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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ws 249/16 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Anordnung der Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung durch das erkennende Gericht während einer laufenden Hauptverhandlung

Senat: 5

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Zulässigkeit, Beschwerde, Entnahme Körperzellen, laufende Hauptverhandlung

Normen: StPO 81e, StPO 81f; StPO 304; StPO 305

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamms am 19.07.2016 beschlossen:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten seines Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:
I.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Arnsberg vom 14. Juli 2014 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in der Zeit von Oktober 2012 bis Februar 2013 in X in drei Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben, ohne sie aufgrund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG erlangt zu haben (§§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB).

So soll der Angeklagte dem gesondert Verfolgten L an einem Tag im Oktober oder November 2012, kurz vor Weihnachten 2012 und am 08. Februar 2013 bzw. kurz vor diesem Tag jeweils erhebliche Mengen verschiedener Betäubungsmittel in X übergeben und verkauft haben.

Im Rahmen einer Personenkontrolle durch die Bundespolizei waren am 08. Februar 2013 bei dem gesondert Verfolgten L eine große Menge diverser Betäubungsmittel, im Wesentlichen jeweils verpackt in fest verknotete Plastikbeutel, aufgefunden und sichergestellt worden. Zur Spurensicherung wurden von den Beuteln jeweils mehrere DNA-Abriebe genommen, da insbesondere an den Knoten der Beutel eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich dort serologische Spuren der Person befinden, die diese verpackt hat.

Mit Beschluss vom 24. September 2014 hat das Landgericht Arnsberg die Anklage der Staatsanwaltschaft Arnsberg vom 14. Juli 2014 ohne Änderungen zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet.

Derzeit findet die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Arnsberg statt.

Da bisher keine weitere Untersuchung der an den Verpackungsbeuteln der Betäubungsmittel genommenen DNA-Abriebe erfolgt war, nahm die Staatsanwaltschaft im Termin am 14. Juni 2016 Bezug auf einen bereits am 25. April 2013 gestellten, aber noch nicht beschiedenen Antrag auf Abnahme einer Speichelprobe beim Angeklagten zur Durchführung eines Vergleichs mit aufgefundenem Spurenmaterial.

Die Strafkammer hat daraufhin mit Beschluss vom 14. Juni 2016 angeordnet, dem Angeklagten zur Gewinnung von Material für molekulargenetische Untersuchungen Körperzellen zu entnehmen und diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch zu untersuchen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeklagte, der sich zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe nicht bereit erklärt hatte, mit seiner Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, es sei bisher noch nicht einmal ermittelt worden, ob überhaupt verwertbares Spurenmaterial vorgefunden worden sei. Eine Entnahme von Körperzellen und deren DNA-Analyse sei jedoch unzulässig, solange kein zu Vergleichszwecken geeignetes Spurenmaterial vorhanden sei.

Die Strafkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Juni 2016 nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie vom Senat erkannt worden ist.

II.

1.
Die Beschwerde ist gem. § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch zulässig.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht die Regelung des § 305 S. 1 StPO entgegen, nach der Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde unterliegen.

a) So stellt die Entnahme von Körperzellen (§ 81 a StPO) zwecks späterer molekular-genetischer Untersuchung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar, der unabhängig von der Eingriffsintensität mit den in § 305 S. 2 StPO aufgeführten Maßnahmen vergleichbar ist. Die entnahmeanordnende gerichtliche Entscheidung nach § 81 a Abs. 2 StPO ist daher auch während der laufenden Hauptverhandlung mit der Beschwerde überprüfbar (vgl. OLG Bremen, StV 2010, 122; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 81 a, Rdnr. 30; jeweils m. w. N.).

Vorliegend ist der angefochtene Beschluss zur Entnahme von Körperzellen beim Angeklagten sowie deren molekulargenetische Untersuchung vom erkennenden Gericht während der laufenden Hauptverhandlung erlassen worden.

b) Auch gegen die zugleich in dem Beschluss vom 14. Juni 2016 gem. §§ 81 e, f StPO angeordnete molekulargenetische Untersuchung der durch die Anordnung nach § 81 a StPO gewonnenen Körperzellen ist die Beschwerde statthaft und zulässig. Die Regelung des § 305 S. 1 StPO steht einer Beschwerde insoweit ebenfalls nicht entgegen. Entscheidungen des erkennenden Gerichts nach § 81 f StPO, mit denen die molekulargenetische Untersuchung nach § 81 e StPO angeordnet wird – wie im vorliegenden Fall -, sind für den Angeklagten in entsprechender Anwendung des § 305 S. 2 StPO mit der Beschwerde angreifbar (vgl. OLG Bremen, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 81 f, Rdnr. 8).

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Die Strafkammer hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Entnahme von Körperzellen beim Angeklagten und deren molekulargenetische Untersuchung nach §§ 81 a, e, f StPO angeordnet.

Zweck der Untersuchung nach § 81 a Abs. 1 S. 1 StPO darf nur die Feststellung verfahrenserheblicher Tatsachen sein, für deren Vorliegen bereits bestimmte Anhaltspunkte bestehen. Hierbei handelt es sich insbesondere um solche Tatsachen, die, wenn auch nur mittelbar, die Straftat, die Täterschaft und die Schuld des jeweiligen Beschuldigten beweisen oder die Rechtsfolgenentscheidung beeinflussen können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 81 a, Rdnr. 6).

Die Strafkammer hat hier in ihrem Beschluss dargelegt, dass die Entnahme von Körperzellen beim Angeklagten und deren Untersuchung notwendig ist, um feststellen zu können, ob sich dessen Spuren auf den sichergestellten Betäubungsmittelverpackungen befinden. Die sichergestellten Betäubungsmittel sollen nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis vom Angeklagten stammen. Entgegen der Auffassung des Angeklagten ist es für die Anordnung der molekular-genetischen Untersuchung der entnommenen Körperzellen auch nicht notwendig, dass bei der Auswertung der Spurenträger bereits geeignetes DNA-Vergleichsmaterial gefunden worden ist (so aber Landgericht Offenburg, StV 2003, 153). Für die Anordnung der DNA-Untersuchung einer Speichel- oder Blutprobe eines Beschuldigten reicht es aus, dass Spurenmaterial vorliegt, bei dem nach Lage der Dinge die sachlich begründete Erwartung besteht, die Untersuchung werde zum Auffinden geeigneten Vergleichsmaterials führen. Den Bestimmungen der §§ 81 e, f StPO lässt sich eine starre zeitliche Reihenfolge dahingehend, dass zwar die Entnahme von Körperzellen angeordnet werden kann, deren molekulargenetische Untersuchung jedoch erst dann zulässig sein soll, wenn für einen DNA-Vergleich geeignetes Spurenmaterial vorhanden ist, nicht entnehmen. Die Vorschrift des § 81 e Abs. 1 S. 1 StPO setzt lediglich „aufgefundenes“, nicht jedoch bereits untersuchtes und für einen DNA-Vergleich als geeignet befundenes Spurenmaterial voraus. Eine vorherige Auswertung der aufgefundenen Spurenträger ist nicht erforderlich (vgl. LG Ravensburg, NStZ-RR 2010, 18; Meyer-Goßner/ Schmitt, a.a.O., § 81 e, Rdnr. 4). Soweit seitens des Landgerichts Offenburg (a.a.O.) als Voraussetzung einer molekulargenetischen Untersuchung zunächst die Feststellung geeigneten DNA-Vergleichsmaterials für notwendig erachtet wird, steht dem entgegen, dass sich praktisch nicht allgemein bestimmen lässt, ob sich vorgefundenes DNA-Material, z. B. an Spurenträgern festgestellte Mischspuren oder Bruchstücke einer DNA, für einen Vergleich eignet. Dies ist häufig erst anhand der Einzelfallumstände und der Zusammenschau mit weiteren Ermittlungsergebnissen zu beantworten. Auch in den Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 81 e StPO und zur Änderung dieser Vorschrift lassen sich keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Reihenfolge der Untersuchungen bzw. eine Vorabuntersuchung des Spurenmaterials finden. Die Einhaltung einer Untersuchungsreihenfolge würde auch dem im Strafverfahren geltenden Beschleunigungsgebot widersprechen (vgl. LG Ravensburg, a.a.O.).

Vorliegend sind Spurenträger vorhanden, nämlich die sichergestellten Betäubungsmittelverpackungen, hinsichtlich derer anzunehmen ist, dass ihre Untersuchung zum Auffinden geeigneten DNA-Vergleichsmaterials führen wird.

Die von der Strafkammer getroffene Entscheidung ist zudem auch insgesamt nicht unverhältnismäßig. Der Angeklagte ist angesichts der in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Arnsberg vom 14. Juli 2014 gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe hinreichend verdächtig, schwere Straftaten, und zwar mehrere Verbrechen i. S. d. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG begangen zu haben.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.



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