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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 RBs 5/15 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Betroffener kann sich wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf die Unwirksamkeit einer Ersatzzustellung des gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheides berufen, wenn er bei der Verwaltungsbehörde einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet unter Verstoß gegen die Meldegesetze der Länder herbeigeführt hat.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Ersatzzustellung Wirksamkeit Rechtsmissbrauch Verjährung Verletzung Meldepflicht

Normen: OWiG 51

Beschluss:

Bußgeldsache
In pp.
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm am 27.01.2015 beschlossen

Die Sache wird dem Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters).

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht Gütersloh hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 280,00 Euro verurteilt und ihr unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Nach den Feststellungen hat die Betroffene die der Verurteilung zugrunde liegende Tat am 16. August 2013 begangen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, dass einer Verurteilung das Verfolgungshindernis der Verjährung entgegenstehe, weil ihr der Bußgeldbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Bei der Anschrift I-straße # in PP. handele es sich um die Wohnung ihrer Eltern. Tatsächlich habe sie zum Zeitpunkt der Zustellung in C gewohnt. Zuzugeben sei allerdings, dass sie es versäumt habe, sich umzumelden.

Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Mit Schreiben der Bußgeldbehörde vom 28. August 2013 wurde die Betroffene zu dem ihr vorgeworfenen Verstoß vom 16. August 2013 angehört. Das Anhörungsschreiben war adressiert an die Betroffene, I-straße pp. in pp.. Hierbei handelte es sich um die Anschrift unter der die Betroffene zu diesem Zeitpunkt amtlich gemeldet war und unter der ausweislich der Voreintragungen auch Bußgeldbescheide vom 21. Oktober 2009 – rechtskräftig seit dem 24. Februar 2010 – und 20. April 2012 – rechtskräftig seit dem 19. Oktober 2012 – jeweils rechtskräftig wurden.

Mit Schreiben vom 6. September 2013 meldete sich der Verteidiger für die Betroffene und bat um Akteneinsicht, ohne eine entsprechende Vollmacht vorzulegen. Eine Stellungnahme wurde auch nach erfolgter Akteneinsicht nicht abgegeben.

Daraufhin erließ die Bußgeldbehörde am 14. Oktober 2013 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene, in dem ihr zur Last gelegt wurde, am 16. August 2013 um 9.45 Uhr in der N-straße in H die dort außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nach Toleranzabzug um 42 km/h überschritten zu haben. Festgesetzt wurden ein aufgrund Voreintragungen erhöhtes Bußgeld in Höhe von 200,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat.

Dieser Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 wurde der Betroffenen am 16. Oktober 2013 unter der Anschrift I-straße pp.in pp- durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt.

Eine Abschrift des Bußgeldbescheides wurde formlos an ihre Verteidiger übersandt, wo dieses Schreiben ebenfalls am 16. Oktober 2013 einging.

Mit Telefax vom 29. Oktober 2013 legte Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 14. Oktober 2013 ein. Begründet wurde der Einspruch auch nach einer am 14. November 2013 beantragten und anschließend gewährten Akteneinsicht zunächst nicht.

In einem an die Bußgeldbehörde gerichteten Telefax des Verteidigers vom 28. November 2013 vertrat dieser erstmals die Auffassung, das Verfahren sei wegen Verfolgungsverjährung einzustellen, ohne diese Auffassung zu begründen.

Im Rahmen eines ersten Hauptverhandlungstermins am 1. Juli 2014 legte die Betroffene Mietverträge aus C vor. Im Rahmen der Feststellungen des angefochtenen Urteils heißt es insoweit:

„ (..) Der Bußgeldbescheid ist der Betroffenen unter der Anschrift I-straße pp., pp., unter der die Betroffene immer noch gemeldet ist, im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden. Sie hat zwar – nicht widerlegbar – mitgeteilt, dass sie seit dem 22.08.2010 in C wohne und unter dieser Anschrift erreichbar sei. (…)“

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Verjährung durch den Erlass und die Zustellung des Bußgeldbescheides vom 14. Oktober 2013 am 16. Oktober 2013 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unterbrochen worden sei. Ferner sei ein unterstellter Zustellungsmangel jedenfalls gem. § 8 LZG NRW geheilt worden. Es dürfe fernliegend sein und werde auch in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht behauptet, dass der Verteidiger für die Betroffene Einspruch eingelegt haben könnte, ohne dass diese den Bußgeldbescheid – und sei es durch Vermittlung ihrer Eltern oder des Verteidigers – tatsächlich erhalten habe.

Die vollständige Stellungnahme des Verteidigers zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft lautet wie folgt:
17
„In dem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren
18
gegen T C

unser Zeichen: 478/13CB09

- 12 OWi 202 Js-OWi 172/14 – AK 79/14 AG Gütersloh –

erwidern wir auf den Schriftsatz der Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Az.: SS OWi 1214/14) vom 30.12.2014 wie folgt:

Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG ist der Verteidiger des Betroffenen von der Zustellung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen zu unterrichten. So lag es hier. Die Abschrift des Bußgeldbescheides vom 14.10.2013 überreiche ich anliegend zur Kenntnisnahme. Von einer Heilung des Zustellungsmangels kann mithin nicht die Rede sein.“

II.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters des Senats).

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1) Entgegen der Rechtsauffassung der Betroffenen ist eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Die Betroffene kann sich unabhängig davon, ob ein eventueller Zustellungsmangel gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden ist, wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf eine fehlerhafte Ersatzzustellung nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 3 Abs. 2 LZG NRW i.V.m. § 180 ZPO berufen.

Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hat die Betroffene – nicht widerlegbar – mitgeteilt, dass sie seit dem 22. August 2010 in C wohne, so dass die am 16. Oktober 2013 durch Einlegung des Bußgeldbescheides in den Briefkasten unter der Anschrift ihrer Eltern in PP. erfolgte Ersatzzustellung unwirksam war, weil die Ersatzzustellung nach den §§ 178-181 ZPO voraussetzt, dass eine Wohnung an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird (vgl. BGH, NJW 2011, 2440 Rn.13 m.w.N.).

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass es eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn der Zustellungsadressat eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat (BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13; BVerfG, NJW-RR 2010, 421 Rn. 17; OLG Jena NStZ-RR 2006, 238, OLG Köln NJW-RR 2001, 1511, jeweils m.w.N.). Hierbei handelt es sich nicht um die Erleichterung einer wirksamen Zustellung im Wege der objektiven Zurechnung eines Rechtsscheins (BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13). Vielmehr wird dem Empfänger im Lichte des das gesamte Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter engen Voraussetzungen lediglich versagt, sich auf die Unwirksamkeit einer Zustellung zu berufen ( BGH, NJW 2011, 2440 Rn. 13; BVerfG, NJW-RR 2010, 421 Rn. 18). Dies ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung etwa für die Fälle anerkannt, dass sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich dolos als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und seine Post dort abholt (vgl. OLG Jena, NStZ-RR 2006, 238; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Oktober 2003 – 2 Ss OWi 219/03 -, BeckRS 2003, 30330529; BayObLG, Beschluss vom 16. März 2004 – 2 ObOWi 7/04 -, BeckRS 2004 03759).

Der vorliegende Fall weist allerdings die Besonderheit auf, dass abweichend von den den o.g. Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten hier keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Betroffene ihren Schriftwechsel unter der Anschrift in pp. aktiv geführt hat oder sich über die unterlassene Ummeldung hinaus als dort wohnend geriert hätte. Aber auch wenn die Betroffene im vorliegenden Verfahren daher nicht aktiv einen Rechtsschein dahin gesetzt hat, an ihrer Meldeanschrift in PP. auch tatsächlich zu wohnen, war das Verhalten der Betroffenen insgesamt rechtsmissbräuchlich, so dass sie sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung nicht berufen kann. Hierbei weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass die hier vertretene Rechtauffassung nur für das Zustellungserfordernis in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unmittelbare Geltung hat.

Die Ausdehnung der o.g. Rechtsprechung auch auf die Fälle, in denen ein Betroffener nicht durch Angabe einer falschen Anschrift selbst aktiv geworden ist, sondern im Wesentlichen lediglich die erforderliche Ummeldung unterlassen hat, beruht auf folgenden Erwägungen:

Es ist anerkannt, dass selbst im Strafprozess – und deswegen erst Recht im Ordnungswidrigkeitenverfahren – ein allgemeines Missbrauchsverbot gilt (vgl. BGH, NStZ 2007, 49 Rn. 2 m.w.N.). Nach der Definition des Bundesgerichtshofes ist ein Missbrauch prozessualer Rechte dann anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter die ihm durch die Strafprozessordnung eingeräumten Möglichkeiten zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Belange benutzt, um gezielt verfahrensfremde oder verfahrenswidrige Zwecke zu verfolgen (vgl. BGH, NStZ 2007, 49 Rn. 3 m.w.N.). Diese Definition kann auch auf das Ordnungswidrigkeitenrecht übertragen werden. Im vorliegenden Verfahren hat es die anwaltlich beratene Betroffene ganz offensichtlich in Kenntnis der Rechtsprechung zu § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG im Hinblick auf eine möglicherweise fehlerhafte Ersatzzustellung bewusst unterlassen, ihren tatsächlichen Wohnsitz gegenüber der Bußgeldbehörde zu offenbaren, um auf diese Weise Verfolgungsverjährung eintreten zu lassen. Hierfür spricht bereits, dass die Betroffene die Änderung ihrer Anschrift nicht – wie es ansonsten regelmäßig üblich ist – mitgeteilt hat und sie sich durch Fax ihres Verteidigers vom 28. November 2013 – exakt 3 Monate nach der am 28. August 2013 erfolgten schriftlichen Anhörung – erstmals auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen hat.

Bei der Frage, ob die Betroffene sich rechtsmissbräuchlich verhalten hat, hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Betroffene durch die unterlassene Ummeldung zudem eine weitere Ordnungswidrigkeit begangen hat (§§ 11 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Nr. 1. b) MeldeG C) und ihr Verteidigungsverhalten daher auf einen ordnungswidrigen Umstand gestützt wird.

Hinzu kommt, dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Zustellung in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich bezwecken soll, die Bußgeldbehörden zu zügiger Erledigung der Zustellungen anzuhalten und nicht dazu dient, Betroffene, die gegen die landesrechtlichen Meldegesetze verstoßen, gegenüber anderen, die Meldegesetze beachtende Betroffene, zu bevorzugen (vgl. BT-Drs. 13/3691, Seite 6 i.V.m. BT-Drs. 13/8655, Seite 12). Nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG in der bis zum 28. Februar 1998 geltenden Fassung unterbrach bereits der Erlass des Bußgeldbescheid die Verfolgungsverjährung, ohne dass es auf die (wirksame) Zustellung des Bußgeldbescheides ankam. Erst durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt 1998 Teil I, Nr. 6, Seite 156) wurde das Erfordernis der Zustellung eingeführt. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. Mai 1996 keine Änderung der Nr. 9 vorsah (vgl. BT-Drs. 392/96, Seite 2), ergibt sich aus der späteren Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 1. Oktober 1997 (vgl. BT-Drs. 13/8655, Seite 12), dass die Änderung der Nr. 9 auf dem Vorschlag des SPD-Entwurfs beruht. In diesem Gesetzentwurf vom 6. Februar 1996 heißt es (vgl. BT-Drs. 13/3691, Seite 6):

„Beobachtungen in der Praxis haben ergeben, dass in einer häufigeren Zahl von Fällen der Bußgeldbescheid erst bis zu sechs Wochen nach seinem Erlass an die Betroffenen zugestellt wird. Diese ausschließlich auf verwaltungsinternen Abläufen beruhende Verzögerung dient nicht der Beschleunigung der Verfahren und führt darüber hinaus zu einer Verunsicherung der Betroffenen und der daraus resultierenden Einlegung eines in aller Regel nicht beabsichtigten Rechtsmittels:

Die Betroffenen wissen durch die vorangegangene Anhörung, dass sie eine Geldbuße zu gewärtigen haben und sind auch bereit, diese zu akzeptieren. In den Vorstellungen der Menschen ist aber auch gegenwärtig, dass Verkehrsordnungswidrigkeiten drei Monate nach der Begehung verjähren. Wenn diese Frist um eine lange Zeit überschritten wird, manifestiert sich der Glaube, die „Sache sei erledigt“. Der dann Wochen nach dem fiktiven und angenommenen Datum zugestellt Bußgeldbescheid weckt dann nur die Lust zum Prozess. Dies gilt insbesondere, wenn zwischen Datum des Erlasses des Bescheides und Datum der Zustellung mehrere Wochen liegen. Betroffene – auch anwaltlich Vertretene - erwarten dann von den Gerichten die Aufhebung des Bußgeldbescheides, zumindest jedoch die Einstellung des Verfahrens.

Teilweise wird sogar offen behördliche Willkür vermutet.

Um Verfahren schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt gehörig zu fördern, muss daher besonders die Verwaltungsbehörde durch das Gesetz zu zügiger Erledigung angehalten werden.“

Im vorliegenden Verfahren hat die Bußgeldbehörde diesen vom Gesetzgeber verfolgten Zweck beachtet. Der am 14. Oktober 2013 erlassene Bußgeldbescheid ist bereits 2 Tage später – nämlich am 16. Oktober 2013 – unter der Meldeanschrift der Betroffenen in PP. zugestellt worden. Da die Betroffene unter dieser Anschrift gemeldet war, sie das zuvor ebenfalls an diese Anschrift gerichtete Anhörungsschreiben auch unzweifelhaft erhalten hat, was sich bereits aus der Verteidigungsanzeige ihres Verteidigers vom 6. September 2013 ergibt, und die Bußgeldbehörde somit keine Anhaltspukte für eine eventuell unwirksame Ersatzzustellung hatte, würde es daher dem o.g. Gesetzeszweck widersprechen, Betroffene nur deswegen in den Genuss der Verfolgungsverjährung kommen zu lassen, weil diese in zudem ordnungswidriger Weise gegen die Meldegesetze der Länder verstoßen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Betroffenen ihr das Berufen auf die unwirksame Ersatzzustellung verwehrt, hat der Senat auch in den Blick genommen, dass durch das Zustellungserfordernis des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG keine von der Betroffenen zu beachtenden Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt werden, so dass hier eine effektive Rechtsausübung und das rechtliche Gehör nicht unterlaufen werden (vgl. BVerfG NJW-RR 2010, 421, Rn. 18). Da durch die o.g. Rechtsauffassung – wie erwähnt – lediglich das Zustellungserfordernis des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG betroffen ist und die Betroffene ohnehin innerhalb der Frist des § 67 Abs. 1 OWiG Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat, brauchte nicht entschieden zu werden, ob das Berufen auf die unwirksame Ersatzzustellung auch unter dem Aspekt einer rechtzeitigen Einspruchseinlegung (§ 61 Abs. 1 OWiG) rechtsmissbräuchlich gewesen wäre. Es spricht allerdings einiges dafür, selbst in den Fällen von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten auszugehen, in denen dies im Ergebnis zu einer Beschneidung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt. Denn dies ist sowohl im öffentlichen Recht als auch im Zivilrecht für ähnlich gelagerte Fälle bereits angenommen worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 2004 – 6 B 8.04BeckRS 2004, 22567; BVerfG, NJW-RR 2010, 421; BVerwG, NVwZ 1991, 73).

Ohne dass es hierauf noch ankommt, bemerkt der Senat abschließend, dass auch das vorherige Verhalten sowie das weitere Verteidigungsverhalten der Betroffenen Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch darstellen. Obwohl die Betroffene nach ihren Angaben bereits seit August 2010 in C wohnt, ist auch der Bußgeldbescheid vom 20. April 2012 am 19. Oktober 2012 unter der Anschrift in PP. rechtskräftig geworden. Zudem hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 30. Dezember 2014 ausgeführt, dass ein eventueller Zustellungsmangel jedenfalls nachträglich gemäß § 8 LZG NRW geheilt worden sei, da davon ausgegangen werden müsse, dass der Verteidiger den Einspruch nicht eingelegt hat, ohne dass die Betroffene selbst den Bußgeldbescheid zuvor nicht tatsächlich – sei es durch Vermittlung ihrer Eltern oder ihren Verteidiger – erhalten hatte. Auch wenn keine Pflicht bestand, zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, hat der Verteidiger in der unter I. zitierten Weise zu einer evtl. Heilung Stellung genommen, ohne den Zeitpunkt zu benennen, an dem der Bußgeldbescheid der Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Dies hätte aber nahegelegen, wenn der Bußgeldbescheid der Betroffenen bislang überhaupt nicht oder nach Eintritt der Verfolgungsverjährung zugegangen wäre, so dass die den Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend machende Betroffene sich auch dadurch rechtsmissbräuchlich verhält, dass sie die Heilung eines eventuellen Zustellungsmangels in Abrede stellt, ohne zugleich einen tatsächlichen Zugang des Bußgeldbescheides entweder insgesamt in Abrede zu stellen oder den Zeitpunkt des Zugangs mitzuteilen.

2) Eine Vorlagepflicht entsprechend § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG besteht nicht. Soweit einzelne Obergerichte teilweise die Rechtsauffassung vertreten haben, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten des Zustellungsadressaten nur unter den in § 179 ZPO normierten Voraussetzungen von Bedeutung sei (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.2005 - 1 Ss 341/04 -, juris; OLG Bamberg, NZV 2006, 314) sind diese Entscheidungen vor der Änderung des § 51 Abs. 5 OWiG durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12.08.2005 getroffen worden. Zudem beziehen sich diese Entscheidungen auf Ersatzzustellungen nach § 178 ZPO.

3) Die sonstige Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben. Die vom Amtsgericht Gütersloh getroffenen Feststellungen – die ohnehin nicht ausdrücklich angegriffen werden – tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Das nach der Bußgeldkatalogverordnung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 42 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften vorgesehene Bußgeld in Höhe 160,00 € hat das Amtsgericht aufgrund der einschlägigen Vorbelastungen in nicht zu beanstandender Weise auf 280,00 € erhöht. Auch das verhängte einmonatige Fahrverbot, das den Vorgaben der Bußgeldkatalogverordnung entspricht, ist nicht zu beanstanden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich zudem, dass sich das Amtsgericht der grundsätzlichen Möglichkeit bewusst gewesen ist, bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung des Fahrverbots absehen zu können. Von dieser Möglichkeit hat das Amtsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise keinen Gebrauch gemacht. Eine besondere Härte ist nicht ersichtlich.

4) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen liegt ersichtlich nicht vor.

5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.




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