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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 175 u. 177/17 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Befugnis zur Aufhebung des Widerrufsbeschlusses durch das erstinstanzliche Gericht bei Verkennung der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafvollstreckungskammer, Zuständigkeit, Aufhebung, Beschluss

Normen: StPO 311

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.04.2017 beschlossen:

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Sache wird zur Entscheidung über die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 09.01.2017 und der Staatsanwaltschaft Hagen vom 05.01.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 03.01.2017 dem Landgericht Hagen - Beschwerdekammer - als dem für diese Entscheidung zuständigen Beschwerdegericht (§ 309 StPO) vorgelegt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 16.07.2013, rechtskräftig seit dem 24.07.2013, Az. 90 Ds-572 Js 318/13-162 /13, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Die Bewährungszeit von drei Jahren wurde wegen der nachfolgend aufgeführten weiteren Verurteilung mit Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 24.09.2014 um ein Jahr verlängert.

Durch Urteil des Amtsgerichts Schwelm vom 12.08.2014, rechtskräftig seit dem 12.08.2014, Az. 50 Ds-572 Js 309/14-68/14, ist der Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Unter dem 03. bzw. 05.12.2016 beantragte die Staatsanwaltschaft Hagen jeweils beim Amtsgericht Hagen als dem die Bewährungsaufsicht führenden Gericht den Widerruf der bewilligten Strafaussetzungen zur Bewährung wegen einer erneuten Nachverurteilung durch das Amtsgericht Dillenburg im Verfahren 3 Ds-3 Js 16878/15 vom 10.10.2016, rechtskräftig seit dem 18.10.2016, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten.

Seit dem 01.12.2016 befindet sich der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt Attendorn zum Zweck der Vollstreckung der Freiheitsstrafe von elf Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Dillenburg vom 10.10.2016. Aufgrund dieser Verurteilung wurden durch zwei gesonderte Beschlüsse des Amtsgerichts Hagen vom 03.01.2017 die Strafaussetzungen zur Bewährung wegen erneuter Straffälligkeit des Verurteilten während laufender Bewährungszeit widerrufen. Hiergegen legten sowohl der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 09.01.2017 als auch die Staatsanwaltschaft Hagen mit Verfügung vom 05.01.2017 jeweils sofortige Beschwerde ein. In ihrer Beschwerdebegründung vom 17.10.2016 führte die Staatsanwaltschaft Hagen aus, das Amtsgericht Hagen sei zum Erlass des Widerrufsbeschlusses sachlich nicht zuständig gewesen. Aufgrund der Strafhaft des Verurteilten in der JVA Attendorn sei vielmehr ab Beginn der Strafvollstreckung nach dem Konzentrationsprinzip des § 462a Abs. 4 S. 3 StPO die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts auch für die Bewährungsüberwachung und die insoweit zu treffenden Entscheidungen in der vorliegenden Sache zuständig.

Das Amtsgericht Hagen hob daraufhin mit Beschlüssen jeweils vom 09.01.2017 seine Beschlüsse vom 03.01.2017 unter Hinweis auf die wegen der Strafhaft des Verurteilten fehlende Zuständigkeit des Amtsgerichts auf und übersandte die Bewährungshefte zwecks weiterer Veranlassung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen.

Mit den angefochtenen Beschlüssen vom 19.01.2017 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen die Strafaussetzungen aus den Urteilen des Amtsgerichts Hagen vom 16.07.2013 und des Amtsgerichts Schwelm vom 12.08.2014 (erneut) widerrufen. Hiergegen richten sich die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 30.01.2017.

II.
Die sofortigen Beschwerden sind zulässig und begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse. Der Senat legt außerdem die Sachen zur Entscheidung über die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 09.01.2017 und der Staatsanwaltschaft Hagen vom 05.01.2017 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Hagen vom 03.01.2017 der hierfür zuständigen Beschwerdekammer beim Landgericht Hagen vor.

Dem (erneuten) Widerruf der Strafaussetzungen zur Bewährung durch die Strafvollstreckungskammer mit Beschlüssen vom 19.01.2017 standen als Verfahrenshindernisse die bereits durch das Amtsgerichts Hagen ergangenen Widerrufsbeschlüsse vom 03.01.2017 entgegen. Diese Beschlüsse sind allerdings fehlerhaft, da aufgrund der Aufnahme des Verurteilten in der JVA Attendorn zum Zweck der Strafvollstreckung ab dem 01.12.2016 für die in den vorliegenden Verfahren zu treffenden Nachtragsentscheidungen nicht mehr das Amtsgericht Hagen, sondern gemäß § 462a Abs. 4 S. 3 StPO die Strafvollstreckungskammer zuständig ist. Mit Rücksicht darauf hat das Amtsgericht Hagen die Beschlüsse vom 03.01.2017 durch seine nachfolgenden Entscheidungen vom 09.01.2017 jeweils aufgehoben. Diese Aufhebungsbeschlüsse waren vorliegend jedoch unwirksam, da das Amtsgericht Hagen zu einer Abänderung und damit auch zu einer Aufhebung seiner Widerrufsbeschlüsse nicht befugt war.

Gemäß § 311 Abs. 3 S. 1 StPO darf im Verfahren über eine sofortige Beschwerde das Gericht, dessen Entscheidung angefochten ist - von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 311 Abs. 3 S. 2 StPO abgesehen - seine durch eine sofortige Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht abändern. Hierzu ist vielmehr ausschließlich das Beschwerdegericht berufen (§ 309 StPO). Ergeht gleichwohl eine abändernde Entscheidung, so ist diese unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 22.12.2010 - 2 ARs 289/10 -, BeckRS 2011, 01830; Saarländisches OLG, Beschluss vom 21.01.2015 – 1 Ws 8/15 –, juris; Hanseatisches OLG, Beschluss vom 26.10.2007 – 2 Ws 248/07 -, juris; Frisch in SK-StPO, 5. Auflage, § 311, Rn. 16) und so zu behandeln, als ob sie nicht ergangen wäre (Saarländisches OLG, am angegebenen Ort). Die Widerrufsbeschlüsse des Amtsgerichts Hagen vom 03.01.2017 haben daher weiterhin Gültigkeit. Infolge dieses Umstandes war die Strafvollstreckungskammer gehindert, ihrerseits ebenfalls jeweils eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzungen zur Bewährung in den vorliegenden Verfahren zu treffen. Denn über denselben Gegenstand kann grundsätzlich nicht parallel durch verschiedene Gerichte entschieden werden. Eine solche Vorgehensweise ist vielmehr unzulässig, da die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht. Die Rechtssicherheit verlangt für die Frage, welche der Entscheidungen vorgeht, ein klares Abgrenzungskriterium, dass inhaltliche Bewertungen zur Rechtmäßigkeit erübrigt. Deshalb sperrt eine frühere Entscheidung, solange sie fortgilt, ungeachtet ihrer Rechtsfehlerhaftigkeit die nachfolgende Befassung durch ein anderes Gericht. Hiermit stimmen die allgemeinen Grundsätze zum Verfahrenshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit im Erkenntnisverfahren, die gleichfalls an die zeitliche Priorität der Befassung anknüpfen, überein (vgl. Hanseatisches OLG, a.a.O., m.w.N.).

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Eine eigene Entscheidung des Senats über den Widerruf der Strafaussetzungen zu Bewährung kommt aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht in Betracht. Vielmehr war die Sache zur Entscheidung über die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 09.01.2017 und der Staatsanwaltschaft Hagen vom 05.01.2017 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Hagen vom 03.01.2017, über die eine wirksame Entscheidung bisher nicht ergangen ist, der hierfür als Beschwerdegericht gemäß § 309 StPO zuständigen allgemeinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vorzulegen.

III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.



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