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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III – 5 RVs 59/12 OLG Hamm

Leitsatz: Das bloße Fehlen eines nachvollziehbaren Anlasses für die Tat kann sich nicht strafschärfend auswirken.

Von einem bestreitenden Angeklagten kann keine Reue bzw. Unrechtseinsicht verlangt werden. Nichts anderes gilt für einen Angeklagten gelten, der zur Überzeugung des Gerichts gar keine Erinnerung an das Tatgeschehen hat und deshalb zu einem tatsächlichen – auch als mögliche Verurteilungsgrundlage geeigneten – Geständnis gar nicht in der Lage ist.

Senat: 5

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafzumessung, fehlende Reue, Unrechtseinsicht,

Normen: StGB 46

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 13. Januar 2012 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.06.2012 durch auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seiner Verteidigerin gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird verworfen, jedoch wird der Schuldspruch des angefochtenen Urteils klarstellend dahin ergänzt, dass der Angeklagte der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer verurteilte den Angeklagten am 07. September 2011 wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen mit Urteil vom 07. September 2012 verworfen.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte der Angeklagte in der Nacht zum 11. Dezember 2010 gegen 350 Uhr während seines Aufenthaltes in der Gaststätte ……. in X der ihm bereits aus früheren verbalen Auseinandersetzungen bekannten Frau XXX ohne rechtfertigenden Anlass mit der Faust in das Gesicht geschlagen. Auch der Angeklagte hat im Rahmen des weiteren Geschehens erhebliche Schnittverletzungen im Stirnbereich erlitten, da ihm Frau XXX mit einem Glas einen Schlag ins Gesicht versetzt hatte.

Gegen das Berufungsurteil der Strafkammer wendet sich der Angeklagte mit der von ihm form- und fristgerecht eingelegten, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch in der Sache den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Die vom Angeklagten erhobene, jedoch nicht näher ausgeführte Rüge formellen Rechts ist allerdings bereits unzulässig, da sie den Anforderungen nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht genügt.

2. Soweit sich die Revision mit der allgemeinen Sachrüge gegen den Schuldspruch wendet, war sie gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 30. Mai 2012 Bezug genommen. Der Senat hat allerdings im Hinblick auf die gemäß § 260 Abs. 4 S. 1 StPO erforderliche rechtliche Bezeichnung der Tat, welche bei vorsätzlich und fahrlässig begehbaren Delikten die Angabe der Schuldform erfordert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rdnr. 24 m.N.), den Schuldspruch ergänzend dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist.
Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht trotz der bei dem Angeklagten festgestellten hochgradigen Alkoholisierung mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht einen völligen Ausschluss von dessen Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit angenommen hat.

Der um 4:25 Uhr mit 1,41 mg/l bei dem Angeklagten (und entgegen den Urteilsgründen nicht bei der Zeugin XXX) festgestellte Atemalkoholwert gibt zwar Hinweis auf einen gegebenenfalls schon in der Nähe des Grenzwertes von 3,00 0/00 liegenden Blutalkoholwert, welcher nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die Möglichkeit eines Schuldausschlusses indizieren könnte. Gegen eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit spricht jedoch ungeachtet der vom Landgericht festgestellten vollständigen Erinnerungslücke der Umstand, dass der alkoholgewohnte Angeklagte zum Tatzeitpunkt zu situationsadäquaten Reaktionen und letztlich zielgerichteten Handlungen fähig war.

3. Demgegenüber sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern, so dass der Strafausspruch aufzuheben war.

a. Das Landgericht hat ausdrücklich u.a. strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „ohne nachvollziehbaren Grund die … Zeugin XXX geschlagen hat“ (UA Bl. 9) und damit dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet. Das bloße Fehlen eines nachvollziehbaren Anlasses für die Tat kann sich jedoch nicht strafschärfend auswirken (vgl. Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl., § 46 Rdnr. 13 m. w. N.). Eine solche strafschärfende Berücksichtigung ist nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung unzulässig (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 12.05.2011 - 3 StR 82/11 -; 15.03.2011 - 3 StR 62/11 - sowie 09.11.2010 - 4 StR 532/10) und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

b. Zudem begegnen auch die Erwägungen des Landgerichts zum lediglich eingeschränkt strafmildernden Gewicht des „Geständnisses“ des Angeklagten in der vorliegenden Form rechtlichen Bedenken.

Das Landgericht hat festgestellt, der Angeklagte habe nachvollziehbar angegeben, einen „Filmriss“ gehabt zu haben und sich nicht genau an das Geschehen erinnern zu können. Er habe die ihm zur Last gelegte Tat zwar nicht bestritten und nicht in Abrede gestellt, dass er die Geschädigte ins Gesicht geschlagen habe. Allerdings habe das Geständnis lediglich eingeschränkt strafmildernd gewertet werden können, da der Angeklagte keinerlei Reue oder Unrechtseinsicht gezeigt habe.

Diese Strafzumessungserwägungen sind – auch wenn sie nach außen in die Ausführungen zum lediglich eingeschränkten Gewicht des „Geständnisses“ als Strafmilderungsgrund eingebettet sind – bedenklich, da sie besorgen lassen, dass ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten tatsächlich straferschwerend berücksichtigt worden ist.

Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung kann von einem bestreitenden Angeklagten keine Reue bzw. Unrechtseinsicht verlangt werden (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rdnr. 50, BGH, Beschluss vom 15. 05. 2012 - 3 StR 121/12). Nichts anderes kann jedoch für einen Angeklagten gelten, der zur Überzeugung des Gerichts gar keine Erinnerung an das Tatgeschehen hat und deshalb zu einem tatsächlichen – auch als mögliche Verurteilungsgrundlage geeigneten – Geständnis gar nicht in der Lage ist.

Soweit der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe angegeben hat, „er könne sich nicht erklären, dass er ohne provoziert worden oder in die Enge getrieben worden zu sein, zugeschlagen hat“, liegt darin ein zulässiges Verteidigungsverhalten. Feststellungen dazu, dass die vom Angeklagten dazu angeführten eigenen üblichen Verhaltensweisen unter Alkoholeinfluss unzutreffend sind, hat das Landgericht nicht getroffen. Dementsprechend durfte dem Angeklagten auch nicht angelastet werden, er versuche sich mit diesen Äußerungen seiner Verantwortlichkeit zu entziehen.


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