgemäßem Ermessen des Tatrichters und ist keinesfalls obligatorisch. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen, wobei die Versagung einer Strafmilderung insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Täter die Begehung von Straftaten in einem selbst zu verantwortenden (Alkohol-)-Rausch vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: gefährliche Körperverletzung; Kopfstoß; minderer schwerer Fall; Strafmilderung; Alkoholisierung;

Normen: StGB 224; StGB 249; StGB 49; StGB 21;

Beschluss:

Strafsache
gegen A.F.
wegen versuchten Raubes

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 05. September 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 06. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Die Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Angeklagten zur Last (§ 473 Abs. 1 StPO).


Gründe:
Gegen den Angeklagten ist durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom 05. September 2007 wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und acht Monaten verhängt worden.
Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die - näher begründete - Sachrüge gestützte (Sprung-)Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

1. Der Schuldspruch enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Die Feststellungen tragen seine Verurteilung wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu Folgendes ausgeführt:

„Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, dass der Angeklagte sich anlässlich der versuchten Wegnahme der Bierflasche eines in § 249 Abs. 1 StGB benannten Nötigungsmittels nicht bedient, insbesondere keine Gewalt gegen eine Person angewandt haben soll, verkennt sie, dass die durch den Angeklagten anlässlich des Wegnahmeversuchs gegen den Widerstand des Geschädigten W. initiierte Rangelei und der damit gegen den Geschädig-ten ausgeübte körperliche Zwang ausreichend ist, um von der Ausübung von Gewalt gegen eine Person ausgehen zu können. Ausreichend ist hier jede auch mittelbar gegen den Körper gerichtete Gewalt, wenn diese vom Opfer als körperlicher Zwang empfunden werden, ohne dass die körperlichen Auswir-kungen der Krafteinwirkung für sich gesehen erheblich sein müssen (Fischer, StGB, 55. Aufl., § 249 Rdnr. 4) oder die Gewaltanwendung gar so intensiv sein muss, dass zugleich der Tatbestand der Körperverletzung als erfüllt anzusehen wäre (BGH, Beschluss vom 13.03.2002 – 1 StR 47/02 -, abgedruckt in NStZ 2003, 89).

Auch soweit die Revision geltend macht, dass die durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht zu begründen vermögen, greift die Rüge nicht durch.
Eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung setzt nicht voraus, dass die Behandlung des Opfers durch den Täter das Leben des Opfers konkret gefährdet hat. Ausreichend ist vielmehr, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls generell hierzu geeignet ist (Fischer, a.a.O., § 224 Rdnr. 12 m.w.N.). In diesem Zusam-menhang kann auch ein wuchtig gegen den Kopf des Verletzten geführter Kopfstoß lebensgefährlich sein, insbesondere wenn er so heftig geführt wird, dass es zu einem Schädelbruch oder zu Gehirnblutungen kommen kann (OLG Düsseldorf, JZ 1995, 908). Zwar hat der Tatrichter in diesem Fall Feststel-lungen dazu zu treffen, dass der Kopfstoß im Hinblick auf die Wucht und die genaue Art der eingetretenen Verletzungen von einer entsprechenden Gefährlichkeit gewesen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2006 – 3 Ss 549/06). Diesen Anforderungen werden die durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen, die den Kopfstoß des Angeklagten als mit der Stirn heftig gegen das Gesicht des Zeugen gestoßen und dessen Nase treffend beschreiben, noch gerecht. Auch wenn ausweislich der Feststellungen eine Fraktur des Nasenbeins nicht eintrat und sich die Verletzungsfolgen auf Nasenbluten bei dem Geschädigten beschränken, ergibt sich aus den ge-troffenen Feststellungen noch in ausreichender Weise, dass die Behandlung des Geschädigten durch den Angeklagten generell dazu geeignet war, auch lebensgefährliche Verletzungen bei dem Geschädigten hervorzurufen. Darauf, dass die konkret eingetretene Verletzung im Ergebnis nicht lebens-gefährlich war und sich die mit dem Kopfstoß gegen das Gesicht verbundene Gefahr für den Geschädigten nicht realisiert hat, kommt es im Ergebnis nicht an (Fischer, a.a.O., m.w.N.). Soweit die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.12.2006 – 3 Ss 549/06 – abweichend hierzu auch darauf abzustellen scheint, dass sich die Gefährlichkeit der Handlung auch in dem eingetretenen Verletzungserfolg niedergeschlagen haben müsse und dementsprechend ein Kopfstoß, der die Nase nur im unteren Bereich des Nasenbeins trifft, den Tatbestand nicht erfüllen soll, wird dies auch in Anbetracht des Umstandes, dass das Ausmaß der konkreten Verletzungen ungeachtet der Gefährlichkeit der Handlung an sich in einer Vielzahl der Fälle auch von Zufälligkeiten bestimmt sein dürfte, dem Normcharakter als Eignungsdelikt (Fischer, a.a.O., Rdnr. 12) nicht ohne weiteres gerecht.

Soweit ein Rechtsfehler darin gesehen werden könnte, dass das Amtsgericht in dem Bruch der Bierflasche keine Zäsur gesehen und den Angeklagten wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt hat, würde dies den Angeklagten nicht beschweren.“

2. Zum Rechtsfolgenausspruch des amtsgerichtlichen Urteils hat die Generalstaats-anwaltschaft in ihrer Stellungnahme weiter ausgeführt:

„Auch der Rechtsfolgenausspruch lässt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen.
Das Amtsgericht hat die erforderlichen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, insbesondere zu seinen zahlreichen Vor-strafen getroffen. In diesem Zusammenhang greift die Rüge, die Urteilsgründe verhielten sich nicht zu dem aktuellen Vollstreckungsstand der bzgl. gegen den Angeklagten verhängten Geldstrafen, nicht durch. Vielmehr ist auf die Einzelheiten der Vorstrafen nur einzugehen, soweit dies für die getroffene Entscheidung von Bedeutung ist (Schönke-Schröder-Stree, StGB, 27. Aufl. 2006, § 46 Rdnr. 65). Da eine Gesamtstrafenfähigkeit der nunmehr abzu-urteilenden Tat vom 04.07.2007 mit den zuvor gegen den Angeklagten ver-hängten Geldstrafen erkennbar nicht gegeben ist, bedurfte es daher einer näheren Darlegung des Vollstreckungsstandes in den aufgrund der vorge-nannten Verurteilungen anhängig gewordenen Strafvoll-streckungsverfahren nicht.

Das Amtsgericht hat ferner das Vorliegen eines minder schweren Falles gem. § 249 Abs. 2 StGB rechtsfehlerfrei verneint und in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass bereits die zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten sowie die anlässlich der Tatbegehung durch den Angeklagten begangene gefährliche Körperverletzung erschwerende Umstände darstellen, die in der Gesamtbetrachtung einem die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht angezeigt erscheinen lassenden Überwiegen der strafmildernden Umstände entgegenstehen.

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Amtsgericht es bei der Milderung des Regelstrafrahmens wegen Versuchs gem. der §§ 23 Abs.2, 49 Abs. 1 StGB belassen und ungeachtet der festgestellten verminderten Steuerungs-möglichkeit des Angeklagten von einer weiteren Strafmilderung gem. der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht hat.
Die Milderung des Strafrahmens steht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB in pflichtgemäßem Ermessen des Tatrichters und ist keinesfalls obligatorisch (Fischer, a.a.O., § 21, Rdnr. 18 und 20). Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen, wobei die Versagung einer Strafmilderung insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Täter die Begehung von Straftaten in einem selbst zu verantwortenden (Alkohol-)-Rausch vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können (Fischer, a.a.O., Rdnr. 25 m.w.N.), wobei die jüngste Rechtsprechung hierüber hinausgehend die Versagung der Strafrahmenverschiebung bei einer selbst zu verantwortenden Trunkenheit des Täters unanhängig von auf die Begehung von Straftaten bezogenen Erfahrungen des Täters für zulässig erachtet, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände der Vorhersehbarkeit der Begehung von Straftaten entgegen stünden (BGH NStZ 2003, 480; BGH NJW 2004, 3350; BGH StV 2006, 465).

Auch die sonstigen Strafzumessungserwägungen sind nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht eine Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt hat.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Insbesondere hat das Amtsgericht vorliegend zu Recht bei dem Angeklagten keine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.
Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs.1 StGB ent-scheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen auf Grund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Beruht die erhebliche Ver-minderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich auf Grund der persön-lichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen. Seine Ent-scheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung und ist regelmäßig hinzunehmen, sofern die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind.
An die Überzeugungsbildung des Tatrichters dürfen dabei aber keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden, da die verheerenden Wirkungen übermäßigen Alkoholgebrauchs allgemein bekannt sind.
In diesem Zusammenhang muss es auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Trunkenheit als solche vorwerfbar ist oder nicht, da auch letzterenfalls andere schulderhöhende Momente die Versagung der Strafmilderung rechtfertigen können. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Um-stände ist es deshalb nicht ohne weiteres ausgeschlossen, auch einem alkohol-abhängigen Täter zwar nicht die Alkoholisierung als solche, aber – bei insoweit noch vorhandener Hemmungsfähigkeit – als schulderhöhend vorzuwerfen, dass er sich bewusst in eine gewaltträchtige Situation begeben hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass er sich dort infolge seiner Beherrschung durch den Alkohol nur eingeschränkt werde steuern können. Je eher ein alkoholabhängiger Täter von den infolge seines Zustands von ihm ausgehenden Gefahren für andere weiß – etwa aufgrund früherer unter Alkoholeinfluss begangener Straftaten – und je schwerwiegender die Straftaten sind, mit deren Begehung er rechnet oder rechnen muss, desto weniger wird eine Strafmilderung in Betracht kommen, wenn er sich dessen ungeachtet in eine gewaltträchtige Situation begeben hat und ihm dies vorzuwerfen ist (vgl. hierzu BGH, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29).

Der Angeklagte bezeichnet sich vorliegend selbst als Alkoholiker. Er ist mehrfach vorbestraft, darunter auch einschlägig wegen schweren Raubes. Das Landgericht Bochum hatte ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und außerdem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Am Tattag war der Angeklagte wiederum stark alkoholisiert; die ihm um 19.20 Uhr (Tatzeit war 17.40 Uhr) entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,85 %o zur Zeit der Blutentnahme.
Die Trunkenheit des Angeklagten war keineswegs unverschuldet. Zudem ist ihm - wie die einschlägigen Vorstrafen belegen - hinreichend bekannt, dass er unter Alkoholeinfluss zu Gewalttätigkeiten neigt. Trotz dieses Bewusstseins hat er sich auf dem Bahnsteig an eine Gruppe junger Männer gewandt, die alkoholische Getränke mit sich führte und es kam zu der dem Angeklagten vorzuwerfenden Rangelei um eine Flasche Bier. Bei einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände ist es nach alledem nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter vorliegend eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB verneint hat.




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