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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 RVs 75/17 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten.
2. Eine Fahrtunterbrechung durch eine Polizeikontrolle, die lediglich eine Ordnungswidrigkeit zum Gegenstand hat, führt nicht zur Aufspaltung in zwei selbständige Taten, wenn der Täter sich gerade für einen solchen Zweck ein fremdes Ausweispapier verschafft hat, um den Nichtbesitz einer Fahrerlaubnis im Falle einer Kontrolle zu verschleiern und ungehindert weiterfahren zu können.

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Fahren ohne Fahrerlaubnis, Dauerstraftat

Normen: StVG 21

Beschluss:

Beschluss
In pp.
hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm am 27.06.2017 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht Detmold hatte die Angeklagte mit Urteil vom 06.10.2016 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen sowie wegen Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von noch zwei Jahren verhängt. Gegen das Urteil legten die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte Berufung ein. In der Berufungshauptverhandlung wurde ein Vorwurf eines Verstoßes gegen § 21 StVG nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Das Landgericht Detmold hat mit dem angefochtenen Urteil - unter Verwerfung der beiden Berufungen im Übrigen -das amtsgerichtliche Urteil teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

„Die Angeklagte wird wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und wegen Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Vor Ablauf von einem Jahr und sechs Monaten darf ihr keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.“

Zur Tat hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
„Im Jahre 2015 war und noch immer ist die Angeklagte nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis. Gleichwohl schaffte sie sich im September 2015 einen Pkw Corsa an. Dieser wurde auf den Namen ihres damaligen, mittlerweile verstorbenen Lebensgefährten T angemeldet. Den Unterhalt für das Auto zahlte die Angeklagte. Das Fahrzeug parkte zunächst regelmäßig auf einem Parkplatz in der Nähe ihrer Wohnung. Die Angeklagte war es auch, die den einzigen Schlüssel hatte. Wenn sie irgendwo hingebracht werden musste, kam ihr Vater, der Zeuge L3 und fuhr sie mit ihrem Fahrzeug. Der Zeuge wohnt etwa 5 km entfernt von der Angeklagten. Wenn er die Fahrt absolviert hatte, stellte er den Pkw auf den Parkplatz zurück. Die Angeklagte nahm den Schlüssel wieder mit in ihre Wohnung. So wurde das bis Anfang November 2015 gehandhabt. Ab diesem Zeitpunkt nahm der Zeuge L3 den Pkw Corsa mit nach Hause. Regelmäßig parkte das Fahrzeug nun vor seiner Wohnung. Wenn die Angeklagte gefahren werden musste, holte er sie von zu Hause ab.

Bevor das Auto ab Anfang November 2015 regelmäßig bei ihrem Vater stand, benutzte es die Angeklagte zumindest in einem Fall:

Am 28.10.2015 gegen 1.30 Uhr befuhr sie mit diesem Fahrzeug unter anderem die I- Straße in E2. Hier geriet sie in eine Polizeikontrolle, die von den Zeugen E, PK Q und L4 durchgeführt wurde. Die Zeugin E war damals Praktikantin und führte die Kontrolle unter der Aufsicht von PK Q durch. Der Zeuge L4 war der sichernde Beamte. Bei dieser Kontrolle stellte sich heraus, dass die Angeklagte keine Warnweste dabei hatte. Ihr war klar, dass sie ohne Fahrerlaubnis nicht mit dem Fahrzeug hätte fahren dürfen. Um nicht aufzufallen, zeigte sie bei der Kontrolle den Führerschein der Ehefrau ihres Bruders, der Zeugin L2, vor. Da es dunkel war und sich beide Frauen nicht völlig unähnlich sehen, fiel der Zeugin E nicht auf, dass ihr der auf eine andere Person ausgestellte Führerschein gezeigt wurde. Wie die Angeklagte in den Besitz des Führerscheins der Ehefrau ihres Bruders gelangt war, konnte nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden. Die fehlende Warnweste wurde mit einem Verwarnungsgeld geahndet. Da es nicht an Ort und Stelle gezahlt werden konnte, nannte die Angeklagte als Anschrift diejenige der L2, deren Führerschein sie auch vorgezeigt hatte. An deren Adresse wurde die entsprechende Rechnung geschickt.“

Gegen das Urteil wendet sich die Angeklagte mit der Rüge einer Verletzung des § 261 StPO sowie mit der Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel gem. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.
Die Revision der Angeklagten hat auf die Sachrüge hin - zumindest vorläufig - Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).

Das angefochtene Urteil weist durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten auf.

1. Zur Aufhebung des Urteils führt noch nicht, dass das Landgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zur zweiten Fahrt der Angeklagten, mit der sie gegen § 21 StVG verstoßen haben soll, getroffen hat. Die eigentlichen Feststellungen zur Sache ergeben nur eine Fahrt, die mit der Polizeikontrolle endet. Angesichts der Ausführung in der rechtlichen Würdigung, dass die Angeklagte nach der Kontrolle einen Entschluss gefasst habe, weiterzufahren, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend, dass sie nicht nur den Entschluss gefasst hat, sondern tatsächlich – wenn auch womöglich nur kurzzeitig – weitergefahren ist.

2. Zur Aufhebung muss aber führen, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts den sachlich-rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Die Würdigung der erhobenen Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann die Beweiswürdigung aufgrund der Sachrüge nur auf Rechtsfehler überprüfen. Ein sachlich-rechtlicher Fehler liegt dann vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. nur: OLG Hamm, Beschl. v. 23. 08.2012 – III-3 RVs 59/12 – juris). Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urt. v. 05.11.2015 – 4 StR 183/15 – juris). So verhält es sich hier: Die Angeklagte hat die Tat bestritten. Sie sei weder gefahren, noch habe sie den Führerschein ihrer Schwägerin vorgezeigt. Ihr PKW sei von verschiedenen Personen, auch von der Schwägerin benutzt worden. Die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft der Angeklagten gründet auf zwei Argumenten: Zum einen haben die kontrollierenden Polizisten bekundet, die von ihnen kontrollierte Frau habe eng anliegende Kleidung getragen und sei nicht hoch schwanger gewesen, während die Person, deren Ausweis vorgezeigt wurde, zum Zeitpunkt der Kontrolle hoch schwanger gewesen sein soll. Zum anderen soll die Angeklagte die alleinige Verfügungsgewalt über ihren PKW gehabt haben. Wenn ihr Vater sie gefahren habe, habe er sich den Schlüssel von ihr geben lassen müssen. Letzteres wird indes im angefochtenen Urteil nicht belegt. Es lässt sich nur vermuten, dass möglicherweise der Vater der Angeklagten, der im Urteil „Zeuge L genannt wird, als Zeuge vernommen wurde und entsprechende Bekundungen gemacht hat. Hierzu hätte sich das angefochtene Urteil verhalten müssen.

Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen, ob die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten, die sich sicher waren, welche Art von Kleidung die kontrollierte Person trug, die Angeklagte überhaupt wiedererkannt haben. Ob dies ebenfalls eine wesentliche Lücke in der Beweiswürdigung darstellt, kann der Senat dahinstehen lassen.

3. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Einordnung nicht zweifelsfrei ist. Die vom Landgericht festgestellten Taten stehen möglicherweise tatsächlich in Tateinheit zueinander. Die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten (BGH, Beschl. v. 07.11.2003 – 4 StR 438/03 – juris; BGH, Beschl. v. 22.07.2009 – 5 StR 268/09 – juris; BGH, Beschl. v. 12.08.2015 – 4 StR 14/15 – juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird allerdings angenommen, wenn derjenige, der entgegen einer gesetzlichen Warteverpflichtung, wie sie sich auch § 142 StGB ergibt, weiterfährt und damit einen neuen Tatentschluss fasst (vgl.: BGH Urt. v. 17.02.1967 – 4 StR 461/66 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2008 – 2 SsOWi 565/08 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 02.12.2008 – 4 Ss 466/08 – juris). Ebenfalls wird eine Ausnahme für den Fall angenommen, dass ein Kraftfahrer nach einer Polizeikontrolle und Untersagung der Weiterfahrt später seine Fahrt fortsetzt (so etwa: AG Lüdinghausen, Urt. v. 02.02.2010 – 9 Ds 82 Js 8979/09 - 186/09 – juris).

So liegt der Fall vorliegend möglichweise aber nicht. Die bisherigen Feststellungen deuten eher darauf hin, dass sich die Angeklagte das fremde Ausweispapier gerade deswegen beschafft hat, um im Falle einer Kontrolle ihre Fahrt unbehelligt fortsetzen zu können. In einem solchen Fall könnte mehr dafür sprechen, eine tateinheitliche Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. AG Lüdinghausen, Urt. v. 02.02.2010 – 9 Ds 82 Js 8979/09 - 186/09 – juris; LG Potsdam, Urt. v. 04.12.2008 – 27 Ns 116/08 – juris). Bei der Kontrolle wurde die Angeklagte auch nur wegen einer fehlenden Warnweste belangt, nicht aber wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Kommt man zu dem Ergebnis, dass die beiden Fahrten der Angeklagten vor und nach der Polizeikontrolle in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander stehen, gilt Folgendes: Das als Missbrauch von Ausweispapieren gewertete Geschehen steht dann zu diesen ebenfalls in Tateinheit aufgrund der gegebenen Klammerwirkung des ununterbrochenen Vergehens nach § 21 StVG. Dieses ist gegenüber dem Missbrauch von Ausweispapieren kein minderschweres Delikt, welches nicht geeignet wäre, die Delikte zu einer rechtlichen Einheit zu verbinden (BGHSt 18, 66, 69; BGH, Beschl. v. 22.07.2009 – 5 StR 268/09 – juris).


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