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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 464/07 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Liegen die Voraussetzungen nach § 73 Abs. 2 OWiG vor, muss das Gericht dem Antrag des Betroffenen, ihn von seiner Anwesenheitspflicht zu entbinden, entsprechen. Ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu.
2. Zu den Voraussetzungen für die Entbindung vom Erscheinen in der Hauptverhandlung.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Entbindung vom Erscheinen; Ermessen des Gerichts; Gründe; Verwerfung des Einspruchs;

Normen: OWiG 73; OWiG 74; StPO 344

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen M.C.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 29. März 2007 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 08. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen.


Gründe:
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Stadt Hagen vom 04. September 2006, mit dem wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 393,75 € sowie einem Fahrverbot von drei Monaten festgesetzt worden war, gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Der Betroffene, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Termin nicht entbunden worden sei, sei in dem Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben.

Hiergegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Er rügt mit näheren Ausführungen, das Amtsgericht habe seinen Antrag, ihn von der Verpflichtung, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, zu entbinden, zu Unrecht abgelehnt.

II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist in zulässiger Weise erhoben und hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 04. Juli 2007 hierzu Folgendes ausgeführt:

„Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzeswidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (zu vgl. Senatsbeschluss vom 27.05.2004 - 2 Ss OWi 332/04 -). Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. In diesem Fall obliegt es dem Betroffenen, darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht seinem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen. Der Betroffene muss also darlegen, aus welchen Gründen der Tatrichter von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts unter keinen Umständen hätte erwarten dürfen. Hierzu ist es erforderlich, den im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen. In diesem Zusammenhang ist in aller Regel auch darzulegen, wann und mit welcher Begründung der Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt worden ist und wie das Gericht diesen Antrag beschieden hat (zu vgl. Senatsbeschluss vom 27.05.2004 - 2 Ss OWi 332/04 -). Da der Anspruch auf rechtliches Gehör zudem nur dann verletzt ist, wenn die erlassende Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Partei hat, müssen in der Begründungsschrift konkret die Tatsachen dargelegt werden, anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann.

Vorliegend ermöglicht die Begründungsschrift des Betroffenen eine Überprüfung seitens des Rechtsbeschwerdegerichts, ob nach diesen Grundsätzen eine Versagung rechtlichen Gehörs vorliegt. In der Begründungsschrift wird der Wortlaut des Schriftsatzes des Verteidigers des Betroffenen vom 13.03.2007, mit dem die Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen beantragt worden war, vollständig wiedergegeben. Aus der Begründungsschrift ergibt sich auch der dem Betroffenen zur Last gelegte Verkehrsverstoß. Der Begründungsschrift ist ferner zu entnehmen, dass und mit welcher Begründung der Betroffene einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt hat. Ferner wird dargelegt, dass dieser Antrag vom Gericht nicht im Sinne des Betroffenen beschieden worden ist. Schließlich ist der Begründungsschrift zu entnehmen, dass der Betroffene eine Einlassung zur Sache abgegeben und außerdem erklärt hat, dass von ihm in der Hauptverhandlung keine weitere Aufklärung der Sache zu erwarten sei.

Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch durch Urteil gem.§ 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen (§ 73 Abs. 2 OWiG) zu Unrecht nicht entsprochen worden ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.09.2005 - 3 Ss OWi 626/05 -).

Das Amtsgericht hätte dem Entbindungsantrag stattgeben müssen. Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht (mehr) in das Ermessen des Gerichtes gestellt (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.09.2005 - 3 Ss OWi 626/05 -). Das Gericht ist vielmehr verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.

Auf dieser Grundlage kann die Entscheidung des Amtsgerichts keinen Bestand haben. Mit Schriftsatz vom 13.03.2007 (Bl. 54 a d.A.) hatte der Verteidiger mitgeteilt, dass der Betroffene im Tatzeitpunkt der Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX gewesen ist. Darüber hinaus hat er erklärt, dass der Betroffene die Ordnungsgemäßheit der Messung rüge, jedoch zur Aufklärung des Tatvorwurfes im Hauptverhandlungstermin nicht beitragen könne. Aufgrund dieser Angaben war klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin keine weitergehende Aufklärung des Tatvorwurfs zu warten war. Der Entbindungsantrag darf nämlich auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Betroffene die Tat grundsätzlich einräumt, doch die Korrektheit von Messmethoden anzweifelt, die durch andere Beweismittel, verlässlich überprüft werden können (zu vgl. Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Aufl., § 73 Rdnr. 29). Ein anderes ergibt sich hier auch nicht aus dem in dem Bußgeldbescheid festgesetzten Fahrverbot. Denn die Frage, ob ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden kann, rechtfertigt die Ablehnung eines Entbindungsantrages nicht, weil es dafür grundsätzlich nicht auf den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen in der Hauptverhandlung ankommt (zu vgl. Karlsruher Kommentar, a.a.O., Rdnr. 28). Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen machen auch dann keinen wesentlichen Gesichtspunkt des Sachverhaltes aus, wenn - wie hier - ein Absehen vom Fahrverbot bereits aufgrund der Erheblichkeit des Geschwindigkeitsverstoßes ausscheidet.

Die Aufklärung des Sachverhalts konnte damit ohne Schwierigkeiten durch die gem. § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG zulässige Einführung der schriftlichen Erklärung des Betroffenen im Schriftsatz vom 13.03.2007 gem. § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG erfolgen. Dem Verteidiger war zudem am 03.07.2006 auch eine Vertretungsvollmacht erteilt, so dass er Erklärungen für den Betroffenen abgeben konnte. Schließlich beruht die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags des Betroffenen hat, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Hagen zurückzuverweisen ist.“

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Das angefochtene Urteil war demzufolge aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hagen zurückzuverweisen.



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