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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 RVs 10/14 OLG Hamm

Leitsatz: Die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten wegen des Besitzes von 19,3gr Haschisch stellt auch bei einem mehrfach einschlägig vorbestraften Täter keinen gerechten und angemessenen Schuldausgleich mehr dar.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Kurze Freiheitsstrafe, Bagatelldelikt

Normen: StGB 46; StGB 47 BtMG

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 06.03.2014 - beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hamm hat den Angeklagten mit Urteil vom 19. Juli 2013 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Urteils war der bereits vielfach und unter anderem auch mehrfach wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vorbestrafte und langjährig betäubungsmittelabhängige Angeklagte am 28. Dezember 2012 um 13:50 Uhr im Bereich der O-Parkanlage in I im Rahmen einer Polizeikontrolle im Besitz von 19,31 g Haschisch mit nicht mehr festgestellter Wirkstoffkonzentration angetroffen worden, welches zum Eigenkonsum bestimmt war.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2013 hat das Landgericht Dortmund die Berufung des Angeklagten verworfen. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision, mit der er unter Erhebung der Rüge materiellen Rechts den Antrag verfolgt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist teilweise zulässig und hat in dem Umfang, in dem sie zulässig ist, auch in der Sache Erfolg.
1. Hinsichtlich des Schuldspruchs ist die Revision unzulässig.
Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung sind der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Hamm vom 19. Juli 2013 und die ihn tragenden Feststellungen in Rechtskraft erwachsen.
Die insoweit entgegenstehende Rechtskraft führt bezüglich der Angriffe gegen den Schuldspruch bereits zur Unzulässigkeit der Revision.
2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a. Die Strafkammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung als strafschärfend gesehen,„dass es sich nicht nur um eine oder wenige Konsumeinheiten handelte, sondern er (der Angeklagte) sich im Besitz eines immerhin 19,3 g netto schweren Stückes Haschisch befunden hat“. In Anbetracht des Umstandes, dass eine Bestimmung des Wirkstoffgehaltes des sichergestellten Haschisch nicht erfolgt ist und deshalb - wie das Landgericht zutreffend ausführt - auch ein sehr geringer Wirkstoffgehalt in Betracht zu ziehen ist, begegnen die vorgenannten Erwägungen durchgreifenden Bedenken, da es an der Feststellung ermangelt, von welcher Mindestanzahl von Konsumeinheiten das Landgericht ausgeht, mit der Folge, dass die erfolgte Bewertung, es handele sich um „nicht wenige“ (Konsumeinheiten) einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist.
„dass es sich nicht nur um eine oder wenige Konsumeinheiten handelte, sondern er () sich im Besitz eines immerhin 19,3 g netto schweren Stückes Haschisch befunden hat“
b. Ungeachtet des Vorstehenden wird die mit dem angefochtenen Urteil verhängte Freiheitsstrafe von 7 Monaten den Anforderungen an einen gerechten und angemessenen Schuldausgleich nicht mehr gerecht. Sie steht zu dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Angeklagten außer Verhältnis und verletzt mithin das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot.
Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich allein Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann im allgemeinen nur dann eingreifen, wenn die Erwägungen, mit denen der Tatrichter Strafart und Strafmaß begründet hat, in sich rechtlich fehlerhaft sind, wenn anerkannte Strafzwecke außer Betracht geblieben sind oder wenn sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, d. h., wenn die Strafe in einem groben Missverhältnis zu Tatunrecht und Tatschuld steht und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
Insoweit ist auch hinsichtlich des letztgenannten Aspektes die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung der rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rdn 146, 149 a).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird nahezu durchgängig die Auffassung vertreten, dass in den Fällen des Besitzes geringer Mengen Betäubungsmittel zum Eigenkonsum im Sinne der §§ 29 Abs. 5, 31 a BtMG auch bei einschlägig vorbestraften abhängigen Drogenkonsumenten die Verhängung einer Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt und sich - soweit sie sich als unerlässlich erweist - im untersten Bereich des Strafrahmens des § 29 Abs. 1 BtMG zu bewegen hat (OLG Oldenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2009 - 1 Ss 197/09 -, juris, Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. September 2006 - III - 104/06 - 1 Ss 166/06, III - 104/06, 1 Ss 166/06 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. April 2003 - 3 Ss 54/03 -, juris; BGH, Beschluss vom 16. Februar 1998 - 5 StR 7/98 -, juris; III-2 RVs 45/11 OLG Hamm, Beschluss vom 28.12.2011).
Dem tritt der Senat zumindest für die Fälle bei, in denen über den festgestellten strafbaren Betäubungsmittelbesitz zum Eigenkonsum hinausgehend nach den getroffenen Feststellungen konkrete Anhaltspunkte für eine etwaige Fremdgefährdung - etwa durch die nahe liegende Möglichkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte oder durch Beschaffungskriminalität - nicht ersichtlich sind. So liegt der Fall hier; entgegenstehende Feststellungen sind zumindest bisher nicht getroffen.
Stellt man auf die Richtlinien zur Anwendung des § 31 a Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes gemäß des Runderlasses des Justizministeriums und des Ministeriums für Inneres und Kommunales in Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2011 - JMBL. NRW S. 106 - ab, so ist von einer geringen Menge zum Eigenverbrauch gemäß Ziffer II. 1. der Richtlinien bei Cannabisprodukten bis zu einer Gewichtsmenge von 10 g auszugehen, welche hier allerdings ungeachtet der mangelnden Feststellung eines Wirkstoffgehalt des sichergestellten Haschisch um nahezu 100% überschritten worden ist.
Angesichts der festgestellten Mengenüberschreitung bestand für die Strafkammer kein Anlass, sich mit einer etwaigen Anwendung des § 29 Abs. 5 BtMG zu befassen. Andererseits sind die Ausführungen der Strafkammer zur Strafzumessung nicht geeignet, die gemessen am objektiven Tatunrecht sowie der vorstehend zitierten Rechtsprechung zu den Fällen des Eigenbedarfsbesitzes geringer Mengen von Betäubungsmitteln besonders hoch erscheinende Freiheitsstrafe von 7 Monaten zu rechtfertigen. Auch im Fall einer Überschreitung des Wertes einer geringen Menge im Sinne der §§ 29 Abs. 5, 31 a Abs. 1 BtMG ist bei ausschließlichem Betäubungsmittelbesitz zum Eigenkonsum zunächst zu bedenken, dass es sich um ein im Wesentlichen von einer Eigengefährdung des Täters geprägtes Delikt handelt. Demgegenüber kann dem Gesichtspunkt etwaiger Vorstrafen und dem Bewährungsversagen des Angeklagten kein so hohes Gewicht zukommen, dass es geeignet wäre, dem nur geringen objektiven Gewicht der Tat einen derart höheren Stellenwert zu geben, dass deren Bagatellcharakter als solcher infrage zu stellen und dementsprechend die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der vorliegenden Größenordnung gerechtfertigt wäre. Dies gilt zudem in den Fällen, in denen - wie hier - das strafbare Handeln des Angeklagten in besonderem Maße von seiner langjährigen und auch zum Zeitpunkt der Tatbegehung bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit geprägt ist, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob hierdurch die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt werden oder nicht. Die Ursächlichkeit der Betäubungsmittelabhängigkeit für den strafbaren Eigenbesitz führt vielmehr zu der Bewertung, dass der wiederholte Besitz von Betäubungsmitteln trotz einschlägiger Vorstrafen und auch bereits erlittenen Freiheitsentzuges gerade nicht vornehmlich als bewusste kriminelle Auflehnung gegen die Rechtsordnung gewertet werden kann, welcher durch die Festsetzung deutlich erhöhter Freiheitsstrafen Einhalt geboten werden müsste.
Die verhängte Strafe steht nach Maßgabe des Vorstehenden vielmehr außer Verhältnis zu der Schwere der Tat und des Verschuldens des Angeklagten.
Der Senat merkt jedoch ergänzend an, dass nach den gegebenen Umständen allerdings die Verhängung einer auch vollstreckbaren kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB vorliegend angesichts der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten grundsätzlich nicht zu beanstanden und vielmehr sogar naheliegend ist. Durch die Existenz der Vorschrift § 47 Abs. 1 StGB kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, auch in Fällen objektiv verhältnismäßig geringen Tatunrechts namentlich in den Fällen vorangegangener wiederholt fruchtloser Sanktionen mit der im Verhältnis zur Geldstrafe deutlich belastenderen Strafart der Freiheitsstrafrecht reagieren zu können. Dementsprechend steht außer Zweifel, dass auch in Fällen der Bagatellkriminalität die Festsetzung einer Freiheitsstrafe nicht ohne Weiteres gegen das Übermaßverbot verstößt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09. Juni 1994 - 2 BvR 710/94 -, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5St RR 167/03 - juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. Oktober 2005 -2 St OLG Ss 150/05 -, juris). Bei Festsetzung deren Höhe ist jedoch gerade im Bereich der Bagatellkriminalität zu beachten, dass das in § 38 Abs. 2 StGB festgesetzte Mindestmaß von einem Monat im Vergleich zu einer nach dem Gesetz grundsätzlich primär vorgesehenen Festsetzung einer Geldstrafe das insoweit gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 StGB festgelegte gesetzliche Mindeststrafmaß von 5 Tagessätzen Geldstrafe bereits deutlich übersteigt und auch die gewählte Sanktionsart für sich genommen eine erheblich belastendere Beschwer darstellt. In den Fällen eines vom äußeren Tatbild eher nur geringen kriminellen Unrechts ist daher auch im Fall der Erforderlichkeit der Festsetzung einer Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB sorgfältig zu prüfen, ob zur Einwirkung auf den Täter sowie zur Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs tatsächlich auch hinsichtlich deren Höhe die Verhängung einer möglicherweise auch deutlich über das Mindestmaß hinausgehenden Freiheitsstrafe tatsächlich rechtlich geboten erscheint.
Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.



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