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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-2 RVs 20/11 OLG Hamm

Leitsatz: Bei einem Notruf handelt es sich nicht um eine Vernehmung im Sinne von § 252 StPO, sondern um eine spontane Bekundung aus freien Stücken und ein Verlangen nach behördlichem Einschreiten.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Zeugnisverweigerungrecht, Beweisverwertungsverbot, Spontanäußerung

Normen: StPO 252; StPO 52

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen
gefährlicher Körperverletzung
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts X. vom 04. November 2010 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm
am 24. Mai 2011 durch auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Gründe:
Das Amtsgericht – Schöffengericht – Y. hat den Angeklagten durch Urteil vom 14. August 2009 (Az. 25 Ls 36 Js 78/09 – 78/09) wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht X. – kleine Strafkammer –mit Urteil vom 04. November 2010 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StPO verurteilt wird (Az. II – 14 Ns 36 Js 78/09 - 118/09).
Nach den Feststellungen der Berufungskammer hatte der Angeklagte am 18. Februar 2009 in den frühen Morgenstunden seine damals 24-jährige, sehr kleine und zierliche Ehefrau A. im Verlauf eines Streits in der ehelichen Wohnung zunächst mehrfach wissentlich und gewollt ins Gesicht geschlagen, durch die es zu Schleimhauteinreißungen an der Innenseite der Oberlippe kam. Anschließend steigerte sich der Angeklagte in seinem aggressiven Verhalten gegenüber seiner Ehefrau derart, dass er seinen schwarzen Ledergürtel zur Hand nahm, diesen um den Hals der Geschädigten legte und diese damit bis zur Bewusstlosigkeit drosselte, wobei der Angeklagten den Eintritt der Bewusstlosigkeit billigend in Kauf nahm.
Bei ihren Feststellungen hat sich das Berufungsgericht insbesondere auf den Inhalt des in der Berufungshauptverhandlung abgehörten Notrufs, den die Zeugin A. am Tattag gegen 09:00 Uhr durch ihren Anruf bei der Notrufstelle der Polizei getätigt hatte, sowie auf die durch die Vernehmung der Zeugin Polizeikommissarin F. eingeführten Angaben der Geschädigten dieser gegenüber bei dem Eintreffen der unmittelbar nach dem Notruf entsandten Polizeistreife am Tatort gestützt. Die Zeugin A. selbst hatte in der erst- und zweitinstanzlichen Hauptverhandlung das Zeugnis nach § 52 StPO verweigert.
Gegen das dem Verteidiger des Angeklagten am 17. Dezember 2010 zugestellte Berufungsurteil hat der Angeklagte mit am 11. November 2010 bei dem Landgericht per Fax eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage Revision eingelegt, die er mit am 14. Januar 2011 bei dem Landgericht eingegangenen Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Januar 2011 mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat. Die Verfahrensrüge wird u. a. unter näheren Darlegungen mit der Verletzung von § 252 StPO begründet.
1. Die gemäß § 333 StPO statthafte Revision ist gemäß § 341 Abs. 1 StPO rechtzeitig eingelegt und gemäß § 345 Abs. 1 StPO fristgerecht begründet worden. Inhaltlich genügt die Revisionsbegründung dem in § 344 Abs. 1 StPO aufgestellten Antragserfordernis sowie hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrügen den sich aus § 344 Abs. 2 StPO ergebenen Anforderungen – mit Ausnahme der unter II. 2. f) abgehandelten Rüge -.
2. In der Sache ist die Revision jedoch unbegründet.
a) Sachrüge
Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.
b) Verstoß gegen § 252 StPO
Soweit gerügt wird, das Landgericht habe die Aussage der Zeugin A., die sich vor der Kammer auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, unter Verstoß gegen § 252 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt und verwertet, ist diese in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge unbegründet.
Zweck des § 252 StPO ist es, dem Zeugen, der zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, bis zu seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung die Freiheit der Entschließung über sein Recht zu erhalten und ihn in den Fällen des § 52 StPO davor zu schützen, voreilig zur Belastung des angehörigen Angeklagten beizutragen (BGH NJW 2000, 596, 597; OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 21. September 2010, Az. III – 2 RVs 47 und 48 /10; Sander/Cirener, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 252 Rn. 7). Zur weitest möglichen Gewährleistung dieses Schutzes ist § 252 StPO über seinen Wortlaut hinaus daher nicht nur ein Verlesungsverbot, sondern auch ein allgemeines Verwertungsverbot zu entnehmen, mit der Folge, dass in der Hauptverhandlung grundsätzlich auch Verhörspersonen nicht zum Inhalt früherer Vernehmungen des nunmehr sein Zeugnis verweigernden Zeugen gehört werden dürfen (BGHSt 45, 203, 205 m. w. N.; 46, 189, 190; OLG Hamm, StV 2002, 592; OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 21. September 2010, a. a. O.).
aa) Die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes durch die Zeugin A. führt nicht zur Unverwertbarkeit ihrer Angaben, die sie im Rahmen ihres polizeilichen Notrufs gemacht hat und bei denen von mehrfachen Schlägen des Angeklagten in das Gesicht der Zeugin die Rede war. Nach ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei einem Notruf um keine Vernehmung im Sinne von § 252 StPO, sondern um eine spontane Bekundung aus freien Stücken und ein Verlangen nach behördlichem Einschreiten (BGH NJW 1998, 2229; StV 1988, 46, 47; NStZ 1986, 232; OLG München StRR 2009, 388; OLG Hamm, StV 2002, 592, 593). Auch vorliegend handelte es sich bei dem im angefochtenen Urteil wörtlich mitgeteilten Gespräch anlässlich des abgesetzten Notrufs um keine Vernehmung im Sinne von § 252 StPO. Dem den Notruf entgegen nehmenden Polizeibeamten kam es, wie Inhalt und Verlauf des Gesprächs deutlich machen, bei seinen kurzen Fragen an die Zeugin ausschließlich darauf an, abzuklären, ob ein Notfall vorlag, eine behördliche Hilfeleistung erforderlich war und wo sich Opfer und mutmaßlicher Täter zum Zeitpunkt des Anrufs aufhielten. Einzelheiten zum Tatgeschehen wurden gerade nicht abgefragt.
bb) Zu Recht hat das Landgericht Bochum auch die im Hausflur der ehelichen Wohnung getätigten Äußerungen der Zeugin A. direkt nach Eintreffen der polizeilichen Einsatzbeamten verwertet. Auch insoweit lag keine Vernehmung der Geschädigten i. S. v. § 252 StPO vor, sondern es handelte sich um verwertbare, aus freien Stücken getätigte Spontanäußerungen der Zeugin A. vor Beginn der später im Wohnzimmer durchgeführten Vernehmung (vgl. BGH, StV 1998; 360; BGH StV 1988, 46; BGH NJW 1980, 2142; OLG München, StRR 2009; 203; OLG Saarbrücken, NJW 2008, 1396; OLG Hamm, NStZ-RR 2002, 370). Ausweislich der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil hatten die polizeilichen Einsatzbeamten zunächst keine Fragen an die Zeugin A. gestellt. Diese hatte vielmehr spontan in einem „nicht zu bremsenden Redeschwall“ den Einsatzbeamten unmittelbar nach deren Eintreffen und sofort nach Öffnen der Wohnungstür davon berichtet, dass sie von ihrem Mann geschlagen und mit einem Gürtel bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden sei. In diesem Zusammenhang hatten die Einsatzbeamten lediglich kurz nach dem genauen Aufenthaltsort des Angeklagten in der Wohnung fragen können, ohne allerdings die Zeugin über das Tatgeschehen zu befragen.
cc) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch die vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen S. gefertigten Lichtbilder von den Verletzungen der Zeugin A. beweismäßig verwertet. Insoweit handelt es sich um sog. Befundtatsachen. Diese sind Anknüpfungstatsachen für das Gutachten, die der Sachverständige auf Grund seiner Sachkunde selbst festgestellt hat. Solche (Befund-)Tatsachen sind insbesondere Wahrnehmungen am lebenden Körper (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 79 Rn. 10). Hinsichtlich solcher Befundtatsachen gilt § 252 StPO nicht (BGHSt 11, 97, 99; Meyer-Goßner, StPO, § 252 Rn. 10). Der Sachverständige S. wurde ausweislich der Urteilsgründe allein sachverständig zu den von ihm gefertigten Lichtbildern im Sinne von Befundtatsachen angehört. Eine zeugenschaftliche Vernehmung des Sachverständigen insbesondere zu möglichen Angaben der Zeugin A. ihm gegenüber zum Tatgeschehen und zu den erlittenen Verletzungen fand gerade nicht statt. Soweit die Revision des Angeklagten darüber hinaus die fehlende Belehrung der Zeugin A. vor ihrer Untersuchung durch den Sachverständigen rügt, zeigt dies keinen Rechtsfehler auf, da § 252 StPO im Rahmen körperlicher Untersuchungen nach § 81 c StPO keine Anwendung findet (Meyer-Goßner, StPO, § 252 Rn. 6).
Soweit der Angeklagte mit seiner Revision rügt, der Antrag der Verteidigung vom 12. Oktober 2010, mit dem in der Berufungshauptverhandlung beantragt worden sei, „gemäß § 252 StPO von der Verlesung sämtlicher Aussagen bzw. Äußerungen der Ehefrau des Angeklagten“ einschließlich des Notrufs, der Verlesung des Gutachtens vom Sachverständigen S. und von der Einführung der Lichtbilder in der Hauptverhandlung „Abstand zu nehmen“, sei nicht beschieden worden, begründet der behauptete Vorgang keinen Verfahrensmangel. Bei dem gestellten Antrag handelt es sich der Sache nach um einen Widerspruch gegen die Verwertung der genannten Angaben der Zeugin A. sowie der aufgeführten ergänzenden Beweismittel. Dieser im Rahmen des § 252 StPO rechtlich nicht einmal notwendige Widerspruch in der Hauptverhandlung (vgl. OLG Hamm, StV 2002, 592) bedurfte keiner ausdrücklichen Bescheidung durch die Berufungskammer.
Soweit die Revision weiterhin die gerichtlichen Vorhalte gegenüber der Zeugin F. rügt, ist auch diese Verfahrensrüge unbegründet. Grundsätzlich erstreckt sich das umfassende Verwertungsverbot des § 252 StPO auch auf Vorhalte aus Vernehmungen der zeugnisverweigerungsberechtigten Person. Der Zeugin F. sind aber keine Angaben der Zeugin A. sondern - in rechtlich zulässiger Weise - ihre eigenen Angaben in der von ihr gefertigten Strafanzeige vorgehalten worden.
Auch die weitere Rüge der Revision, die Fotos Bl. 9 und 10 sowie 42 bis 44 d. A. hätten nicht in Augenschein genommen werden dürfen, greift nicht durch. Das Urteil beruht nämlich nicht auf einem damit verbundenen etwaigen Verfahrensverstoß, da das angefochtene Urteil innerhalb der Beweiswürdigung allein auf die vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen S. rechtmäßig angefertigten und vom Revisionsführer auch nicht angegriffenen Fotos Bl. 135 d. A. abstellt, die nach dem oben Gesagten in zulässiger Weise von der Kammer verwertet werden durften und die sich im Übrigen vom Darstellungsbild und „Aussageinhalt“ nicht maßgeblich von den beanstandeten Fotos unterscheiden.
f) Die weitere Verfahrensrüge, „dem Widerspruch der Verteidigung gegen die Vernehmung des Zeugen KHK H. hätte nach Maßgabe der Ausführungen zu den vorausgegangen Rügen stattgegeben werden müssen, …“ ist bereits nicht in zulässiger Form (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) erhoben. So trägt die Revision nicht vor, was Gegenstand der Vernehmung des Zeugen H. war und ob und inwieweit dessen Zeugenaussage Grundlage der getroffenen Feststellungen geworden ist. Diesbezüglicher Darlegungen hätte es insbesondere auch deshalb bedurft, weil ausweislich der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil die landgerichtlichen Feststellungen nicht (auch) auf die Angaben des Zeugen KHK H. gestützt werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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