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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 42/13 OLG Hamm

Leitsatz: Es fällt nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 128, 326 ff.) nicht in den Aufgabenbereich des Untergebrachten, sondern vielmehr des Staates, ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen (forensische Ambulanzen, Einrichtungen des betreuten Wohnens u.ä.) zu gewährleisten, um entlassene Untergebrachte aufzunehmen, deren erforderliche Betreuung sicherzustellen und damit einen geeigneten sozialen Empfangsraum bieten zu können (sog. Minimierungsgebot).

Vor diesem Hintergrund kann es dem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten im Rahmen der gemäß § 67d Abs. 2 StGB zu treffenden Prognoseentscheidung - auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - nicht zum Nachteil gereichen, dass seitens der zuständigen staatlichen Stellen bislang - entgegen der eindeutigen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts - offensichtlich keine hinreichende Vorsorge für eine genügende Ausstattung mit Einrichtungen des struktuierenden und kontrollierten betreuten Wohnens getroffen worden ist, die - bei ansonsten günstiger Prognose - einer fortbestehenden Betreuungs- und Kontrollbedürftigkeit des Untergebrachten und einer erforderlichen Anbindung an ambulante Therapiemaßnahmen außerhalb des Maßregelvollzuges nachhaltig und ausreichend gerecht zu werden vermag.





Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Sicherungsverwahrung Bewährung Legalprognose Verhältnismäßigkeit

Normen: StGB 66, StGB 67d

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm am 26.02.2013 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 9. Januar 2001 angeordneten Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird mit Wirkung zum 1. August 2013 zur Bewährung ausgesetzt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.

Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein. Die Dauer der Führungsaufsicht beträgt 5 Jahre.

Die Bewährungszeit beträgt 5 Jahre.

Der Verurteilte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des für seinen jeweiligen Wohnort zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

Die Erteilung von weiteren Weisungen zur näheren Ausgestaltung der Führungsaufsicht wird der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg übertragen.

Mit der Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht, auch über die Folgen eines Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen, wird der Leiter der JVA X2 beauftragt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Landeskasse.

Gründe:
I.
Mit Urteil vom 9. Januar 2001, rechtskräftig seit dem 11. Juli 2001, verurteilte die III. große Strafkammer – Jugendkammer als Jugendschutzkammer – des Landgerichts Bielefeld den Beschwerdeführer wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren. Darüber hinaus ordnete sie dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Nach den seinerzeitigen Feststellungen der Strafkammer entstammt der zum gegenwärtigen Zeitpunkt 54 jährige Beschwerdeführer aus weitgehend ungeordneten familiären Verhältnissen und wuchs seit seinem zweiten Lebensjahr in einem von Nonnen geführten Kinderheim auf, dessen Alltag von Strenge und körperlicher Züchtigung geprägt war. Im Alter von 7 oder 8 Jahren wurde er dort selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs durch einen männlichen Jugendlichen. Nach der nicht ohne Schwierigkeiten verlaufenen Grundschulzeit besuchte der Verurteilte ab der fünften Klasse eine Sonderschule. Im Anschluss an seine Entlassung aus der Schule begann er zunächst eine Bäckerlehre, die er allerdings nicht erfolgreich zu Ende führte. In der Folgezeit schlossen sich verschiedene, jeweils nicht über einen längeren Zeitraum ausgeübte Tätigkeiten an, unter anderem als Schaustellergehilfe, als Mitglied einer sogenannten „Drückerkolonne“ und als Monteur in einem Stahlschränke herstellenden Unternehmen. In der Folgezeit kam es aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Straffälligkeit des Verurteilten vorübergehend zur Vollstreckung von Jugend- bzw. Freiheitsstrafe. Phasen einer mehrjährigen Arbeitslosigkeit schlossen sich an. Nach einer im Ergebnis erfolglosen Umschulungsmaßnahme zum Elektroinstallateur erwarb der Verurteilte schließlich den Berufskraftfahrerschein und war sodann in den Jahren vor seiner Verurteilung als Staplerfahrer bzw. als Berufskraftfahrer für verschiedene Arbeitgeber tätig.

Der Verurteilte ist im Vorfeld der vorliegend zugrunde liegenden Verurteilung verschiedentlich zu Jugend- bzw. Freiheitsstrafe verurteilt worden. So verurteilte ihn das Amtsgericht Hagen durch rechtskräftiges Urteil vom 20. Juni 1978 unter anderem wegen Diebstahls in 14 Fällen zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr 6 Monaten, deren Vollstreckung im Juli 1979 erledigt war.

Nachdem das Amtsgericht Köln ihn durch rechtskräftiges Urteil vom 10. März 1983 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und durch weiteres rechtskräftiges Urteil vom 12. Juli 1983 wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt hatte, wurde aus den genannten Strafen durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 30. November 1983 eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten gebildet, deren Vollstreckung wiederum zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafe konnte später nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen werden.

Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Oktober 1995 erfolgte eine Verurteilung des vollumfänglich geständigen Untergebrachten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 23 Fällen, wobei es in 3 Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten. Bei den insoweit zugrunde liegenden Taten hatte der Verurteilte verschiedenen, ihm bereits seit einiger Zeit zuvor bekannten Jungen im Alter von 12 bzw. 13 Jahren über einen längeren Zeitraum bei Aufenthalten in seiner Wohnung unter anderem Pornofilme gezeigt, jeweils am Geschlechtsteil der Kinder manipuliert, Lichtbild- bzw. Filmaufnahmen der entkleideten Jungen sowie einen Gipsabdruck vom Penis eines Jungen gefertigt und wiederholt vor den Augen der Kinder masturbiert. Die gegen ihn verhängte Gesamtfreiheitsstrafe verbüßte der Verurteilte bis zum 12. September 1997.

Nach den – wiederum aufgrund eines vollumfänglichen Geständnisses des Verurteilten – im vorliegend zugrunde liegenden Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Strafkammer kam es zwischen Sommer 1999 und Sommer 2000 in insgesamt 14 Fällen zu sexuellen Übergriffen auf einen seinerzeit 12 bzw. 13 jährigen Jungen, den der Verurteilte bereits Ende des Jahres 1998 kennengelernt und mit dem er seither wesentliche Teile seiner Freizeit, etwa beim gemeinsamen Computerspiel, verbracht und zu dem er eine vertrauensvolle freundschaftliche Beziehung aufgebaut hatte. Beginnend mit einer erstmaligen Übernachtung des Jungen in der Wohnung des Verurteilten in den Sommerferien des Jahres 1999 kam es zu sexuellen Kontakten, die sich in der Folgezeit unter anderem auf von dem Jungen begleiteten Langstreckenfahrten des Verurteilten in seiner Eigenschaft als Berufskraftfahrer bei Gelegenheit gemeinsamer Übernachtungen im Lkw wiederholten. Insoweit nahm der Verurteilte zum Zwecke seiner sexuellen Befriedigung unter anderem Manipulationen am Geschlechtsteil des Jungen vor oder nahm dessen Geschlechtsteil in den Mund, veranlasste den Jungen, Manipulationen an seinem Geschlechtsteil vorzunehmen oder masturbierte vor den Augen des Jungen. Vereinzelt kam es dazu, dass er den Jungen veranlasste, sein Geschlechtsteil in den Mund zu nehmen bzw. er – der Verurteilte – zur Förderung seiner sexuellen Lust dem Jungen einen Finger in den After steckte. Im Zuge des scheinbar „spielerischen“ Umgangs mit Sexualität fertigte der Verurteilte zudem Gipsabdrücke von ihrem jeweiligen Unterleib.

In teilweiser zeitlicher Überlagerung zu diesen Geschehnissen kam es zwischen Oktober 1999 und März 2000 nach den weitergehenden Feststellungen der Strafkammer zu 10 weiteren Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zum Nachteil eines damals 10 jährigen Jungen, der dem Verurteilten wiederum bereits freundschaftlich verbunden war und wiederholt an Wochenenden in dessen Wohnung übernachtete. In diesem Zusammenhang nahm der Verurteilte jeweils kurzzeitig Manipulationen am Geschlechtsteil des (entkleidet in seinem Bett liegenden) Jungen vor.

Wegen der näheren Einzelheiten der zugrunde liegenden Feststellungen nimmt der Senat Bezug auf die Gründe des in Rede stehenden Urteils des Landgerichts Bielefeld vom 9. Januar 2001 (Bl. 3 ff. VH I).

Nach den weitergehenden Feststellungen der sachverständig durch Dipl.-Psych. C1 und Dr. C beratenen Strafkammer lag im Zeitpunkt der Begehung der jeweiligen Taten bei dem Verurteilten kein pathologischer Befund im Sinne der Eingangsmerkmale des § 20 StGB vor. Die Sachverständigen konstatierten ihm allerdings eine zurückhaltende, introvertierte, non-aggressive, belastungsschwache Persönlichkeit mit wenig Durchsetzungsvermögen. Ihm fehle jedwede Kompetenz, eine Beziehung im gleichwertigen sozialen Bereich zu gestalten. Der Verurteilte, dessen intellektuelle Fähigkeiten im Normbereich anzusiedeln, allerdings wenig gefördert worden seien, lebe als Einzelgänger und habe in seinem bisherigen Leben wenig Liebe und Zuwendung erfahren. Im Zusammenhang mit nach eigenen Angaben des Verurteilten zwischen seinem 12. und 15. Lebensjahr im Heim vollzogenem wechselseitigen Masturbieren mit Gleichaltrigen habe er sich zu einer homosexuell-pädophil fixierten Persönlichkeit entwickelt, ohne dass jedoch eine Verformung der Persönlichkeit vorliege. Er habe die Kontakte zu den Jungen vorliegend gezielt aufgebaut, um sich ihnen bei Gelegenheit der Übernachtungen sexuell nähern zu können. Hierbei habe er jeweils kontrolliert gehandelt; die sexuellen Übergriffe beruhten nicht auf Impulsdurchbrüchen. Bei Ablehnung einer bestimmten sexuellen Handlungsweise durch das Opfer sei er ohne weiteres auf eine „andere sexuelle Spielart“ ausgewichen.

Ein Hang i.S.d. § 66 Abs. 1 StGB sei – soweit dieser Rechtsbegriff einer empirischen Beurteilung zugänglich ist – aus sachverständiger Sicht vorliegend zu bejahen. Die homosexuell-pädophile Ausrichtung des Verurteilten sei bereits durch jahrelanges Ausleben seiner sexuellen Neigung verfestigt, weshalb er sich als „fixierter Tätertyp“ darstelle. Zwar sei er zu längerem Verzicht in der Lage, und es sei auch im Hinblick auf seine Persönlichkeit zukünftig nicht mit intensiven Bemühungen zu rechnen, gezielt Kontakte zu Kindern aufzubauen. Doch bestehe bei „sich bietenden Gelegenheiten“ das hohe Risiko, dass er wieder gleiche Lebensformen annehme. Insoweit sei mit der Begehung gleichartiger oder ähnlicher Taten zu rechnen, da er „nachhaltige Zuwendung, persönliche Verbundenheit und erfüllende Sexualität bislang nur mit Kindern erfahren“ habe. Die Durchführung einer Sexualtherapie sei – wenngleich deren Erfolgschancen überaus begrenzt seien – empfehlenswert.

Der Verurteilte befindet sich seit dem 6. Juli 2000 ununterbrochen für das vorliegende Verfahren in Unfreiheit, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Gütersloh (12 Gs 574/00) vom selben Tag, der später durch Beschluss der Kammer vom 4. Dezember 2000 neu gefasst und durch weiteren Beschluss vom 9. Januar 2001 im Zusammenhang mit der Verkündung des Urteils aufrecht erhalten wurde, in der JVA C-C I. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils am 11. Juli 2001 erfolgte im unmittelbaren Anschluss die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe (unter Anrechnung der bereits erlittenen Untersuchungshaft) zunächst weiterhin in der JVA C-C I, sodann – zwischen dem 7. Februar 2002 und dem 30. April 2002 – in der JVA I und hernach in der JVA X2. Am 5. Juli 2008 hatte der Verurteilte die Gesamtfreiheitsstrafe vollständig verbüßt.

Bereits mit Beschluss vom 28. Mai 2008, rechtskräftig seit dem 27. Juni 2008 (Bl. 137 ff. VH I), hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg den Vollzug der Sicherungsverwahrung angeordnet, welcher nunmehr seit dem 6. Juli 2008 ununterbrochen in der JVA X2 erfolgt.

Wesentliche Grundlage für diese Entscheidung bildete das im Vorfeld nach eingehender Exploration des Verurteilten erstattete Gutachten der psychiatrisch-psychotherapeutischen Sachverständigen N vom 10. März 2008. Diese gelangte in weitgehender Übereinstimmung mit dem Gutachten der Sachverständigen C1 / Dr. C zur Diagnose einer sexuellen Devianz in Form der Pädophilie im Sinne einer homosexuellen Präferenz für pubertierende Jungen (ICD 10: F 65.4), wobei es dem Verurteilten nicht allein um die Umsetzung sexueller Bedürfnisse gehe, sondern um einen umfassenden Wunsch nach einer kompletten gemeinsamen Lebensgestaltung, gleichsam im Sinne einer Art Partnerschaft. Der Verurteilte sei als Folge seiner Sozialisation im Kinderheim unzureichend sozial eingebunden und durchgehend vereinsamt. Sein Unvermögen, adäquaten Zugang zu seinen Gefühlen zu bekommen, habe letztlich zur nachhaltigen Aktivierung von Verdrängungsmechanismen in emotionaler Hinsicht geführt. Seine Persönlichkeit weise Akzentuierungen aus dem Bereich der selbstunsicheren und schizoiden Symptomenkomplexe auf. Es zeigten sich eine erhebliche Selbstwertproblematik sowie erhebliche soziale Rückzugstendenzen, die vorrangig aus Angst vor Kritik und Ablehnung resultierten.

Nach den weitergehenden Ausführungen der Sachverständigen sei die Rückfallgefährlichkeit wegen der eingetretenen Fixierung der sexuellen Devianz, der auffälligen Persönlichkeitsstruktur und seiner fehlenden sozialen Kompetenz, zumal angesichts der in der Vergangenheit häufig stattgefundenen Wechsel des Arbeitsplatzes als hoch einzustufen, wenngleich insoweit weitere Risikofaktoren wie Dissozialität oder Suchtmittelproblematik ausgeschlossen werden könnten. Das Verhalten des Verurteilten im Strafvollzug habe sich als vollkommen angepasst und unauffällig dargestellt; eine psychotherapeutische Bearbeitung der bestehenden sexuellen Problematik sei jedoch nicht ansatzweise gelungen.

Im Hinblick auf die vorliegend durchgehend festzustellenden überaus langen Tatanlaufzeiten sei nach der abschließenden Einschätzung der Sachverständigen allerdings ernsthaft zu prüfen, ob die Installation eines entsprechenden Behandlungs- und Kontrollsettings auch außerhalb des Maßregelvollzugs möglich erscheint, wobei das erforderliche externe Risikomanagement zwingend gewährleistet sein müsse. Im Hinblick darauf, dass sich letztere Vorkehrungen in der Praxis außerhalb des Maßregelvollzugs (seinerzeit) nicht sicherstellen ließen, wurde seitens der Strafvollstreckungskammer durch den bereits erwähnten Beschluss der Vollzug der Sicherungsverwahrung angeordnet und in der Folgezeit jeweils die weitere Fortdauer beschlossen.

Der Verurteilte absolvierte sodann in der Zeit zwischen Dezember 2008 und Dezember 2009 eine aus 45 Einzelsitzungen bestehende psychotherapeutische Behandlung bei dem Dipl.-Psych. Dr. I. Dieser zog in seiner Stellungnahme vom 30. Dezember 2009 eine positive Bilanz der Therapie dahingehend, dass sich der Untergebrachte mit seiner Persönlichkeitslagerung kritisch auseinander gesetzt habe sowie zu Selbstkontrolle und Verzicht bereit sei. Nach seiner Einschätzung sei unter entsprechenden – allerdings nicht näher bezeichneten – Auflagen eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung vertretbar.

In seiner Stellungnahme vom 13. April 2010 hob der Leiter der JVA X2 die weiterhin vorhandene Therapiemotivation des Verurteilten und eine mittlerweile spürbare Opferempathie hervor, äußerte jedoch auch weiterhin verbleibende Zweifel, ob der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzuges in Krisensituationen den „emotionalen und sexuellen Verlockungen“ dauerhaft widerstehen könne und regte insoweit eine neuerliche Begutachtung des Verurteilten an.

Das daraufhin seitens der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg in Auftrag gegebene fachärztliche psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Dr. T vom 23. Juli 2010 gelangte – ausgehend von der Diagnose einer (unabänderlich gegebenen) Störung der Sexualpräferenz des Verurteilten im Sinne einer Kernpädophilie (ICD 10: F 65.4) – zu der Einschätzung, dass der Untergebrachte trotz der zu konstatierenden positiven, von deutlicher Therapiemotivation und bemerkenswerter Offenheit der geführten Therapie- bzw. Explorationsgespräche geprägten Entwicklung nur schwer in der Lage sein werde, seine Triebbeherrschung dauerhaft aufrechtzuerhalten. Doch werde er schon mit Blick auf seine von Zurückhaltung, Passivität und aggressiver Hemmung geprägte Persönlichkeitsstruktur „kaum als ein Sexualtäter in Erscheinung treten, der in plötzlicher sexueller Erregung zur Befriedigung derselben Gewalt ausübt“, etwa „indem er den nächstbesten Knaben der von ihm präferierten Altersgruppe in ein Gebüsch zerrt und sich an ihm vergeht“.

Bedenklich erscheine allerdings eine nunmehr feststellbare Tendenz des Verurteilten, einzelne der im zugrunde liegenden Urteil festgestellten gravierenden Straftaten nachträglich zu negieren und als nicht bzw. nicht so stattgefunden und lediglich aus vermeintlich strategischen Erwägungen heraus auf Anraten des Verteidigers – wahrheitswidrig – zugestanden darzustellen. Dies lasse seine Bereitschaft und seinen Willen zur Übernahme von Verantwortung und kritischen Auseinandersetzung mit seiner sexuellen Devianz neuerlich und mithin eine positive Legalprognose insgesamt zweifelhaft erscheinen. Gleiches gelte für den Aspekt der Opferempathie; insbesondere scheine der Verurteilte nicht fähig, sich „in kindliche Seele hineinzuversetzen“ und der Überzeugung zu sein, auch die Kinder hätten im Zusammenhang mit den in Rede stehenden sexuellen Handlungen positive Gefühle empfunden. Insgesamt erscheine es daher erforderlich, zur Erarbeitung seiner Sexualdelinquenz die Gesprächstherapie über einen Zeitraum von etwa 1-2 Jahren weiter zu führen.

Eine gegen Ende des Jahres 2010 aufgenommene Therapie bei dem Dipl.-Psych, E wurde alsbald wieder abgebrochen, nachdem der Therapeut das Fehlen einer hinreichenden Therapiemotivation des Verurteilten beanstandet und ausgeführt hatte, der Verurteilte habe sich nicht ändern wollen, sondern lediglich angepasst.

Im Februar 2011 nahm der Verurteilte daraufhin eine Psychotherapie bei dem Dipl.-Psych. I mit dem Schwerpunkt der Rückfallprävention auf, als deren vorrangiges Ziel sich die Entwicklung eines Abstinenzentschlusses des Verurteilten, also dessen Verzicht auf derartige sexuelle Kontakte für den Rest seines Lebens, darstellt. Nach 21 stattgefundenen Therapiesitzungen zog der behandelnde Therapeut I in seiner Stellungnahme vom 26. Juli 2011 bereits eine überwiegend positive Zwischenbilanz. So habe es das Ausbleiben von erheblichen Verstörungen auf seiten der Opfer und das für den Verurteilten weiterhin unbeschwerte Verhalten und Zusammensein mit den missbrauchten Jungen für ihn schwer gemacht, Opferempathie zu entwickeln. Er könne sich nur schwer vorstellen, ihnen Schaden zugefügt zu haben, da er diesen Schaden nie habe wahrnehmen können. Vor diesem Hintergrund habe die erforderliche Opferempathie bislang allein auf kognitiver Ebene gefördert werden können. Nach weiterhin erfolgreich fortgesetzter Therapie mit dem Ziel der Rückfallprävention stehe aus Sicht des Therapeuten zu erwarten, dass dem Verurteilten mehr Verantwortung für sein Handeln (außerhalb des Maßregelvollzugs) überlassen werden könne, ohne ein erhebliches, unvertretbar hohes Risiko weiterer einschlägiger Straftaten einzugehen.

Seitens des Leiters der JVA X2 wurde daraufhin mit Stellungnahme vom 3. November 2011 bestätigt, dass sich die Hemmschwelle des Verurteilten mit Blick auf einen etwaigen Rückfall mittlerweile angehoben habe, was sich nach dortiger Einschätzung auch als Folge der bislang vollzogenen Maßregel der Sicherungsverwahrung darstelle. Eine sozialtherapeutische Behandlung des Verurteilten erscheine ebenso angezeigt wie eine erneute Beteiligung des Sachverständigen Dr. T bei der Beurteilung der Frage des weiteren Vollzuges der Maßregel.

Auf Veranlassung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg erstattete der Sachverständige Dr. T daraufhin am 12. Mai 2012 ein weiteres fachärztliches Gutachten zu der Frage, ob im Hinblick auf den Verurteilten eine aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten abzuleitende Gefahr künftiger schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten bestehe. Der Sachverständige regte hierin im Ergebnis an, vor einer erneuten Prüfung, ob eine Entlassung des Verurteilten aus der Sicherungsverwahrung verantwortet werden könne, den Abschluss der noch laufenden Therapie zur Rückfallprävention abzuwarten. Das Erlernen und Verinnerlichen wirkungsvoller Instrumentarien zur Rückfallvermeidung bilde angesichts der Unabänderlichkeit seiner sexuellen Devianz das entscheidende Kriterium. Der Verurteile befinde sich insoweit auf einem guten Weg, als im Rahmen der neuerlich durchgeführten Exploration jetzt ein Verneinen einzelner, im zugrunde liegenden Urteil festgestellter Straftaten nicht mehr erkennbar geworden sei, wenngleich es auch weiterhin an Schuldgefühlen bzw. „echter“ Opferempathie fehle.

In seinem abschließenden Psychotherapiebericht vom 26. August 2012 ist der behandelnde Therapeut Dipl.-Psych. I nunmehr nach insgesamt 39 durchgeführten Therapiesitzungen zwischen Februar und Dezember 2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass die mit dem Verurteilten durchgeführte Erarbeitung konkreter Rückfallpräventionsmaßnahmen habe erfolgreich abgeschlossen werden können, dieser Therapieerfolg allerdings bislang in Ermangelung von Möglichkeiten zur Erprobung in Freiheit gleichsam in der Vorbereitungsphase verharre.

Zwar gehöre der Verurteilte zu einer Gruppe von Straftätern, die statistisch gesehen die höchste Rückfallrate aufwiesen. Gleichwohl sei seine Vorgehensweise der Kontaktanbahnung zu späteren sexuellen Missbrauchshandlungen so langwierig und auch für die soziale Umwelt derart offensichtlich, dass eine Beeinflussung von ihm selbst und von Kontrollinstanzen – auch außerhalb des Maßregelvollzugs – vergleichsweise gut möglich sein müsse.

Nach abschließender Einschätzung des Therapeuten I sei daher zu erwarten, dass dem Verurteilten zukünftig mehr Verantwortung für sein Handeln überlassen werden könne, ohne dass hiermit ein erhebliches unvertretbares Risiko weiterer einschlägiger Straftaten verbunden wäre, wenn und soweit er sich in kontrollierter und strukturierender Umgebung befinde, die auszuschließen vermöge, dass er wiederum Jungen in seine Wohnung einlade und mit ihnen Zeit verbringe. Eine derartige Wohneinrichtung bilde insoweit einen „wesentlichen Sicherheitsfaktor“, um seinen glaubhaft vorhandenen Abstinenzentschluss weiter zu fördern. Diese Wohnform müsse mit einer regelmäßigen Vorstellung des Verurteilten in einer forensisch-therapeutischen Fachambulanz einhergehen, um etwaige Gefahrenmomente, auftauchende (Sexual-)Phantasien und Planungen im Vorfeld von Rückfällen besprechen bzw. grenzsetzend eingreifen zu können. Eine für den Fall einer neuerlichen Delinquenz drohende weitere Freiheitsstrafe bzw. Wiederinvollzugsetzung der Sicherungsverwahrung diene in diesem Zusammenhang durchaus auch als wesentliche Motivationshilfe.

In seinem Ergänzungsgutachten vom 25. Oktober 2012, bezüglich dessen näherer Einzelheiten auf Bl. 376 ff. VH II Bezug genommen wird, kommt nunmehr auch der Sachverständige Dr. T nach abermals durchgeführter Exploration des Verurteilten zu dem Ergebnis, dass bei kontrollierter und strukturierender (Wohnheim-) Umgebung gegenwärtig nicht mehr zu befürchten sei, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzugs erhebliche Straftaten im Sinne von schweren Gewaltstraftaten begehen wird. Er gehe nicht mehr auf Abstand zu seinen Taten und habe ersichtlich im Rahmen der durchgeführten Therapie zur Rückfallprävention erhebliche Lernfortschritte erzielt. Das Vorliegen seines festen Abstinenzwillens sei weitgehend ohne Zweifel. Insgesamt sei daher eine bedingte Entlassung des Verurteilten zu befürworten, wenngleich weitere Lockerungen vorgeschaltet werden sollten und er keinesfalls in eine eigene Wohnung entlassen werden dürfe.

„Künftige Sexualstraftaten der gehabten Art“ seien zwar nicht gänzlich auszuschließen, doch dürfte diese Gefahr angesichts des Abstinenzwillens des Verurteilten „eine Minimierung dahingehend erfahren haben“, dass es verantwortet werden könne, seine bedingte Entlassung in eine entsprechend strukturierte und kontrollierende Umgebung vorzunehmen, in der er langfristig bleiben könne.

Diesen Ausführungen folgend hat nunmehr der Leiter der JVA X2 mit Stellungnahme vom 13. November 2012 ausgeführt, die Möglichkeit einer (bedingten) Entlassung des Verurteilten „steht und fällt mit einer Einrichtung, die ihn dauerhaft oder doch über eine längere Zeit (mehrjährig) aufnimmt.“ Seine Entlassung sei daher nur vorstellbar, „wenn eine solche Einrichtung in die Entlassung eingebunden werden kann“.

Im Rahmen einer am 19. Dezember 2012 in Anwesenheit des Sachverständigen Dr. T von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg durchgeführten Anhörung des Untergebrachten erklärte letzterer, er wolle im Falle einer Entlassung in die Wohneinrichtung der Familie C3 ziehen.

Der Sachverständige stellte in diesem Zusammenhang klar, dass der Verurteilte langfristig in einer Form des betreuten Wohnens bleiben müsse. Er habe den Verurteilten davon überzeugen können, dass dessen ursprüngliche Vorstellung, er könne selbständig in einer eigenen Wohnung leben, nicht realistisch sei, sondern die Rückfallgefahr deutlich erhöhe.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Dezember 2012 hat die Strafvollstreckungskammer sodann (nach erfolgter Anhörung der Staatsanwaltschaft Bielefeld) die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung abgelehnt. In den Gründen dieses Beschlusses hebt sie insbesondere hervor, dass der Verurteilte bereits vor den hier zugrunde liegenden Taten einschlägig vorbestraft gewesen sei. Obgleich sich die Kammer den umfangreich wiedergegebenen Ergebnissen des Sachverständigen Dr. T, die im Einklang stehen mit den Ausführungen des Therapeuten I und der Stellungnahme des Leiters der JVA X2 vom 13. November 2012, vollumfänglich anschließt, vermag sie eine bedingte Entlassung des Verurteilten nicht anzuordnen, da „der Verurteilte derzeit noch keine Einrichtung gefunden hat, in die er nach der Entlassung dauerhaft und langjährig einziehen kann“. Die vom Verurteilten angesprochene Unterkunft bei der Familie C3 werde den seitens der Sachverständigen dargestellten Anforderungen an eine betreute Wohnform nicht gerecht, da sie weder die gebotene Kontrolldichte gewährleiste noch eine langfristige Wohnform für den Verurteilten darstelle, vielmehr als Übergangslösung ausgestaltet sei. Die JVA solle dem Verurteilten nunmehr im Rahmen von Lockerungen behilflich sein, „eine geeignete Form des betreuten Wohnens zu finden, die bereit wäre, den Verurteilten auch langfristig aufzunehmen“.

Gegen diesen Beschluss, der dem Verteidiger des Verurteilten am 10. Januar 2013 zugestellt wurde, richtet sich die durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. Januar 2013 – per Telefax bei dem Landgericht Arnsberg am 16. Januar 2013 eingegangen – erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, die Strafvollstreckungskammer stelle zu hohe Anforderungen an die vom Sachverständigen Dr. T und dem Therapeuten I geforderte Form des betreuten Wohnens. Alleiniges Ziel der von diesen angesprochenen kontrollierten und strukturierenden Wohnumgebung sei es, den Abstinenzwillen des Verurteilten zu fördern, was jedenfalls bei einer Unterkunft in der Einrichtung der Familie C3 in X gegeben sei, da die dort obwaltenden Umstände einer Unterbringung mehrerer Personen in einer gemeinsamen Wohnung es dem Verurteilten faktisch unmöglich machen würden, Jungen im pubertären Alter zu sich in sein Wohnumfeld einzuladen.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 1. Februar 2013, die dem Verteidiger des Verurteilten zur Kenntnis- und etwaigen Stellungnahme zugeleitet worden ist, beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2013 hat der Verteidiger hierzu Stellung genommen und klargestellt, an seinem Beschwerdevorbringen unverändert festzuhalten.

II.
Die gemäß §§ 454 Abs. 3 S. 1, 463 Abs. 3 S. 1 StPO, 67d Abs. 2 StGB zulässige, insbesondere fristgerecht im Sinne des § 311 Abs. 2 StPO eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache weitgehend Erfolg. Die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 9. Januar 2001 angeordneten und zum vorgesehenen Entlassungszeitpunkt seit rund 5 Jahren vollzogenen Maßregel der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung war mit Wirkung zum 1. August 2013 gemäß § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen.

1.Nach § 67d Abs. 2 StGB ist die weitere Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung auszusetzen, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Diese sogenannte positive Legalprognose, die nicht zugleich erfordert, dass die Gefahr zukünftiger Delinquenz gänzlich ausgeschlossen wäre, ist dem Verurteilten nach Auffassung des Senats bei Schaffung noch näher zu erörternder – nicht in seinen Verantwortungsbereich fallender – Rahmenbedingungen vorliegend zu stellen.

Ausgangspunkt sämtlicher Erwägungen zur Frage einer etwaigen Fortdauer der (primären) Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sind – worauf das Landgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen hat – insoweit zunächst die strengen Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 [2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10 = BVerfGE 128, 326 ff., vorliegend zitiert nach juris] zur vorübergehenden Weitergeltung der zugrunde liegenden, grundsätzlich jedoch (wegen des Fehlens eines dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot genügenden, freiheitsorientierten und therapiegerichteten gesetzlichen Gesamtkonzepts) verfassungswidrigen Rechtsnormen über die Sicherungsverwahrung aufgestellt hat. Danach ist bei der Rechtsanwendung stets der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in der derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 Abs. 1 GG handelt, wobei der hohe Wert des Freiheitsgrundrechts das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum beschränkt. Während der Übergangszeit dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrecht zu erhalten. Dabei ist gegebenenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des Normgehalts zu beachten (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 172 f.).

Der in der Sicherungsverwahrung liegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist als äußerst schwerwiegend anzusehen, weil er ausschließlich präventiven Zwecken dient und dem Betroffenen – da der Freiheitsentzug stets nur auf einer Gefährlichkeitsprognose, nicht aber auf dem Beweis begangener Straftaten beruht – im Interesse der Allgemeinheit gleichsam ein Sonderopfer auferlegt. Dies wiederum verlangt einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug, der den allein präventiven Charakter der Maßregel deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist demnach in deutlichem Abstand zum Strafvollzug auszugestalten und therapeutisch klar auf das Ziel auszurichten, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren (BVerfG, a.a.O., Rn. 101 ff.).

Nach dieser den Senat bindenden Entscheidung darf auch die Regelung des § 67d Abs. 2 StGB nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. Dies führt dazu, dass in der Regel der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Fall der (weiteren) Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nur dann gewahrt ist, wenn die geforderte Gefahrenprognose schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist.

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen ist vorliegend nach Auffassung des Senats die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung einerseits im Hinblick auf eine dem Verurteilten – bei Vorhandensein bestimmter, staatlicherseits zu gewährleistender Rahmenbedingungen – zuzubilligende positive Legalprognose und andererseits aus Gründen einer auf der vorgenannten Grundlage – demnächst, nach dann rund fünfjährigem Maßregelvollzug – fehlenden Verhältnismäßigkeit eines fortgesetzten Vollzugs gemäß § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen und der Verurteilte zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Zeitpunkt zu entlassen.

Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang keineswegs, dass bei dem Verurteilten eine (unabänderliche) Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Kernpädophilie (ICD 10: F 65.4) vorliegt, er bereits im Vorfeld der hier zugrunde liegenden Verurteilung einschlägig erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und insoweit auch gegenwärtig jedenfalls ein statistisch gesehen hohes Risiko neuerlicher – im Hinblick auf die in Rede stehenden Rechtsgutsverletzungen und die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern – schwerwiegender Straftaten besteht. Doch hat der Sachverständige Dr. T, dessen Ausführungen das Landgericht als nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertet und seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat und denen sich auch der Senat nach eigener Sachprüfung vollumfänglich anschließt, im Rahmen seines Gutachtens – auch unter Bezugnahme auf die übereinstimmende Einschätzung des behandelnden Therapeuten I – unmissverständlich dargelegt, dass angesichts des festzustellenden Therapieerfolgs, insbesondere des glaubhaften Abstinenzwillens des Verurteilten und der erlernten Instrumentarien der Rückfallprophylaxe, nunmehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden könne, dass er außerhalb des Maßregelvollzuges keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen werde, soweit er in eine halt- und strukturgebende, langzeitig therapeutisch kontrollierte, strukturierende und betreuende Einrichtung verlegt würde.

Sowohl der Sachverständige als auch der behandelnde Therapeut I haben – nicht zuletzt in Anlehnung an dahingehende Ausführungen der Sachverständigen N aus dem Jahr 2008 – darauf hingewiesen, dass die den Anlasstaten zugrunde liegenden jeweiligen Kontaktanbahnungen zu den Jungen im Vorfeld der sexuellen Missbrauchshandlungen sich als langwierig und auch für die soziale Umwelt derart offensichtlich dargestellt haben, dass eine Beeinflussung vom Verurteilten selbst und von Kontrollinstanzen – auch außerhalb des Maßregelvollzugs – vergleichsweise gut möglich sein müsse.

Das anzustrebende kontrollierte, strukturierende und betreuende, einen „wesentlichen Sicherheitsfaktor“ darstellende Wohnumfeld müsse einerseits einen neuerlichen sozialen Rückzug des Verurteilten vermeiden und andererseits gleichsam durch eine Form von „sozialer Kontrolle“ insoweit ausschließen, dass er die tatsächliche Möglichkeit erhalte, wiederum zu Jungen in dem in Rede stehenden Alter in Beziehung zu treten, insbesondere sie in seine Wohnung einzuladen und mit ihnen Zeit zu verbringen. Auf diese Weise und in Kombination mit einer regelmäßigen Vorstellung des Verurteilten in einer forensisch-therapeutischen Fachambulanz ließen sich nachhaltig und dauerhaft sein Abstinenzwille fördern sowie im Bedarfsfall bei dennoch akut werdenden konkreten Rückfallrisiken möglichst rechtzeitig gezielte Maßnahmen zur Gegensteuerung vornehmen. Die insoweit erforderliche Mitarbeit des – überdies ersichtlich motivierten – Verurteilten lässt sich nach Auffassung des Senats durch geeignete Auflagen und Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht sicherstellen.

Eine ernstzunehmende Gefahr, dass der Verurteilte einer etwaigen plötzlichen sexuellen Erregung folgend spontan Gewalt gegen ein ihm unbekanntes Kind ausübt, ist hingegen mit Blick auf seine von Zurückhaltung, Passivität und aggressiver Hemmung geprägte Persönlichkeitsstruktur nach den auch insoweit überzeugenden Angaben sämtlicher vorliegend beteiligter Sachverständigen bzw. Therapeuten nicht ersichtlich.

Soweit die Strafvollstreckungskammer die gleichwohl angeordnete Fortdauer der Sicherungsverwahrung damit zu begründen versucht hat, dass der Verurteilte bislang keine geeignete Einrichtung außerhalb des Maßregelvollzugs gefunden habe, die den oben beschriebenen Anforderungen genügt, weist der Senat darauf hin, dass es nach der auch insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., Rn. 116) nicht in den Aufgabenbereich des Untergebrachten, sondern vielmehr des Staates fällt, ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen (forensische Ambulanzen, Einrichtungen des betreuten Wohnens u.ä.) zu gewährleisten, um entlassene Untergebrachte aufzunehmen, deren erforderliche Betreuung sicherzustellen und damit einen geeigneten sozialen Empfangsraum bieten zu können (sog. Minimierungsgebot).

Es kann dem Beschwerdeführer insoweit im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung nach Überzeugung des Senats – auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nicht zum Nachteil gereichen, dass seitens der zuständigen staatlichen Stellen bislang – entgegen der eindeutigen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., Rn. 127) – offensichtlich keine hinreichende Vorsorge für eine genügende Ausstattung mit Einrichtungen des strukturierenden und kontrollierten betreuten Wohnens getroffen worden ist, die der beschriebenen Betreuungs- und Kontrollbedürftigkeit des Beschwerdeführers und der erforderlichen Anbindung an ambulante Therapiemaßnahmen außerhalb des Maßregelvollzuges nachhaltig und ausreichend gerecht zu werden vermag.

2. Der Senat hat die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung mit Wirkung zum 1. August 2013 ausgesprochen, um der JVA und der Strafvollstreckungskammer ausreichend Zeit und Gelegenheit zu geben, die Entlassung vorzubereiten und Vorkehrungen für einen geeigneten sozialen Empfangsraum zu treffen, insbesondere eine für erforderlich erachtete Form des kontrollierten, strukturierenden und langfristig angelegten betreuten Wohnens sowie eine Anbindung an eine forensisch-therapeutische Fachambulanz sicherzustellen.

3. Mit der Aussetzung tritt gemäß §§ 67d Abs. 2 S. 2, 68 Abs. 2 StGB kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein.

Hinsichtlich der festzulegenden Dauer der Führungsaufsicht hat der Senat vorliegend den angeordneten Zeitraum von 5 Jahren, der zugleich die Höchstdauer gemäß § 68c Abs. 1 S. 1 StGB darstellt, für erforderlich und angemessen erachtet. Gleiches gilt für die entsprechend festgelegte Dauer der Bewährungszeit (§ 56a Abs. 1 S. 2 StGB).

Dem Verurteilten war gemäß § 68a Abs. 1 StGB für die Dauer der Führungsaufsicht ein Bewährungshelfer zu bestellen. Da die nähere Ausgestaltung der Führungsaufsicht im Übrigen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich ist, hat sie der Senat der zuständigen Strafvollstreckungskammer übertragen.

4. Die – gemäß §§ 454 Abs. 4 S. 3, 463 Abs. 3 S. 1 StPO unmittelbar vor Entlassung vorzunehmende – Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht, auch für den Fall eines Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen, hat der Senat gemäß §§ 454 Abs. 4 S. 2 Hs. 2, 463 Abs. 3 S. 1 StPO der Anstalt übertragen.

III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Zwar hat der Betroffene hinsichtlich seines Ziels, eine sofortige Entlassung aus der Maßregrel zu erreichen, keinen Erfolg. Er hat insoweit nur einen Teilerfolg. Der Senat hat es jedoch für angemessen gehalten, die entstandenen Kosten und Auslagen insgesamt der Staatskasse aufzuerlegen, weil es unbillig wäre, den Beschwerdeführer damit zu belasten.


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