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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 372/16 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Ein Beschluss der Strafvollstreckungskammer, dass die Maßregel fortdauere, beinhaltet der Sache nach – neben der Entscheidung über die Frage der Erledigung - zugleich die Entscheidung, dem Probanden die Vollstreckung der Reststrafe nicht zur Bewährung auszusetzen.
2. Wird die Maßregel (hier: der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) nach § 67d Abs. 5 StGB für erledigt erklärt, so ist eine Anordnung nach § 67 Abs. 5 S. 2 StGB zu treffen, wenn eine nicht zur Bewährung ausgesetzte, mit der Maßregel verhängte, (Rest-)Strafe im Strafvollzug verbüßt werden soll. Bei der Regelung des § 67 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 StGB handelt es sich um eine Vorschrift, die die Art des Vollzuges, nicht hingegen den Rechtscharakter desselben betrifft.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Unterbringung, Entziehungsanstalt, Erledigung, Anordnung des Vollzugs der Strafe

Normen: StGB 64; StGB 67; StGB 67d

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm am 12.01.2017 beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2. Die mit Urteil des Landgerichts Paderborn vom 11.09.2015 angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird für erledigt erklärt.
3. Mit der Entlassung aus der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Der Untergebrachte wird der Aufsicht und Leitung des zuständigen Bewährungshelfers unterstellt. Die konkrete weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht bleibt der zuständigen Strafvollstreckungskammer vorbehalten.
4. Die Zeit des Vollzugs der Maßregel wird auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
5. Die weitere Vollstreckung des Strafrests wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.
6. Der Vollzug der Strafhaft wird angeordnet.
7. Die Kosten des Verfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:
I.
Mit Urteil vom 11.09.2015, rechtskräftig seit dem 05.10.2015, hat das Landgericht Paderborn gegen den Verurteilten wegen Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt und seine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet. Die Unterbringung wird seit dem 23.10.2015 vollzogen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Paderborn die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde. Er hat zuletzt beantragt, die Maßregel für erledigt zu erklären und den Eintritt der Führungsaufsicht festzustellen. Einen gleichlautenden Antrag hat auch die Generalstaatsanwaltschaft mit Antragsschrift vom 07.12.2016 gestellt.

II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg.

1. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu klären ist, liegen vor. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.

Nach § 67d Abs. 5 StGB in der durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) geänderten Fassung ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB nicht mehr vorliegen, d.h. wenn keine hinreichend konkrete Aussicht mehr besteht, den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Die Entscheidung hierüber steht nicht im Ermessen des Gerichts. Die Maßregel darf vielmehr von Verfassungs wegen (Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 GG) nicht weiter vollzogen werden, wenn entgegen einer anfänglichen positiven Prognose keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen solchen Behandlungserfolg mehr besteht. Eine Maßregel gemäß § 64 StGB behält ihre auf Resozialisierung hinzielende Zweckrichtung nur so lange, als die therapeutischen Bemühungen in absehbarer Zeit einen Erfolg möglich erscheinen lassen; scheitert dieser Zweck, besteht kein Anspruch darauf, eine solche Maßregel trotz Aussichtslosigkeit aufrecht zu erhalten. Um festzustellen, ob eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht mehr besteht, ist eine Prognose auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage erforderlich, aus der sich ergibt, dass der Zweck der Maßregel aller Voraussicht nach nicht mehr erreicht werden kann; einer absoluten Sicherheit bedarf es nicht, da es sich um eine Prognoseentscheidung handelt (OLG Koblenz, Beschluss vom 28.01.2016 – 2 Ws 22/16 – juris; vgl. auch: OLG Hamm, Beschl. v. 03.01.2008 - 3 Ws 707-709/07 - juris). Die Prognoseentscheidung ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Untergebrachten unter Berücksichtigung aller für und gegen die Erfolgsaussichten einer Suchtbehandlung in einer Entziehungsanstalt sprechenden Umstände, namentlich der Gründe und Wurzeln eines dem Erfolg der Therapie entgegenstehenden Umstands zu treffen. Bei der Prognoseentscheidung muss auch der Gesamtverlauf der bisherigen Maßregelvollstreckung berücksichtigt werden; dabei kommt dem Ziel der Unterbringung, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den suchtbedingten Rauschmittelkonsum zu bewahren, erhebliche Bedeutung zu. Als Behandlungserfolg ist hierbei bereits anzusehen, dass der Süchtige für eine gewisse Zeit vor dem Rückfall in die Sucht bewahrt werden kann. Eine mögliche Krise der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vermag die Beendigung der Maßregel nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. Zwar mag eine bei dem Verurteilten vorliegende Therapieunwilligkeit oder Therapieunfähigkeit für die Aussichtslosigkeit der weiteren Maßregelvollstreckung sprechen; es ist jedoch stets zu überprüfen, ob eine - vorübergehende - mangelnde Therapiemotivation wieder geweckt werden kann (OLG Koblenz a.a.O.).

Im vorliegenden Fall besteht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände keine hinreichend konkrete Aussicht mehr, dass der Untergebrachte durch die Behandlung geheilt werden oder zumindest über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang bewahrt werden kann. Seine Therapieverweigerung dauert bereits seit August 2016 an und wurde von ihm in mehreren Schriftsätzen bekräftigt. Es erscheint ausgeschlossen, eine entsprechende Therapiemotivation herzustellen, da Hintergrund der Therapieverweigerung neben erheblichen Sprachproblemen vor allem ist, dass der Untergebrachte anstrebt, nach Verbüßung der Hälfte seiner Strafe baldmöglichst in sein Heimatland Polen abgeschoben zu werden (eine entsprechende Zustimmung der Staatsanwaltschaft hat er zumindest mit Verteidigerschriftsatz vom 09.01.2017 „angeregt“) und hierauf seine einzige Initiative gerichtet ist.

2. Die Erledigung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt zieht die im Tenor aufgeführten weiteren Anordnungen nach sich. Zunächst tritt mit der Entlassung aus dem Vollzug der Maßregel Führungsaufsicht ein (§ 67d Abs. 5 S. 2 StGB). Dies führt auch dazu, dass dem Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht ein Bewährungshelfer zu bestellen ist (§ 68a Abs. 1 Halbs. 2 StGB; vgl. OLG Koblenz a.a.O.).

3. Da die Maßregel vor einem Rest der Strafe vollzogen wurde und infolge der Anrechnung nach § 67 Abs. 4 StGB und der Untersuchungshaft bereits mehr als die Hälfte der Strafe verbüßt ist, ist zu prüfen, ob der Strafrest gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Ein Beschluss der Strafvollstreckungskammer, dass die Maßregel fortdauere, beinhaltet der Sache nach zugleich die Entscheidung, dem Probanden die Vollstreckung der Reststrafe nicht zur Bewährung auszusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.2013 – III-2 Ws 576 - 577/13 – juris m.w.N.), so dass sich die erfolgte Anhörung auch hierauf bezog. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung liegen aber nicht vorliegen. Da - wie dargelegt - die Behandlung des Untergebrachten gescheitert ist und sein Hang zum schädlichen Konsum von Alkohol weiter besteht, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Untergebrachte im Falle seiner Entlassung wieder Alkohol konsumieren und erhebliche Straftaten wie Körperverletzungs- und Sexualdelikte begehen wird. Mangels auch nur annähernd erfolgreicher Behandlung und fehlender Tateinsicht besteht die ungünstige Legalprognose der Anlassverurteilung unvermindert fort. Unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit kann deshalb die Aussetzung zur Bewährung nicht verantwortet werden (§ 67 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB).

4.Der Vollzug der Maßregel ist nicht gemäß § 67 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 StGB fortzusetzen. Vielmehr ist „der Vollzug der Strafe“ nach § 67 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 StGB anzuordnen. Die Regelung ist auch im Falle der Erledigungserklärung der Maßregel anwendbar, also dann, wenn – wie hier – ein Nebeneinander von Strafe und Maßregel nicht mehr existiert. Es handelt sich um eine Vorschrift, die die Art des Vollzuges, nicht hingegen den Rechtscharakter desselben betrifft (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.2013 – 2 Ws 576-577/13 – juris; i.E. ebenso: OLG Celle, Beschl. v 02.03.2015 – 2 Ws 16/15 – juris; OLG Koblenz – 2 Strafsenat - NStZ-RR 2011, 387; LG Görlitz, Beschl. v. 06.09.2012 – 7 StVK 93/12 – juris; offen gelassen in: OLG Koblenz – 2 Strafsenat – Beschl. v. 28.01.2016 – 2 Ws 22/16). Die Regelung des § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB ist der Sache nach vergleichbar mit den Überweisungsregelungen in § 67a StGB, wobei allerdings der gesetzliche Regelfall die Strafvollstreckung im Vollzug der Maßregel ist. Dem liegt die gesetzgeberische Vorstellung zu Grunde, dass schon erzielte Erfolge des Maßregelvollzugs nicht wieder in Frage gestellt werden sollen (vgl. BT-Drs. 16/1110 S. 17; BGH NStZ 2016, 147; Schöch in: LK-StGB, 12. Aufl., § 67 Rdn. 52, 54). Dieser Intention kann nur Rechnung getragen werden, wenn man die Regelung entgegen des missverständlichen Wortlauts, als eine bloße Regelung zu den Modalitäten des Vollzugs und nicht zu ihrem Rechtscharakter (Strafe/Maßregel) versteht. Zwar ist dort von der Fortsetzung des Vollzugs der Maßregel die Rede, was zunächst auf die Notwendigkeit des Fortbestehens einer Maßregel (und eben nicht einer Erledigung derselben hindeuten könnte (KG Berlin, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 Ws 77/14 – juris; OLG Koblenz – 1. Strafsenat -, Beschl. v. 09.03.2015 – 1 Ws 91/15 – juris)). Andererseits ist aber eben auch „nur“ vom „Vollzug“ der Maßregel bzw. „Vollzug“ der Strafe die Rede und nicht von „Vollstreckung“, was – vgl. die Formulierung in der rein vollzuglichen Regelung des § 67a StGB – darauf hindeutet, dass es sich vorliegend dem Rechtscharakter nach um eine vollzugliche Überweisungsregelung handelt. Anders als das Kammergericht Berlin meint (vgl. KG a.a.O.), stehen einer solche Regelung keine kompetenzrechtlichen Gründe im Hinblick auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes bzgl. des Strafvollzugs entgegen. Ansonsten müsste man nämlich auch die Regelungen der §§ 67a und 66c StGB für kompetenzwidrig erachten, enthalten sie doch ebenfalls Regelungen zur Ausgestaltung des Vollzugs (einer Maßregel: § 67a Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 StGB und § 66c StGB; einer Strafe: § 67a Abs. 2 S. 2 StGB), nämlich dazu, unter welchen tatsächlichen Bedingungen der Vollzug stattzufinden hat. Gerade aber für den in § 66c StGB geregelten Bereich ist verfassungsgerichtlich geklärt, dass der Bundesgesetzgeber insoweit eine wesentliche Leitlinienkompetenz hat und dem Landesgesetzgeber nur die Ausgestaltung der Details verbleibt (BVerfG, Urt. v. 04.05.2011 – 2 BvR 2333/08 – juris, Rdn. 129 f.; vgl. dazu: Schäferküpper/Grote NStZ 2013, 447, 448). Das mag man kritisieren (vgl. z. B. Hörnle NStZ 2011, 488, 492). Es zeigt aber, dass jedenfalls vor dem (hier maßgeblichen) Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts derartige Regelungen durchaus als Bundesgesetz Bestand haben können.

Umstände in der Person des Verurteilten lassen es hier angezeigt erscheinen, den Vollzug der Strafe anzuordnen (§ 67 Abs. 5 S. 2 Halbs. 2 StGB). Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB wegen Wegfalls der Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB für erledigt erklärt worden, da - wie dargelegt - keine hinreichend konkrete Aussicht mehr besteht, den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Bei Aussichtslosigkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist es regelmäßig untunlich, den Verurteilten in einer solchen Anstalt zu halten (OLG Koblenz, Beschl. v. 28.01.2016 – 2 Ws 22/16 – juris; Maier in: MK-StGB, 3. Aufl., § 67 Rdn. 150; Schöch in: LK-StGB, 12. Aufl., § 67 Rdn. 58).

III.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 467 Abs. 1 StPO.


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