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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-1 Vollz (Ws) 298/11 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Recht auf rechtliches Gehör im Strafvollzugsverfahren

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: rechtliches Gehör, Zulässigkeit, Beweiskraft, Empfangsbekenntnis, Gegenbeweis

Normen: StVOllzG 115 ff.; ZPO 418

Beschluss:

Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.07.2011 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Ge-schäftswertes aufgehoben, soweit er den Antrag auf Aufhebung der Absonderung des Betroffenen zum Gegenstand hat.
Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an die Straf-vollstreckungskammer des Landgerichts Mönchengladbach zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Betroffene befindet sich wegen gefährlicher Körperverletzung seit dem 17.11.1988 im Maßregelvollzug der LVR-Klinik W, zunächst auf Grundlage des § 126a StPO, danach aufgrund Urteils des Landgerichts E vom 05.01.1989 gem. § 63 StGB. Die am 19.02.1992 zwischenzeitlich erfolgte Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung wurde mit Beschluss vom 28.05.1993 widerrufen.

Bei dem Betroffenen liegt eine paranoide Schizophrenie nebst schädlichem Gebrauch von Cannabinoiden, Alkohol, Opioiden und Stimulanzen vor. Seit dem 21.01.2009 befindet sich der Betroffene auf der Aufnahme- und Krisenstation der Klinik, da er die antipsychotische Behandlung verweigert.

Seit dem 22.12.2010 ist der Betroffene darüber hinaus ununterbrochen abgesondert in einem der gesonderten Absonderungszimmer der Station 16b untergebracht. Anlass der Absonderung war, dass er sich zum wiederholten Mal mit Schmiermessern bewaffnet hatte und auf Ansprache wahnhaft beeinflusst imponierte und Mitarbeiter beschimpft und bedroht hatte. Nach wie vor verweigert er jegliche antipsychotische Medikation und stellt sich getrieben und wahnhaft beeinflusst dar.

Gegen die Absonderung hat der Betroffene mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 05.01.2011 Widerspruch eingelegt, welchen der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug mit Bescheid vom 01.02.2011 zurückgewiesen hat. Unter dem 08.02.2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen den Erhalt des Widerspruchsbescheides auf einem Empfangsbekenntnis bestätigt.

Einen im Januar 2011 gestellten Antrag des Betroffenen, ihm den Besuch eines externen Drogenberaters in der Klinik zu ermöglichen, lehnte die Klinikleitung aufgrund der Absonderungssituation ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Betroffenen vom 14.01.2011 hat der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug NRW mit Bescheid vom 01.02.2011, dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen am 03.02.2011 zugestellt, zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, bis zur Beendigung der Absonderung komme die Gestattung nicht in Betracht, da aufgrund des wahnhaften Zustandes des Betroffenen unkalkulierbare Gefahren für Besucher vorhanden seien.

Der Betroffene hat mit am 17.02.2011 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz zunächst gegen die Ablehnung der Besuche durch einen externen Drogenberater auf gerichtliche Entscheidung angetragen.

Mit Schriftsatz vom 01.03.2011, eingegangen beim Landgericht Mönchengladbach am 02.03.2011, hat er den Antrag erweitert und auf die Beendigung der Absonderung angetragen. Zur Rechtzeitigkeit seines Antrages hat er behauptet, der Widerspruchsbescheid sei seinem Verfahrensbevollmächtigten am 18.02.2011 zugegangen.

Für beide Anträge hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.

Die Klinikleitung hat die Zurückweisung der Anträge begehrt. hinsichtlich der Besuchskontakte sei die Maßnahme gem. § 9 MRVG gerechtfertigt. Hinsichtlich des Antrags betreffend die Absonderung hat sie mit Schriftsatz vom 29.03.2011 geltend gemacht, dieser sei nicht fristgemäß eingegangen, da das EB am 08.02.2011 vollzogen worden sei.

Ohne dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen den Schriftsatz vom 29.03.2011 zur Kenntnis zu bringen und zur Zulässigkeit seines Antrages Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen hat das Landgericht –Strafvollstreckungs-

kammer- Mönchengladbach mit dem angefochtenen Beschluss vom 05.04.2011 die begehrte Prozesskostenhilfe verweigert, den Antrag auf Empfang von Besuchen eines Mitarbeiters einer Drogenberatungsstelle als unbegründet und denjenigen auf Beendigung der Absonderung als unzulässig verworfen, da letzterer nicht fristgemäß bei Gericht eingegangen sei.

Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen am 03.05.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 16.05.2011, mit welcher er neben der Sachrüge hinsichtlich der Absonderung geltend macht, die Kammer habe ihm verfahrensfehlerhaft rechtliches Gehör verwehrt. Er behauptet unter Beweisantritt, dem am 08.02.2011 unterzeichneten Empfangsbekenntnis sei der Widerspruchsbescheid betreffend den Widerspruch vom 05.01.2011 nicht beigefügt gewesen, sondern erneut der Widerspruchsbescheid betreffend den Widerspruch vom 14.01.2011. Dies sei erst später bei erneuter Aktenvorlage aufgefallen, weshalb sein Verfahrensbevollmächtigter bei der Zeugin N2 als Sachbearbeiterin des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug die erneute Übersendung des Widerspruchsbescheides zum Widerspruch vom 05.01.2011 begehrt habe. Dieser sei dann -allerdings ohne Empfangsbekenntnis- am 18.02.2011 bei ihm eingegangen.

Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug trägt vor, anhand der Akten sei nicht nachvollziehbar, ob das am 08.02.2011 vollzogene Empfangsbekenntnis erfolgt sei, obwohl diesem nicht der Widerspruchsbescheid zum Widerspruch vom 05.01.2011 sondern vom 14.01.2011 beigefügt war.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist vom Senat zugelassen worden, soweit sie sich gegen die Verwerfung des Antrags auf Beendigung der Absonderung als unzulässig richtet und hat insoweit jedenfalls vorläufig Erfolg. Nach allg. M. ist die Rechtsbeschwerde unabhängig von den Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, wenn das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt ist (Calliess/ Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. § 116 Rdnr 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl. § 116 Rdnr 3, jew. m.w.N.). Das ist hier der Fall. Die Strafvollstreckungskammer war verpflichtet, dem Betroffenen rechtliches Gehör zur Zulässigkeit seines Antrages zu gewähren. Nach der Antragsschrift ist ihm der Widerspruchsbescheid zu seinem Widerspruch vom 05.01.2011 am 18.02.2011 zugegangen, weshalb der am 02.03.2011 eingegangene Antrag hiernach gem. §§ 138 Abs. 3, 112 Abs. 1 StVollzG rechtzeitig wäre. Soweit sich aus dem von der Klinikleitung vorgelegten Empfangsbekenntnis anderes ergibt, hätte die Strafvollstreckungskammer diesen Widerspruch aufklären und dem Betroffenen hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es, die Voraussetzungen für die Berechnung von Rechtsmittelfristen in einer für den Rechtssuchenden eindeutigen und vorhersehbaren Weise auszulegen und so anzuwenden, dass der Zugang zu den Gerichten nicht erschwert wird (BVerfG NJW 2001, 1563, 1564). Dem wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Zwar erbringt das vollzogene Empfangsbekenntnis als öffentliche Urkunde gem. § 418 Abs. 1 ZPO grundsätzlich den Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Schriftstücks sondern auch für den Zustellungszeitpunkt (BVerfG a.a.O. m.w.N.; Bay VGH B. v. 18.04.2011, 15 ZB 09.1763 zit. bei JURIS Rdnr 8; BGH B. v. 27.05.2003, VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460, zit. bei JURIS Rdnr 7). Der Gegenbeweis ist aber möglich (§ 418 Abs. 2 ZPO, vgl. BVerfG a.a.O.; BayVGH a.a.O.; BGH a.a.O.). Dies erforderte es vorliegend zwingend, vor der Verwerfung des Antrages als unzulässig dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zur Rechtzeitigkeit seines des Antrages einzuräumen. Nach dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde erscheint -auch in Anbetracht der an den Gegenbeweis zu stellenden strengen Anforderungen (vgl. BVerfG a.a.O.; BGH a.a.O.)- nicht ausgeschlossen, dass dem Betroffenen der Gegenbeweis vorliegend gelingen könnte.

Der Verfahrensfehler führt zur Aufhebung der Angefochtenen Entscheidung soweit es den Antrag auf Beendigung der Absonderung betrifft und zur Zurückverweisung an das Landgericht Mönchengladbach. Dieses wird die notwendige Beweisaufnahme zur Zulässigkeit des Antrages nachholen müssen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf Besuche eines externen Drogenberaters während der Dauer der Absonderung zurückgewiesen hat. Insoweit gebieten weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, §§ 138 Abs. 3, 116 Abs. 1, 119 Abs. 3 StVollzG.




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