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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ss 241/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Strafzumessungsentscheidung und der Bewährungsentscheidung.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafzumessung; tatrichterliches Ermessen, Überprüfung; Strafaussetzung zur Bewährung;

Normen: StPO 261; StPO 267; StPO 33; StGB 46; StGB 56

Beschluss:

Strafsache
gegen E.Ü.
wegen Körperverletzung

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen das Urteil der 45. kleinen Strafkam-mer des Landgerichts Dortmund vom 26. Januar 2007 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 20. 11. 2007 an der teilgenommen haben:

für R e c h t erkannt:

Die Revision wird verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der dem Angeklagten
insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse
auferlegt.

Gründe:

Das Amtsgericht Kamen hat den Angeklagten am 17. Mai 2006 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt. Auf die hiergegen eingelegte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat die Strafkammer das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die für das Berufungsgericht infolge der Beschränkung des Rechtsmittels bindenden amtsgerichtlichen Feststellungen lauten wie folgt:

„Am frühen Morgen des 17.09.2005 hielt sich der Angeklagte in der
Diskothek „H.„ in der Kamener Innenstadt auf. Kurz vor zwei
Uhr morgens tanzte er allein für sich auf der Tanzfläche. Des weiteren
tanzten dort mehrere Frauen, außerdem der Zeuge H.. Es kam zum
Blickkontakt zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen H., wobei
sich der Angeklagte möglicherweise durch den Blick des Zeugen H.
provoziert fühlte. Als der Zeuge H. den Tanz abbrach und zur Theke
ging, folgte ihm der Angeklagte deshalb. Als der Zeuge H. die Theke
erreicht hatte und sich umdrehte, um zur Tanzfläche zu schauen, trat
der Angeklagte wortlos schnell dicht an den Zeugen H. heran und
versetzte ihm einen Kopfstoß gegen den Oberkiefer. Sofort gingen andere
Personen dazwischen und zogen bzw. schoben den Angeklagten zur
Seite. Der Zeuge H. erlitt durch den Kopfstoß eine Lockerung der
mittleren vier Zähne des Oberkiefers. Auf ärztliche Empfehlung hin durfte
er zur Festigung der Zähne in den folgenden vier Wochen nur leichte
Nahrung zu sich nehmen, hatte in dieser Zeit auch noch erhebliche
Schmerzen. Dauerschäden sind jedoch nicht geblieben, der Sitz der
Zähne hat sich wieder gefestigt. Der Angeklagte war bei der Tat leicht
alkoholisiert, fühlte sich aber durch die Alkoholisierung in keiner Weise
beeinträchtigt."

Zur Strafzumessung sowie zu der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist in dem landgerichtlichen Urteil folgendes ausgeführt:

" IV.
Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer unter Berücksichtigung der
Grundsätze des § 46 StGB im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Strafmildernd wirkte sich aus, dass der Angeklagte bereits in erster Instanz geständig war und seine Verurteilung durch das Amtsgericht akzeptiert hat, da er hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hat. Er hat zudem Einsicht in das Unrecht seines Verhaltens sowie Reue hierüber gezeigt, die er nach dem Ein-druck, den er in der Hauptverhandlung hinterlassen hat, wirklich zu empfinden scheint und nicht nur aus prozesstaktischen Gründen bekundet hat. Mildernd war zudem zu berücksichtigen, dass bei dem Geschädigten keine bleibenden Schäden entstanden sind und der Angeklagte sich bei diesem in der erstin-stanzlichen Hauptverhandlung entschuldigt hat. Strafmildernd konnte ferner nicht außer Betracht bleiben, dass der Angeklagte alkoholbedingt enthemmt war, wobei Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des
§ 21 StGB allerdings nicht gegeben sind. Im Übrigen kann sich die Alkoholisierung des Angeklagten nicht erheblich strafmildernd auswirken, weil dem Angeklagten bekannt war, dass er insbesondere in alkoholisiertem Zustand
zu Aggressivitäten neigte und er nicht darauf vertrauen konnte, dass diese Neigung durch die nach den Vortaten durchgeführte psychotherapeutische Behandlung völlig beseitigt oder er zumindest in der Lage war, dieser nicht nachzugeben. Ohne die zwischenzeitliche psychotherapeutische Behandlung wäre selbst eine geringe Strafmilderung im Hinblick auf die einschlägigen Vorerfahrungen des Angeklagten nicht in Betracht gekommen. Zu Gunsten des Angeklagten konnte ferner nicht außer Betracht bleiben, dass die Tat heute ein Jahr und vier Monate zurückliegt und sich der Angeklagte in dieser Zeit straffrei geführt hat.

Strafschärfend war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte den Geschädigten nicht unerheblich verletzt und diesem die Verletzung durch einen Kopfstoß beigebracht hat, der eine besonders rohe und gefährliche Handlung darstellt. Dabei ist es dem Zufall zuzuschreiben, dass durch einen solchen Kopfstoß, den der Angeklagte im Übrigen nicht zum ersten Mal als Körperverletzungshandlung durchgeführt hat, keine schwereren Schädigungen entstanden sind. Strafschärfend wirkten sich insbesondere die Vorbestrafungen des Angeklagten aus, der seit 1992 insgesamt 13 mal, davon
4 mal wegen Körperverletzungstaten, bestraft worden ist. Er hat auch bereits eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die u. a. wegen Körperverletzungsdelikten verhängt worden war, teilverbüßt (Nr. 11 der o. g. Vorverurteilungen). Der letzte Erlass einer wegen eines einschlägigen Delikts verhängten Freiheitsstrafe ist erst zum 06.01.2004 erfolgt (Nr. 13 der o. g. Verurteilungen) und der Angeklagte hat die hier zu beurteilende Tat nur ein Jahr und gut acht Monate später begangen. Zudem hat er die hier zu beurteilende Tat während einer laufenden Bewährung verübt, die aus einer Verurteilung resultierte, der insgesamt drei Körperverletzungstaten zugrunde lagen (Nr. 16 der o. g. Verurteilungen). Allerdings kann insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass die letzte unter Nr. 16 genannte Vorverurteilung am 11.07.2001 und demnach vier Jahre und zwei Monate vor der hier zu beurteilenden Tat erfolgt ist und die letzte Vortat am 29.04.2000 und damit fünf Jahre und fünf Monate vor der hier zu beurteilenden Tat ausgeführt wurde. Die letzte Vortat liegt heute inzwischen sechs Jahre und etwa
sechs Monate zurück. Zudem hat sich der Angeklagte danach einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen.

Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände kam zur Ahndung der Tat nur eine Freiheitsstrafe in Betracht. Diese war mit
einem Jahr
tat- und schuldangemessen.
V.
Die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe konnte – wenn auch nicht ohne Bedenken – gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt wer-den, weil die begründete Erwartung besteht, dass sich der Angeklagte bereits die Verurteilung wird zur Warnung dienen lassen und er künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird.

Zwar sprechen die – insbesondere einschlägigen – Vorbestrafungen des An-geklagten sowie dessen Bewährungsversagen gegen eine Bewährungser-wartung. Dabei kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass – wie bereits dargelegt – die letzte Vorverurteilung des Angeklagten vier Jahre und zwei Monate und seine letzte Vortat fünf Jahre und fünf Monate vor der hier zu beurteilenden Tat erfolgt sind und damit zur Tatzeit bereits einen langen Zeitraum zurücklagen, in dem sich der Angeklagte straffrei geführt hat. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach der letzten Vortat eine psychotherapeutische Behandlung absolviert hat, die er aus eigener Initiative begonnen hat. Zudem ist es ihm gelungen, seinen Drogenkonsum völlig einzustellen und Alkohol, dessen Konsum – teilweise in Verbindung mit der Einnahme von Drogen – für den überwiegenden Teil der Vortaten zumindest mitursächlich war, zunächst gar nicht und nach Verstärkung seiner psychischen Problematik nur noch vereinzelt und nicht exzessiv zu trinken. Dabei ist auch zu bemerken, dass bei den Taten, die den beiden letzten Verurteilungen des Angeklagten zugrunde liegen, in einem Fall die Blutalkoholkonzentration 2,1 o/oo zur
Tatzeit betrug, in dem weiteren Fall eine erhebliche Alkoholisierung und Drogenkonsum vorlagen und in allen Fällen eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB nicht ausgeschlossen werden kann. Demgegenüber betrug die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten im vorliegenden Fall allenfalls 1,42 o/oo, was auf einen zwar erheblichen, nicht aber exzessiven Alkoholgenuss schließen lässt.

Zwar hat der Angeklagte die hier zu beurteilende Tat trotz der vorangegangenen Therapie begangen. Dieser Umstand lässt jedoch entgegen der
von dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vertretenen Ansicht nicht den Schluss zu, dass diese den Angeklagten „nicht positiv beeinflusst hat„. Immerhin ist es dem Angeklagten gelungen, seinen Umgang mit Suchtmitteln drastisch zu ändern, das geänderte Verhalten auch nach Abschluss der Therapie im April 2002 recht lange Zeit beizubehalten und sich in einem nicht unbeträchtlichen Zeitraum straffrei zu führen. Zudem sind nach Beendigung der Therapie weitere psychische Beeinträchtigungen bei dem Angeklagten eingetreten.

Ferner kann Folgendes nicht unberücksichtigt bleiben:

Der Angeklagte ist derzeit im Zusammenwirken mit seinem Bewährungshelfer, zu dem ein guter Kontakt besteht, bemüht, die Kostenzusage für eine weitere psychotherapeutische Behandlung zu erlangen, die insbesondere der Ange-klagte selbst für erforderlich hält und daher erstrebt. Er ist weiterhin drogenabstinent und trinkt nach seinen Angaben, die dem Eindruck seines Bewährungshelfers von ihm entsprechen, seit Anfang 2006 auch keinen Alkohol mehr. Zwar bedrückt den Angeklagten seine Arbeitslosigkeit sehr. Er lässt sich aber insoweit „nicht hängen", sondern hat bereits in der Vergangenheit jede Möglichkeit zu einer Fortbildung und einer sich bietenden Arbeitsgelegenheit wahrgenommen. Er ist auch weiterhin sehr um Arbeit bemüht. Es drängt ihn zudem, seine psychischen Probleme sowie seine Schlafstörungen durch eine Therapie zu beseitigen und sein verbliebenes Aggressionspotential aufzuarbeiten. Die Ehefrau des Angeklagten hält zu ihm und unterstützt ihn bei seinen Bemühungen.

Bei Berücksichtigung aller Umstände ist die vorliegend zu beurteilende Tat als ein singulärer Rückfall zu werten, dessen Wiederholung insbesondere bei einer erneuten Therapie nicht zu besorgen ist.

Dem Angeklagten kann daher eine günstige Sozialprognose gestellt werden.

Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe nach § 56 Abs. 3 StGB nicht.

Bei Berücksichtigung aller Umstände muss die Aussetzung der Vollstreckung für das allgemeine Rechtsempfinden im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls nicht schlechthin unverständlich erscheinen und es ist auch nicht zu besorgen, dass das Vertrauen der über die Besonderheiten des Falles aufgeklärten Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts
und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen durch eine Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung erschüttert werden könnte."

Gegen dieses – nur noch den Strafausspruch betreffende – Urteil richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte und begründete Revision der Staatsanwaltschaft Dortmund, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist. Mit der allein erhobenen und näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts wendet sie sich zum Einen gegen die strafmildernde Berücksichtigung der Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit, zum Anderen – und dies wohl in erster Linie – gegen die Strafaussetzung zur Bewährung.

In der Hauptverhandlung vom 20. November 2007 hat der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision zu verwerfen, da sich nach nochmaliger Überprüfung die Erwägungen des Landgerichts zur Strafzumessung und zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung letztlich noch im Rahmen des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums hielten.

II.
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Der auf die Sachrüge vorzunehmenden Nachprüfung halten die Ausführungen der Strafkammer zum Rechtsfolgenausspruch (noch) Stand. Sowohl die Bemessung der Strafe als auch deren Aussetzung zur Bewährung sind letztlich aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

1. Strafzumessung:
Der Senat hält die von der Revisionsführerin geäußerten Bedenken bezüglich der Strafzumessungserwägungen für nachvollziehbar, teilt sie im Ergebnis aber nicht in einer Weise, dass sie die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs zur Folge haben müßten.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung
von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist nur dann möglich, wenn die Zumessungserwägungen in
sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGH, Großer Senat für Strafsachen, BGHSt 34, 345, 349). Solche Mängel, welche die Aufhebung des Strafausspruchs unumgänglich machen würden, lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass die strafmildernde Berücksich-
tigung der Alkoholisierung des Angeklagten und seiner – in Erfüllung einer Weisung aus einem anderen Strafverfahren erfolgten – Teilnahme an einer psychotherapeu-
tischen Behandlung nicht auf der Hand liegt. Denn angesichts des in dem ange-
fochtenen Urteil eingehend dargelegten negativen Vorlebens des Angeklagten hätte es keineswegs fern gelegen, den von dem Angeklagten offensichtlich eigenverant-
wortlich herbeigeführten Rauschzustand (nach den ergänzenden Tatfeststellungen der Strafkammer: 1,42 o/oo zum Zeitpunkt des von dem Angeklagten ausgeführten Kopfstoßes) zu seinem Nachteil zu bewerten und daraus zugleich den Schluss zu ziehen, dass die psychotherapeutische Behandlung des Angeklagten, die zu einer Verhinderung gleichartiger Taten durch Abbau des Aggressionspotentials bei dem Angeklagten hätte führen sollen, sich als gescheitert erwiesen hat. Andererseits ist es aufgrund der von dem Landgericht hierzu angestellten Erwägungen letztlich aber auch möglich und deswegen nicht unvertretbar, die vorgenannten Umstände im Sinne der Überlegungen des Landgerichts zugunsten des Angeklagten und damit
im Ergebnis strafmildernd zu berücksichtigen. Die darauf beruhende Festsetzung
des Strafmaßes von (nur) einem Jahr Freiheitsstrafe hat das Revisionsgericht in Respektierung der Eigenverantwortlichkeit des Tatrichters hinzunehmen.

2. Auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung begründet hat, halten der revisionsrechtlichen Über-prüfung letztlich noch Stand.

Die Frage, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller dafür bedeutsamen Umstände im Sinne einer Gesamt-
würdigung zu entscheiden. Bei dieser Prognose steht ihm ein (weiter) Beur-
teilungsspielraum zu. Die Prognoseentscheidung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht grundsätzlich bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 56 Rdnr. 25 m. w. N.; BGH NStZ-RR 2005, 38) und nur darauf hin zu prüfen, ob sie rechtsfehlerhaft ist, d. h., ob der Tatrichter Rechtsbegriffe verkannt oder seinen Beurteilungsspielraum fehlerhaft angewandt hat (BGHSt 6, 298; Senatsurteil vom 01. Juni 2005 - 1 Ss 38/05 -). Allerdings hat der Tatrichter seine Erwägungen im Urteil in einem die Nachprüfung ermöglichenden Umfang darzulegen (OLG Düsseldorf, NStZ 1988, 325).

Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte bereits wiederholt wegen ein-
schlägiger bzw. gleichgelagerter Straftaten verurteilt worden ist, deswegen auch schon Freiheitsstrafen verbüßt hat, bei der Tatbegehung zudem unter laufender Bewährung aus einer Verurteilung wegen einer in alkoholisiertem Zustand begangenen Körperverletzung stand und durch die nunmehr abgeurteilte Tat eindrucksvoll belegt hat, dass er in alkoholisiertem Zustand ein hohes Gewalt-
potential aufweist und sich äußerst aggressiv zeigt, erfordert eine erneute Strafaussetzung zur Bewährung deswegen eine eingehende Darlegung der Umstände, aus denen das Gericht trotz der mit dem Täter bisher gemachten schlechten Erfahrungen die positive Erwartung herleitet, er werde in Zukunft keine Straftaten mehr begehen.

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil noch gerecht.

Zwar wiegen die von dem Landgericht zurückgestellten und von der Revision im Ein-zelnen mit nachvollziehbarer Begründung angeführten Bedenken gegen eine Be-
währungsaussetzung schwer. Andererseits hat das Landgericht die gebotene Gesamtwürdigung vorgenommen und dabei alle wesentlichen negativen sowie positiven Prognosekriterien in seine Würdigung einbezogen. Insoweit geht das Tatgericht von einem zutreffenden Maßstab aus. Die Erwartung im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB setzt nicht eine sichere Gewähr für künftiges straffreies Leben voraus. Ausreichend ist, dass die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer ist als diejenigen neuer Straftaten (BGH NStZ 1997, 594).

Das Landgericht hat weder die zahlreichen Vorbelastungen noch die Tatsache der Begehung der nunmehr abgeurteilten Straftaten während laufender Bewährung, was jedoch die erneute Strafaussetzung zur Bewährung nicht grundsätzlich ausschließt (BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 15), unberücksichtigt gelassen. Auch ist in die Erwägungen eingeflossen, dass der Angeklagte, insbesondere unter Alkohol-
einfluss, zu Gewalttätigkeiten neigt.

Die daraus resultierende Bewertung des Landgerichts, dass „bei Berücksichtigung aller Umstände ... die vorliegend zu beurteilende Tat als ein singulärer Rückfall zu werten, dessen Wiederholung insbesondere bei einer erneuten Therapie nicht zu besorgen ist", liegt noch innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungs-
spielraums und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen, selbst wenn eine zum gegensätzlichen Ergebnis führende Würdigung ebenfalls rechtlich möglich gewesen wäre (BGH NStZ-RR 2005, 38) und sogar (wesentlich) naheliegender erschiene. Das Revisionsgericht darf seine eigene Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände aber nicht an die Stelle der Würdigung des Tatrichters setzen, wenn diese, wie hier, im Ergebnis noch rechtsfehlerfrei zustande gekommen ist.

Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet hier nicht die Vollstreckung der erkannten Strafe. Mit Rücksicht auf die von dem Landgericht angestellten Erwägun-gen ist auszuschließen, dass durch die Strafaussetzung zur Bewährung in vorliegen-der Sache die Rechtstreue der Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigt und sie von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden würde.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.



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