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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ws 153/13 OLG Hamm

Leitsatz: Die mit einer Sache einmal i.S.d. § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO "befasste" Strafvollstreckungskammer bleibt zur Entscheidung auch dann zuständig, wenn der Verurteilte aus der Haft entweicht und nach seiner Flucht bzw. erneuten Festnahme in eine zum Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer gehörende Haftanstalt eingeliefert wird.


Senat: 5

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafvollstreckungskammer, Befasstsein, Widerruf, Zuständigkeit

Normen: StPO 462a

Beschluss:

Strafvollstreckungssache
In pp.
hat der 5. Strafsenat des OLG Hamm am 29.04.2013 beschlossen:
Dem Verurteilten wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gewährt.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld verwiesen.

Diese hat auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.


Gründe

I.

Das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer hat gegen den Beschwerdeführer unter dem 14. Mai 2008 wegen Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten verhängt (30 Ds 240/07). In der Berufungsinstanz ist das amtsgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert worden, dass wegen Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten verhängt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist (Urteil des Landgerichts Essen vom 4. November 2008 - 24 Ns 120/08 -).

Der Verurteilte hat ab dem 1. Februar 2011 in der Justizvollzugsanstalt C eine andere Gesamtfreiheitsstrafe (Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 6. November 2008 - 30 Ds 48 Js 1784/05 342/05 -) verbüßt. Am 24. Februar 2011 ist der Verurteilte aus der Justizvollzugsanstalt C entwichen und war hiernach fast ein Jahr lang flüchtig.

Unter dem 3. August 2011 hat die Staatsanwaltschaft Essen gegen den Verurteilten in anderer Sache Anklage wegen des Vorwurfs des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erhoben. Hierüber und über die Flucht des Verurteilten wurde die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld im Dezember 2011 von Seiten der Staatsanwaltschaft Essen als Strafvollstreckungsbehörde ausdrücklich unterrichtet (Schreiben der Staatsanwaltschaft Essen vom 14. Dezember 2011, Bl. 74 d.A.).

Am 13. Januar 2012 wurde der Verurteilte erneut festgenommen und zunächst der Justizvollzugsanstalt H2 zugeführt. Unter dem 22. Februar 2012 wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen hat der Verurteilte Berufung eingelegt.

Mit Beschluss vom 29. Februar 2012 hat sich die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld bezüglich der weiteren Überwachung im Rahmen der Bewährungsaufsicht für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen abgegeben.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen hat die Sache übernommen und den Verurteilten zu der Frage eines Widerrufs der mit Urteil vom 4. November 2008 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung angehört. Sodann hat die Strafvollstreckungskammer den Ausgang des Berufungsverfahrens in dem o.g. Verfahren wegen des Vorwurfs vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a. abgewartet. Insoweit wurde auf die Berufung des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 22. Februar 2012 aufgehoben und der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt (Urteil des Landgerichts Essen vom 26. Juni 2012 - 24 Ns 33/12 -).

Mit Beschluss vom 14. März 2013 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen die Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 4. November 2008 widerrufen. Zur Begründung hat das Landgericht auf die erneute Begehung von Straftaten während der laufenden Bewährung verwiesen. Der Beschluss ist dem Verurteilten am 19. März 2013 in der Justizvollzugsanstalt C, wo sich der Verurteilte seit Anfang Januar 2013 befindet, übergeben worden. Mit Schreiben vom 22. März 2013 hat der Verurteilte gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Dieses Schreiben hat er am 25. März 2013 zur Post aufgegeben. Das Schreiben ist am 27. März 2013 bei dem Landgericht Essen eingegangen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie beschlossen.

II.

Der sofortigen Beschwerde des Verurteilten ist ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.

1.

Die gemäß §§ 453 Abs. 2 S. 3 StPO, 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB statthafte sofortige Beschwerde ist zwar nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden, jedoch ist dem Verurteilten insoweit von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44, 45 Abs. 2 S. 3 StPO) zu gewähren.

Das unter dem 22. März 2013 verfasste handschriftliche Schreiben des Verurteilten ist ausweislich des vom Senat eingesehenen Briefumschlags am 25. März 2013 (einem Montag) bei der Post aufgegeben worden. Der Verurteilte durfte darauf vertrauen, dass der an einem Werktag aufgegebene Brief am folgenden Werktag und damit noch rechtzeitig (Ablauf der Wochenfrist war der 26. März 2013) bei dem Landgericht Essen eingehen würde. Er war daher ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde einzuhalten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2012 - 5 Ws 354-357/12 -).

2.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache vorläufig Erfolg. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen war für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht zuständig. Örtlich und sachlich zuständig ist vielmehr die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Bielefeld.

Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, richtet sich die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer u.a. bei einer gemäß § 453 StPO zu treffenden Nachtragsentscheidung über die Strafaussetzung ausschließlich nach § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO. Befindet sich der Verurteilte nacheinander in mehreren Justizvollzugsanstalten, die zu verschiedenen Landgerichtsbezirken gehören, ist maßgebend für die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer der Zeitpunkt, in dem das Gericht erstmals konkret mit der Strafvollstreckungssache befasst wird. Die mit der Sache einmal befasste Strafvollstreckungskammer bleibt zur Entscheidung zuständig, und zwar auch dann, wenn der Verurteilte wie im vorliegenden Fall aus der Haft entweicht und nach seiner Flucht bzw. erneuten Festnahme in eine zum Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer gehörende Haftanstalt eingeliefert wird (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1983, 155; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 462 a Rdnr. 13).

Befasst mit der Sache i.S.d. § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO ist im Falle der von Amts wegen zu treffenden Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 f Abs. 1 StGB eine Strafvollstreckungskammer ab dem Zeitpunkt, in dem Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen können (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2011 - 5 Ws 371/11 -; Meyer-Goßner, a.a.O., § 462 a Rdnr. 9 ff.). Erst wenn seitens der Strafvollstreckungskammer abschließend in der Sache entschieden worden ist, ist diese nicht mehr mit ihr i.S.d. § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO befasst.

Vorliegend ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld bereits im Dezember 2011 durch die Staatsanwaltschaft Essen darüber unterrichtet worden, dass der - flüchtige - Verurteilte wegen der Begehung weiterer Straftaten angeklagt worden ist. Ab diesem Zeitpunkt drängte sich der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung auf und die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld war mit dieser Sache befasst i.S.d. § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO.

Die einmal begründete Zuständigkeit ist auch durch den Abgabebeschluss des Landgerichts Bielefeld vom 29. Februar 2012 nicht beendet worden.

Mangels Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen war der angefochtene Beschluss dementsprechend aufzuheben. Zuständig für die Entscheidung ist die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Bielefeld, der auch die Kostenentscheidung vorbehalten bleibt.


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