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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 322/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zwar ist grundsätzlich immer nur die zuletzt ergangene den Bestand des Haftbefehls betreffende Haftentscheidung anfechtbar, sodass an sich ausschließlich die Haftfortdauerentscheidung vom 17.09.2007 der Anfechtung unterläge. Etwas anderes gilt aber dann, wenn dies lediglich zu einer sachlich nicht gebotenen kurzfristigen erneuten Haftentscheidung desselben Spruchkörpers führen und die erstrebte Anrufung des Beschwerdegerichts dadurch ohne sachlich zwingende Gründe verzögert würde, weil derselbe Spruchkörper erst kurz zuvor eine ausreichend begründete Haftentscheidung als Beschwerdegericht getroffen hat.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: weitere Haftbeschwerde; Anfeechtung; letzte Entscheidung;

Normen: StPO 117; StPO 112

Beschluss:

Strafsache
gegen M.I.
wegen unMohaerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a., (hier: weitere Haftbeschwerde).

Auf die erst am 28. September 2007 bzw.1. Oktober 2007 beim Amtsgericht Recklinghausen eingegangene und auf den 7. September 2007 datierte weitere (Haft-)Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der großen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum - als Jugendkammer - vom 5. September 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm
am 24. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht b e s c h l o s s e n :

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat in ihrer Übersendungsverfügung vom
11. Oktober 2007, mit der das Haftprüfungsheft der Generalstaatsanwaltschaft übersandt worden ist, zum bisherigen Verfahrensgang Folgendes ausgeführt:

„Der Angeklagte M.I. wurde aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Recklinghausen vom 11.05.2007 - 31 Gs 55/07 - (Bl. 111 f. HPH) am 15.05.2007 festgenommen (Bl. 114 HPH) und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Iserlohn.

Der Haftbefehl wurde durch das Amtsgericht Recklinghausen zwischenzeitlich am 04.06.2007 neu gefasst - 31 Gs 55/07 - (Bl. 177 ff. HPH) und dem Angeklagten verkündet (BI. 192 HPH).


Am 07.08.2007 wurde Anklage gegen den Angeklagten M.I. erhoben (Bl. 219 ff. HPH).

Im Rahmen eines Haftprüfungstermins vom 22.08.2007 ordnete der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts des Amtsgerichts Recklinghausen die Fortdauer der Untersuchungshaft aus den Gründen ihrer Anordnung an
- 36 Ls 47 Js 154/07 - 149/07 - (Bl. 229 HPH).

Hiergegen hat der Angeklagte am 23.08.2007 Beschwerde eingelegt
(Bl. 236 ff. HPH), der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat (BI. 262 R HPH).

Mit Beschluss vom 05.09.2007 hat das Landgericht Bochum - auswärtige
Strafkammer beim Amtsgericht Recklinghausen - diese Beschwerde verworfen (Bl. 264 ff. HPH).

Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit Schreiben vom 07.09.2007, dem Gericht zugegangen am 28.09.2007, weitere Beschwerde eingelegt
(Bl. 302 ff. HPH).

Das Landgericht Bochum - auswärtige Strafkammer beim Amtsgericht Recklinghausen - hat dieser weiteren Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 311 HPH).

Zwischenzeitlich hat das Amtsgericht Recklinghausen mit Beschluss vom 17.09.2007 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten lssa unter Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft vor dem Jugendschöffengericht Recklinghausen eröffnet sowie Termin zur Hauptverhandlung am 30.10.2007 bestimmt
(Bl. 296 HPH).“

In ihrer Stellungnahme vom 22. Oktober 2007 hat die Generalstaatsanwaltschaft ihren Antrag, die Haftbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, wie folgt begründet:

„ I.

Wegen des Verfahrensganges wird auf den in Abdruck beigefügten Bericht der Staatsanwaltschaft Bochum - 47 Js 154/07 - vom 11.10.2007 Bezug genommen. Insoweit ist zu ergänzen, dass nach rechtskräftigem Widerruf der bedingten Strafaussetzung in anderer Sache durch das Amtsgericht Recklinghausen - 31 VRJs 26/04 - mit Beschluss vom 05.09.2007 (Bl. 314, 315 HPH) mit Beschluss des Schöffengerichts vom 16.10.2007 die Unterbrechung der Untersuchungshaft zur Vollstreckung einer Jugendstrafe von einem Jahr wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes genehmigt worden ist
(Bl. 316 HPH); allerdings hat der Leiter der Vollzugsgeschäftsstelle der Justizvollzugsanstalt Iserlohn der Generalstaatsanwaltschaft Hamm am 19.10.2007 fernmündlich mitgeteilt, dass der Beschluss dort noch nicht vorliege.

II.

Die gem. § 310 Abs. 1 StPO statthafte weitere Beschwerde ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Recklinghausen in dem Eröffnungsbeschluss vom 17.09.2007 gem. § 207 Abs. 4 StPO zugleich die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet und damit eine neue Haftprüfungsentscheidung getroffen hat. Zwar ist grundsätzlich immer nur die zuletzt ergangene den Bestand des Haftbefehls betreffende Haftentscheidung anfechtbar (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 117 Rdnr. 8), sodass an sich ausschließlich die Haftfortdauerentscheidung vom 17.09.2007 der Anfechtung unterläge. Etwas anderes gilt aber dann, wenn dies lediglich zu einer sachlich nicht gebotenen kurzfristigen erneuten Haftentscheidung desselben Spruchkörpers führen und die erstrebte Anrufung des Beschwerdegerichts dadurch ohne sachlich zwingende Gründe verzögert würde, weil derselbe Spruchkörper erst kurz zuvor eine ausreichend begründete Haftentscheidung als Beschwerdegericht getroffen hat (zu vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.08.1977 - 1 Ws 236/77 -; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 12.08.1999 - 2 AR 119/99 und 4 Ws 201/99 -). So liegt der Fall auch hier, denn aufgrund der mündlichen Haftprüfung vom 22.08.2007 und der der Beschwerde nicht abhelfenden Entscheidung des Jugendschöffengerichts sowie des die Haftbeschwerde verwerfenden Beschlusses des Landgerichts Bochum vom 05.09.2007 und seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 10.10.2007 steht eine abweichende Entscheidung durch ein und die selben Gerichtspersonen nicht zu erwarten, zumal zwischenzeitlich keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf den Tatvorwurf und die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten aktenkundig geworden sind.

Indes erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Der dringende Tatverdacht nach Maßgabe der das Ergebnis der Ermittlungen
zutreffend zusammenfassenden Anklageschrift ergibt sich aus dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten (Bl. 207-215 HPH), das durch zahlreiche weitere Indizien Unterstützung erfährt.

Gegen ihn besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO, auf den der Haftbefehl nach Maßgabe der Beschwerdeentscheidung der Auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Bochum bei dem Amtsgericht Recklinghausen, die zugleich Jugendkammer ist, ausschließlich gestützt ist. Nachdem der Angeklagte, gegen den bereits rechtskräftig Jugendstrafe von einem Jahr verhängt worden ist, sich als Bewährungsversager erwiesen hat, hat er sich die Verhängung einer empfindlichen, vollstreckbaren Jugendstrafe zu vergegenwärtigen. Der hiervon ausgehende Fluchtanreiz begründet nach aller kriminalistischen Erfahrung eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass er sich dem Verfahren in Freiheit nicht stellen, sondern durch eine Flucht in das Ausland bzw. ein Abtauchen in die Illegalität zu entziehen versuchen wird. Soziale Bindungen sind nicht feststellbar bzw. allenfalls schwach ausgeprägt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse und sein tatsächlicher Aufenthalt sind ungeklärt, unter seiner Meldeadresse ist er jedenfalls tatsächlich nicht wohnhaft
- die Wohnung war bereits vor seiner Festnahme geräumt (Bl. 129 HPH) - und auch bei seinen Eltern ist er allenfalls sporadisch aufhältig (Bl. 128 HPH). Darüber hinaus wurde bei ihm anlässlich seiner Festnahme der Führerschein des ihm ähnlich sehenden M.C. aufgefunden (Bl. 116, 160 HPH), was die Besorgnis rechtfertigt, dass der Angeklagte sich dieses Dokument beschafft hat, um sich damit gegebenenfalls als C.auszugeben und auszuweisen. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass er über eingespielte Kontakte in ein hochkriminelles Milieu verfügt und sich der gesondert Verfolgte Aktas auf seine telefonische Aufforderung nicht nur bereit erklärte, der Polizei gegenüber der Wahrheit zuwider anzugeben, er sei - statt des Angeklagten - am 18.03.2007 Fahrer des Pkw Typ BMW Cabrio und Täter der unter Nr. 11 der Anklageschrift konkretisierten Straftat gewesen, sondern diesen Tatplan auch tatsächlich umsetzte, indem er aus freien Stücken bei der Polizei vorsprach (Bl. 24, 25, 75, 76 HPH). Demnach scheint es naheliegend, dass der Angeklagte von Personen aus diesem Umfeld auch weitergehenden Rückhalt erfährt und sie gegebenenfalls bereit sind, ihn vor den Behörden zu verstecken und einem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden dadurch auf Dauer zu entziehen.

Bei diesem Sachverhalt sind mildere Maßnahmen nicht geeignet, der Fluchtgefahr wirksam zu begegnen.

Darüber hinaus ist das Verfahren mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden und die Fortdauer des Vollzuges der Untersuchungshaft erscheint angesichts der Schwere der vorgeworfenen Tat und der zu erwartenden Rechtsfolge auch nicht unverhältnismäßig.

Soweit die Beschwerde sich im Wesentlichen auf eine behauptete Absprache mit der Staatsanwaltschaft stützt, für den Fall eines Geständnisses werde der Angeklagte vom weiteren Vollzuge der Untersuchungshaft verschont werden, kann sie damit bereits aus formalen Gründen keinen Erfolg haben. Das Gericht, das auch nach dem Beschwerdevorbringen in die behauptete Absprache jedenfalls nicht eingebunden war, hat nach dem Gesetz in eigener Verantwortung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft zu prüfen. Diese Prüfung hat es nach dem Vorstehenden rechtsfehlerfrei vorgenommen und war in seiner Entscheidung an die Anträge der Staatsanwaltschaft nicht gebunden, da bereits Anklage erhoben war (§ 120 Abs. 3 S. 1 StPO).

Entsprechend ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei, so dass wie geschehen zu entscheiden war.

Ergänzend merkt der Senat an: Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur die letzte Haftentscheidung des zuständigen Gerichts anfechtbar, jedoch konnte der Senat gleichwohl bereits eine Sachentscheidung treffen, da der Sachverhalt mit demjenigen, über den der Senat mit Beschluss vom 5. September 2007 (2 Ws 272/07) entschieden hat, vergleichbar ist.
Im Übrigen ist davon auszugehen, dass noch vor dem Hauptverhandlungstermin am 30. Oktober 2007 eine Unterbrechung der Untersuchungshaft zur Vollstreckung anderweitiger Freiheitsstrafen bzw. Jugendstrafen erfolgen wird.



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