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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 1/16 OLG Hamm

Leitsatz: Ein genereller Ausschluss des Bezuges einer bestimmten Zeitschrift durch einen Strafgefangenen ist ausschließlich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 S. 1 StVollzG NRW, mithin nur bei Straf-oder Bußgeldbewehrung einer Verbreitung der Zeitschrift, gerechtfertigt und demgegenüber nicht schon aus Gründen einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gemäß § 53 Abs. 3 S. 2 StVollzG NRW, durch welche nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ausnahmslos nur das Anhalten von – jeweils inhaltlich auf ihr Gefährdungspotenzial zu überprüfenden – Einzelausgaben ermöglicht wird.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Zeitschriftenbezug, Ausschluss

Normen: StVollzG NRW 52

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1, Strafsenat des OLG Hamm am 10.05.2016 beschlossen:

Dem Betroffenen wird ohne Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde und der Frist für die Anbringung des Wiedereinsetzungsantrages gewährt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der angefochtene Beschluss - mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes - sowie der Bescheid der Justizvollzugsanstalt C vom 28.08.2015 werden aufgehoben. Die Justizvollzugsanstalt wird angewiesen, den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Soweit die Rechtsbeschwerde auf die unmittelbare Aushändigung der zur Habe des Betroffenen genommenen Zeitschrift gerichtet ist, wird sie als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Betroffene zu tragen; jedoch wird die gerichtliche Gebühr jeweils um die Hälfte ermäßigt. Die Landeskasse hat insgesamt die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu 1/2 zu tragen.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I wird zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Der Betroffene verbüßt derzeit in der JVA C zwei Freiheitsstrafen wegen sexueller Nötigung und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.

Seit Anfang des Jahres bezog er die Zeitschrift „gefangenen info“, ohne zuvor einen Antrag bei dem Antragsgegner auf Genehmigung des Bezugs dieser Zeitschrift gestellt zu haben.

Die acht Mal jährlich erscheinende Zeitschrift hat sich aus der „Angehörigen Info“, welche wiederum aus der – zu Beginn des zehnten Hungerstreiks inhaftierter RAF-Terroristen 1989 gegründeten – Zeitschrift „Hungerstreik Info“ hervorging, entwickelt. Herausgeber der Zeitschrift ist das „Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen“ (NSG). In der etwa 20 bis 30-seitigen Zeitschrift werden regelmäßig die Themen (Solidarität-) Hungerstreiks, „Isolationshaft“, Unterbringungen im „Bunker“, Maßnahmen einzelner Justizvollzugsanstalten und/oder bestimmbarer Bediensteter, Haftbedingungen, Missstände, Prozessberichte sowie die §§ 129 ff StGB erörtert.

Nachdem der Antragsgegner im Mai 2015 eine Zulassung der Zeitschrift generell geprüft und sich dagegen entschlossen hatte, händigte er weitere Zeitschriften ab der Ausgabe August 2015 nicht weiter aus.

Am 28.08.2015 wurde das an diesem Tage an den Betroffenen übersandte Exemplar der Zeitschrift „gefangenen info“ aufgrund einer Anhalteverfügung des Antragsgegners vom selben Tage nicht an den Betroffenen ausgehändigt, sondern zu dessen Habe genommen.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Betroffene beantragt, die Anhalteverfügung des Antragsgegners vom 28.08.2015 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm das angehaltene Zeitschriftenexemplar auszuhändigen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Bezug einer Zeitung oder Zeitschrift erfordere einen vorherigen schriftlichen Antrag des Gefangenen an die Bereichsleitung oder an die Abteilung Sicherheit und Ordnung, wo geprüft werde, ob gegen den Bezug der Zeitung oder Zeitschrift Bedenken bestünden. Mangels eines solchen Antrags des Betroffenen in Bezug auf die Zeitschrift „gefangenen info“ habe beim Übersenden der Zeitschrift keine Vermittlung durch die Anstalt gemäß § 52 Abs. 1, 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 StVollzG NRW vorgelegen und sei aus diesem Grund die Zeitschrift zur Habe des Betroffenen gegeben worden.

Bei der erfolgten generellen Prüfung, ob gegen die Zulassung der Zeitschrift innerhalb der JVA C Bedenken bestünden, seien vier Zeitschriftenexemplare, und zwar die Ausgaben Juli 2014, Juli/August 2014, Oktober/November 2014 und Januar/Februar 2015 stichprobenartig überprüft worden. Die kontrollierten Ausgaben der Zeitschrift „gefangenen info“ enthielten unrichtige Darstellungen von Anstaltsverhältnissen sowie sehr subjektiv und zum Teil diffamierend verfasste Darstellungen verschiedener Entscheidungen einzelner Justizvollzugsanstalten und/oder dort beschäftigter Personen. Diese Darstellungen könnten geeignet sein, die aktive Erreichung des Vollzugsziels bei dem zum Leserkreis der Zeitschrift zählenden Gefangenen zu erschweren oder zu verhindern. Des Weiteren könne die Sicherheit und/oder Ordnung der Anstalt durch die Schilderungen und Aufrufe zum (Solidarität-) Hungerstreik, durch die Aufrufe sich gegen das System aufzulehnen, durch Schilderung von subkulturellen Handlungen (Handybesitz und Drogenkonsum) sowie durch die Schilderungen von Fluchtversuchen von Gefangene mittels Geiselnahme gefährdet sein. Zu beachten sei zudem der Schutz der in der Justizvollzugsanstalt tätigen Bediensteten, da beispielsweise in einer Ausgabe ein Bediensteter einer bestimmten JVA namentlich genannt und durch äußere, körperliche Merkmale beschrieben worden sei. Zum Beleg ihrer Auffassung bezog sich der Antragsgegner auf diverse Zitate aus den von ihm kontrollierten Ausgaben der Zeitschrift „gefangenen info“.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen.

Sie hat hinsichtlich der von dem Antragsgegner überprüften Zeitschriftenexemplare festgestellt, in der Ausgabe der Zeitschrift im Juni 2014 sei unter anderem ausgeführt:

„Der Knast ist ein integraler Bestandteil kapitalistischer Herrschaftssicherung und das System dahinter ist darauf ausgelegt, Menschen kaputtzumachen und diesem Verwertungsprozess unterzuordnen. Zum Einen herrscht ein ausgeklügeltes System zur Behandlung der Gefangenen untereinander, was dabei weit über das bloße „Anscheißen“ hinausgeht. Gefangene, die sich dabei konform und den Gesetzen der jeweiligen Knäste unterwerfen, können von mehr Begünstigungen ausgehen. Diejenigen, die versuchen Widerstand, sowohl legal-rechtlich, als auch im rebellischen-widerständigen Rahmen zu organisieren, werden bestraft. […] Dazu zählen Repressionsmaßnahmen gegen widerständige Gefangene, die zum Einen 100% den Willkürakten der Schließer ausgesetzt sind und zum Anderen als Schaubild für alle anderen Gefangenen dienen. […] Zu diesem System der Unterdrückung gehören ebenfalls die SozialarbeiterInnen, die in allen Berichten als Mit-Träger der Repressionsmaßnahmen dienen. So schrieb X: ; […] ‚Die SozialarbeiterInnen in der Vollzugsmaschinerie sind Repressionsarbeiterinnen!‘ Hinzu kommt die spezielle Rolle der Medikamentenversorgung bzw. der Anstaltsärzte. Diese unterliegen nicht den üblichen Ärztekammern, sondern können tun und lassen, was sie wollen, mit den Gefangenen. […] Was sie den Gefangenen antun, ist unbegreiflich. Unterlassene Hilfeleistung, Körperverletzung, fahrlässige Tötung. Das alles in einem deutschen Knast. […).“

In der Ausgabe der Zeitschrift Juli/August 2014 sei der Bericht eines Gefangenen enthalten, der unter anderem detailliert über seine Fluchtversuche aus der JVA M und aus der JVA M1 berichte.

In der Ausgabe Oktober/November 2014 sei u.a. ausgeführt:

„Was für ein schmieriges Pack! [Justizvollzugsbedienstete]. Aber sie bekommen alle noch ihre Quittung.“

In der Ausgabe Januar/Februar 2015 habe ein Gefangener in einem Interview berichtet, dass die Justizvollzugsanstalt für ihn keine Entlassungsvorbereitungen getroffen und ihn gezwungen habe „alles illegal zu machen“ insbesondere mit einem Handy. Unter anderem habe er geäußert:

„Ich habe mich vom ersten Tag an entschlossen, in die Illegalität zu gehen und von dort aus meinen Kampf gegen das System weiterzuführen. […] Niemals lasse ich mich überwachen oder in irgend einer Form durch dieses Schweinesystem kontrollieren, und der Staat kann sicher sein, ich mache es ihnen nicht einfach.“

Darüber hinaus finden sich nach den weiteren Feststellungen der Strafvollstreckungskammer in den oben genannten Ausgaben diverse Artikel über Gefangene im Hunger- oder Durststreik.

Die Strafvollstreckungskammer ist der Auffassung, die Anhalteverfügung des Antragsgegners sei rechtmäßig und verletze den Betroffenen in seinen Rechten nicht. Zu Begründung hat sie ausgeführt, gemäß § 52 Abs. 1, 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 StVollzG NRW dürften Gefangene Zeitungen und Zeitschriften durch Vermittlung der Anstalt im angemessenen Umfang auf eigene Kosten beziehen. Nach § 52 Abs. 3 StVollzG NRW könnten einzelne Ausgaben und Teile von Zeitungen und Zeitschriften Gefangenen vorenthalten werden, wenn sie die Sicherheit und Ordnung der Anstalt oder das Vollzugsziel erheblich gefährden würden, wovon auszugehen sei, wenn in dem angehaltenen Artikel eine unmäßig überzogene und böswillige Kritik der JVA geübt werde.

Eine solche Fallgestaltung sei in dem vorliegenden Verfahren gegeben.

Würde man dulden, dass die Strafgefangene davon ausgehen könnten, dass die Anstaltsleitung und das Anstaltspersonal wissentlich hinnehmen müssten, dass die Justiz und der der Staat in ausgehändigten Zeitschriften laufend herabgewürdigt und beleidigt würden, würde dies zu erheblichen Spannungen zwischen und zu nachteiligen Veränderungen im Auftreten und Verhalten von Gefangenen und Personal und im Ergebnis zu vermehrten Konfliktsituationen und Auseinandersetzungen führen. Die Artikel seien ebenfalls geeignet, „rebellische“ Häftlinge, welche sowohl in der JVA als auch nach der Entlassung „in der Illegalität leben“, zu ermutigen und in ihren Überzeugungen zu bestärken, sowie andere Gefangene zur Aufsässigkeit, Solidarisierung mit „rebellischen“ Gefangenen und zu einem aggressiven, die Anstaltsordnung störenden Verhalten zu reizen oder zu verleiten. Es bedürfe es keiner weiteren Erörterung, dass eine detaillierte Reportage über Fluchtversuche geeignet sei, die Sicherheit und Ordnung eine Justizvollzugsanstalt erheblich zu gefährden. Auch das Vollzugsziel gemäß § 1 StVollzG NRW werde durch verherrlichende Artikel und Interviews über Strafgefangene, die verkündeten, auch nach der Entlassung in der Illegalität gegen das „Schweinesystem“ zu kämpfen, erheblich gefährdet.

Das generelle Verbot der Zeitschrift durch den Antragsgegner ist nach den weiteren Ausführungen der Strafvollstreckungskammer ebenfalls als rechtmäßig und ermessensfehlerfrei anzusehen. Zwar dürften grundsätzlich nur Teile einer Zeitschrift zurückgehalten werden. Jedoch sei - so die Strafvollstreckungskammer unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 07.01.1977 (AZ: 1 Ws 237/76) - der generelle Ausschluss einer Zeitschrift nicht zu beanstanden, wenn die Zensur einer größeren Anzahl aufeinanderfolgender Nummern einer periodisch erscheinenden Zeitschrift deren staatsfeindlichen Charakter und damit deren Eignung zur Störung der Anstaltsruhe ergeben habe und für eine Änderung der Zielsetzung und des Redaktionsstils der Zeitschrift keine Anhaltspunkte dargetan seien.

Der Antragsgegner habe mehrere Ausgaben stichprobenartig überprüft. Es sei der JVA nicht zuzumuten, jede Ausgabe dieser periodisch erscheinenden Zeitschrift zu überprüfen und gegebenenfalls teilweise zu schwärzen.

Die Maßnahme des Antragsgegners sei auch nicht nach den Grundsätzen des Bestandsschutzes rechtswidrig. Zum einen liege keine gewährte Rechtsposition vor, da der Bezug der Zeitschrift durch die JVA nie genehmigt worden sei. Zum anderen würden die Interessen des Allgemeinwohls, nämlich die Anstaltsordnung, gegenüber dem Interesse des Antragstellers, die Zeitschrift weiterhin zu beziehen, überwiegen.

Gegen diesen ihm am 19.11.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die entsprechend seinem am 26.11.2015 Landgericht Bochum eingegangenen Antrag vom 19.11.2015 am 22.12.2015 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bochum begründet worden ist.

Der Betroffenen rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beanstandet insbesondere, die Strafvollstreckungskammer sei rechtfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Zeitschrift „gefangenen info“ eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt darstelle.

II.

Den Wiedereinsetzungsgesuchen war entsprechend den Anträgen des Betroffenen gemäß § 120 StVollzG i. V. m. §§ 44, 45 StPO stattzugeben, da der Betroffene die Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 05.11.2015 sowie für die Anbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der vorgenannten Frist ohne sein Verschulden versäumt hat.

III.
Die Rechtsbeschwerde war auf die allgemeine Sachrüge zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG) und erweist sich teilweise als begründet.

1.Die Strafvollstreckungskammer ist rechtsfehlerhaft in Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Anhalteverfügung des Antragsgegners hinsichtlich der August-Ausgabe 2015 der Zeitschrift „gefangenen info“ zulässigerweise auf das generelle Verbot des Bezugs dieser Zeitschrift durch den Antragsgegner gestützt werden konnte.

Der Bezug von Zeitschriften durch Strafgefangene richtet sich nach § 52 Abs. 2 und Abs. 3 StVollzG NRW, der aufgrund seines bis auf geringfügige sprachliche Abweichungen und der Ergänzung „auf eigene Kosten“ in Abs. 2 nahezu den gleichen Wortlaut wie § 68 Abs. 1 und 2 StVollzG aufweist und daher ersichtlich keine von bundesgesetzlichen Vorschrift abweichende Regelung trifft. Sowohl § 52 Abs. 2 StVollzG NRW als auch § 68 Abs. 1 StVollzG regeln die Ausübung des in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Grundrechts der Informationsfreiheit. Nach § 68 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 StVollzG kann der Strafgefangene in Ausübung dieses Grundrechts grundsätzlich frei auswählen, welche Zeitung oder Zeitschrift er beziehen will, soweit deren Verbreitung nicht mit Strafe oder Geldbuße bedroht und daher auch in Freiheit verboten ist (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 68 Rdnr. 1 und 3; Laubenthal in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, 12. Aufl., Kapitel G Rdrn. 10, Seite 570). Dies betrifft etwa unter §§ 86, 86a und 131 StGB fallende Publikationen sowie pornographische Druckwerke, soweit sie von §§ 184 ff StGB erfasst werden (vgl. Laubenthal, a.a.O.; OLG Jena NStZ-RR 2004, 317; OLG Celle, Beschluss vom 31.08.2010 – 1 Ws 387/10 –, BeckRS 2010, 23427, betreffend § 65 Abs. 2 S. 1 NJVollzG, der mit § 68 Abs. 2 S. 1 gleichlautend ist). Nicht ausreichend ist, wenn nur der Inhalt der Druckerzeugnisse gegen Strafgesetze verstößt, vielmehr muss die Verbreitung der Zeitschrift mit Strafe oder Geldbuße bedroht sein (vgl. OLG Celle, a.a.O.; Schwind/Goldberg in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 6. Aufl. § 68 StVollzG Rdnr. 11) Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist ein genereller Bezugsausschluss nach § 68 Abs. 2 S. 1 StVollzG hinsichtlich einer Zeitung oder Zeitschrift zulässig (vgl. OLG Jena, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O., betreffend den mit § 68 Abs. 2 S. 1 gleichlautenden § 65 Abs. 2 S. 1 NJVollzG) .

Die in § 68 Abs. 2 S. 2 StVollzG aufgeführten Gründe der erheblichen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt sowie des Vollzugsziels rechtfertigen nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur die Vorenthaltung von einzelnen Ausgaben oder Teile von Zeitschriften oder Zeitungen, nicht aber einen generellen Bezugsausschluss (vgl. OLG Jena, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O., betreffend den mit § 68 Abs. 2 S. 2 StVollzG gleichlautenden § 65 Abs. 2 S. 2 NJVollzG).

Diese vorstehend erörterten Grundsätze gelten nach der Auffassung des Senats auch für § 52 Abs. 3 StVollzG NRW, da diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut - wie bereits oben dargelegt - eine mit § 68 Abs. 2 StVollzG übereinstimmende Regelung trifft. In der Begründung der Landesregierung vom 27.03.2014 zum Entwurf des Gesetzes zur Regelung des Vollzugs der Freiheitsstrafe und zur Änderung des Jugendstrafvollzugs in Nordrhein-Westfalen (Landtags-Drucksache 16/5413, Seite 127) wird zu § 52 Abs. 2 StVollzG zudem ausdrücklich ausgeführt, dass die Möglichkeit des Bezuges von Zeitungen und Zeitschriften sich unmittelbar aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebe und dass Gefangene grundsätzlich frei wählen könnten, welche Zeitungen und Zeitschriften sie beziehen möchten, sofern keiner der in Abs. 3 genannten Gründe entgegenstehe. Es folgt sodann in der Begründung der ausdrückliche Hinweis, dass Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, gemäß Abs. 3 S. 1 vom Besitz ausgeschlossen sind (a.a.O., Seite 128; Hervorhebung durch den Senat). Anlass zu einer anderen Beurteilung der landesgesetzlichen Regelung ergibt sich auch nicht deshalb, weil im Anschluss an diesen Hinweis in der Begründung zu § 52 Absatz 3 StVollzG NRW ausgeführt ist: “S. 2 trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung und bestimmt, dass bei Vorliegen der in S. 1 genannten Gründe auf den vollständigen Ausschluss der Überlassung von Zeitungen oder Zeitschriften verzichtet werden kann, wenn es ausreichend ist, lediglich einzelne Ausgaben oder Teile hiervon von der Aushändigung an den Gefangenen auszuschließen“. Denn die erfolgte Bezugnahme auf Absatz 3 S. 1 des § 52 StVollzG würde, wenn man sie wörtlich nähme, zu dem - absurden - Ergebnis führen, dass Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung auch in Freiheit, also generell mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, gleichwohl bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen an Strafgefangene ausgehändigt und damit verbreitet werden dürften. Abgesehen davon steht die vorgenannte Bezugnahme in der Begründung des Gesetzentwurfs aber auch im Widerspruch zu dem klaren Wortlaut des § 52 Abs. 3 S. 2 StVollzG NRW, der ausdrücklich nur die Vorenthaltung von einzelnen Ausgaben oder Teilen von Zeitungen oder Zeitschriften zum Zwecke der Abwehr einer Gefährdung für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder das Vollzugsziel und nicht im Bezug auf Druckerzeugnisse, deren Verbreitung straf- oder bußgeldbewehrt ist, regelt. Nach Auffassung des Senats handelt sich daher bei der Bezugnahme auf Abs. 3 Satz 1 in der Begründung des Gesetzesentwurfes (a.a.O.,S. 128) ersichtlich um ein redaktionelles Versehen, indem nicht der offensichtlich tatsächlich gemeinte Satz 2 des Absatzes 3 des § 52 StVollzG NRW, sondern dessen Satz 1 angeführt worden ist.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 S. 1 StVollzG NRW ist in Bezug auf die hier in Rede stehende Zeitschrift durch die Strafvollstreckungskammer nicht festgestellt worden. Auch der Antragsgegner hat sich nicht darauf berufen, sondern das generelle Bezugsverbot mit den in § 52 Abs. 3 S. 2 StVollzG NRW aufgeführten Gründen einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt sowie des Vollzugsziels begründet, was aber, wie oben ausgeführt, nicht zulässig ist. Auf diese Gründe kann nur das Vorenthalten einzelner Ausgaben oder Teile einer Zeitschrift gestützt werden, wobei jede Einzelausgabe dahingehend zu überprüfen ist, ob durch sie oder Teile davon im Falle einer Aushändigung das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährdet würden (vgl. OLG Jena, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.). Der mit der erforderlichen Einzelfallüberprüfung verbundene Aufwand für die Vollzugsbehörde ist angesichts dessen, dass durch diese mit Rücksicht auf die Bedeutung des Grundrechts der Informationsfreiheit nur die unerlässliche Einschränkungen vorgenommen werden dürfen (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 68 Rdnr. 1), zuzumuten, zumal unter Umständen, wenn sich bei vorausgegangenen Überprüfungen von Einzelausgaben einer Zeitschrift jeweils gefährliche Tendenzen gezeigt haben, auch stichprobenartige Überprüfungen der nachfolgenden Ausgaben ausreichend sein können (vgl. OLG Jena a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.). Das Gleiche gilt für den Mehraufwand, der durch ein etwaiges erforderlich werdendes Schwärzen oder Herausnehmen von Teilen eines als gefährdend eingestuften Artikels anfällt.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der von der Strafvollstreckungskammer zitierten Senatsentscheidung vom 07.01.1977 - 1 Ws 237-242, 258, 260 und 278/76 -, veröffentlicht in juris). Denn sie betrifft den Bezug von Zeitschriften durch einen Untersuchungshäftling.

Das Anhalten der im August 2015 an den Betroffenen übersandten Ausgabe der Zeitschrift „gefangenen info“ durch den Antragsgegner konnte daher aus den oben dargelegten Gründen nicht auf das generelle Bezugsverbot des Antragsgegners gestützt werden. Dies hat die Strafvollstreckungskammer verkannt.

Der angefochtene Beschluss konnte daher keinen Bestand haben und unterlag der Aufhebung. Gleichzeitig war der Bescheid des Antragsgegners vom 28.08.2015 aufzuheben. Eine Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer im Umfang der Aufhebung war nicht geboten, da in Bezug auf die von ihr zu treffende Entscheidung gemäß § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG Spruchreife eingetreten ist. Denn angesichts der Fehlerhaftigkeit auch des der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Bescheids der Vollzugsbehörde vom 28.08.2015 kam nur dessen Aufhebung in Betracht. Diese Entscheidung konnte der Senat anstelle der Strafvollstreckungskammer treffen.

Gleichzeitig war die Vollzugsbehörde anzuweisen, über die Aushändigung des am 28.08.2015 angehaltenen Exemplars der Zeitschrift „gefangenen info“ an den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsaufassung des Senats erneut zu entscheiden. Insoweit merkt der Senat an, dass Zeitschriften, die periodisch erscheinen und einem Strafgefangenen zugesandt werden, nur unter den engen Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 StVollzG NRW vorenthalten werden dürfen. Die vorgenannte Vorschrift gilt auch für nicht durch die Anstalt vermittelte Zeitschriften (vgl. OLG Koblenz, NStZ 1984, 46 betreffend die gleichlautende Vorschrift des § 68 Abs. 2 StVollzG m.w.N.). Soweit weder das Strafvollzugsgesetz des Bundes noch § 52 StVollzG NRW eine Regelung darüber enthalten, welche Folgen das Fehlen eines Antrags zum Bezug einer Zeitung oder Zeitschrift hat, also der Gefangene oder ein Dritter eine Zeitung oder eine Zeitschrift für einen Dauerbezug bestellt hat, ohne die Vermittlung der Anstalt in Anspruch zu nehmen, drängt sich insoweit auf, dass in diesen Fällen dem Gefangenen zunächst Gelegenheit gegeben werden sollte, den Antrag noch nachträglich zu stellen. Dies ergibt sich sowohl aus der Fürsorgepflicht der Anstalt gegenüber dem Gefangenen als auch aus der Pflicht, die Informationsfreiheit nicht mehr als unbedingt erforderlich einzuschränken (vgl. Schwind/Goldberg in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 6. Aufl., § 68 Rdnr. 7).

2.Soweit der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde den Antrag auf Aushändigung des zu seiner Habe genommenen Zeitschriftenexemplars weiterverfolgt hat, ist sein Rechtsmittel unbegründet. Dem Senat ist auf der Grundlage des angefochtenen Beschlusses, der sich zu dem Inhalt der angehaltenen Ausgabe August 2015 der Zeitschrift „gefangenen info“ in keiner Weise verhält, keine eigene Sachentscheidung möglich.

IV.
Der Antrag des Betroffenen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I war zurückzuweisen. Zwar hat der Betroffene die gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG, 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Akten gereicht. Diese Erklärung ist aber nicht mehr als ausreichender Beleg über die persönlichen und wirtschaftlichen Verluste des Betroffenen anzusehen. Denn dem Senat ist aus dem Verfahren III – 1 Vollz (Ws) 134/16 bekannt geworden, dass ein dort gestelltes erstinstanzliches PKH-Gesuch nach einer Mitteilung der Justizvollzugsanstalt vom 17.07.2015 über ein etwaiges externes Bankkonto des Betroffenen mit einem Guthaben von annähernd 1 Million € (Stand 2014) und einem Hinweis der Strafvollstreckungskammer vom 28.08.2015 auf eine sich gegebenenfalls hieraus ergebende Strafbarkeit wegen versuchten Betruges durch den Betroffenen mit Schreiben vom 03.09.2015 zurückgenommen worden ist. Dieses Verhalten des Betroffenen lässt nach Auffassung des Senats den Rückschluss zu, dass seine Angaben in der im vorliegenden Verfahren eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wonach er lediglich über ein Bankguthaben in Höhe von rund 100 € verfügt, jedenfalls nicht vollständig waren.

V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 S. 2, Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass der Betroffenen lediglich teilweise, nämlich mit dem Antrag auf Aufhebung der des angefochtenen Beschlusses Erfolg hatte.



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