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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 RVs 86/13 OLG Hamm

Leitsatz: Zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung.

Senat: 5

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Gesamtstrafenbildung, nachträgliche

Normen: StPO 55

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a..
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 25. April 2013 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07. Oktober 2013 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die verhängte Gesamtgeld-strafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Straf-kammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Essen-Borbeck hat den Angeklagten am 26. September 2012 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen mit Urteil vom 25. April 2013 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 30. März 2012 (3 Cs 209/12) nach Auflösung der dortigen Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt worden ist.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die Revision hat mit der Sachrüge lediglich hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs bezüglich der verhängten Gesamtgeldstrafe - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Zum Schuldspruch und zu der hier verhängten Einzelstrafe (Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10,00 €) verwirft der Senat die Revision des Angeklagten auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufdeckt.

1. Die getroffenen Feststellungen der Kammer zur Sache tragen den Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und beruhen auf einer rechtsfehlerfrei vorgenommenen Beweiswürdigung.

Die mit der Revision erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Es kann dahingestellt bleiben, ob das diesbezügliche Revisionsvorbringen den strengen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gerecht wird. Denn die Rüge ist jedenfalls unbegründet, weil die Kammer angesichts des eindeutigen Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht gehalten war, Beweis darüber zu erheben, ob die Frontscheibe des Linienbusses durch einen anderen Gegenstand (als durch die vom Angeklagten geworfene Bierflasche) beschädigt worden sein könnte. Entgegen der Darstellung in der Revisionsbegründung bestand nach den detaillierten, widerspruchsfreien und durchweg glaubhaften Bekundungen des Zeugen Hoffmann kein Zweifel daran, dass der Angeklagte die Frontscheibe mit der von ihm geworfenen Flasche beschädigt hat. Solche Zweifel können insbesondere nicht aus den Bekundungen der Zeugen A. und B. und hergeleitet werden.

Beide Zeugen waren — im Gegensatz zum Zeugen C. - gerade nicht unmittelbare Augenzeugen des Wurfs bzw. des Aufpralls der Flasche. Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass sie die Schäden an der Frontscheibe nicht aufgrund eigener direkter Wahrnehmungen der vom Angeklagten geworfenen Flasche zuordnen konnten.

Auch die Strafzumessungserwägungen der Kammer hinsichtlich der verhängten Einzelstrafe begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Die Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ist entgegen der Revisionsbegründung durchaus zugunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, sie vermag indes - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Um-stände des Einzelfalles nicht die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 224 Abs. 1 StGB zu rechtfertigen.

Dadurch, dass von der Vorschrift des § 49 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht und anstelle einer Freiheitsstrafe (nur) auf eine Geldstrafe erkannt worden ist, wird der Angeklagte nicht beschwert. Gleiches gilt für die ausgesprochen niedrige Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Die Kammer hat mit Recht ausgeführt, dass der Angeklagte insoweit durch das Verschlechterungsverbot (§ 331 StPO) geschützt wird.

2. Allein der Ausspruch über die nachträglich verhängte Gesamtgeldstrafe kann keinen Bestand haben. Denn die Kammer hat entgegen § 55 StGB nicht geprüft, ob bereits mit der Strafe aus der früheren Verurteilung durch das Amtsgericht Bochum vom 06. Oktober 2011 (33 Ds - 2 Js 249/11 - 258/11) eine Gesamtstrafe nach §§ 53, 54 StGB zu bilden ist.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist die Anwendung des § 55 StGB zwingend vorgeschrieben (vgl. BGHSt 55, 220; Senatsbeschluss vom 26. Januar 2012 - 5 RVs 118/11 -). § 55 StGB ermächtigt und verpflichtet den Tatrichter, unter den dort geregelten Voraussetzungen in rechtskräftige frühere Gesamtstrafen einzugreifen; die Rechtskraft einer Gesamtstrafe stellt auch dann kein Hindernis dar, wenn nicht alle in ihr zusammengefassten Einzelstrafen in eine neue Gesamtstrafe einzubeziehen sind, sondern sie vielmehr zu verschiedenen Gesamtstrafen- ggfs. auch mit anderen früheren Vorverurteilungen - zusammengeführt werden müssen (vgl. BGH, NStZ-RR 2010, 9; NStZ 2007, 28, 29). In diesem Zusammenhang ist deshalb ausdrücklich festzustellen, ob eine frühere Strafe erledigt ist, ob also die in der früheren Verurteilung erkannte Strafe zum Zeitpunkt des letzten tatrichterlichen Sachurteils wegen der neuen Tat bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2012 - 5 RVs 118/11 -; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 55 Rdnr. 6, 6a).

Diesen Vorgaben wird das angefochtene Urteil nicht vollständig gerecht. Zwar hat die Kammer zutreffend gesehen, dass die mit Strafbefehl des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 30. März 2012 (3 Cs - 305 Js 452/11 - 209/12) ausgeworfene Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen nach Maßgabe des § 55 StGB aufzulösen und in die vorliegende Verurteilung einzubeziehen ist, letzteres jedoch - nach derzeitigem Stand - nur hinsichtlich der dort verhängten Einzelstrafe von 50 Tagessätzen wegen der Straftat vom 10. Oktober 2011 (falsche Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB zum Nachteil der Vollstreckungsbeamten).

Hinsichtlich der weiteren durch Strafbefehl vom 30. März 2012 ausgeworfenen Einzelstrafe von 50 Tagessätzen wegen der Straftat vom 28. September 2011 (§§ 201, 185, 52 StGB) hat die Kammer die notwendigen Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe mit der vorliegenden Verurteilung nicht festgestellt.

Insoweit könnte das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 06. Oktober 2011 (33 Ds - 2 Js 249/11 - 258/11) eine Zäsurwirkung entfalten. Mit vorgenanntem Urteil ist der Angeklagte wegen einer am 25. Februar 2011 begangenen fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 85 Tagessätzen zu je 10,00 € ver-urteilt worden. Die Erledigung dieser Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 06. Oktober 2011 hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil gerade nicht festgestellt.

Liegt keine Erledigung vor, so ist bereits in diese frühere Verurteilung die Strafe für das Tatgeschehen am 28. September 2011 einzubeziehen und insoweit nachträglich durch gerichtliche Entscheidung eine Gesamtstrafe nach Maßgabe der §§ 460, 462 StPO zu bilden.

Danach wäre die Verurteilung im vorliegenden Verfahren allein mit einer Einzelstrafe von 50 Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 30. März 2012 (hier: Straftat vom 10. Oktober 2011) gesamtstrafenfähig, so dass die vom Landgericht gebildete Gesamtgeldstrafe unter Einbeziehung beider Einzelstrafen aus dem o.g. Strafbefehl keinen Bestand haben kann.

Aufgrund des vorstehend aufgezeigten Mangels war das angefochtene Urteil im Strafausspruch über die verhängte Gesamtstrafe nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Das Landgericht hat nunmehr zuvorderst festzustellen, ob die Verurteilung durch das Amtsgericht Bochum vom 06. Oktober 2011 erledigt ist oder nicht und somit die unter Ziff. II. ausgeführte Zäsurwirkung entfaltet.

Sofern (mangels Erledigung) diese Zäsurwirkung, besteht, sind zwei selbständige Gesamtstrafen zu bilden: Zum einen ist die Einzelstrafe aus der vorliegenden Verur-teilung (120 Tagessätze) mit der Einzelstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 30. März 2012 (50 Tagessätze wegen der Tat vom 10. Oktober 2011) unter gleichzeitiger Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu verbinden. Zum anderen ist (nachträglich) eine Gesamtstrafe aus der weiteren Einzelstrafe aus dem vorgenannten Strafbefehl (50 Tagessätze wegen der Tat vom 28. September 2011) und der - dann ebenfalls aufzulösenden - Gesamtgeldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 06. Oktober 2011 zu bilden. Bei alledem sind die Vorgaben des sich aus § 331 StPO ergebenden Verschlechterungsverbots zu beachten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 20. August 2012 - 5 RVs 80/12 - m.w.Nachw.).



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