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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 RVs 27/13 OLG Hamm

Leitsatz: Zur rechtsfehlerhaften Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: gefährliche Körpereverletzung, minder schwerer Fall

Normen: StGB 223

Beschluss:

In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 21.05.2013 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Einzelstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.


Gründe

I.

Das Amtsgericht Lemgo verurteilte den Angeklagten am 26. November 2012 wegen versuchter Nötigung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten und zwei Wochen, deren Vollstreckung das Amtsgericht zur Bewährung aussetzte. Für die versuchte Nötigung verhängte das Amtsgericht als Einzelstrafe eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 €, für die gefährliche Körperverletzung verhängte es als Einzelstrafe eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bestanden zwischen dem Angeklagten und dem späteren Geschädigten T schon seit einiger Zeit Streitigkeiten und Spannungen, weil T ein (Liebes-)Verhältnis mit der Freundin des Bruders des Angeklagten unterhielt. Am 17. April 2012 trafen der Angeklagte und T vor dessen Wohnung, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Betrieb, in dem der Angeklagte als Lager- und Versandarbeiter tätig ist, befindet, zusammen. Der Angeklagte sprach T, der gerade aus seinem Pkw ausgestiegen war, an, und es entwickelte sich eine heftige Diskussion, in deren Verlauf der Angeklagte T aufforderte, er solle innerhalb von vier Wochen aus seiner Wohnung ausziehen, anderenfalls werde er, der Angeklagte, ihn "totschlagen". Nachdem es in der Folge dieser verbalen Auseinandersetzung noch zu einer "Rangelei" zwischen dem Angeklagten und T gekommen war, begab sich T zunächst in das Haus, in dem sich seine Wohnung befindet. Er ärgerte sich jedoch über das Verhalten des Angeklagten und begab sich wieder nach draußen. Dort erklärte er dem Angeklagten, dieser habe ihm, T, nichts zu sagen und könne ihn "am Arsch lecken". Der Angeklagte nahm daraufhin einen Holzbalken (Kantholz) von einer in der Nähe stehenden Palette und schlug mit diesem Holzstück mindestens zweimal gegen das Gesicht des T. T gelang es, den ersten Schlag abzuwehren. Der zweite Schlag traf ihn indes im Bereich des linken Ohres. T konnte den Angeklagten danach packen, woraufhin beide Kontrahenten zu Boden gingen. Als Folge des - zweiten - Schlages blutete das linke Ohr des T, er erlitt zudem eine Schädelprellung mit einer hämatösen Prellmarke.

Auf die formell und materiell wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten setzte das Landgericht Detmold - unter (konkludenter) Verwerfung der Berufung im Übrigen - die Einzelfreiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung auf drei Monate und zwei Wochen und die Gesamtfreiheitsstrafe auf vier Monate (unter Strafaussetzung zur Bewährung) herab. Zum Tathergang stellte das Landgericht ergänzend fest, dass es sich bei dem von dem Angeklagten eingesetzten Holzstück um ein Kantholz mit Kantenlängen von 40 cm, 8 cm und 6 cm handelte. Der Bemessung der Einzelstrafe für die gefährliche Körperverletzung legte das Landgericht den in § 224 Abs. 1 StGB für minder schwere Fälle der gefährlichen Körperverletzung vorgesehenen Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) zugrunde. Zur Begründung für diese Strafrahmenwahl führte das Landgericht aus, der nicht vorbestrafte Angeklagte habe durch die von ihm erklärte Berufungsbeschränkung eine gewisse Einsicht in das von ihm begangene Unrecht gezeigt, seine Tat sei nicht von langer Hand geplant gewesen, sondern habe sich aus der Situation heraus ergeben. Zum Zeitpunkt der Schläge mit dem Kantholz sei das ursprüngliche Vorhaben, den Geschädigten zum Auszug aus seiner Wohnung zu veranlassen, bereits erledigt gewesen. Zu der Körperverletzung sei es gekommen, weil T nach der ursprünglichen Auseinandersetzung noch einmal zu dem Angeklagten gegangen sei und diesen angesprochen habe. T sei von dem Kantholz auch nicht mit voller Wucht getroffen worden, sondern habe lediglich eine Schädelprellung und eine blutende Wunde am Ohr(-läppchen) erlitten. Diese Verletzungsfolgen seien auch nach kurzer Zeit wieder verheilt, arbeitsunfähig sei T nicht gewesen. Nach der Auffassung der Strafkammer sei der Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB in diesem Falle "übersetzt" und zur Herbeiführung eines angemessenen Tat- und Schuldausgleiches nicht geeignet. Weiter führte das Landgericht aus, es habe bei der konkreten Bemessung der Einzelstrafe innerhalb des gefundenen Strafrahmens die nicht unerhebliche Brutalität der Schläge, durch die auch deutlich schwerere Verletzungen hätten verursacht werden können, berücksichtigt. Aus diesem Grunde sei auch die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe unerlässlich.

Mit ihrer Revision gegen das landgerichtliche Urteil rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision beigetreten und hat diese durch Erklärung gegenüber dem Senat auf den Ausspruch über die Einzelstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkt.

II.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen des Landgerichts zur Bemessung der Einzelstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung - und hier bereits die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung - halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2004 - 5 StR 154/04 - <[...]>). Das Revisionsgericht darf die bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, gebotene Gesamtwürdigung aller für die Bewertung der Tat und des Täters in Betracht kommenden Umstände nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (BGH, a.a.O. m.w.N.). Ein Rechtsfehler liegt insbesondere dann vor, wenn die Erwägungen, mit denen der Tatrichter das Vorliegen eines minder schweren Falles begründet hat, einseitig, widersprüchlich oder unvollständig sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder seine Bewertung - unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Ermessens - nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann (BGH, Urteil vom 28. März 2013 - 4 StR 467/12 - <[...]>).

Gemessen an diesem Maßstab, begegnet die Annahme eines minder schweren

Falles der gefährlichen Körperverletzung durch das Landgericht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bereits nach dem Gesamtbild der Tat liegt die Annahme, dass der vorliegende Fall sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so zu Gunsten des Angeklagten abhebt, dass die Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint, eher fern. Die Ausführungen des Landgerichts lassen überdies besorgen, dass die Strafkammer bei der Abwägung einseitig nur (vermeintlich) zugunsten des Angeklagten sprechende Gesichtspunkte berücksichtigt hat. In mehrfacher Hinsicht fehlt es an der gebotenen Auseinandersetzung mit gegen den Angeklagten sprechenden Aspekten. Die Erwägung der Strafkammer, die Tat habe sich aus der Situation heraus ergeben und sei darauf zurückzuführen, dass der Geschädigte T nach der ursprünglichen Auseinandersetzung noch einmal zu dem Angeklagten gegangen sei und

diesen angesprochen habe, lässt eine Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen Ausgangspunkt des gesamten Tatgeschehens ein provozierendes Verhalten des Angeklagten war und die der gefährlichen Körperverletzung unmittelbar vorausgehende Ansprache des Angeklagten durch den Geschädigten eine nachvollziehbare - wenn auch in der Wortwahl sicher teilweise unsachliche - Reaktion auf die vorangegangenen Aggressionen des Angeklagten darstellte. Von einer Tatprovokation durch den Geschädigten - hierauf will das Landgericht vermutlich hinaus - kann vor diesem Hintergrund kaum die Rede sein. Warum der Umstand, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der gefährlichen Körperverletzung keinen Nötigungsvorsatz (mehr) hatte, die Körperverletzungstat also nicht zugleich - tateinheitlich - noch einen weiteren Straftatbestand erfüllte, zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles geeignet sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Bei einer blutenden Wunde und einer Schädelprellung handelt es sich auch keineswegs nur um geringfügige Verletzungen. Die Strafkammer setzt sich auch nicht hinreichend mit dem Umstand auseinander, dass es letztlich nur den Abwehrbewegungen des Geschädigten zu verdanken sein dürfte, dass es trotz der erheblichen konkreten Gefährlichkeit der von dem Angeklagten ausgeführten Schläge nicht zu noch schlimmeren Verletzungen gekommen ist. Es ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar - wenn nicht sogar widersprüchlich -, dass das Landgericht einerseits zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles auf die nach seiner Ansicht geringfügigen Verletzungsfolgen hinweist, andererseits aber insbesondere im Rahmen der Anwendung des § 47 Abs. 2 StGB der konkreten Gefährlichkeit der Schläge ein ganz besonderes Gewicht beimisst.

Wegen der aufgezeigten Mängel ist das angefochtene Urteil nach § 353 StPO im Ausspruch über die Einzelstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen.



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