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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 RVs 12/17 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den besonderen Anforderungen an die Begründung bei der Verhängung von Jugendstrafe nach § 17 JGG.

Senat: 5

Gegenstand: Revision

Stichworte: Jugendstrafe, Anforderungen

Normen: JGG 17, JGG 18

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.03.2017 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der beiden Angeklagten I und X im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Urteilsformel des angefochtenen Urteils wird dahin richtig gestellt, dass die Angeklagten I und X schuldig sind des Diebstahls in sechs Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb, sowie der vorsätzlichen Brandstiftung in drei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, tateinheitlich begangen mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Iserlohn zurückverwiesen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht Iserlohn hat die beiden Angeklagten I und X mit Urteil vom 22. September 2016 des gemeinschaftlichen besonders schweren Falls des Diebstahls in sechs Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb, sowie der gemeinschaftlichen vorsätzlichen Brandstiftung in drei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb und dabei tateinheitlich die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion versucht wurde, für schuldig befunden. Gegen den Angeklagten I hat es eine Jugendstrafe von sechs Monaten verhängt, gegen den Angeklagten X unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwelm vom 23. Juni 2016 eine Jugendstrafe von sieben Monaten. Die Vollstreckung beider Jugendstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen dieses, ihm am 24. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat der Angeklagte I mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. September 2016, der am 29. September 2016 beim Amtsgericht Iserlohn einging, zunächst lediglich unbestimmt „Rechtsmittel“ eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. November 2016, der am selben Tag beim Amtsgericht Iserlohn einging, hat der Angeklagte I sein Rechtsmittel sodann als Revision bezeichnet und diese mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet.

Der Angeklagte X hat gegen das ihm am 26. Oktober 2016 zugestellte Urteil zunächst mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. September 2016, der am selben Tag beim Amtsgericht Iserlohn einging, das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Dieses hat er sodann mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. November 2016, der per Fax am selben Tag beim Amtsgericht Iserlohn einging, zurückgenommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 22. September 2016 bezüglich beider Angeklagter im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten I ist als Sprungrevision zulässig und hat auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 18. Januar 2017 zu der Sprungrevision des Angeklagten I wie folgt Stellung genommen:

„Der fristgerecht eingelegten und mit der Sachrüge frist- und formwahrend begründeten Revision ist in der Sache ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.

Zwar ist die Revision nicht ausdrücklich auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt worden; eine solche Beschränkung kann sich jedoch aus der Begründungsschrift ohne ausdrückliche Erklärung ergeben, zum Beispiel wenn die Sachrüge nur Ausführungen zum Rechtsfolgenausspruch enthält (zu vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, § 344 Randnummer 6). Dies ist vorliegend der Fall, da der Angeklagte mit seiner Revisionsbegründung ausschließlich die Verletzung sachlichen Rechts bei der Anwendung des § 17 JGG rügt.

Die Revision kann auch wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden, da die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch tragen, wobei unbeachtlich ist, dass die Tenorierung fehlerhaft wegen Diebstahls im besonders schweren Fall erfolgt ist, da es sich bei § 243 StGB um Strafzumessungsregelungen und nicht um eigenständige Qualifikationstatbestände handelt. Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist indes der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und kann insoweit nicht korrigiert werden.

Die Verhängung der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld gemäߧ 17 Abs. 2, 2. Fall JGG begegnet durchgreifenden Bedenken.

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmende Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG ist die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (zu vgl. BGH, NStZ-RR 2016, 325 f.). Überdies muss die Verhängung der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld aus erzieherischen Gründen erforderlich sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erforderlichkeit ist dabei derjenige des Erlasses des Urteils, insbesondere ist hierbei neben einem straffreien Verhalten eines Angeklagten vor der Tat vor allem auch eine positive Entwicklung nach der Tat zu berücksichtigen. Letztlich bestimmt zwar im Einzelfall der Tatrichter das Verhältnis der Strafzwecke, wobei eine reine Schuldstrafe grundsätzlich unzulässig ist. Das Urteil muss daher erkennen lassen, ob das Tatgericht dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt hat. Namentlich muss es Ausführungen dazu enthalten, welche erzieherischen Wirkungen von der Strafe ausgehen sollen und ob - bei entsprechenden Anhaltspunkten - der Tat Ausnahmecharakter hinzukommt und die Verhängung der Jugendstrafe erforderlich ist (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2005, 245 f.).

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Zudem enthält es fehlerhafte Feststellungen.

Die Urteilsausführungen des Tatgerichts beschränken sich im Wesentlichen darauf festzustellen, dass die Angeklagten sich wegen Brandstiftungs- und Explosionsdelikten strafbar gemacht haben, die als Verbrechenstatbestände (§ 12 StGB) nach dem allgemeinen Strafrecht mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet werden. Zudem hat es insbesondere in den Blick genommen, dass die verursachten Schäden insgesamt erheblich und zum Nachteil von „wildfremden“ Geschädigten (Anmerkung: dies hat das Tatgericht insgesamt dreimal in den Urteilsgründen ausgeführt) begangen wurden. Zudem hat es ausgeführt, dass es erzieherisch geboten wäre, die Angeklagten mit einer Jugendstrafe zu belegen. Weitere Ausführungen dazu, aus welchen konkreten erzieherischen Gründen heraus die Verhängung einer Jugendstrafe angesichts des Zeitablaufs seit den Taten im Januar/Februar 2015 geboten ist, enthält das Urteil nicht. Dies lässt insbesondere befürchten, dass der weitere Werdegang der Angeklagten nach den Taten keine hinreichende Berücksichtigung erfahren hat.

Im Übrigen sind die Urteilsfeststellungen dahingehend, dass der Angeklagte I bereits zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, insoweit unzutreffend, als dass die gegen den Angeklagten I vorher geführten Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls und wegen vorsätzlicher Körperverletzung nach § 45 Abs. 2 JGG im Diversionsverfahren eingestellt worden sind, womit ein Schuldspruch nicht verbunden ist. Zudem ist das Gericht nach den Urteilsgründen zu dem Rechtsfolgenausspruch davon ausgegangen, dass die Angeklagten Wohnungseinbruchsdiebstähle begangen haben, was nicht zutreffend ist.

Das Urteil kann daher im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.

Soweit eine fehlerhafte Würdigung bei der Verhängung einer Jugendstrafe auch nicht beschwerdeführende Angeklagte betrifft, ist die Revisionsentscheidung gemäß § 357 StPO auch auf nicht revidierende Angeklagte zu erstrecken (zu vgl. OLG München, Beschluss vom 12.05.2005, 5 StR RR 037/05, zitiert nach juris, OLG Hamm, Beschluss vom 17.11.2009, 3 Ss 447/09, zitiert nach juris).

Die fehlerhaften Urteilsgründe betreffen umfänglich auch den nicht revidierenden Angeklagten X, so dass die Urteilsaufhebung auch auf ihn zu erstrecken ist. Dies ist auch nicht aus dem Grunde ausgeschlossen, dass der Angeklagte X seine zunächst mit Telefax-Schriftsatz vom 26.09.2016 am selben Tage bei dem Amtsgericht Iserlohn eingelegte Berufung (Bl. 787 d. A. Bd. IV) mit Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.11.2016, der am 24.11.2016 bei dem Amtsgericht Iserlohn eingegangen ist, wieder zurückgenommen hat (Bl. 831 d. A. Bd. IV). Dies wäre dann der Fall, wenn die Revision kraft Gesetzes gem. § 55 Abs. 2 JGG ausgeschlossen ist, z. B. bei durchgeführter Berufung oder Rücknahme der Berufung außerhalb der Revisionsbegründungsfrist (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Dies indes ist nicht der Fall. Das Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten am 26.10.2016 zugestellt worden (Bl. 796c d. A. Bd. IV), so dass die Revisionsbegründungsfrist gem.§ 345 Abs. 1 StPO i.V.m. § 43 StPO bis zum 28.11.2016 (Anm.: der 26.11.2016 war ein Samstag) andauerte und daher bei Rücknahme der Berufung am 24.11.2016 noch nicht abgelaufen war. Der Angeklagte X hätte mithin noch einen Wechsel des Rechtsmittels vornehmen können.“

Diesen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft schließt sich der Senat an. Der Senat konnte jedoch die Urteilsformel, wie aus dem Tenor ersichtlich, richtig stellen. Soweit das Amtsgericht die beiden Angeklagten des „gemeinschaftli-chen besonders schweren Fall“ des Diebstahls sowie der „gemeinschaftlichen“ vorsätzlichen Brandstifung für schuldig befunden hat, liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit bei Abfassung der Urteilsformel vor, die klarstellend zu berichtigen war. So ist in der Urteilsformel lediglich die Teilnahmeform mitzuteilen, also Anstiftung und Beihilfe, nicht jedoch, ob ein Angeklagter als Allein- oder Mittäter gehandelt hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 260 Rdn. 24 m. w. N.). Zudem sind in die Urteilsformel nicht die gesetzlichen Überschriften von Bestimmungen aufzunehmen, die keine eigene Straftat beschreiben, sondern nur eine Strafzumessungsregelung enthalten. Das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere oder minderschwere Fälle wird nicht in die Urteilsformel aufgenommen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 260 Rdn. 25). Die Bestimmung des § 243 StGB listet Regelbeispiele für besonders schwere Fälle des Diebstahls auf. Es handelt sich um gesetzliche Strafzumessungsregeln, die keinen eigenen Tatbestand bilden.

Aufgrund der von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift zutreffend aufgezeigten Rechtsfehler war das angefochtene Urteil daher im Rechtsfolgenausspruch nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung nach § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Iserlohn zurückzuverweisen.


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