Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: III 3 RBs 55/12 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Verwerfungsurteil, genügende Entschuldigung, Anforderungen, Urteilsgründe

Normen: StPO 267; OWiG 74

Beschluss:

Bußgeldsache
In pp.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 19. Dezember 2011 gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 15. Dezember 2011 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 01.03.2012 durch den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung — auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde — an das Amtsgericht Detmold zurückverwiesen.

Gründe
Mit Bußgeldbescheid vom 5. Juli 2011 ist gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 160,00 € festgesetzt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden. Den hiergegen erhobenen Einspruch hat das Amtsgericht Detmold mit Urteil vom 15. Dezember 2011 gern § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.

Zuvor hatte der Verteidiger wegen behaupteter Erkrankung des Betroffenen per. Fax vom 13.12.2011 unter Bezug auf eine beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Verlegung des für den 15. Dezember 2011 anberaumten Hauptverhandlungstermins beantragt. Nachdem das Amtsgericht dem Verteidiger mitgeteilt hatte, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreiche, reichte der Verteidiger per Fax vom 14. Dezember 201.1 eine ärztliche Bescheinigung ein in der es heißt

„Ärztliche "Bescheinigung _ zur Vorlage beim Gericht
Diagnosen:, Angina pectoris‚ Psychosomatische 'Störung
Hiermit wird bescheinigt, dass o.g. Patient unter den oben angegebenen Erkrankungen leidet Aufgrund dieser Erkrankung ist xx. nicht in der Lage zwischen den 13.-16. Dezember an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen."

Daraufhin teilte das Amtsgericht dem Verteidiger unter Verweis auf einen an den behandelnden Arzt per Fax übersandten Fragenkatalog mit, dass auch diese Bescheinigung nicht ausreiche. Nachdem der Betroffene zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen war, telefonierte der Tatrichter mit dem behandelnden Arzt Den Inhalt des Telefonats legte er in dem als Anlage V. zum Protokoll vom 15.12.2011 genommenen Vermerk vom selben Tag nieder. Dieser lautet:
„Ich habe mit dem attestierenden Arzt Dr. pp. telefoniert unter Bezugnahme auf das Fax vom 14.12.2011. Er teilte mit, dass ihm dieses nicht vorgelegt worden sei. Die Fragen beantwortete er wie folgt:

Der Betroffene sei am 13. Dezember bei ihm erschienen und habe über Herzschmerzen, Schlafstörungen, Schwindel, Unruhe und Nervosität geklagt. Zusammenfassend sei dies wohl als psychosomatische Störung zu bewerten. Objektive Befunde liegen insoweit nicht vor Die Diagnose erfolgte im Wesentlichen auf den Schilderungen des Patienten. Dieser habe in seinem Leben wohl „mehrere Bau-stellen", auch familiär. In der Praxis sei er seit 2009. Damals sei auch das Herz untersucht worden, weil der Vater an einem plötzli-chen Herztod g9toOert sei. Auch bei dem Patienten seien eine Veränderung der Herzklappe und eine Verdickung der Herzwand vorhanden, die, eine Überprüfung/Beobachtung erforderlich machen.

Das am 13.12. erhobene EKG sei in Ordnung gewesen. Hieraus ergebe sich jedoch keine hundertprozentige. Sicherheit sondern allenfalls eine 90 prozentige Sicherheit.

Aufgrund dieser Angaben ,sei der Patient für-eine Woche krankgeschrieben worden, um Abstand gewinnen zu können. Hierbei habe der Patient zunächst nicht mitgeteilt, dass auch ein Gerichtstermin ansteht Das letzte Mal sei der Patient im März dieses Jahres wegen "Hustens vorstellig geworden."

Die vollständigen Gründe des amtsgerichtlichen Urteils vom 15. Dezember 2011, mit dem der Einspruch verworfen wurde, lauten wie folgt:

”Der Betroffene ist dem heutigen-Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben.

Die vom Betroffenen vorgetragenen Gründe sind keine ausreichende Entschuldigung. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt kann eine Verhandlungsunfähigkeit nicht angenommen werden. Die Bescheinigung des behandelnden Arztes beruht maßgeblich auf den Schilderungen des Betroffenen. Objektive Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit bestehen nicht Insbesondere das EKG hat keine Anzeichen für akute schwerwiegende Herzprobleme ergeben.

Der Einspruch ist daher nach § 74 Abs. 2 des Gesetztes über Ordnungswidrigkeiten (OWG) verworfen worden.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 109 OWiG.“

Mit der Rechtsbeschwerde des-Betroffenen wird die Verletzung formellen und rnateriellen Rechts gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gemäß §§ 349 Abs. 4 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 und Abs. 6 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6.0VViG) führt.
Das Amtsgericht hat zu Unrecht eine-ungenügende Entschuldigung des Betroffenen angenommen. Die Verwerfung des Einspruchs gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ist nur bei ungenügender Entschuldigung zulässig, wobei es nach übereinstimmender obergerichtlicher Rechtsprechung nicht darauf ankommt, ob sich der Betroffene entschuldigt hat, sondern ob er entschuldigt ist (vgl. Göhler, OWiG, 15. Auflage, § 74 Rdnr. 31 m.w.N.). Eine genügende Entschuldigung liegt vor, wenn dem Betroffenen das Erscheinen unter Berücksichtigung der Umstände und der Bedeutung der Sache nicht zumutbar oder nicht möglich ist (vgl. Göhler, a.a.O., Rdnr. 29 m.w.N.) Bereits die Formulierungen des Urteils lassen darauf schließen, dass das Amtsgericht die Voraussetzung für eine genügende Entschuldigung zu eng gefasst hat. Denn bei einer Erkrankung ist das Ausbleiben des Betroffenen nicht erst dann genügend entschuldigt, wenn bereits Verhandlungsunfähigkeit vorliegt, sondern es reicht aus, wenn dem Betroffenen infolge der Erkrankung das Erscheinen vor Gericht nicht zuzumuten ist (vgl. KG NZV 2002, 421 m.w.N.; Karlsruher Kommentar zum OWiG — Senge, 3. Auflage, § 74, Rdnr. 33). Ausführungen zur Zumutbarkeit enthält das angefochtene Urteil hingegen nicht.

Die Rechtsbeschwerde ist aber auch aus einem weiteren Grund begründet. Denn die Urteilsbegründung genügt den Anforderungen, die an ein Verwerfungsurteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG zu stellen sind, nicht. In einem Verwerfungsurteil sind die Gründe, die nach Auffassung des Betroffenen sein Fernbleiben entschuldigen, ebenso ausführlich und vollständig anzugeben wie, die Erwägungen des Tatrichters, diese als nicht ausreichend anzusehen (vgl. OLG Hamm, NZV 2003, 152 m.w.N.; BayObLG NZV 1998, 426 m.w.N.; Karlsruher Kommentar zum OWiG a.a.O., Rdnr. 40 m.w.N.). Wenn — wie hier — ein ärztliches Attest vorliegt, das die Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen bescheinigt, muss der Tatrichter dies angeben und sich hiermit auseinandersetzen, wobei vorliegend dahin gestellt bleiben kann, ob ein Ausbleiben nur dann als unentschuldigt gewertet werden kann, wenn die Unrichtigkeit des Attestes bewiesen ist (so Göhler, a.a.O., Rdnr. 29 m.w.N.). Denn im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht weder das vorgelegte ärztliche Attest noch das mit dem bescheinigenden Arzt geführte Telefonat ausreichend dargestellt. Eine Auseinandersetzung mit der in der ärztlichen Bescheinigung diagnostizierten psychosomatischen Störung entbehren die Urteilsgründe völlig.

Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".