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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 181/13 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Bei der auf der Grundlage der GStrTilgVO NRW getroffenen Entscheidung der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten die Tilgung einer Geldstrafe durch freie Arbeit zu gestatten oder die vom Verurteilten beantragte Gestattung abzulehnen, handelt es sich um eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Sinne der §§ 459e, 459h StPO.

2. Der Senat lässt die Frage offen, ob eine Gestattung nach § 1 Abs. 1 GStrTilgVO NRW auch noch dann ausgesprochen werden kann, wenn die in Rede stehende Geldstrafe bereits im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird.

3. Zum Ablehnungsgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 GStrTilgVO NRW.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Geldstrafe, freie Arbeit, Tilgung

Normen: StPO 459e, StPO 459h

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm 09.07.2013 - beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.


Gründe

I.

Das Amtsgericht Herford bildete mit Beschluss vom 29. Juli 2008 aus den durch zwei frühere strafgerichtliche Verurteilungen gegen den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen nachträglich eine Gesamtgeldstrafe von 335 Tagessätzen zu je 30 €. Der Beschluss ist seit dem 12. August 2008 rechtskräftig.

Der Verurteilte leistete keine Zahlungen zur Tilgung der Gesamtgeldstrafe. Da die in der vorliegenden Sache als Vollstreckungsbehörde zuständige Staatsanwaltschaft Bielefeld Beitreibungsmaßnahmen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten - der mehrfach und vorwiegend wegen Betruges vorbestrafte Verurteilte hat mehr als 3 Millionen Euro Schulden - für sinnlos hielt, ordnete sie am 26. November 2008 die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe an und lud den Verurteilten zum Strafantritt.

Der Verurteilte stellte daraufhin den Antrag, ihm zu gestatten, die Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Als Beschäftigungsstelle schlug der Verurteilte ein Jugendzentrum in I vor. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld stellte daraufhin mit Verfügung vom 6. Januar 2009 die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zurück und gestattete dem Verurteilten die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit im Umfang von insgesamt 2010 Stunden bei der von ihm benannten Beschäftigungsstelle. Auf eine Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 24. September 2009 teilte die Beschäftigungsstelle unter dem 6. Oktober 2009 auf einem von der Staatsanwaltschaft übersandten Antwortvordruck mit, der Verurteilte habe im Zeitraum vom 12. Januar 2009 bis zum 17. Juli 2009 insgesamt 629,75 Arbeitsstunden geleistet. Hiernach findet sich auf dem von einem Mitarbeiter der Beschäftigungsstelle unterzeichneten Antwortvordruck noch der folgende handschriftliche Zusatz: "Danach ist er (d.h. der Verurteilte) nicht mehr erschienen."

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld teilte dem Verurteilten daraufhin unter dem 8. Oktober 2009 mit, sie beabsichtige, die Gestattung vom 6. Januar 2009 zu widerrufen, und gab dem Verurteilten Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu. Der Verurteilte reagierte hierauf nicht. Mit Verfügung vom 10. November 2009 widerrief die Staatsanwaltschaft Bielefeld die Gestattung und stellte fest, dass durch die von dem Verurteilten geleisteten Arbeitsstunden 105 Tagessätze der Gesamtgeldstrafe getilgt seien.

Unter dem 18. November 2009 lud die Staatsanwaltschaft Bielefeld den Verurteilten zum Antritt der Rest-Ersatzfreiheitsstrafe von 230 Tagen in die Justizvollzugsanstalt C. Am 7. Dezember 2009 meldete sich der Verurteilte ausweislich eines im Vollstreckungsheft befindlichen Vermerkes telefonisch bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld und teilte mit, er sei auch in einem Strafvollstreckungsverfahren der Staatsanwaltschaft Detmold (Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten aufgrund des seit dem 9. Oktober 2009 rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Lemgo vom 21. April 2009) zum Strafantritt bis zum 19. Dezember 2009 in die JVA T geladen worden. Ausweislich des Vermerkes teilte die bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld mit der Sache befasste Rechtspflegerin dem Verurteilten in diesem Telefonat mit, dass zunächst die Gesamtfreiheitsstrafe vollstreckt werde und dass der Verurteilte durch Zahlungen auf die Gesamtgeldstrafe die Dauer der zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe verkürzen könne.

Der Verurteilte stellte sich am 18. Dezember 2009 zum Strafantritt in der JVA T. Seither befindet er sich in Strafhaft. Vollstreckt wurden zunächst die bereits erwähnte Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lemgo sowie eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten aus einem Urteil des Amtsgerichts Herford vom 16. November 2004 (diese nach Widerruf der ursprünglich gewährten Strafaussetzung zur Bewährung; die Haftnotierung erfolgte erst im März 2010). Diese beiden Gesamtfreiheitsstrafen sind seit dem Ablauf des 13. März 2013 vollständig vollstreckt. Derzeit verbüßt der Verurteilte die (Rest-)Ersatzfreiheitsstrafe in der vorliegenden Sache, die voraussichtlich mit Ablauf des 29. Oktober 2013 vollständig vollstreckt sein wird. Seit dem 30. September 2011 befindet sich der Verurteilte in der JVA E.

Am 20. April 2011 sprach der Verurteilte - er befand sich zum damaligen Zeitpunkt noch im offenen Vollzug in der JVA T - persönlich bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld vor und bat im Hinblick auf die Rest-Gesamtgeldstrafe um die Bewilligung von Ratenzahlungen und die Zurückstellung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld entsprach diesem Begehren nicht, wies den Verurteilten aber darauf hin, dass es ihm unbenommen bleibe, von sich aus (Teil-)Zahlungen auf die Gesamtgeldstrafe zu leisten, die dann zu einer Verkürzung der Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe führen würden.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. Februar 2013 beantragte der Verurteilte, ihm (erneut) zu gestatten, die Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Mit Verteidigerschriftsatz vom 28. März 2013 begründete er diesen Antrag. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld lehnte den Antrag mit Verfügung vom 5. April 2013 ab. Den hiergegen gerichteten Antrag des Verurteilten auf Entscheidung des Gerichts verwarf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold mit Beschluss vom 7. Mai 2013 als unbegründet. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel des Verurteilten ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nach § 462 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 StPO statthaft. Nach dieser Regelung sind u.a. gerichtliche Entscheidungen nach § 459h StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Die Strafvollstreckungskammer hat ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses eine Entscheidung im Verfahren nach § 459h StPO getroffen.

2. Die sofortige Beschwerde ist indes unbegründet. Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht in der Sache entschieden (hierzu unten unter a) und den Antrag des Verurteilten auch zu Recht als unbegründet verworfen (hierzu unter b).

a) Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht eine Sachentscheidung über das Begehren des Verurteilten getroffen.

aa) Sie hat den Rechtsbehelf des Verurteilten gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 5. April 2013 zutreffend als Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Sinne des § 459h StPO angesehen. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht u.a. über Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nach § 459e StPO. Bei der Verfügung der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 5. April 2013 handelt es sich um eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 459e StPO. Diese Vorschrift regelt die Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde über die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Möglichkeit, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen, nicht gnadenrechtlich geregelt. Vielmehr ist hier auf der Grundlage der bundesgesetzlichen Ermächtigung in Art. 293 Abs. 1 EGStGB die "Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit und über die entsprechende Ermächtigung des Justizministeriums zum Erlass von Rechtsverordnungen" (SGV.NRW.301; im Folgenden zur Vereinfachung: GStrTilgVO NRW) erlassen worden. Nach § 1 Abs. 1 GStrTilgVO NRW kann dem Verurteilten auf Antrag gestattet werden, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Solange dem Verurteilten die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit gestattet ist, wird nach § 4 GStrTilgVO NRW die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollstreckt. Sowohl Art. 293 Abs. 1 EGStGB als auch die Vorschriften der GStrTilgVO NRW weisen die Entscheidung über die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit ausdrücklich der "(Straf-)Vollstreckungsbehörde" zu. Vor diesem Hintergrund kann es keinem Zweifel unterliegen, dass es sich bei den auf der Grundlage von Art. 293 Abs. 1 EGStGB (in Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit der GStrTilgVO NRW) getroffenen Entscheidungen, dem Verurteilten die Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit zu gestatten oder - wie im vorliegenden Falle - die vom Verurteilten beantragte Gestattung abzulehnen, um Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde im Sinne der §§ 459e, 459h StPO handelt (wie hier OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2009, 220 [OLG Karlsruhe 28.01.2009 - 2 VAs 20/08]; i.E. ebenso OLG Koblenz, BeckRS 2010, 06699; in diese Richtung tendierend ebenfalls BGH, NJW 2009, 3587; a.A. - indes ohne nähere Begründung - OLG Dresden, NStZ 1999, 160; OLG Jena, BeckRS 2009, 26706; 2009, 86297).

bb) Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold war nach §§ 462a Abs. 1 Satz 1, 462 Abs. 1 Satz 1 StPO auch sachlich und örtlich zuständig.

b) Die Voraussetzungen für eine Gestattung nach § 1 Abs. 1 GStrTilgVO NRW liegen nicht vor.

aa) Der Senat kann dabei offenlassen, ob die beantragte Gestattung zum gegenwärtigen Zeitpunkt - der Verurteilte verbüßt die Ersatzfreiheitsstrafe bereits - überhaupt noch ausgesprochen werden könnte. Fraglich könnte dies deshalb sein, weil die GStrTilgVO NRW - anders als die Regelungen anderer Bundesländer (vgl. z.B. § 3 Abs. 3 der "Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch Arbeit" vom 18. Oktober 2010 [SächsGVBl. 2010, 313]) - keine ausdrückliche Regelung enthält, nach der dem Verurteilten auch noch nach dem Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gestattet werden kann, die Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen.

bb) Eine Gestattung nach § 1 Abs. 1 GStrTilgVO NRW kann schon deshalb nicht ausgesprochen werden, weil dem hierauf gerichteten Antrag des Verurteilten ein zwingender Ablehnungsgrund entgegensteht. § 1 Abs. 1 GStrTilgVO NRW räumt der Vollstreckungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag zwar grundsätzlich ein Ermessen ein ("kann ... gestatten"). § 3 Abs. 2 GStrTilgVO NRW normiert in Ergänzung hierzu indes mehrere - zwingende - Gründe für die Ablehnung des Antrages. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 GStrTilgVO NRW ist der Antrag abzulehnen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Verurteilte freie Arbeit überhaupt nicht leisten will. Dies ist hier der Fall.

Der Verurteilte hat im Juli 2009 die ihm damals gestattete freie Arbeit eigenmächtig - nur so kann der handschriftliche Zusatz in dem Schreiben der damaligen Beschäftigungsstelle vom 6. Oktober 2009 sinnvollerweise interpretiert werden - abgebrochen und hierdurch dokumentiert, dass er nicht mehr willens war, weiterhin freie Arbeit zur Tilgung der Geldstrafe zu leisten. Es ist nicht ersichtlich, dass sich hieran bis heute etwas geändert hat. Namentlich liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den Beteuerungen des Verurteilten seit dem Beginn des Jahres 2013, er wolle nunmehr (wieder) freie Arbeit leisten, um mehr als um bloße Lippenbekenntnisse mit dem Ziel einer vorzeitigen Haftentlassung handelt. Im Gegenteil: es liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass der - mehrfach wegen Betruges vorbestrafte - Verurteilte in diesem Zusammenhang im vorliegenden Beschwerdeverfahren bewusst unwahre Angaben gemacht hat. So hat er seinen Verteidiger in dem Beschwerdeschriftsatz vom 22. Mai 2013 vortragen lassen, er habe im Jahre 2009 in Absprache mit dem Leiter der damaligen Beschäftigungsstelle keine weiteren Arbeitsstunden mehr geleistet, weil er damals bereits rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt gewesen sei und der Ladung zum Strafantritt entgegengesehen habe. Dass diese Ladung erst "stark verzögert" erfolgt sei, habe nicht in seiner, des Verurteilten, Einflusssphäre gelegen. Für die Richtigkeit dieser Behauptungen spricht nichts. Abgesehen davon, dass sich der Mitteilung der Beschäftigungsstelle vom 6. Oktober 2009 kein Hinweis in diese Richtung entnehmen lässt, hat der Verurteilte diese Version der Geschehnisse auch weder nach dem Erhalt des Anhörungsschreibens vom 8. Oktober 2009 noch bei späteren Kontaktaufnahmen mit der Staatsanwaltschaft, bei denen es um die Vollstreckung der Geldstrafe bzw. der Ersatzfreiheitsstrafe ging, präsentiert. Sie lässt sich auch nicht mit dem chronologischen Ablauf der Ereignisse im Jahre 2009 in Einklang bringen: das Urteil des Amtsgerichts Lemgo vom 21. April 2009, durch das der Verurteilte zu einer Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, wurde erst im Oktober 2009 - und damit erst nach dem Arbeitsabbruch im Juli 2009 - rechtskräftig. Von einer "stark verzögerten" Ladung zum Strafantritt in dem vorbezeichneten Verfahren kann damit im Übrigen auch nicht die Rede sein.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.



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