Aktenzeichen: 3 Ss OWi 852/05 OLG Hamm |
Leitsatz: Die Annahme eines drohenden Verlustes der wirtschaftlichen Existenzgrundlage in¬folge eines Fahrverbotes ist erst gerechtfertigt, wenn die ernsthafte Gefahr des Ein¬tritts dieser Folge auch für den Fall besteht, dass der Betroffene alle ihm zumutbaren Ma߬nahmen ergriffen hat, um Auswirkungen des Fahrverbotes gering zu halten. Um das Bestehen einer ernsthaften Gefahr im vorge¬nannten Sinn zu bejahen, bedarf es der Feststellung hinreichend konkreter Tatsa¬chen, die einen entsprechenden Rückschluss zulassen. Die Annahme eines drohen¬den Arbeitsplatzverlustes setzt daher zunächst voraus, dass es bei einer Anordnung des Fahrverbotes zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommen würde. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Fahrverbot; Absehen; berufliche Gründe; Begründung der Entscheidung; Augenblicksversagen; |
Normen: StPO 267; BKatV 4 |
Beschluss: Beschluss 3 Ss OWi 852/05 OLG Hamm Bußgeldsache gegen P.F. wegen Verkehrsordnungswidrigkeit. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen vom 12.09.2005 gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 07.09.2005 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 02. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen: Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Ent¬scheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen. Gründe: I. Das Amtsgericht Essen hat durch Urteil vom 07.09.2005 gegen den Betroffenen we¬gen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlos¬senen Ortschaft (fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Ziffer 1, 49 Abs. 1 Ziffer 3 StVO) eine Geldbuße von 200,- verhängt. Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene am 09.06.2005 gegen 20.15 Uhr mit dem von ihm geführten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen auf der Meisenburgstraße in Essen, die er in Fahrtrichtung Innenstadt befuhr, die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 37 km/h. Dabei ist dem Betroffenen zumindest aus grober Nachlässigkeit heraus entgangen, dass er nur 50 km/h hätten fahren dürfen bzw. die Höchstgeschwindig¬keit überschritten hatte. Zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass dieser ledig ist und keine Kinder hat und als kaufmännischer Angestellter für die Firma "V." im Außendienst tätig ist und für seine Tätigkeit einen monatlichen Nettoverdienst in Höhe von ca. 2.500,- bezieht. Das Amtsgericht hat den Rechtsfolgenausspruch wie folgt begründet: "Nach § 17 Abs. 2 OWiG wird eine fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit, soweit keine Sonderregelung besteht, was hier nicht der Fall ist, mit einer Geldbuße in Höhe des halben Satzes des Absatzes 1 von 1.000,00 , also mit einer Geldbuße bis zu 500,00 , geahndet. Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen hat das Gericht die unter I. auf¬geführten Einkommensverhältnisse des Betroffenen berücksichtigt. Ferner hat es berücksichtigt, dass der Betroffene im Verkehrszentralregister nicht ver¬zeichnet ist. Bei der Bemessung der Geldbuße hat das Gericht sich ferner von dem Bußgeldkatalog leiten lassen, der im Regelfall bei einer Geschwindig¬keitsüberschreitung um 31 bis 40 km/h eine Geldbuße von 100,- vorsieht. Das Gericht war sich der Tatsache bewußt, dass dies nur einen Anhaltspunkt darstellt, aber keinesfalls eine Bindungswirkung für das Gericht hat. Im Hin¬blick auf das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots hat das Gericht die Geldbuße durch Verdoppelung i.S.d. § 4 Abs. 4 BußgeldkatalogVO ange¬messen erhöht. Nach Auffassung des Gerichts ist danach die Verhängung einer Geldbuße von 200,00 tat- und schuldangemessen. Der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog sieht darüber hinaus die Verhän¬gung eines 1-monatigen Fahrverbots vor. Nach § 25 StVG ist ein solches zu verhängen, wenn eine Verkehrsordnungswidrigkeit unter grober oder beharrli¬cher Verletzung von Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde. Die Überschreitung um mehr als 31 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft ist regelmäßig als grober Verstoß einzuordnen, was der Verordnungsgeber im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog zur Bußgeldkatalogverordnung zum Ausdruck gebracht hat. Das Gericht hat jedoch aus Verhältnismäßigkeitsgrün¬den davon abgesehen, dem Betroffenen ein Fahrverbot aufzuerlegen. Von einem Fahrverbot darf abgesehen werden, wenn es sich als Härte ganz außergewöhnlicher Art darstellt. Dies ist vorliegend auch unter Berücksichti¬gung der Denkzettelfunktion des Fahrverbotes nach Auffassung des Gerichts der Fall. Der Betroffene arbeitet für die Firma V., die Büroeinrichtungen vertreibt. Er ist als Außendienstmitarbeiter im Verkaufsgroßbereich des Ruhr¬gebiets tätig. Der Betroffene fährt nach eigenen Angaben als Außendienstmit¬arbeiter ca. 4.500 km mit seinem Fahrzeug. Er ist nach seinen glaubhaften Angaben dringend auf ein Fahrzeug angewiesen. Seine Aufgaben werden durch die Erklärung der Firma V. vom 05.09.2005 bestätigt. Darin hat der Vertriebsleiter der V. GmbH & Co. KG Deutschland ausgeführt, dass der Betroffene im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Ver¬pflichtungen darauf angewiesen sei, ein KFZ im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Ohne Inanspruchnahme seines Fahrzeuges könne er seinen beruf¬lichen Verpflichtungen gegenüber nicht nachkommen. Bei Aufrechterhaltung des Fahrverbotes wäre die Firma V. gehalten, gegen den Betroffenen ar¬beitsrechtliche Maßnahmen in die Wege zu leiten. Da der Betroffene bei Auf¬rechterhaltung des Fahrverbotes sein Fahrzeug nicht führen könne, sei die Möglichkeit des Ausspruchs einer fristlosen Kündigung nicht ausgeschlossen. Nach Auffassung des Gerichts hätte eine solche fristlose Kündigung durchaus Aussicht auf Erfolg. Das Fahrverhalten, das zu dem Fahrverbot geführt hätte, würde sich im Arbeitsverhältnis als eine schwerwiegende Vertragsverletzung darstellen, die eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen würde. Hinzukommen aber noch mehrere entlastende Umstände, die das Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen. Abgesehen davon, dass der Betroffene bislang nicht im Bundeszentralregister eingetragen ist, wurde die Tat zu einer Zeit be¬gangen, zu der geringes Verkehrsaufkommen herrscht. Zudem handelt es sich bei der Meisenburgstraße um eine zweispurige Straße, die abschnittsweise parallel zur Autobahn verläuft. Zudem kann dem Betroffenen nicht widerlegt werden, dass es sich um ein Augenblicksversagen handelte. Es ist nämlich aufgrund der glaubhaften Einlassung des Betroffenen und nach Inaugen¬scheinnahme des Lichtbildes Bl. 18 d.A. nicht ausgeschlossen, dass der Be¬troffene sich bei einem Einschervorgang, was seine Geschwindigkeit anbe¬langt, verschätzt hat. Unter Berücksichtigung der genannten Umstände ist nach Auffassung des Gerichts die Verhängung eines Fahrverbots eine unzu¬mutbare Härte. Es ist gerechtfertigt, statt des Fahrverbots die nach dem bun¬deseinheitlichen Tatbestandskatalog vorgesehene Geldbuße stattdessen zu verdoppeln." Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird und die sich insbeson¬dere gegen das Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes richtet. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde unter Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch sowie unter ergänzenden Ausführun¬gen beigetreten. II. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde ist zu¬lässig und hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils im Rechtsfolgenausspruch. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tat¬richter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein recht¬lich ungebunde¬nes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermes¬sensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tat¬richter verbleibende Ent¬scheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und un¬terliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in ge¬wissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbe¬sondere hinsicht¬lich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Anordnung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. Senatsentscheidungen vom 04.03.2005 - 3 Ss OWi 3/05 -; 04.03.2004 - 3 Ss OWi 769/03 -; 04.07.2002 - 3 Ss OWi 339/02 -; 06.06.2000 - 3 Ss OWi 237/00 -; 20.03.1997 - 3 Ss OWi 52/97 -; 06.02.1997 - 3 Ss OWi 13/97 -; 12.10.1996 - 3 Ss OWi 1405/06 -; 30.09.1996 - 3 Ss OWi 972/06 -; 07.03.1996, JMBl. 1996, 246). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung hat der Betroffene berufliche und wirt¬schaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen daher kein Absehen von der Ver¬hängung eines Regelfahrverbotes, sondern grundsätzlich nur Härten ganz außerge¬wöhnlicher Art, wie z.B. ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (vgl. Senatsbeschluss vom 04.03.2005 - 3 Ss OWi 3/05 m.w.N.; OLG Hamm, VRS 90, 210; DAR 1996, 325; NZV 1995, 366; BayObLG NZV 2002, 143; Frankfurt a.M. NStZ-RR 2003, 312; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 25 m.w.N.). Die Annahme eines drohenden Verlustes der wirtschaftlichen Existenzgrundlage in¬folge eines Fahrverbotes ist erst gerechtfertigt, wenn die ernsthafte Gefahr des Ein¬tritts dieser Folge auch für den Fall besteht, dass der Betroffene alle ihm zumutbaren Ma߬nahmen ergriffen hat, um Auswirkungen des Fahrverbotes gering zu halten (vgl. BVerfG, NJW 1995, 1541). Um das Bestehen einer ernsthaften Gefahr im vorge¬nannten Sinn zu bejahen, bedarf es der Feststellung hinreichend konkreter Tatsa¬chen, die einen entsprechenden Rückschluss zulassen. Die Annahme eines drohen¬den Arbeitsplatzverlustes setzt daher zunächst voraus, dass es bei einer Anordnung des Fahrverbotes zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommen würde. Diese Folge lässt sich aus dem Schreiben der Arbeitgeberin des Betroffenen vom 05.09.2005 nicht hinreichend entnehmen. Denn in diesem Schreiben weist die Ar¬beitgeberin, worauf auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 08.12.2005 zutreffend hinweist, nur auf die Möglichkeit einer Kündigung im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes hin. Soweit in dem Schreiben allgemein arbeits¬rechtliche Konsequenzen erwähnt werden, lässt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, um welche Maßnahmen es sich dabei handeln soll und wie weit der Betroffene durch solche Maßnahmen belastet würde. Darüber hinaus hätte es einer kritischen Auseinandersetzung mit der Bescheinigung der Arbeitgeberin des Betroffenen deshalb bedurft, weil sowohl der Betroffene selbst als auch sein Arbeit¬geber in der Regel ein erhebliches Interesse daran haben werden, ein Fahrverbot zu vermeiden und aus diesem Grunde Gefälligkeitsbescheinigungen nicht völlig auszu¬schließen sind. Die Richtigkeit der Einlassung des Betroffenen hätte daher durch das Amtsgericht näher überprüft werden müssen, und zwar gegebenenfalls durch eine Vernehmung der verantwortlichen Entscheidungsträger der Arbeitgebe¬rin des Betroffenen als Zeugen. Darüber hinaus lässt das angefochtene Urteil auch jegliche Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob und in welchem Umfang dem Betroffenen ggf. zumutbare Maßnahmen zur Verfügung stehen, um etwaige nachteilige berufliche Auswirkungen des Fahrverbotes abzumildern oder auszuschließen. Das Amtsgericht hätte sich ins¬besondere mit der Frage befassen müssen, für welchen zusammenhängenden Zeit¬raum die Arbeitgeberin des Betroffenen bereit ist, diesem Urlaub zu gewähren sowie, ob der Betroffene in der den Urlaub überschreitenden Restzeit des Fahrverbotes ggf. anderweitig in dem Betrieb seiner Arbeitgeberin eingesetzt werden könnte. Darüber hinaus hätte sich das Amtsgericht auch mit der Frage befassen müssen, ob der Be¬troffene durch die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxen sowie ggf. durch die Beschäftigung eines Aushilfsfahrers oder durch eine Kombination dieser Maßnahmen berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten, die als Folge eines an¬geordneten Fahrverbotes auftreten können, ausgleichen könnte. Für hierdurch auf¬tretende finanzielle Belastungen muss notfalls ein Kredit aufgenommen werden (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 312; OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; BayObLG NZV 2002, 143; KG, Beschluss vom 10.12.2003 - 2 Ss 210/03 -; 3 Ws (B) 500/03). Derar¬tige Belastungen durch einen Kredit, der in kleineren für den Betroffenen tragbaren Raten abgetragen werden kann, und die sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer eines Fahrverbotes von nur einem Monat in überschaubaren Grenzen bewegen, sind hinzunehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 09.12.2004 - 3 Ss OWi 679/04 -) und hier unter Berücksichtigung des durch das Amtsgericht festgestellten monatlichen Einkommens des Betroffenen von ca. 2.500,- diesem auch zuzumu¬ten. Schließlich rechtfertigen auch die übrigen durch das Amtsgericht angeführten Ge¬sichtspunkte kein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 08.12.2005 dazu Fol¬gendes ausgeführt: "Die Annahme des Gerichts, ein Absehen vom Fahrverbot sei auch im Hinblick auf die einmalige Zuwiderhandlung des Betroffenen gerechtfertigt, stellt sich ebenfalls als rechtsfehlerhaft dar. Der Umstand, dass der Betroffene unbelas¬tet ist, ist nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen. Die Regelahn¬dung nach der Bußgeldkatalog-Verordnung geht nämlich gerade nicht davon aus, dass der Betroffene vorbelastet ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29.04.1999 - 2 Ss OWi 1533/98 - m.w.N.). Auch der Umstand, das Fahrverbot sei aufgrund des geringen Verkehrsaufkommens nicht zu verhängen, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. In objektiver Hinsicht beschrei¬ben nämlich die Tatbestände, für die § 4 Abs. 1 BKatV i.V.m. der Anlage und der Tabelle das Fahrverbot als Regelsanktion vorsieht, ausnahmslos Verhal¬tensweisen, die besonders gravierend und gefahrtragend sind. Bei ihrem Vor¬liegen kommt es auf die weiteren Einzelheiten der Verkehrssituation nicht mehr an (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29.04.1999 - 2 Ss OWi 1533/98 -). Auch die weitere Begründung des Amtsgerichts zum Augenblicksversagen rechtfertigt ein Absehen von dem Fahrverbot nicht. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts lag nämlich ein Augenblicksversagen gerade nicht vor. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zum Augenblicksversagen ist eine grobe Pflichtverletzung i.S. des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG nicht gegeben, wenn die dem Kraftfahrzeugführer vorgeworfene Ordnungswidrigkeit auf einem Augenblicksversagen beruht, das auch bei einem sorgfältigen und pflichtbewussten Fahrer nicht immer vermieden werden kann (vgl. BGH NJW 1997, 3252). Unter einem Augenblick ist im allgemeinen Sprach¬gebrauch eine sehr kurze Zeitspanne zu verstehen. Unter einem Augen¬blicksversagen kann daher auch nur ein kurzfristiges Fehlverhalten bzw. Außerachtlassen der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verstanden werden (zu vgl. Senatsbeschluss vom 04.11.2004 - 3 Ss OWi 518/04 -). Von einem nur kurzfristigen Versagen des Betroffenen im Sinne einer lediglich momentanen Unaufmerksamkeit kann im vorliegenden Verfahren indes nicht die Rede sein. Den Urteilsfeststellungen ist incidenter zu entnehmen, dass dem Betroffenen die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht unbekannt war. Selbst wenn er die Geschwindigkeit des neben ihm fahrenden Fahrzeugs un¬terschätzt und deshalb seine Geschwindigkeit erhöht haben sollte, kann dies bei einer Geschwindigkeit von 87 km/h nicht mehr als bloße Unaufmerksam¬keit und leichte Fahrlässigkeit angesehen werden, die auch von einem sorg¬fältigen pflichtbewussten Kraftfahrer nicht immer vermieden werden kann, denn der Betroffene hätte bei der Feststellung der höheren Geschwindigkeit zum Einfädeln drosseln können. Auch die Einlassung des Betroffenen, er habe "gepennt", spricht gegen ein Augenblicksversagen. Zudem hätte bei der Annahme eines Augenblicksversagens das Gericht mangels grober Pflicht¬verletzung auch die Geldbuße nicht erhöhen dürfen (zu vgl. OLG Hamm, Be¬schluss vom 03.08.2004 - 4 Ss OWi 464/04 -)." Wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot ist der gesamte Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, da noch weitere tatsächliche Feststellungen getroffen werden müssen. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhe¬bung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Essen zu¬rückzuverweisen.] |
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