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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 135/14 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Rechtswidrigkeit der Unterbringung eines Nichtrauchers gemeinsam mit Rauchern im Strafvollzug.


Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafvollzug, Nichtraucherschutz, JVA

Normen: NichtraucherschutzG NRW 3 Abs. 4 Nr. 2

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 03.07.2014 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, soweit der Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gemeinschaftlichen Unterbringung in einer Gemeinschaft Zelle mit Rauchern begehrt.

Es wird festgestellt, dass die in der Zeit vom 12. September 2013 bis zum 16. September 2013 in der JVA F erfolgte Unterbringung des Betroffenen in einer Gemeinschaftszelle, in der sich rauchende Mitgefangene aufhielten, rechtswidrig gewesen ist.

Die Rechtsbeschwerde wird weiter zugelassen, soweit der Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der während seiner Unterbringung in der JVA Essen erfolgten Versagung einer Waschmöglichkeit für seine Privatwäsche begehrt. Insoweit wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die gesamten Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses betreffend die erledigten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auf Kosten des Betroffenen (§§ 120 Abs. 1 StVollzG, 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.


Gründe
I.
Der Betroffene verbüßt eine mehrjährige Haftstrafe in der JVA V. Am 12. September 2013 wurde er zwecks Wahrnehmung eines am 17. September 2013 stattfindenden Gerichtstermins beim Amtsgericht H in die JVA F überstellt. Bis zum 16. September 2013 wurde er dort in einer Gemeinschaftszelle untergebracht, in die der sich auch rauchende Mitgefangene aufhielten. Am 24. September 2013 wurde der Antragsteller zurück in die JVA V verlegt.

Mit Antrag vom 12. September 2013 hatte der Betroffene bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen beantragt, die JVA F im Wege der einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihn unverzüglich in die JVA H zu verlegen, hilfsweise, ihn in eine Einzelzelle, weiter hilfsweise, ihn in eine Nichtraucherzelle zu verlegen. Weiter beantragte er, die JVA F zu verpflichten, seine Privatwäsche zu waschen oder ihm eine Waschmöglichkeit einzuräumen.

Mit weiterem Schreiben vom 23. September 2013 hat der Betroffene die gestellten Eilanträge für erledigt erklärt und insoweit beantragt, der JVA F die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Darüber hinaus beantragte er nach Maßgabe des im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Sachverhaltes die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle mit Rauchern, der Versagung der Waschmöglichkeit für seine Privatwäsche sowie der am 17. September 2013 erfolgten Vorführung zu dem Gerichtstermin beim Amtsgericht H in Handfesseln.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss "die Anträge des Antragstellers vom 12.09.2013 und vom 13.09.2013" zurückgewiesen.

In den Gründen der Entscheidung ist ausgeführt, die Kosten der als erledigt erklärten Eilanträge seien dem Betroffenen aufzuerlegen, da diese nach Maßgabe hierzu in der Beschlussbegründung weiter folgender Ausführungen unzulässig gewesen seien.

Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung in einer Zelle mit Rauchern sei unzulässig, da insoweit eine Maßnahme der JVA im Sinne des § 109 StVollzG nicht vorgelegen habe. Der Betroffene habe seinerseits keinen gegenüber der JVA Antrag auf Unterbringung in einer Gemeinschaft Zelle mit Nichtrauchern bzw. in einer Einzelzelle gestellt, welcher abgelehnt worden sei.

Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorführung zum Gerichtstermin in Handfesseln sei zulässig, aber unbegründet, da nach den gegebenen Umständen die Anordnung der Fesselung des Betroffenen durch den Anstaltsleiter nach den §§ 88 Abs. 1, 2 Ziff. 6, Abs. 4, 90, 91 StVollzG rechtmäßig gewesen sei.

Zu dem weiteren Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung einer Waschmöglichkeit für die Privatwäsche des Betroffenen verhält sich die Beschlussbegründung nicht.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er unter näheren Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der erfolgten Unterbringung in einer Raucherzelle insgesamt die allgemeine Sachrüge erhebt. Gleichzeitig wendet sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, hat beantragt, die Rechtsbeschwerde sowie auch die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung als unzulässig verwerfen.

II.

Die Rechtsmittel des Betroffenen haben teilweise Erfolg.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist im Hinblick auf die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der erfolgten Vorführung des Betroffenen zum Gerichtstermin beim Amtsgericht Gelsenkirchen in Fesseln als unzulässig zu verwerfen, da es insoweit nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§§ 116 Abs. 1, 119 Abs. 3 StVollzG).

Zur Fortbildung des Rechts wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, wenn der Fall Anlass gibt, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. Arloth, Strafvollzugsgesetz, 3. Auflage 2011, § 116 Rdnr. 3 m.w.N.). Solchermaßen klärungsbedürftige Rechtsfragen zeigt die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Entscheidung betreffend die in Fesseln erfolgte Vorführung des Betroffenen zu dem Gerichtstermin beim Amtsgericht H nicht auf.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Vorführungen im Sinne des § 88 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 StVollzG im Hinblick auf eine etwaige Fluchtgefahr mit Fesselung durchgeführt werden können, sind obergerichtlich hinreichend geklärt. Eine - hier allerdings nicht ersichtliche - etwaige unrichtige Entscheidung der Strafvollstreckungskammer betreffend den insoweit gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag würde allein den Einzelfall betreffen und dementsprechend auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht gefährden.

2.

Im Hinblick auf die Frage der vorübergehenden Unterbringung des Betroffenen in einer Gemeinschaftszelle mit Rauchern lässt der Senat demgegenüber die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu, da die Strafvollstreckungskammer im Rahmen der angefochtenen Entscheidung den Begriff der Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG verkannt hat und insoweit auch für zukünftige Entscheidungen eine sich wiederholende fehlerhafte Auslegung dieses Rechtsbegriffs zu besorgen ist. Nach gefestigter und zutreffender obergerichtlicher Rechtsprechung stellt bereits die Zuweisung des Gefangenen in einen bestimmten Haftraum eine Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG dar (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 1 Ws 279/04 - m.w.N., [...]). Dementsprechend kann einem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erfolgten Unterbringung die Zulässigkeit nicht mit der Begründung abgesprochen werden, der Betroffene habe es versäumt, seine Verlegung in einen anderen Haftraum ausdrücklich gegenüber der JVA zu beantragen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

Der mithin zulässige Feststellungsantrag des Betroffenen ist auch begründet. Da der Sachverhalt vollständig ausermittelt ist und zudem lediglich eine mögliche Entscheidung in Betracht kommt, liegt Spruchreife im Sinne des § 121 Abs. 4 S. 2 StVollzG vor, so dass der Senat in der Sache selbst entscheiden kann:

Entgegen der Annahme der Strafvollstreckungskammer war die in der JVA F erfolgte mehrtägige Unterbringung des Betroffenen in einer Gemeinschaftszelle mit Rauchern rechtswidrig. Das in § 3 Abs. 4 Nr. 2 Nichtraucherschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (NiSchG NRW) normierte Verbot, wonach das Rauchen in einem mit mehr als einer Person belegten Haftraum ausdrücklich nicht zulässig ist, wenn eine weiter darin untergebrachte Person Nichtraucher ist, ist eindeutig (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2013, III - 1 Vollz (Ws) 421/13 OLG Hamm) und führt dazu, dass die JVA gehalten ist, dies bei der Belegung von Gemeinschaftszellen von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Einhaltung der entsprechenden Vorschrift obliegt der JVA jeweils unabhängig davon, ob der jeweils Betroffene sich gegen eine entsprechende rechtswidrige Unterbringung ausdrücklich zur Wehr setzt. Soweit die JVA gleichwohl erwägt, Nichtraucher in einer Raucherzelle unterzubringen, ist sie gehalten, eine entsprechende ausdrückliche Einverständniserklärung des Gefangenen einzuholen.

3.

Ebenso hat die Rechtsbeschwerde auch - zumindest vorläufigen - Erfolg, soweit der Betroffene die Feststellung begehrt, dass die Versagung einer Waschmöglichkeit für seine private Wäsche rechtswidrig gewesen sei.

Über die Zulassungsgründe des § 116 StVollzG hinaus ist anerkannt, dass eine Zulassung des Rechtsmittels auch dann geboten ist, wenn die tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen der angefochtenen Entscheidung so unzureichend sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG nicht überprüfen kann (Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 116 Rdn. 4; Senat, Beschluss vom 28. April 2014, III-1 Vollz (Ws) 167/14). So verhält es sich hier, da der angefochtene Beschluss insoweit überhaupt keine Begründung zu der erfolgten Zurückweisung des Antrages enthält. Hierzu ist eine eigene Sachentscheidung des Senats indes nicht veranlasst, so dass das Verfahren insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen war.

4.

Soweit sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses zu den erledigten Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet, ist die sofortige Beschwerde zwar gemäß der §§ 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG, 464 Abs. 3 StPO grundsätzlich statthaft, vorliegend jedoch deshalb nicht zulässig, weil Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer betreffend den Erlass einstweiliger Anordnungen gemäß § 114 Abs. 2 S. 3 StVollzG von vornherein der Anfechtung entzogen sind; gleiches gilt gemäß § 464 Abs. 3 S. 1, 2. HS StPO auch für die in diesem Zusammenhang ergehenden Kostenentscheidungen.

Zudem ist die sofortige Beschwerde (auch bezogen auf den zunächst privatschriftlich eingereichten Schriftsatz vom 19. Februar 2014) nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt und auch der gemäß § 304 Abs. 3 StPO erforderliche Beschwerdewert von 200,00 € nicht erreicht, da selbst die vom Betroffenen nach dem festgesetzten Streitwert von 1.500,00 € insgesamt zu tragende Gebühr gemäß Anlage 2 zu § 34 Absatz 1 Satz 3 GKG lediglich 71,00 € betragen würde.

5.

Soweit die Rechtsbeschwerde unzulässig ist, hatte sie keine Aussicht auf Erfolg, dementsprechend war hierzu auch der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bereits aus diesem Grund zurückzuweisen (§§ 120 Abs. 2 StVollzG, 114 S. 1 ZPO). Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist jedoch auch nicht mehr veranlasst, soweit der Rechtsbeschwerde ein Erfolg beschieden ist. Eine anwaltliche Tätigkeit ist im vorliegenden Verfahren nicht entfaltet worden; der Betroffene hat die Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle vielmehr selbst hinreichend begründet. Danach wäre ein weitergehender Erfolg der Rechtsbeschwerde auch für den Fall der Beiordnung eines Anwaltes nicht mehr denkbar gewesen, so dass die weitere Rechtsverfolgung durch zusätzliche Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes in Anbetracht des bereits gewählten kostengünstigeren und ebenso Erfolg versprechenden Weges als mutwillig im Sinne des § 114 S. 1 ZPO anzusehen gewesen wäre.

6.

Der Senat hat die Sache auch im Hinblick auf die gesamte Kostenentscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen, da eine eigene Sachentscheidung des Senats insoweit nicht möglich ist. Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss den Streitwert lediglich insgesamt auf 1.500,00 € festgesetzt, ohne zumindest in den Beschlussgründen eine weitere Differenzierung nach den jeweils gestellten Anträgen vorzunehmen. Ohne eine entsprechende Differenzierung ist das Ausmaß des Teilerfolges der Rechtsbeschwerde nicht zu bemessen. Die Strafvollstreckungskammer wird eine entsprechende Einzelbewertung der Anträge nachzuholen haben.


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