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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 3/06 OLG Hamm

Leitsatz: Wird mit der Verfahrensrüge eine Verletzung rechtlichen Gehörs dadurch geltend gemacht, dass über einen rechtzeitig gestellten Antrag, die Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers zu verlegen, so spät entschieden worden sei, dass es dem Betroffenen unmöglich gewesen sei, sich in der Hauptverhandlung angemessen zu verteidigen, muss auch dargelegt werden, aus welchem Grund der Betroffene im Hinblick auf die Bedeutung der Sache für ihn und die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht in der Lage gewesen sein soll, sich selbst angemessen zu verteidigen.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Verhinderung des Verteidigers; Terminsverlegung; Ausbleiben des Verteidigers; Verfahrensrüge; Begründung; Anforderungen

Normen: StPO 226; OWiG 80; StPO 344

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen L.M.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 25. Oktober 2005 auf Zulassung der Rechtsbe¬schwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom
18. Oktober 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 01. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betrof¬fenen verworfen.

Gründe:
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 7. Juni 2005 der Stadt Hagen ist gegen den Be¬troffenen wegen Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1, 1 Abs. 2, 49 StVO; § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 30,- € festgesetzt worden. Ihm wird zur Last gelegt, am 1. Februar 2005 in Hagen auf dem Graf-von-Galen-Ring seinen Pkw ohne zwingenden Grund stark abgebremst zu haben, so dass der Fahrer des nachfolgenden Fahrzeugs auffuhr. An beiden Fahrzeugen entstand erheblicher Sachschaden. Einige der Pkw-Insassen erlitten Verletzungen.
Auf den Einspruch des Verteidigers des Betroffenen vom 15. Juni 2005 bestimmte das Amtsgericht Hagen mit Verfügung vom 4. Oktober 2005 Termin zur Hauptverhandlung auf den 18. Oktober 2005. Auf den mit Schreiben seines Verteidigers vom 7. Oktober 2005 gestellten und mit zeitlicher Kollision durch die Wahrnehmung eines weiteren Termins vor dem Landgericht Hagen begründeten Verlegungsantrag, teilte das Amtsgericht Hagen mit Verfügung vom 12. Oktober 2005 mit, der Hauptverhandlungstermin müsse aufrecht erhalten bleiben. Es sei für die Sache eine Hauptverhandlungsdauer von 1 Stunde und 15 Minuten vorgesehen und der nächste zur Verfügung stehende Termin sei erst der 30. November 2005. Angesichts der lange zurückliegenden Tatzeit am 1. Februar 2005 sei es nicht vertretbar, die Bußgeldsache weiter hinaus zu schieben. Darüber hinaus werde der Betroffene in Anbetracht des einfach gelagerten Sachverhalts sowie des Umstandes, dass es sich lediglich um eine Geldbuße in Höhe von 30,00 Euro handele und ein Fall der notwendigen Verteidigung nicht vorliege, in seinen Rechten nicht unzumutbar behindert, wenn nicht ein bestimmter Verteidiger ihn zum Termin begleite.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2005 hat das Amtsgericht Hagen den Betroffenen wegen einer vorsätzlich begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 4 Abs. 1, 1 Abs. 2, 49 StVO, § 24 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 40,00 Euro verurteilt. Die Hauptverhandlung fand in Abwesenheit des Verteidigers statt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem am 25. Oktober 2005 beim Amtsgericht Hagen eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers, in dem er die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt hat, die er sodann mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. Dezember 2005 näher begründet hat. Er rügt unter anderem die Verletzung rechtlichen Gehörs.

II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist statthaft und fristgerecht angebracht worden, im Übrigen jedoch unzulässig.

Da die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100,00 Euro beträgt, richten sich die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit den sogenannten weniger bedeutsamen Fällen nur zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 OWiG) oder, wenn das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Bei einer Verurteilung bis 100,00 Euro kann die Rechtsbeschwerde nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden; die Zulassung ist insoweit bei Verstößen bis 100,00 Euro noch weiter eingeschränkt.

1. Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, entspricht nicht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG ii Verbindung mit § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Nach diesen Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft. Rügt der Beschwerdeführer die Versagung des rechtlichen Gehörs, muss durch den Tatsachenvortrag in der Begründungsschrift schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist (nur) dann verletzt, wenn dem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 16 a m. w. N.).
Diesen Anforderungen genügt die Verfahrensrüge im vorliegenden Falle nicht, da er ausschließlich Ausführungen zum Ausbleiben des Verteidigers in der Hauptverhandlung macht und insoweit rügt, dass eine Beteiligung des Verteidigers am Verfahren durch das Amtsgericht bewusst verhindert worden sei.
Zwar kann eine Versagung des rechtlichen Gehörs gegeben sein, wenn das Amtsgericht über einen rechtzeitig gestellten Antrag, die Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers zu verlegen, so spät entscheidet, dass es dem Betroffenen unmöglich gemacht wird, sich in der Hauptverhandlung angemessen zu verteidigen (vgl. hierzu Göhler, NStZ 1988, 65 ff. m. w. Nachw.). Jedoch hat allein die Verhinderung des Verteidigers noch nicht zur Folge, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt ist. Aus § 228 Abs. 2 StPO ergibt sich nämlich der Grundsatz, dass es zu Lasten des Betroffenen geht, wenn er einen Verteidiger wählt, der an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen kann (vgl. OLG Köln, VRS 92, 261, 262 m.w.N.). Die Fürsorgepflicht ge¬bietet nur unter besonderen Umständen eine Vertagung wegen Verhinderung des Verteidigers. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, wobei insbesondere die Bedeutung der Sache, die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, die Lage des Verfahrens bei Eintritt des Verhinderungsfalls, der Anlass, die Voraussehbarkeit und die voraussichtliche Dauer der Verhinderung sowie die Fähigkeit des Betroffenen, sich selbst zu verteidigen, zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG NJW 1984, 862; OLG Köln, a.a.O.; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 71 Rdnr. 30). Dass nach diesen Grundsätzen eine Vertagung geboten gewesen wäre, kann der Rechtsbeschwerdebegründung nicht entnommen werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 18. Januar 2006 zutreffend Folgendes ausgeführt:
„Zwar macht der Betroffene geltend, der durch den Vorsitzenden erteilte Hinweis, dass das festgesetzte Bußgeld im Urteil erhöht werden könne, sei für ihn völlig überraschend gekommen. Insoweit sei für ihn die rechtliche Tragweite in diesem Moment nicht überschaubar gewesen. Dem steht jedoch entgegen, dass ausweislich der Urteilsgründe vor der Verhandlung zur Sache mit dem Betroffenen eingehend erörtert wurde, dass aufgrund der Voreintragungen die Verhängung einer Geldbuße in der letztlich zuerkannten Höhe in Betracht kommen könne, wobei der Betroffene auch auf die Folge der weiteren Eintragung im Verkehrszentralregister und eine Hinderung der Löschung der bisherigen Eintragungen hingewiesen wurde. Ausweislich der Urteilsgründe, die von dem Betroffenen insoweit nicht angegriffen werden, hat der Betroffene auf diesen Hinweis erklärt, dass er dieses Risiko eingehen wolle und seine bisherige Punktzahl beim Verkehrszentralregister nicht so gravierend sei, als dass er sich prozessuale Schritte überlegen werde; er wolle das Verfahren auf alle Fälle durchgeführt wissen. Aus welchem Grunde der Betroffene im Hinblick auf die Bedeutung der Sache für ihn und die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage vor dem Hintergrund dieser Äußerungen nicht in der Lage gewesen sein soll, sich selbst angemessen zu verteidigen, wird jedoch nicht dargelegt. Aus diesem Grunde führt der Umstand, dass es dem Betroffenen angesichts der kurz vor dem Termin erfolgten Zurückweisung des Verlegungsantrages zumindest erschwert wurde, sich in der Hauptverhandlung des Beistandes eines eingearbeiteten Verteidigers zu bedienen, nicht dazu, dass von einer Versagung rechtlichen Gehörs auszugehen ist.
Im Übrigen hat der Betroffene auch nicht substantiiert dargelegt, was er im Falle der Anwesenheit seines Verteidigers geltend gemacht hätte, so dass die Rechtsmittelbegründung den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht genügt.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Dass der Betroffene sich in der Hauptverhandlung ohne Hilfe eines Verteidigers äußern muss, berührt nicht den Grundsatz des rechtlichen Ge¬hörs, da Art. 103 Abs. 1 GG nicht das rechtliche Gehör gerade durch Vermittlung eines bestimmten Rechtsanwalts gewährleistet (vgl. BVerfG NJW 1984, 862).

2. Soweit der Betroffene darüber hinaus rügt, das Amtsgericht sei seiner Aufklärungspflicht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO pflichtwidrig nicht bzw. nur unzureichend nachgekommen, kann der Betroffene damit schon wegen § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht gehört werden.

3. Aber auch die allgemeine Sachrüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Der Vortrag des Betroffenen erschöpft sich nämlich in unzulässigen Angriffen gegen die Urteilsfeststellungen und die tatrichterliche Beweiswürdigung, die beide grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten sind. Gem. § 337 Abs. 1 StPO, § 79 Abs. 3
OWiG kann die Rechtsbeschwerde aber nur darauf gestützt werden, dass das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Ergeben die Ausführungen der Sachrüge hingegen, dass der Betroffene in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern nur die Beweiswürdigung und die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen angreifen will, so ist die Sachrüge unzulässig. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze aufgezeigt werden (vgl. BGH AnwBl. 1994, 92, 93; VRS 53, 264; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 344 Rdnr. 19 m.w.N.). Vorliegend zeigen die Ausführungen der Rechtsbeschwerde, dass nicht die mit der Sachrüge allein geltend zu machende fehlerhafte Anwendung des sachlichen Rechts oder eine ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme erkennbare Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung beanstandet werden. Es werden vielmehr ausschließlich die rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung und die daraus folgenden Urteilsfeststellungen angegriffen.

Die Rechtsbeschwerde ist somit nicht gem. § 344 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG zulässig begründet worden. Ist aber die Rechtsbeschwerde selbst unzulässig, ist auch der Zulassungsantrag unzulässig.

III.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zu verwerfen.]



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