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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 RVs 65/17 OLG Hamm

Leitsatz: Sprechen die konkreten Umstände des Einzelfalls (hier: Arbeits- und Vermögenslosigkeit des Angeklagten) dafür, dass der Angeklagte nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um eine gesamtstrafenfähige Geldstrafe zu zahlen, und er daher eine diesbezügliche bereits angeordnete Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen muss, kann er durch das Absehen von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß §§ 55 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 2 S. 2 StGB benachteiligt sein.


Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Einbeziehung nicht erledigter Geldstrafe, Gesamtfreiheitsstrafe

Normen: StGB 53; StGB 55

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.08.2017 beschlossen:

Die Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass nach den §§ 460, 462 StPO eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung mit der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 10.08.2015 - 35 Cs 272 Js 521/15 (226/15) - verhängten Geldstrafe zu treffen ist.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Kamen hatte den Angeklagten mit Urteil vom 18.11.2016 wegen Betruges (begangen im Juli 2015) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt und gemäß § 53 Abs. 2 StGB davon abgesehen wird, die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 10.08.2015 – 35 Cs 272 Js 521/15 (226/15) – einzubeziehen.

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision hat nur im Umfang der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand, soweit es die Zumessung der Freiheitsstrafe und die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung betrifft.

Der Strafausspruch begegnet hingegen insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe unter Einbeziehung der im Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum am 10.08.2015 verhängten Geldstrafe unterblieben ist. Das Landgericht hat hiervon nach §§ 55 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 2 S. 2 StGB deshalb abgesehen, weil eine Gesamtstrafenbildung eine Strafverschärfung darstellen würde und es der Kammer wegen der unterschiedlichen Deliktsarten angemessen erschien, den Angeklagten auch an seinem Vermögen zu treffen.

Mit dieser Begründung durfte das Landgericht im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nicht von der Einbeziehung der in dem Strafbefehl verhängten Geldstrafe absehen. Der Angeklagte war nach den Feststellungen im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung arbeits- und vermögenslos. Hinsichtlich der am 10.08.2015 verhängten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 Euro ist noch ein Betrag in Höhe von 200,00 € offen. Im Hinblick auf diese Summe ist unter dem 02.02.2017 ein Haftbefehl zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen ergangen, der bis zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung allein wegen des der Vollstreckungsbehörde unbekannten Aufenthalts des Angeklagten nicht vollstreckt werden konnte. Den bloßen Umstand, dass der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung angegeben hat, dass er kurz zuvor ein „Angebot für eine Beschäftigung bei einer Zeitarbeitsfirma erhalten“ habe, hat bereits das Landgericht im Rahmen seiner Ausführungen zu einer Strafaussetzung zur Bewährung zutreffend als vorliegend noch nicht relevante Änderung der Lebensverhältnisse des Angeklagten bewertet.

Diese Umstände sprechen dafür, dass der Angeklagte nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um die Geldstrafe aus der Verurteilung vom 10.08.2015 zu zahlen, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass er die noch verbleibende Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen muss und daher - entgegen der Auffassung der Strafkammer - durch das Unterbleiben der Gesamtstrafenbildung benachteiligt sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 09.06.2016 - 2 StR 90/16 -, juris).

An einer solchen Gesamtstrafenbildung wäre das Berufungsgericht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des in § 331 Abs. 1 StPO normierten Verschlechterungsverbots gehindert gewesen, schon da das Amtsgericht Kamen die Möglichkeit einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht erkennbar bedacht hat, so dass insofern schon keine erstinstanzliche Entscheidung vorlag (vgl. Senat, Beschluss vom 18.08.2016 - III-1 RVs 92/15 -, Beschluss vom 14.07.2016 - III-1 RVs 48/16 -; OLG Hamm, NStZ-RR 2008, 235, juris; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 331 Rn. 7).

Der Senat sieht aber davon ab, die Sache allein zur Prüfung der nachträglichen Bildung einer Gesamtgeldstrafe an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Da nach den Feststellungen des Landgerichts ausgeschlossen ist, dass die am 10.08.2015 verhängte Geldstrafe im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung bereits vollständig vollstreckt war und deshalb ein Härteausgleich veranlasst sein könnte, war der Senat nicht gehindert (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25.02.2016 - 2 StR 31/16 - m.w.N., juris), von der durch § 354 Abs. 1b S. 1 StPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen und anzuordnen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Bildung einer Gesamtgeldstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.06.2016, a.a.O.).

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die rechtskräftig gewordene Freiheitsstrafe nunmehr bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung vollstreckt werden kann (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 460 Rn. 27).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat lediglich hinsichtlich der Gesamtstrafe einen geringfügigen Erfolg. Deshalb kann der Senat die abschließende Kostenentscheidung sofort treffen und braucht sie nicht dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO vorzubehalten (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rn. 20; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 354 Rn. 31 m.w.N.).


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