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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 409/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers im jugendgerichtlichen Verfahren.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers, Pflichtverteidiger, notwendige Verteidigung, Jugendsache, Schwere der Tat, Straferwartung von mindestens einem Jahr, eigene Verteidigungsfähigkeit

Normen: JGG 68 Nr. 1, StPO 140 Abs. 2

Beschluss:

Strafsache gegen M. H.,
wegen Diebstahls
(hier: Beschwerde des Angeklagten gegen Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers)

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 24. August 2007 gegen den Beschluss der 17 . Strafkammer – Jugendkammer - des Landgerichts Münster vom 16. August 2007 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Leygraf und die Richter am Oberlandesgericht Eichel und Schwens nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Angeklagte.

Gründe: I. Das Amtsgericht - Jugendrichter - Münster hat durch Urteil vom 15.3.2007 gegen den Angeklagten wegen Diebstahls einen Freizeitarrest verhängt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Durch Beschluss vom 16.08.2007 hat die Vorsitzende der 17. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Münster den Antrag des Angeklagten, ihm Rechtsanwalt Im. aus Münster als Pflichtverteidiger beizuordnen, zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz des Rechtsanwalts Im. vom 24.08.2007 eingelegte Beschwerde des Angeklagten, der das Landgericht mit Verfügung vom 27.8.2007 nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Gemäß § 68 Nr. 1 JGG ist dem Beschuldigten immer dann ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn auch einem Erwachsenen ein solcher zu bestellen wäre. Das Jugendgerichtsgesetz verweist daher auf die Vorschrift des § 140 StPO. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich, wenn wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im vorliegenden Verfahren ein Fall der notwendigen Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Rechtslage nicht gegeben. Als schwierig ist die Rechtslage anzusehen, wenn bei Anwendung des materiellen oder des formellen Rechts auf den konkreten Sachverhalt bislang nicht ausgetragene Rechtsfragen entschieden werden müssen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 140 Rdnr. 27 a). Diese sind vorliegend nicht ersichtlich.
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat geboten. Die Schwere der Tat beurteilt sich vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung. Zu berücksichtigen sind dabei auch die Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten sowie sonstige schwerwiegende Nachteile, die er infolge der Verurteilung zu gegenwärtigen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 140 Randnummern 23 - 25 m.w.N.). Nach heute überwiegender und zutreffender Ansicht wird jedenfalls bei einer Straferwartung von mindestens einem Jahr ohne Strafaussetzung zur Bewährung ein Fall der notwendigen Verteidigung i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO bejaht. Eine solche Straferwartung ist auch im Jugendstrafverfahren für die Prüfung der Pflichtverteidigerbestellung zugrunde zu legen (vgl. Urteil des 3. Strafsenats des OLG Hamm vom 14.05.2003 - 3 Ss 1163/02 -). Denn in § 68 Nr. 1 JGG wird hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung uneingeschränkt auf das allgemeine Strafrecht verwiesen und lediglich in § 68 Nr. 4 JGG für den Fall, dass gegen den Jugendlichen Untersuchungshaft oder eine einstweilige Unterbringung nach § 126 a StPO vollstreckt wird, eine abweichende Regelung getroffen.
Maßgebend ist daher die konkrete Straferwartung, die hier deutlich unter der vorgenannten Grenze liegt, da gegen den Angeklagten erstinstanzlich lediglich ein Freizeitarrest verhängt worden ist.
Auch ist der Angeklagte nicht in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt, was auch bei geringer Straferwartung die Beiordnung eines Pflichtverteidigers notwendig macht. Der Angeklagte hat sich, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, in der Hauptverhandlung erster Instanz, in der er ohne Verteidiger erschienen ist, sehr differenziert zum Tatvorwurf eingelassen. Auch aus dem Eindrucksvermerk des aufnehmenden Polizeibeamten anlässlich der polizeilichen Vernehmung des Angeklagten am 18.7.2007 ergibt sich, dass der Angeklagten geistig altersgerecht entwickelt ist. Soweit dort weiter ausgeführt ist, der Angeklagte sei einfach strukturiert und schwerfällig, vermag dieser Umstand der Kammer Anlass zur Prüfung geben, ob der Angeklagte die erforderliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 3 JGG hat. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers folgt hieraus jedoch nicht.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen. Von der Möglichkeit des § 74 JGG hat der Senat nach Abwägung aller Umstände keinen Gebrauch gemacht



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