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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 432/15 OLG Hamm

Leitsatz: Eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 4 S. 2 StGB, um einen günstigeren Anrechnungsmaßstab für im Inland erlittene Untersuchungs- und Strafhaft zu erlangen, scheidet aus.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Anrechnungsmaßstab, inländischer Freiheitsentziehung, menschenunwürdige Haftbedingungen

Normen: StGB 51

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm am 17.12.2015 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
Der Antrag des Verurteilten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren wird zurückgewiesen.

Gründe
I.
Mit Entscheidung des Rechtspflegers vom 10.03.2015 hat die Staatsanwaltschaft Augsburg als Vollstreckungsbehörde den Antrag des Verurteilten, bestimmte Zeiten der im vorliegenden Verfahren erlittenen Untersuchungs- bzw. Strafhaft analog § 51 StGB im Maßstab 1:2 wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen anzurechnen, abgelehnt. Daraufhin hat der Verurteilte, eingehend am 26.03.2015 beim Landgericht Münster hiergegen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragt. Zu diesem Zeitpunkt saß der Verurteilte in der JVA N in Strafhaft.

Mit Verfügung vom 23.04.2015 hat der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft Augsburg der „Erinnerung“ nicht abgeholfen und die Sache dem Staatsanwalt vorgelegt. Dieser hat dann die Sache dem Landgericht Münster zur Entscheidung über die Anträge des Verurteilten vorgelegt. Nachfolgend wurde der Verurteilte in die JVA D verlegt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Anträge des Verurteilten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechts-mittel als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die vom Verurteilten geltend gemachten Umstände tatsächlich dazu führen, dass die unter diesen Bedingungen erlittene Untersuchungs- und Strafhaft in menschenunwürdiger Weise vollzogen wurde. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde dies nicht zu einer Anrechnung dieser Haftzeiten mit einem dem Verurteilten günstigeren Maßstab führen.

Eine entsprechende Rechtsgrundlage existiert nicht. Auch eine analoge Anwendung des § 51 Abs. 4 S. 2 StGB, um eine andere Anrechnung erlittener Freiheitsentziehung zu erlangen, scheidet für im Inland erlittene Untersuchungs- und Strafhaft aus.

Es liegt bereits keine planwidrige Regelungslücke vor. Das zeigt sich schon an der Gesetzessystematik: Während für aus Anlass der verfahrensgegenständlichen Tat erlittene inländische Freiheitsentziehung in § 51 Abs. 1 StGB nur die Anrechnung kraft Gesetzes oder ihre Nichtanrechnung (kraft Richterspruchs) vorsieht, hat der Gesetzgeber die Rechtsfolgensseite bzgl. ausländischer Freiheitsentziehungen eben um die Möglichkeit des § 51 Abs. 4 S. 2 StGB erweitert. Soweit es um eine maß-stäblich andere Anrechnung für im Inland erlittene Strafhaft geht, ist dies ohnehin dem Gesetz wesensfremd, denn die Anrechnungsentscheidung ist grundsätzlich im tatrichterlichen Urteil im Erkenntnisverfahren vorzunehmen (vgl. nur: Theune in: LK-StGB, 12. Aufl., § 51 Rdn. 63), zu einem Zeitpunkt also, zu dem inländische Strafhaft (von Ausnahmen, wie etwa einem Wiederaufnahmeverfahren abgesehen) gar nicht vorliegen kann. Eine Anrechnung im Maßstab 1:1 bei im Inland erlittener Freiheitsentziehung ist selbstverständliche Grundprämisse des § 51 StGB (vgl. Theune a.a.O., Rdn. 55).

Insbesondere liegt aber keine Vergleichbarkeit der Interessenlagen zwischen den in § 51 Abs. 4 S. 2 StGB geregelten Fällen und dem Begehren des Verurteilten vor. Sollten die Haftbedingungen im Inland ein Übel erreichen, welches zu einer Ver-letzung von (Grund-)Rechten führt, so hat der Betroffene im Falle der Unter-suchungshaft nach §§ 119a StPO, im Falle der Strafhaft nach §§ 109 ff. StVollzG dagegen vorgehen. Insoweit sind auch Möglichkeiten einer vorläufigen Abhilfe vorgesehen (vgl. § 119a Abs. 2 S. 2 StPO; § 114 Abs. 2 StVollzG). Sollte es gleichwohl bereits zu einer Rechtsverletzung gekommen sein, kann der Betroffene ggf. Schadensersatz nach § 839 BGB i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG geltend machen.

Ob ein vergleichbar effektiver Rechtsschutz bzgl. im Ausland erlittener Freiheitsentziehung besteht, ist hingegen häufig zweifelhaft oder lässt sich gar ausschließen. Während der Betroffene also bei Rechtsverletzungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen im Inland die Möglichkeit hat, gegen diese zeitnah vorzugehen bzw. Schadensersatz zu verlangen, kann dies für im Ausland erlittene Freiheitsentziehung (jedenfalls) nicht sichergestellt werden, so dass Anlass bestand, die Möglichkeit zu eröffnen, dass das Gericht entsprechenden Beschwernissen durch Festsetzung eines günstigeren Anrechnungsmaßstabes Rechnung trägt.

Hinsichtlich erlittener Untersuchungshaft ist die Interessenlage auch deswegen nicht vergleichbar, weil hier der Tatrichter ohnehin die Möglichkeit hat, diese im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd zu berücksichtigen. Der bloße Umstand des Vollzuges von Untersuchungshaft ist zwar kein Strafmilderungsgrund, wohl aber eine besondere, tatsachenbasierte Haftempfindlichkeit oder besondere Beschwernisse während ihres Vollzuges (vgl. nur: BGH, Urt. v. 24.03.2015 – 5 StR 6/15 – juris; BGH Urt. v. 19.12.2013 – 4 StR 302/13 – juris). Besonders harte Haftbedingungen können solche Beschwernisse sein, so dass sie bereits bei der Strafzumessung hätten berücksichtigt werden können (so sie denn vorgelegen haben). Eine nachträgliche Änderung des Anrechnungsmaßstabes für erlittene Untersuchungshaft würde daher sogar einen nicht angängigen Eingriff in die Rechtskraft der Anlassverurteilung bedeuten.

III.
Soweit sich das Rechtsmittel auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe richten sollte, ist es jedenfalls unbegründet, da der Antrag des Verurteilten keine Aussicht auf Erfolg hatte.



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