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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ws 81/15 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Fluchtgefahr und zur Bedeutung einer von Dritten erbrachten Sicherheitsleistung

Senat: 5

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Fluchtgefahr, Sicherheitsleistung, Dritte

Normen: StPO 112, StPO 116a

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 17.03.2015 beschlossen: -Die Haftbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:
I.
Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensverlaufs nimmt der Senat zunächst vollumfänglich Bezug auf den Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2014 (III-5 Ws 442/14 OLG Hamm), mit dem die Haftbeschwerde des Angeklagten vom 24. November 2014 als unbegründet verworfen worden ist, sowie den Senatsbeschluss vom 08. Januar 2015 (gl. Aktenzeichen), mit dem die hiergegen gerichteten Gegenvorstellungen des Angeklagten vom 06. Januar 2015 zurückgewiesen worden sind.

Zugleich mit den bereits zurückgewiesenen Gegenvorstellungen hat der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 06. Januar 2015 erstmals ein konkretes Kautionsangebot unterbreitet. Hierzu hat der Angeklagte vorgetragen, dass sowohl mehrere Familienmitglieder als auch enge Freunde des Angeklagten bereit seien, zur Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 895.000,00 Euro beizutragen. Den wesentlichen Teil - in einer Größenordnung von 300.000,00 Euro bis maximal 500.000,00 Euro - könne die Schwester der Ehefrau des Angeklagten in Form einer Bankbürgschaft erbringen. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten, dass gerade die Zusammensetzung der von ihm namentlich benannten Sicherheitsgeber Gewähr dafür biete, dass er sich wie bisher dem weiteren Strafverfahren stellen werde. Unabhängig von dem Kautionsangebot hat der Angeklagte auf mehrere zwischenzeitlich eingeleitete Maßnahmen zur Reduzierung seiner Lebenshaltungskosten sowie darauf hingewiesen, dass eine etwaige Schadenswiedergutmachung - als Voraussetzung einer bedingten Entlassung nach § 57 StGB - bezogen auf die Ansprüche des Insolvenzverwalters der B AG durch die von der bestehenden Y-Versicherung geleistete Sicherheit gewährleistet sei. Schließlich hat der Angeklagte sein Vorbringen, er habe das Gericht nicht über die Existenz eines zweiten Reisepasses täuschen wollen und er verfüge über keine Geschäftsbeziehungen nach China, wiederholt und ergänzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz vom 06. Januar 2015 verwiesen. Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 08. Januar 2015 hat der Angeklagte außerdem eine schriftliche Erklärung des chinesischen Geschäftsmanns „D“ D2 vorgelegt, ausweislich derer die zwischen ihm - „D“ D2 - und dem Angeklagten geplanten Geschäftsaktivitäten im November 2014 vor dem Hintergrund der Verurteilung und Inhaftierung des Angeklagten sofort verworfen worden seien.

Aufgrund des vorbeschriebenen Vorbringens des Angeklagten, das als Antrag auf Haftprüfung gewertet worden ist, hat die XV. große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Essen am 21. Januar 2015 eine erneute Haftentscheidung getroffen. Die Kammer hat den Haftbefehl aufrecht erhalten und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der bestehende Fluchtanreiz habe sich zwischenzeitlich noch erhöht, weil nunmehr in dem Verfahren 35 Js 118/12 StA Bochum eine Anklage wegen des Vorwurfs der Untreue nach § 266 StGB („Sponsoring“ der Universität D3) erhoben und zudem von Seiten der Staatsanwaltschaft Bochum mit einem Haftbefehlsantrag verbunden worden sei. Der Angeklagte habe daher mit einer nicht nur unerheblichen Erhöhung der bereits verhängten Freiheitsstrafe zu rechnen: Der gestiegene Fluchtanreiz könne auch durch etwaige Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung des Angeklagten nicht ausgeräumt werden.

Vor diesem Hintergrund sei die Stellung einer Kaution - auch in Verbindung mit anderen Auflagen - kein geeignetes milderes Mittel im Sinne von § 116 StPO, zumal aus Sicht der Kammer weiterhin ungeklärt sei, auf welche Vermögensbestandteile der Angeklagte (evtl. auch über den „Umweg“ einer Zahlung durch Dritte, wie der „D4 GmbH“) noch zurückgreifen könne, um nach einem Verfall der Kaution seine Freunde und Familienmitglieder schadlos stellen zu können. In diesem Zusammenhang hat die Kammer darauf abgestellt, dass der Angeklagte nach eigenen Angaben nach wie vor sehr vermögend sei und der derzeitige Liquiditätsengpass durch den Verkauf des Anwesens in F („F2“) beendet werden könne. All dies mindere in erheblichem Maße den psychischen Druck auf den Angeklagten, seine Familie und Freunde durch den Verfall der Kaution nicht enttäuschen bzw. schädigen zu wollen.

Gegen die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft hat der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 09. Februar 2015 Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat der (Haft-)Beschwerde durch Beschluss vom 13. Februar 2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Hiernach hat der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 24. Februar 2015 die Haftbeschwerde ergänzend begründet.

Er führt hierzu nochmals aus, hinsichtlich der konkreten Straferwartung des Angeklagten und der damit zusammenhängenden Frage nach der Möglichkeit einer bedingten Entlassung (§ 57 StGB) müsse unter dem Gesichtspunkt einer Schadenswiedergutmachung beachtet werden, dass die Y-Versicherung auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen vom 09. September 2013 in dem Zivilverfahren44 O 164/10 LG Essen bereits Sicherheiten geleistet habe. Diese seien ihrerseits durch eine Grundschuld auf das Haus der Familie N in Bielefeld über 1,4 Mio. Euro abgesichert. Vor diesem Hintergrund dürfe lediglich von einer konkreten Straferwartung von zwei Jahren ausgegangen werden. Hierauf sei außerdem die bereits erlittene mehrmonatige Untersuchungshaft anzurechnen.

Die hiernach verbleibende Strafandrohung könne keinen Fluchtanreiz mehr begründen, zumal der Angeklagte - wie bereits mit Schriftsatz vom 06. Januar 2015 vorgetragen - durch eine ganze Reihe von Konsolidierungsmaßnahmen bereits „enorme Einsparungen“ erzielt habe, um eine „einschneidende Änderung der bisherigen Lebensverhältnisse“ herbeizuführen. Deshalb sei eine neue Gesamtabwägung erforderlich, ob aus der Straferwartung überhaupt noch eine Fluchtgefahr abgeleitet werden könne, wobei neben den engen familiären und sozialen Bindungen des Angeklagten auch zu berücksichtigen sei, dass dieser sich dem Strafverfahren bislang durchgehend gestellt habe. Diese neue Gesamtabwägung lasse der angefochtene Beschluss nicht erkennen.

Der Angeklagte beanstandet außerdem, dass die Kammer die Anklageerhebung in dem Verfahren 35 Js 118/12 StA Bochum herangezogen habe, um von einer „deutlichen Erhöhung“ des Fluchtanreizes auszugehen. Tatsächlich sei hinsichtlich der Zuwendungen an die Universität D3 kein hinreichender Tatverdacht einer Straftat gegeben. Insoweit nimmt der Angeklagte im Wesentlichen auf die umfangreichen Ausführungen seiner Verteidiger im Schriftsatz vom 27. Januar 2015 - betreffend das Verfahren 35 Js 118/12 StA Bochum - Bezug. Außerdem verweist der Angeklagte darauf, dass die Kammer bislang nicht über die Zulassung der neuen Anklage entschieden, sondern stattdessen die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung gem. § 154 StPO habe erörtern wollen.

Schließlich rügt der Angeklagte, dass jedenfalls eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen Auflagen - namentlich die Hinterlegung der angebotenen Kaution - zu Unrecht abgelehnt worden sei. Entgegen den Ausführungen der Kammer verfüge der Angeklagte über kein „Geheimvermögen“. Das Landgericht habe sich - so die Ansicht des Angeklagten - in diesem Zusammenhang über die Ausführungen des Senats vom 18. Dezember 2014 hinweggesetzt, wonach sich die finanzielle Situation des Angeklagten in besonderem Maße zugespitzt habe und dieser von Darlehensgewährungen Dritter abhängig geworden sei. Dass tatsächlich kein „Geheimvermögen“ vorhanden sei, müsse zudem aus den offen gelegten Vermögensverhältnissen der Eheleute N sowie auch aus den umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft Bochum im Zusammenhang mit dem sog. B-Komplex abgeleitet werden. Sämtliche Durchsuchungsmaßnahmen hätten keine Anhaltspunkte für die Existenz eines „Geheimvermögens“ erbracht. Des Weiteren habe die Kammer nicht berücksichtigt, dass die Familienmitglieder des Angeklagten nahezu ihre gesamten Ersparnisse für die Stellung einer Kaution aufbringen müssten, insbesondere die Schwägerin des Angeklagten wäre bei Verfall der Kaution wirtschaftlich ruiniert. Zu Unrecht habe die Kammer angenommen, der Angeklagte sei aufgrund vorhandenen Vermögens in der Lage, seine Familienangehörigen und Freunde im Ergebnis schadlos zu stellen. Mit dieser Argumentation habe sich die Kammer in Widerspruch zu den eigenen Ausführungen gestellt, wonach sich die Hoffnungen des Angeklagten auf eine kurz- oder mittelfristige Realisierung eines Schadensersatzes in Millionenhöhe gegenüber der Bank F3 zerschlagen hätten und auch deshalb von Fluchtgefahr auszugehen sei. Diese widersprüchliche Argumentation sei sogar - so der Vorwurf des Angeklagten - objektiv willkürlich. Die Kammer habe außerdem zu Unrecht unterstellt, dass sich der Angeklagte aus einem Verkauf der „F2“ erhebliche finanzielle Mittel verschaffen könne. Tatsächlich gehörten Grundstück und Haus schon jetzt - über Grundschulden und Kaufoptionen - verschiedenen Gläubigern und Rechtsanwalt G in G2. Die bisherigen Verkaufsverhandlungen hätten sich überdies allesamt zerschlagen.

Mit dem vorgenannten Schriftsatz seiner Verteidiger vom 24. Februar 2015 hat der Angeklagte erstmals vorgetragen, auch die Y-Versicherung - die T AG - habe dem Grunde nach die Bereitschaft erklärt, sich an einer Kautionszahlung zu beteiligen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Haftbeschwerde als unbegründet zu verwerfen und darüber hinaus - im Anschluss an die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Bochum vom 03. März 2015 - die Ansicht vertreten, das neue Vorbringen im Schriftsatz vom 24. Februar 2015 sei als Antrag auf neuerliche Haftprüfung auszulegen.

Hierzu hat der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 11. März 2015 Stellung genommen und klargestellt, dass das gesamte Vorbringen der Begründung der bereits eingelegten Haftbeschwerde diene.

Mit dem vorgenannten Schriftsatz - sowie auch mit weiterem Schriftsatz vom 13. März 2015 - wird die Haftbeschwerde ergänzend damit begründet, dass sich nach Darstellung des Angeklagten sein Gesundheitszustand seit der Inhaftierung deutlich verschlechtert habe. Der Angeklagte weist hierzu zum einen auf einen bis Mitte Dezember 2014 erlittenen Schlafentzug (als Folge einer fortlaufenden Überwachung wegen angeblicher Suizidgefahr) und zum anderen auf einen notwendig gewordenen stationären Klinikaufenthalt im Universitätsklinikum T2 (27. Februar 2015 bis 06. März 2015) hin. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags wird auf den Schriftsatz der Verteidiger vom 11. März 2015 einschließlich der hiermit überreichten Anlagen, insbesondere den vorläufigen Arztbericht der Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums T2 vom 06. März 2015, sowie auch den Schriftsatz der Verteidiger des Angeklagten vom 13. März 2015 Bezug genommen. Der Angeklagte vertritt mit näherer Darlegung die Ansicht, angesichts des von ihm beschriebenen Krankheitsverlaufs könne Fluchtgefahr nicht mehr angenommen werden, zumal er „eine hochgradige Gefährdung von Leib und Leben in Kauf nehmen würde, wenn er sich der Behandlung durch die mit seiner Krankheitssituation vertrauten Ärzte entziehen würde“. Außerdem sei die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft angesichts der Krankheitssituation des Angeklagten nicht mehr verhältnismäßig.

II.
Der Vortrag des Angeklagten in den Schriftsätzen seiner Verteidiger vom 24. Februar 2015, vom 11. März 2015 und vom 13. März 2015 dient der Begründung der bereits mit Schriftsatz vom 09. Februar 2015 eingelegten Haftbeschwerde. Der Angeklagte wendet sich gegen die Entscheidung der XV. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Essen vom 21. Januar 2015, mit der die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet worden ist.

Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Haftbeschwerde ist in der Sache unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Untersuchungshaft liegen auch in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Angeklagte bereits seit annähernd vier Monaten in Untersuchungshaft befindet, allesamt vor.

1. Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Taten aufgrund der in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer durchgeführten Beweisaufnahme, die zu seiner Verurteilung geführt hat, dringend verdächtig.

Der dringende Tatverdacht ergibt sich - worauf der Senat bereits in dem Beschluss vom 18. Dezember 2014 hingewiesen hat - aus dem Umstand, dass das Landgericht nach Durchführung eines rechtsstaatlichen Regelungen unterworfenen Erkenntnisverfahrens zu der Überzeugung von der Täterschaft und der Schuld des Angeklagten gelangt ist. Die in dem Haftbefehl vom 14. November 2014 wiedergegebenen Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 27 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in 3 Fällen. Die Kammer hat in dem Haftbefehl außerdem ausgeführt, dass der Angeklagte der festgestellten Taten aufgrund seiner eigenen Einlassung, der Aussagen der ausweislich der Sitzungsprotokolle vernommenen Zeugen, der nach den Sitzungsprotokollen verlesenen (und zum Teil übersetzten) Urkunden sowie der in Augenschein genommenen Gegenstände dringend verdächtig sei. Trotz der noch nicht eingetretenen Rechtskraft des Urteils, dessen schriftliche Gründe nunmehr vorliegen und die sich mit den Ausführungen des Haftbefehls decken, besteht deshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit im Sinne dringenden Tatverdachts dafür, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten in der festgestellten Weise begangen hat.

2. Die weiteren Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft sind ebenfalls nach wie vor gegeben.

a) Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO.

Unter welchen Voraussetzungen Fluchtgefahr angenommen werden kann, hat der Senat bereits in dem Beschluss vom 18. Dezember 2014 dargelegt. Gemessen an den dort genannten Maßstäben geht auch der Senat - wie bereits das Landgericht - nach erneuter Prüfung davon aus, dass die Straferwartung im vorliegenden Fall Ausgangspunkt für die Erwägung ist, der Angeklagte werde einem bestehenden Fluchtanreiz nachgeben.

(1) Insbesondere verbleibt der Senat nach einer erneuten Gesamtabwägung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte bei der Einschätzung, dass auch im Fall einer (unterstellten) positiven Entscheidung im Sinne von § 57 Abs. 1 StGB eine Straferwartung von derzeit immer noch 20 Monaten ausreicht, um in der konkreten Situation des Angeklagten einen beträchtlichen Fluchtanreiz zu begründen.

Der Senat hat in dem Beschluss vom 18. Dezember 2014 eingehend ausgeführt, dass die konkrete Lebenssituation des Angeklagten zum derzeitigen Zeitpunkt durch einen Kampf um die berufliche und (in finanzieller Hinsicht) private Existenz gekennzeichnet ist. Sowohl nach dem früheren Vorbringen des Angeklagten als auch seinem Vortrag im laufenden Beschwerdeverfahren verfügt er weder über privates Vermögen noch besteht eine realistische Chance, aufgrund eigener Arbeitstätigkeit in Deutschland bzw. dem benachbarten europäischen Ausland ein Einkommen zu erzielen, das seinen gesamten Lebensunterhalt und den seiner Familie sicherstellen kann. Der Senat unterstellt insoweit zugunsten des Angeklagten, dass dieser - notgedrungen - die von ihm beschriebenen Maßnahmen zur Senkung der Lebenshaltungskosten umgesetzt bzw. jedenfalls eingeleitet hat. Gerade deshalb wird sich der Angeklagte schnellstmöglich eine neue wirtschaftliche Existenzgrundlage aufbauen müssen und ist deshalb gleichsam darauf angewiesen, keine Zeit mehr zu verlieren, sondern an noch bestehende bzw. ggfs. auch frühere Geschäftskontakte im Ausland anzuknüpfen. Der Senat weist bereits in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die nunmehr vorgelegte schriftliche Erklärung („Personal Statement“) des chinesischen Geschäftsmanns „D“ D2 aus Januar 2015 nicht den Eindruck zu erwecken vermag, der Angeklagte habe aufgrund der durch seine Verurteilung und Inhaftierung erlittenen Beschädigung seiner Reputation generell keine geschäftlichen Perspektiven im außereuropäischen Ausland mehr. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob - worauf das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung abgestellt hat - ein inhaltlicher Widerspruch zwischen der vorgenannten Erklärung und der Einlassung des Angeklagten vom 14. August 2014 auszumachen ist. Denn die Erklärung bringt lediglich eine persönliche und momentane Einschätzung von „D“ D2 zum Ausdruck, die selbstverständlich niemanden bindet und der jederzeitigen erneuten Aufnahme von Geschäftskontakten nicht entgegensteht. Der Angeklagte hat bekanntermaßen seit Mitte der 80er-Jahre als national wie international tätiger sog. „Top-Manager“ umfangreiche Auslandskontakte geknüpft und zahllose Geschäftsverbindungen aufgebaut. Hierzu verhalten sich auch die diesbezüglichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts Essen vom 14. November 2014. Weder die bislang erlittene Schädigung seiner Reputation noch etwa die Tatsache, dass - worauf der Angeklagte selbst mehrfach hingewiesen hat - „sein Gesicht international bekannt“ sein mag, könnten den Angeklagten ernsthaft an einen Versuch hindern, sich auf der Grundlage früherer Bekanntschaften, Freundschaften oder sonst fortbestehender Geschäftskontakte eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

In dieser besonderen Situation des Angeklagten begründet im vorliegenden Einzelfall auch eine noch fortbestehende Straferwartung von weiteren 20 Monaten Freiheitsstrafe einen beträchtlichen Fluchtanreiz.

2) Darüber hinaus ist nach wie vor davon auszugehen, dass weitere den Fluchtanreiz erhöhende Gesichtspunkte in die Gesamtabwägung einzufließen haben, denen unter Berücksichtigung der konkreten Straferwartung ein sehr hohes Gewicht beizumessen ist.

Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen zu Ziff. II. 2. a) cc) des Beschlusses vom 18. Dezember 2014 Bezug. Diese Ausführungen haben auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Beschwerdevorbringens des Angeklagten Bestand.

Insbesondere kann dahinstehen, ob angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Bochum in dem Verfahren 35 Js 118/12 StA Bochum („Sponsoring“ der Universität D3) von einer - wie vom Landgericht angenommen - deutlichen Erhöhung des bestehenden Fluchtanreizes auszugehen ist. Entscheidend ist, dass sich die Situation des Angeklagten im Hinblick auf die zahlreichen anderen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Bochum, Essen, und München jedenfalls nicht entscheidend zu seinen Gunsten verändert hat. Allein das Verfahren 115 Js 140/10 StA Köln ist nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden. Aus der Tatsache, dass das Landgericht Essen im Verfahren 35 Js 118/12 StA Bochum bislang noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens befunden hat, kann der Angeklagte nichts herleiten. Letzteres gilt auch, soweit die Kammer eine Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten hinsichtlich der Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO erwogen hat. Ziel des § 154 StPO - gleich welche Alternative - ist die Verfahrensbeschleunigung durch einen Teilverzicht auf Strafverfolgung. Überlegungen zu einer solchen Verfahrensbeschleunigung kann gerade nicht entnommen werden, das Gericht habe Zweifel am hinreichenden Tatverdacht. Da die Staatsanwaltschaft Bochum ausweislich des Vermerks des Kammervorsitzenden vom 18. Februar 2015 einem Vorgehen nach § 154 StPO entgegen getreten ist, kann der Angeklagte aus den diesbezüglichen Überlegungen der Kammer keine berechtigten Hoffnungen herleiten, die den bestehenden Fluchtanreiz mindern könnten.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Landgerichts Essen über die Eröffnung des Hauptverfahrens in dem Verfahren 35 Js 118/12 StA Bochum abzuwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt es dabei, dass die zahlreichen weiteren Ermittlungsverfahren und insbesondere auch der für den Angeklagten überaus ungünstige Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens in dem Rechtsstreit44 O 164/10 LG Essen - der Angeklagte wurde hier bekanntlich zur Zahlung von über 3,4 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter der B AG verurteilt - den Fluchtanreiz generell deutlich erhöhen. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte seit der letzten Senatsentscheidung - soweit vorgetragen und ersichtlich - keine eigenen Forderungen aus den zahlreichen Rechtsstreitigkeiten hat realisieren können.

Der Senat hält ausdrücklich seinen Standpunkt aufrecht, dass das eigene Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den vorhandenen Ausweispapieren für Fluchtgefahr spricht. Den nochmaligen Versuch des Angeklagten, die Vorgänge um die Existenz eines zweiten Reisepasses zu erklären bzw. zu relativieren, hat der Senat zur Kenntnis genommen. Jedoch kann nach wie vor nicht nachvollzogen werden, weshalb der Angeklagte gegenüber der Kammer nicht von Anfang an explizit auf das Vorhandensein von zwei Reisepässen hingewiesen hat.

Schließlich wird die Annahme von Fluchtgefahr weiterhin ganz wesentlich dadurch gestützt, dass die Lebenshaltungskosten des Angeklagten und seiner Familie durch die bislang - aus dem Bereich der sog. „T3“ - gewählte Konstruktion um die „D4 GmbH“ nicht mehr gedeckt sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auch insoweit auf die Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2014 Bezug. Diese Ausführungen haben ebenfalls weiterhin Bestand, zumal der Angeklagte einen an seine Verteidiger gerichteten Schriftsatz der Rechtsanwälte C3, T4 und G in G2 vom 02. Februar 2015 hat vorlegen lassen, der nochmals bestätigt, dass die „diversen Pfändungen in sämtliche Fondsbeteiligungen beider Eheleute zu beachten sind, die insbesondere seitens des Bankhauses F3 ausgebracht wurden“. Ganz offensichtlich stehen diese Pfändungen weiteren Leistungen der „D4 GmbH“ entgegen, weshalb der Angeklagte ungeachtet der eingeleiteten Sparmaßnahmen auf Darlehensgewährungen Dritter angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt und gerade auch seine Prozesskosten abdecken zu können. Auf welcher Grundlage wiederum diese Darlehensgewährungen erfolgen, und ob - ggfs. welche - Sicherheiten hierfür bestellt werden, ist auch im Rahmen des ergänzenden Beschwerdevortrags nicht offengelegt worden.

Der Senat hat - wie auch das Landgericht - bedacht, dass die vorhandenen und vom Angeklagten nochmals in den Vordergrund gerückten engen familiären und sozialen Bindungen ebenso in besonderem Maße zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind wie die Tatsache, dass er sich dem Strafverfahren bis zum Tag der Urteilsverkündung - auch in Kenntnis des Schlussvortrags der Staatsanwaltschaft - gestellt hat und jeder gerichtlichen Ladung nachgekommen ist. Gleichwohl bleibt es aus Sicht des Senats immer noch wahrscheinlicher, dass sich der Angeklagte dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten wird.

(3) Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Angeklagten hinsichtlich seiner derzeitigen gesundheitlichen Situation.

Der mit Schriftsätzen vom 11. und 13. März 2015 vorgebrachten Einschätzung, dass der derzeitige Krankheitszustand des Angeklagten sowie die notwendigen Therapiemaßnahmen (verbunden mit der Notwendigkeit der Kontrolle der Nebenwirkungen) jedwede Flucht in ein nicht von einer Auslieferung erfasstes Land verbieten würden, kann nicht gefolgt werden.

Soweit der Angeklagte einen „permanenten Schlafentzug über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen“ beanstandet, ist festzustellen, dass nach seinem eigenen Vortrag die Anordnung einer laufenden Überwachung des Angeklagten (wegen vermeintlicher Suizidgefahr) seit Mitte Dezember 2014 nicht mehr umgesetzt wird. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der angeführte Schlafentzug ursächlich für eine schwerwiegende Erkrankung des Angeklagten geworden sein könnte, liegen nicht vor. Sie können auch dem vorläufigen Arztbrief des Universitätsklinikums T2 vom 06. März 2015 sowie allen anderen überreichten ärztlichen Unterlagen nicht entnommen werden.

Der vorgenannte Arztbrief lässt auch im Übrigen zum derzeitigen Zeitpunkt auf keine schwerwiegende Erkrankung des Angeklagten schließen, die der Annahme von Fluchtgefahr entgegenstünde.

Ausweislich der dort festgehaltenen Diagnosen besteht zunächst der Verdacht auf einen „Chilblain Lupus“. Hierbei handelt es sich um eine Form des „Lupus erythematodes“, bei dem symmetrische, auf Druck schmerzhafte, bläulich-rote Schwellungen an kälteexponierten Arealen (z. B. Zehen, Finger, Ohren und Nase) auftreten und in große, begrenzte, polsterartige Knoten übergehen können. In diesem Zusammenhang konnten die Ärzte des Universitätsklinikums das Vorhandensein von Perniones (Frostbeulen) nicht sicher ausschließen. Daneben wurden ein Bluthochdruck, eine früher stattgefundene operative Entfernung des Blinddarms und der Gaumenmandeln sowie eine nicht näher bezeichnete Störung des Erregungsleitsystems des Herzens festgestellt.

Hinsichtlich des Verlaufs der stationären Behandlung wird in dem Arztbericht ausgeführt, dass vorhandene Probleme des Angeklagten beim Stuhlgang durch die Vergabe von Abführmitteln gelöst werden konnten. In der chirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums wurde kein Handlungsbedarf gesehen. Eine Vorstellung des Angeklagten in der Angiologie hat keine Anhaltspunkte für eine Verengung von Blutgefäßen in den Arm- und Beinarterien ergeben. Eine Röntgenuntersuchung beider Hände hat keinen Anhalt für eine Arthritis gezeigt. Ausweislich des Arztberichts hat sich der stationäre Verlauf insgesamt komplikationslos gestaltet, so dass der Angeklagte am 06. März 2015 in stabilem Allgemeinzustand und deutlich gebessertem Lokalbefund in die ambulante Weiterbetreuung entlassen worden ist.

Der Senat verkennt nicht, dass ausweislich der Therapieempfehlungen die Einleitung einer Therapie mit Quensyl (vorbehaltlich eines noch einzuholenden Befundes der Augenklinik) vorgesehen ist und diesbezüglich sodann regelmäßige Laborkontrollen während der Therapie durchzuführen sind. Jedoch handelt es sich weder hierbei noch bei den anderen Empfehlungen (einschließlich der Cortisonvergabe) um Therapiemaßnahmen, die - wie vom Angeklagten vorgetragen - eine Behandlung gerade durch die „mit seiner Krankheitssituation vertrauten Ärzte“ erfordert. Hierfür geben weder der (vorläufige) ärztliche Bericht vom 06. März 2015 noch die anderen überreichten Unterlagen etwas her.

Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass mit den vorstehenden Ausführungen die vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden des Angeklagten keinesfalls in Zweifel gezogen oder etwa heruntergespielt werden sollen. Sie rechtfertigen allerdings nicht die Annahme, die Fluchtgefahr sei entscheidend herabgesetzt.

b) Der Zweck der Untersuchungshaft lässt sich auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO erreichen.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, den Haftbefehl gegen die angebotene Sicherheitsleistung in Höhe von 895.000,00 Euro (gegebenenfalls auch in Kombination mit Meldeauflagen u. a.) außer Vollzug zu setzen.

aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob die angebotene Sicherheitsleistung Dritter im vorliegenden Fall angesichts der stattgefundenen (noch nicht rechtskräftigen) Verurteilung des Angeklagten u. a. wegen Untreue in 27 Fällen überhaupt ein geeignetes Haftsurrogat sein kann.

Zwar gestattet § 116 a Abs. 1 StPO auch die Sicherheitsleistung Dritter. Diese Form der Sicherheitsleistung bildet aber die Ausnahme und kann ausscheiden, wenn der Angeklagte durch die Begehung von Vermögensstraftaten (z. B. Untreue) bereits gezeigt hat, dass er fremde Vermögenswerte gering achtet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 09. September 2008 - 1 Ws 595/08 -, juris; OLG München, NJW-RR 1998, 1372, 1373; Graf, in: Karlsruher Kommentar, StPO. 7. Aufl., § 116 a Rdnr. 3).

Ausweislich des Haftbefehls und des - nunmehr auch in Schriftform vorliegenden - Urteils des Landgerichts Essen vom 14. November 2014 hat der Angeklagte als Vorstandsvorsitzender der L/B AG Rechnungen für von ihm in Anspruch genommene Flüge, Hotelübernachtungen und Limousinen-Services freigezeichnet (bzw. durch eine unterschriebene Reisekostenabrechnung eine Erstattung an sich veranlasst), obwohl die Reisekosten ausschließlich privat oder privat-geschäftlich veranlasst waren und ihm aus dem Vorstands- und Dienstverhältnis kein Anspruch auf Übernahme durch die Treugeberin zugestanden hat. In insgesamt 26 Fällen der Untreue (§ 266 Abs. 1 2. Alt. StGB) ist dadurch - nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen - auf Seiten der L/B AG ein Vermögensschaden in Höhe von über 300.000,00 Euro entstanden. Das Landgericht ist insoweit von einer gravierenden Verletzung der Treuepflichten des Angeklagten ausgegangen. Letzteres gilt nach den Urteilsfeststellungen auch hinsichtlich der Veruntreuung eines weiteren Betrages in Höhe von annähernd 180.000,00 Euro für die vom Angeklagten zum Nachteil der B AG veranlasste Kostentragung für die Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. X. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Vorgehensweise des Angeklagten - namentlich im Zusammenhang mit den Kosten der Festschrift - von einer besonders geschickten Ausnutzung seiner Vertrauensstellung geprägt war und er hierdurch ein erhöhtes Maß an krimineller Energie an den Tag gelegt hat.

Der Senat verkennt nicht, dass hinsichtlich der Frage nach dem geeigneten Haftsurrogat im Sinne des § 116 a StPO das Vertrauensverhältnis zu Familienmitgliedern und engen Freunden in Rede steht. Selbstverständlich ist dieses Vertrauen - auch unter Zugrundlegung der Schilderungen des Angeklagten zur engen familiären Verbundenheit - besonders hoch anzusetzen. Andererseits hat der Angeklagte als Vorstandsvorsitzender der L/B AG ebenfalls ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen, und zwar in einem krisengeschüttelten Unternehmen, in dem bekanntermaßen ein Großteil der Mitarbeiter aus Angst um den Arbeitsplatz seit Jahren existentiellen Sorgen ausgesetzt ist und auf die Integrität gerade auch des Vorstandsvorsitzenden vertraut. Diese Vertrauensposition hat der Angeklagte ausweislich der getroffenen Feststellungen des Landgerichts über Jahre hinweg massiv verletzt. Vor diesem Hintergrund belegen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen auch aufgrund der Höhe des eingetretenen Vermögensschadens zugleich eine deutliche Geringschätzung fremder Vermögenswerte.

bb) Hierauf kommt es indes nicht entscheidend an, weil jedenfalls die Höhe der derzeit in Aussicht gestellten Kaution nicht geeignet ist, auf den Angeklagten einen derartigen Druck auszuüben, dass er den Verfall der Kaution nicht riskieren wird.

Die Sicherheit ist nach Art und Höhe so festzusetzen, dass auf den Angeklagten ein psychischer Zwang ausgeübt wird, eher am Verfahren teilzunehmen und eine erkannte Freiheitsstrafe anzutreten, als den Verlust der Sicherheit zu riskieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2012 - 2 BvR 1874/12 -, StV 2013, 96; KG, Beschluss vom 05. November 2009 - 2 AR 158/99 - u. - 4 Ws 274/99 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57 Aufl., § 116 a Rdnr. 1). Bei der Bemessung der Sicherheit ist daher den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten Rechnung zu tragen, wobei für den Fall, dass ein Dritter die Kaution stellen soll, auch dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 24. Juni 1994 - 3 Ws 225/94 -, juris; Graf, a. a. O., § 116 a Rdnr. 4).

Der Angeklagte ist nach eigenem - unveränderten - Vortrag nicht in der Lage, aus seinem früher erworbenen Vermögen oder auch aus einem laufenden Einkommen heraus eine Kaution zu stellen. Hiervon geht der Senat weiterhin aus. Dem Angeklagten soll zudem - wie bereits im Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2014 ausgeführt - nicht unterstellt werden, Vermögenswerte illegal beiseite geschafft zu haben und über ein „Geheimvermögen“ zu verfügen. Allerdings geht der in diesem Zusammenhang vom Angeklagten erhobene Vorwurf einer willkürlichen Sachentscheidung des Landgerichts fehl. Denn die Kammer hat in dem Nichtabhilfebeschluss vom 21. Januar 2015 im Wesentlichen - und insoweit völlig zu Recht - darauf hingewiesen, dass ungeklärt ist, auf welche Vermögensbestandteile der Angeklagte insgesamt noch zurückgreifen kann. Auch der Senat hat bereits ausgeführt, dass bislang nicht offengelegt worden ist, auf welcher Grundlage dem Angeklagten und seiner Familie zuletzt Darlehen Dritter - teils in fünfstelliger Höhe - zur Abdeckung der laufenden Lebenshaltungskosten und vor allem auch der Verfahrenskosten gewährt werden. Erfahrungsgemäß werden Darlehen nicht ohne Sicherheiten gewährt. Das dürfte im Fall des Angeklagten nicht anders sein. So hat der Angeklagte selbst eingehend vorgetragen - zuletzt mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 24. Februar 2015 -, dass sich auch die mit ihm befreundete Familie G bereits in früheren Zeiten hat Sicherheiten einräumen lassen, beispielsweise durch eine bestehende Hypothek über 6,3 Millionen Euro („F2“) zugunsten der Holding B.V. (einer Gesellschaft des Herrn G). Welche Sicherheiten der Angeklagte nunmehr für laufende Darlehensgewährungen anbieten kann, ist ungeklärt. Die Fondsbeteiligungen der Eheleute N scheiden insoweit jedenfalls aus, weil diese aufgrund der ausgebrachten Pfändungen des Bankhauses F3 noch nicht einmal mehr als Grundlage weiterer Leistungen der „D4 GmbH“ dienen können.

In der angebotenen Sicherheitsleistung durch Familienmitglieder und enge Freunde kann zwar allgemein ein stabilisierendes Moment gesehen werden, jedoch führt im vorliegenden Fall die sehr weitgehende „Zerstückelung“ der konkret angebotenen Kaution in Höhe von 895.000,00 Euro im Ergebnis dazu, dass letztlich nur eine einzige Person (die Schwägerin des Angeklagten) bei Kautionsverfall mit einer derart hohen Summe belastet wäre, dass hierdurch ein beachtlicher psychischer Druck auf den Angeklagten entstehen könnte. An dieser Stelle dürfen aber nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse der dritten Sicherungsgeber in den Blick genommen werden, vielmehr muss im Rahmen der anstehenden Prognoseentscheidung auch in Rechnung gestellt werden, dass der Angeklagte über viele Jahre hinweg ein jährliches Einkommen erzielt hat, das die angebotene Kaution um ein Vielfaches übersteigt. Ausweislich der Feststellungen zur Person im Urteil vom 14. November 2014 hat der Angeklagte beispielsweise in seiner Zeit als Vorstandsmitglied der C AG mehrere Millionen DM jährlich und nach seinem dortigen Ausscheiden (im Jahr 2002) als Geschäftsführer („Head of Europe“) der in L3 ansässigen L2 Ltd. allein bis zum Jahr 2005 etwa 13 Millionen Euro verdient. Für den Fall, dass es dem Angeklagten auch nur annähernd gelingen sollte, an diese Verdienstmöglichkeiten durch den Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz im Ausland anzuknüpfen, könnte er alle Sicherungsgeber binnen kürzester Zeit schadlos stellen. Unabhängig hiervon erscheint der psychische Druck, der dadurch entsteht, dass der Angeklagte für den Fall einer Flucht die Altersversorgung der Schwägerin gefährden würde, ohnehin nicht ausreichend, um eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu rechtfertigen. Dies gilt auch in Ansehung des Vermögens- und Vertrauensschadens, der bei den übrigen Sicherungsgebern bei Kautionsverfall eintreten würde.

Der Vortrag des Angeklagten, nunmehr sei auch die Y-Versicherung dem Grunde nach bereit, sich an einer Kautionszahlung zu beteiligen, ist zu unbestimmt. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht Sinn und Zweck der in §§ 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 116 a StPO getroffenen Regelungen ist, auf Verdacht eine Kaution „auszuloben“ und sodann abzuwarten, ob sich ein Dritter - hier die T AG - bereitfindet, sich in einem bestimmten Umfang an einer Sicherheitsleistung zu beteiligen. Sollte die Y-Versicherung tatsächlich eine bestimmte Sicherheit beitragen wollen, mag der Angeklagte dies im Rahmen eines neuerlichen Haftprüfungsantrags vorbringen.

Bei alldem hat der Senat neben der Intensität des Haftgrundes auch die Tatsache im Blick, dass bei der Frage nach der Ausgestaltung und Bemessung einer Sicherheit nur ihr verfahrenssichernder Zweck berücksichtigt werden darf.

3. Schließlich steht die bisher gegen den Angeklagten vollzogene Untersuchungshaft weiterhin nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des Tatvorwurfs und der Höhe der erstinstanzlich verhängten Strafe. Hierbei hat der Senat erneut bedacht, dass der Angeklagte - wie oben ausgeführt - um seine berufliche wie finanzielle Existenz kämpfen muss und daher in besonderem Maße haftempfindlich erscheint. Die besondere Haftempfindlichkeit resultiert daneben auch aus der nunmehr schon seit vier Monaten andauernden Trennung des Angeklagten von seiner Familie. Gleichwohl ist die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft zur Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung noch verhältnismäßig.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des mit Schriftsätzen vom 11. und 13. März 2015 vorgetragenen Krankheitsbildes des Angeklagten.

Zwar darf ein Haftbefehl nicht mehr vollstreckt werden, wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass der Angeklagte durch den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Mai 2014 - 5 Ws 140/14 -; OLG Nürnberg, StV 2006, 314; Graf, a. a. O., § 112 Rdnr. 54). Auch kann Haftunfähigkeit - gemessen an den Maßstäben des § 455 Abs. 4 StPO - dem Vollzug der Untersuchungshaft entgegen stehen (vgl. KG, NStZ 1990, 142; OLG Düsseldorf, NStZ 1993, 554).

Jedoch kann im Fall des Angeklagten weder von Haftunfähigkeit noch etwa von bestehenden schwerwiegenden Gefahren für seine Gesundheit ausgegangen werden. Der Angeklagte wurde - wie bereits ausgeführt - nach umfangreichen Untersuchungen durch zahlreiche Abteilungen des Universitätsklinikums T2 in stabilem Allgemeinzustand und deutlich gebessertem Lokalbefund in die ambulante Weiterbetreuung entlassen. Der stationäre Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Hinsichtlich des vom Angeklagten in den Schriftsätzen vom 11. März 2015 und vom 13. März 2015 angesprochenen Gewichtsverlusts ist festzustellen, dass der Anamnesebogen des Universitätsklinikums T2 vom 27. Februar 2015 den Ernährungszustand des Angeklagten als „normal“ und den Kräftezustand als „(sehr) gut“ bezeichnet. Ausweislich des Anamnesebogens ist hierbei auch das vom Angeklagten vorgetragene Körpergewicht von 72 kg zugrunde gelegt und berücksichtigt worden.

Das Universitätsklinikum T2 hat ansonsten umfassende Therapieempfehlungen erteilt und zudem auf die Notwendigkeit einer Wiedervorstellung in der Augenklinik des Hauses (mit Blick auf die angedachte Behandlung mit Quensyl, s. o.) hingewiesen. Dafür, dass diese von ärztlicher Seite empfohlenen Maßnahmen nicht auch unter den Bedingungen der Untersuchungshaft umgesetzt werden können, ist nichts ersichtlich. Dem Anspruch des Angeklagten auf eine sachgemäße ärztliche Betreuung und Gesundheitsfürsorge, soweit erforderlich auch in einem Anstaltskrankenhaus oder (unter Überwachung) in einem allgemeinen Krankenhaus, ist bislang uneingeschränkt Rechnung getragen worden. Der Senat geht davon aus, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird.

4. Im Verantwortungsbereich der Justiz liegende Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.



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