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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 133/07 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Beweisantrag kann nicht schon dann, wen die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisbehauptung ergeben hat, als Beweisermittlungsantrag abgelehnt werden.


Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Beweisantrag; Beweisermittlungsantrag; Antrag ins Blaue; Ablehnungsgrund;

Normen: StPO 244

Beschluss:

Strafsache
gegen S.S.
wegen gemeinschaftlichen Raubes u.a.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
- Schöffengericht - Minden/Westf. vom 3. Januar 2007 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 05. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Minden vom 3. Januar 2007 wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Schöffengericht - Minden zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Minden/Westf. hat den Angeklagten durch das angefochtene Urteil wegen gemeinschaftlichen Raubes und gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 5. Januar 2007 bei dem Amtsgericht Minden eingegangenem Schriftsatz zunächst Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 29. Januar 2007 mit am 28. Februar 2007 bei dem Amtsgericht Minden eingegangenem Schriftsatz als Revision bezeichnet und mit der Sachrüge sowie mit der näher ausgeführten Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages begründet.

II.
Die zulässige (Sprung-)Revision des Angeklagten hat bereits mit der Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages vorläufig vollen Erfolg.

Wie die Revision in einer den Anforderungen nach §§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise ausführt, liegt der Verfahrensrüge folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Verteidiger des Angeklagten hatte in der Sitzung des Schöffengerichts vom 3. Januar 2007 folgenden Beweisantrag gestellt:

„In der Strafsache
S.S.
25 Ls - 87/06

wird beantragt,
1. D.B., gelegentlich aufhältlich S.str 7 bei A.,
befreundet mit O. aus R. oder B., nähere Daten zu erfragen über Sch., H., z.Z. JVA Schwerte
2. H.Sch., z.Z. JVA Schwerte
3. A.S., Adressdaten zu erfragen über S.B., H. wohnhaft, ca. 43 — 45 Jahre,
als Zeugen zu vernehmen.

Die Zeugen werden bestätigen, dass es zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen S.B. am 25.04.2006 zu einem Streit gekommen ist. Der Angeklagte hat den Zeugen S.B. auf dessen strafrechtliche Vorbelastungen angesprochen. Hierüber erbost hat dar Zeuge S.B. den Angeklagten angegriffen. Im Rahmen der körperlichen Auseinandersetzung war der Zeuge S.B. dem Angeklagten unterlegen. Zu keinem Zeitpunkt wurden dem Zeugen S.B. Gegenstände entwendet, noch wurde der Zeuge zur Herausgabe von Wertsachen aufgefordert. Nachdem der Zeuge S.B. den Ort der Auseinandersetzung verlassen hat, hat der Angeklagte das am Boden liegende Feuerzeug aufgehoben und eingesteckt. Das Feuerzeug hat der Zeuge S.B. im Rahmen der Auseinandersetzung aus der Tasche verloren. Die Zeugen waren vor Ort und haben das Tatgeschehen genau beobachtet.“

Dieser Beweisantrag ist nach der Niederschrift über die Sitzung des Schöffengerichts mit folgendem Beschluss zurückgewiesen worden:

„Der Antrag des Verteidigers auf Vernehmung der Zeugen D.B., H.Sch. sowie A.S. wurde zurückgewiesen; Die Zeugen D.B. und A.S. sind nicht weiter zu ermitteln; der Zeuge B. kann weder weitere persönliche Daten noch Wohnort nennen; gleiches gilt für den Zeugen D.B., von dem keinerlei weitere Personalien bekannt sind und nach Aktenlage auch nicht dem Zeugen Sch. bekannt sind. Bei der behaupteten Beweistatsache handelte es sich hinsichtlich des Zeugen Sch. um eine Behauptung auf‘s Gerade wohl, da nach Aktenlage und bisherigem Ergebnis der Beweisaufnahme Herr Sch. über den Tatablauf keine Angaben machen kann.“

In den Urteilsgründen des Schöffengerichts vom 3. Januar 2007 heißt es hierzu u.a. wie folgt:

„Dem Beweisantrag des Angeklagten auf Vernehmung des D.B. war nicht nachzugehen. Es handelt sich insofern lediglich um einen Beweisermittlungsantrag; der Zeuge wurde nicht identifizierbar benannt. Es soll sich um eine Person handeln, die gelegentlich aufhältig ist in der S.7 bei einem A., der zudem mit einer O. aus R. oder aus dem Bereich B. befreundet sein soll. Diese Angaben sind nicht dazu angetan, den Zeugen ausfindig zu machen. Weder ist geklärt, um welchen Andrej es sich handeln soll, der in der S.Straße 7 wohnt, noch ist die angebliche Freundin näher benannt worden. Lichtbilder eines D.B. sind dem Geschädigten S.B. bereits mal vorgelegt worden; dieser konnte ihn jedoch nicht als einer der Tatbeteiligten wiedererkennen. Insofern bleibt völlig unklar, ob und um welchen D.B. es sich handeln könnte. Auch hinsichtlich der weiteren Beweisanträge auf Vernehmung der Zeugen Sch. und S. war nicht nachzugehen; die in dem Beweisantrag gestellten Behauptungen entbehren nämlich jeglichen Anhaltspunktes; es handelt sich um eine aus geradewohl aufgestellte und aus der Luft gegriffene Aussage, die nicht als zulässige Beweisbehauptung fungieren kann. Den Behauptungen fehlt jegliche faktische Basis; auch insoweit handelt es sich lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, dementsprechend der Aufklärungspflicht zu begegnen ist. Insoweit hat das Gericht jedoch keine Veranlassung, diesem Beweisermittlungsantrag nachzugehen. Der Geschädigte hat eindeutig und glaubhaft bekundet, dass der Zeuge S., sein Bekannter, den Tatort bereits verlassen hatte, bevor es zu der tätlichen Auseinandersetzung gekommen ist, während der Zeuge Schäfer erst nach Beendigung der Tätlichkeiten hinzugekommen ist. Anlass, diese Angaben des Zeugen in Zweifel zu ziehen, sind in keiner Weise vorhanden und ergeben sich auch nicht aus den übrigen Ermittlungen.“

Dieser Verfahrensgang belegt einen Verstoß des Schöffengerichts gegen § 244 Abs. 3 StPO. Soweit der Beweisantrag die Vernehmung der Zeugen D.B. und A.S. beinhaltet, kann dahingestellt bleiben, ob das Schöffengericht den Antrag insoweit wegen nicht hinreichender Individualisierung dieser Zeugen ohne Rechtsfehler abgelehnt hat. Soweit der Antrag hinsichtlich des Zeugen H.Sch. jedoch als Beweisermittlungsantrag angesehen worden ist, dem das Schöffengericht nicht zu folgen brauche, ist dies rechtsfehlerhaft. Zwar trifft es zu, dass einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweisbegehren ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden muss, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl. BGH NStZ 2002, 382, NStZ 1993, 143, 144; NJW 1997, 2762, 2764). Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisbehauptung ergeben hat (vgl. BGH a.a.O.). Vielmehr kann hiervon etwa erst dann ausgegangen werden, wenn das bisherige Beweisergebnis, die Akten und der Antrag keinerlei Verknüpfung des Beweisthemas mit dem benannten Beweismittel erkennen lassen, so dass jeder Anhalt dafür fehlt, dass das Beweismittel überhaupt etwas zur Klärung der Beweisbehauptung beitragen kann (vgl. BGH, a.a.O.). Danach durfte der Antrag auf Vernehmung des Zeugen H.Sch. nicht mit der vom Schöffengericht gegebenen Begründung zurückgewiesen werden. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass auch nach den Feststellungen des Schöffengerichts der Zeuge Sch. zum Ort der Auseinandersetzung kam, bevor der Geschädigte S.B. diesen Ort verließ. Hieraus folgt, dass der Zeuge Sch. jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit die Beweisbehauptung bestätigen kann, wonach der Geschädigte den Ort verlassen hat und der Angeklagte erst danach das Feuerzeug vom Boden aufgehoben hat. Dies steht zu den Feststellungen des Amtsgerichts in Widerspruch, die davon ausgehen, dass der Geschädigte sich zum Zeitpunkt des Überfalls im Besitz u.a. eines Feuerzeuges befunden hat, welches ihm - neben weiteren Gegenständen - von dem Angeklagten abgenommen worden sei. Soweit das Amtsgericht meint, der Zeuge Sch. könne über den Tatablauf keine Angaben machen, geht dieser Schluss deshalb fehl, weil die eventuell von dem Zeugen Sch. zu bestätigende Tatsache, dass der Angeklagte das Feuerzeug erst dann vom Boden aufgehoben hat, als der Geschädigte den Ort verlassen hat, geeignet ist, die Feststellungen des Amtsgerichts zum Tathergang insgesamt zu erschüttern. Hat der Zeuge Sch. die vorgenannte Beobachtung gemacht, kann dies dafür sprechen, dass die Darstellung des Geschädigten insgesamt oder teilweise zweifelhaft erscheint. Dass der Zeuge Sch. erst nach den eigentlichen Tätlichkeiten zum Tatort hinzugekommen ist, führt also nicht dazu, dass seine Aussage bedeutungslos ist; sie sind vielmehr geeignet, die Feststellungen zum gesamten Tathergang in Frage zu stellen.
Das Schöffengericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die durch den Zeugen H.Sch. unter Beweis gestellten Behauptungen ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt aufs Geratewohl und ins Blaue hinein aufgestellt worden seien. Dies gilt umso mehr, als das Schöffengericht diesen Zeugen, der bereits in der Anklageschrift benannt worden war, selbst zum Termin geladen und aufgrund seines Nichterscheinens zunächst durch verkündeten Beschluss im Hauptverhandlungstermin vorführen lassen wollte. Dass das nachfolgende Beweisergebnis nach Vernehmung des - einzigen - Belastungszeugen und Geschädigten S.B. keinerlei Verknüpfung des Beweisthemas mit dem benannten Beweismittel erkennen ließ, hat das Schöffengericht mithin zu Unrecht angenommen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass es dem Angeklagten nicht verwehrt war, mit dem Mittel des Beweisantrages noch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er nur für möglich hielt (vgl. BGH NStZ 1993, 143; 247 ff.; 2002, 383).
Zudem liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Beweisantizipation vor, wenn das Tatgericht die Vernehmung eines Zeugen deshalb ablehnt, weil dieser nach Angaben eines anderen Zeugen über den - in Frage stehenden - Tatablauf keine Angaben machen könne. Hierin liegt des weiteren ein Zirkelschluss, da die Richtigkeit der Feststellungen gerade mit den Angaben desjenigen Zeugen belegt wird, dessen Angaben durch den Beweisantrag erschüttert werden sollen.

Das Schöffengericht hätte den Zeugen H.Sch. mithin zu dem beantragten Beweisthema vernehmen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zeuge nicht hinreichend individualisiert war, liegen bereits deshalb nicht vor, weil der Zeuge von Seiten des Gerichts selbst geladen worden war; die Angabe der Verteidigung, dass er sich seinerzeit in der JVA Schwerte befinde, genügt nach Lage der Dinge auch dem Erfordernis der Individualisierung dieses Zeugen (vgl. BGH NStZ 1994, 247).

Das Urteil beruht auf dem Verfahrensverstoß, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Tatgericht die Schuldfrage nach der Aussage des Zeugen
H.Sch. anders beurteilt hätte.

Das Urteil war daher bereits aufgrund der begründeten Verfahrensrüge mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Schöffengericht - Minden zurückzuverweisen.



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