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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III - 2 Ws 15 - 18/13 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Besorgnis der Befangenheit im Strafvollstreckungsverfahren

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung, Befangenheit, Strafvollstreckungsverfahren

Normen: StPO 24

Beschluss:

Strafvollstreckungssache
gegen
wegen pp.
schwerer räuberischer Erpressung u.a.
(hier: sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 08.01.2013 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 28.12.2012 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.02.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Verurteilten bzw. seines Verteidigers beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2. Das Befangenheitsgesuch des Verurteilten vom 13.12.2012 ist begründet.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Verurteilten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen hat mit Beschluss vom 12.01.2011 die Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hagen vom 20.11.2006 (44 KLs 612 Js 107/06), der Restjugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwelm vom 14.10.2004 (57 Ls 512 Js 654/03 (21/04)) und der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwelm vom 03.03.2006 (51 Ds 872 Js 759/05 (63/05) zur Bewährung ausgesetzt. Am 17.01.2012 wurde der Verurteilte durch das Amtsgericht Hagen (90 Ds 872 Js 697/11 (451/11)) wegen — vor Beginn der Bewährungszeit begangenen - Betruges u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Aufgrund dieser Verurteilung hat der Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen den Verurteilten am 05.03.2012 in den Bewährungs- und Führungsaufsichtssachen 61 StVK 687, 863 und 864/10 angeschrieben und darauf hingewiesen, es werde „wegen der neuen Verurteilung in den bereits laufenden Bewährungssachen keine Verlängerung der Bewährungszeit geben, da diese noch bis Januar 2014" andauere. Der Verurteilte könne „aber absolut sicher sein, dass eine „nächste Straftat in der Bewährungszeit zum Widerruf der Strafaussetzung führen wird, und zwar auch dann, wenn [...] in der nächsten Verurteilung wieder eine Bewährung gegeben werden sollte".
Aufgrund einer neuerlichen Verurteilung vom 20.08.2012 durch das Amtsgericht Dortmund (761 Ls 183 Js 304/12 (51/12)) hat der Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen den Verurteilten zu sämtlichen Bewährungssachen mit Schreiben vom 21.11.2012 schriftlich angehört. Hierbei hat er darauf hingewiesen, dass dem Verurteilten schon mit Schreiben vom 05.03.2012 angekündigt worden sei, „dass die nächste Straftat in der Bewährungszeit zum Widerruf der Strafaussetzung führen wird, auch wenn die Verurteilung deswegen wieder auf „Bewährung" lauten sollte". Das Schreiben vom 21.11.2012 ist dem Verurteilten am 23,11.2012 zugestellt worden. Hierauf meldete sich mit Schriftsatz vom 27.11.2012 der Verteidiger für den Verurteilten. Nach Gewährung von Akteneinsicht am 30.11.2012 hat der Verurteilte mit am 13.12.2012 bei dem Landgericht Hagen eingegangenem Telefaxschreiben seines Verteidigers vom selben Tage den Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dieses damit begründet, dass der abgelehnte Richter bereits in dem Schreiben vom 21.11.2012 ohne jeden Zweifel zu verstehen gegeben habe, dass er allein aufgrund einer neuen Verurteilung die bestehenden Strafaussetzungen zur Bewährung widerrufen werde. Der Verurteilte ist der Ansicht, der abgelehnte Richter lasse durch das Schreiben vorn 21.11.2012 seine Absicht erkennen, die bestehenden Strafaussetzungen zur Bewährung zu widerrufen, ohne sich mit den Erwägungen des Amtsgerichts Dortmund, welche zur Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung geführt haben, sowie einer etwaigen eigenen Stellungnahme des Verurteilten auseinanderzusetzen. Wenn das Tatgericht eine günstige Sozialprognose gestellt habe, sei hingegen eine besonders sorgfältige Prüfung angezeigt, ob eine bestehende Strafaussetzung zu widerrufen sei. Aufgrund des Schreibens vom 21.11.2012 bestehe jedoch die Besorgnis, der abgelehnte Richter habe sich hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung ohne jede Abwägung oder Berücksichtigung der aktuellen Lebenssituation des Verurteilten allein aufgrund seiner inhaltlich willkürlichen Ankündigung bereits festgelegt.
Der abgelehnte Richter hat sich selbst in seiner dienstlichen Äußerung vom 17.12.2012 für nicht befangen erklärt. Er weist u. a. darauf hin, das Gericht habe mit seinen an den Probanden gerichteten Warnungen und Androhungen, insbesondere auch mit dem im Schreiben vom 21.11.2012 teilweise wiedergegebenen Schreiben vom 05.03.2012, pädagogische Absichten verfolgt, um weitere Straftaten möglichst zu verhindern. Die der Verurteilung durch das Amtsgericht Dortmund zugrunde liegende Straftat habe den Widerruf der Strafaussetzungen indiziert, gleichwohl bliebe abzuwarten, ob der Verurteilte im Anhörungsverfahren eine Kontraindikation darzulegen vermöge.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 13.12.2012 hat die Strafvollstreckungs-kammer den Befangenheitsantrag mangels Ablehnungsgrundes als unbegründet zu-rückgewiesen.
Gegen diesen seinem Verteidiger am 08.01.2013 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit am 08.01.2013 bei dem Landgericht Hagen eingegangenem Telefax- Schreibens seines Verteidigers vom selben Tage sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

II.
Die gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO statthafte und gem. § 311 StPO form- und fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.
Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde steht - wie bereits die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat - § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann der das Befangenheitsgesuch ablehnende Beschluss nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft. Erkennender Richter im Sinne dieser Bestimmung ist der zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufene Richter (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 28 Rdnr. 6 m.w.N.). Diese Ausnahmevorschrift ist nicht anzuwenden auf Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer. Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO dient vor allem der Prozesswirtschaftlichkeit. Sie soll verhindern, dass eine anberaumte oder bereits begonnene Hauptverhandlung wegen eines Ablehnungsverfahrens mit anschließendem Beschwerdeverfahren nicht durchgeführt werden kann. Eine vergleichbare Situation ist bei der Entscheidung, ob eine Straf-aussetzung zur Bewährung widerrufen werden soll, nicht gegeben. Diese Entscheidung wird vielmehr gem. § 453 Abs. 1 Satz 1 StPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss getroffen, so dass schon aus diesem Grunde keine erweiternde Auslegung des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlich ist. Im Übrigen spricht der Wortlaut des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO gegen dessen Anwendbarkeit auch auf Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern. Bei den Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern handelt es sich schon nicht um Urteile, sondern um Beschlüsse. Dazu kommt, dass § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO als Ausnahmevorschrift zur grundsätzlich gegebenen Anfechtbarkeit der Entscheidung ausgestaltet ist (vgl. Senatsbeschluss vom 08.11.2007 - 2 Ws 331/07 - und vom 25.06.2009 - 2 Ws 172/09 -).

2.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft war das Befangenheitsgesuch des Verurteilten nicht deshalb unzulässig, weil es nicht rechtzeitig gern. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO angebracht worden ist. Diese Vorschrift gibt eine zeitliche Grenze — wie bereits aus dem Gesetzeswortlaut ersichtlich ist - nur für Befangenheitsgesuche vor, die in einer Hauptverhandlung gestellt werden. Ist — wie vorliegend - außerhalb der Hauptverhandlung entschieden worden, so ist die Ablehnung ohne zeitliche Beschränkung bis zum Erlass der Hauptentscheidung zulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 25 Rdz. 11 m.w.N.).

3.
Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Die Strafvollstreckungs-kammer hat das Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen.

Das Vorliegen eines Ablehnungsgesuchs ist grundsätzlich vom Standpunkt des Ab-lehnenden zu beurteilen. Ob der Richter tatsächlich befangen ist, spielt keine Rolle (Meyer-Goßner, a.a.O., § 24 Rdz. 6 m.w.N.).

Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung ein-nehmen werde, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Angeklagten oder - hier - des Verurteilten an, nicht aber auf seinen (möglicherweise einseitigen) subjektiven Eindruck und auf seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt. Maßgeblich sind vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann. Der Ablehnende muss daher für sein Ablehnungsbegehren Gründe vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten (Meyer-Goßner, a.a.O., § 24 Rdz. 8 m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Voraussetzungen ist das Ablehnungsgesuch des Verurteilten begründet.

Aus der Sicht eines unbefangenen Dritten konnte der Wortlaut der Schreiben vom 05.03.2012 und vom 21.11.2012 des abgelehnten Richters, in dem auszugsweise das Schreiben vom 05.03.2012 wiederholt wurde, so verstanden werden, als habe sich der Richter bereits eine endgültige und abschließende Meinung gebildet, die auch durch spätere (Bewährungs-) Entscheidungen anderer Gerichte sowie eventuell später eingetretene positive Entwicklungen des Verurteilten nicht mehr zu erschüttern sei. Der Wortlaut beider Schreiben lässt es für einen unbefangenen Dritten nicht fernliegend erscheinen, dass der abgelehnte Richter über den Widerruf der gewährten Strafaussetzung allein aufgrund der Tatsache einer neuerlichen Verurteilung entscheiden wird, ohne eine von Gesetzes wegen erforderliche Gesamtabwägung aller für und gegen den Verurteilten zu berücksichtigenden Umstände vorzunehmen. Bei dieser Sachlage hat der Verurteilte nach verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit fraglich erscheinen lässt.

Auch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters vom 17.12.2012 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Senat verkennt nicht, dass die ursprünglich begründete Besorgnis der Befangenheit durch die dem Ablehnenden bekanntgemachte dienstliche Äußerung des Richters ausgeräumt werden kann (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. m.w.N.). Dies gilt aber nur dann, wenn durch die dienstliche Äußerung Unklarheiten und etwaige Zweifelsfragen hinsichtlich des beanstandeten Verhaltens ausgeräumt werden. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Die Schreiben des abgelehnten Richters vom 05.03.2012 und vom 21.11.2012 erwecken sowohl für den Verurteilten als auch einen unbeteiligten Dritten eindeutig den Anschein, als habe sich der Richter hinsichtlich seiner Entscheidung unverrückbar festgelegt. Bei dieser Sachlage ist das Vorbringen in der dienstlichen Äußerung nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit auszuräumen, zumal weder aus der Sicht des Verurteilten noch eines unbeteiligten Dritten die geltend gemachte pädagogische Zielsetzung erkennbar gewesen ist.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO.
Vors. Richter
am Oberlandesgericht
Brauch Kabuth Holtgrewe
ist wegen Urlaubs an
der Unterschrift
gehindert.
Kabuth




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