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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 61/06 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Verkehrsverhalten wird aber nur dann von § 315 b StGB als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfasst, wenn der Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Fahrzeug dabei in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr; Einsatz des Pkw als Waffe; Perversion;

Normen: StGB 315 b

Beschluss:

Strafsache
gegen K.V.
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u. a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 19. Oktober 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 02. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs 4 StPO einstimmig b e s c h l o s s e n:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht Recklinghausen hat den Angeklagten am 19. Oktober 2005 wegen (vorsätzlichen) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu jeweils 25,- Euro verurteilt. Zugleich ist dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen worden. Die Verwaltungsbehörde ist angewiesen worden, dem Angeklagten vor Ablauf von acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Das Amtsgericht hat zur Sache folgende Feststellungen getroffen:

„Am 17. März 2005 fuhr die Zeugin M.A. mit ihrem PKW Ford
Focus, amtl. KennzeichenXXXxxxx, gegen 15.15 Uhr die BAB 43 in
Fahrtrichtung Wuppertal in Höhe des Abzweiges zur L 511. Dabei benutzte
die Zeugin A. die linke von 2 Fahrspuren, wobei ihre Geschwindigkeit
ca. 80 – 90 km/h betrug, die Geschwindigkeit ist in diesem Zeitraum dort
auf eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h begrenzt gewesen.
In Höhe der Ausfahrt Recklinghausen befuhr der Angeklagte mit seinem PKW
VW-Golf, amtl. Kennzeichen XXXXXX die rechte Fahrspur ungefähr in
Höhe des Fahrzeuges der Zeugin A.. Plötzlich und unerwartet setzte
der Angeklagte seinen Blinker nach links und zog zeitgleich auf die linke
Fahrspur herüber. Die Zeugin A. musste ihr Fahrzeug abbremsen und
hupte, um den Angeklagten auf sich aufmerksam zu machen. Daraufhin
wechselte der Angeklagte mit seinem Fahrzeug wieder auf die rechte Fahr-
spur. Die Zeugin A. fuhr weiterhin auf der linken Fahrspur, die Fahr-
zeuge vorher hatten die Fahrzeuge auf der rechten Spur bereits passiert.
Als sich die Zeugin A. mit ihrem PKW wiederum neben dem PKW des
Angeklagten befand, zog der Angeklagte sein Fahrzeug plötzlich wieder
auf die linke Spur. Die Zeugin A. musste erneut abbremsen und
hupte erneut. Der Angeklagte ließ sich dadurch jedoch nicht beirren,
sondern zog sein Fahrzeug weiter auf die linke Spur. Die Zeugin
A. musste nach links ausweichen und kam der Leitplanke immer näher. Wenn sie nicht ausgewichen wäre, wäre sie mit dem Fahrzeug mit ihrem
rechten vorderen Kotflügel und dem hinteren Kotflügel des Fahrzeugs des
Angeklagten kollidiert. Nachdem der Angeklagte mit vollem Umfang die
linke Fahrspur erreicht hatte, bremste er sein Fahrzeug plötzlich stark ab,
ohne dass dieses verkehrsbedingt notwendig gewesen wäre. Auch die
Zeugin A. musste ihr Fahrzeug stark abbremsen, um nicht auf das
vor ihr fahrende Fahrzeug des Angeklagten aufzufahren. Bei der starken
Bremsung durch die Zeugin A. handelte es sich allerdings nicht um
eine Vollbremsung und auch die Reifen quietschten nicht.“

Ausweislich des angefochtenen Urteils hat sich der Angeklagte zu diesem Vorwurf und zur Sache nicht eingelassen. Das Amtsgericht hat den Angeklagten jedoch auf Grundlage der Aussagen der Zeuginnen A. und D. als überführt angesehen.

Hiergegen richtet sich die in zulässiger Form erhobene (Sprung-) Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.
Das angefochtene Urteil unterliegt auf die Sachrüge hin der Aufhebung.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind nicht geeignet, die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB zu tragen, weil sie insoweit lückenhaft sind. Nach ihnen hat der Angeklagte zwar vorschriftswidrig auf den Verkehrsablauf eingewirkt, und zwar sowohl durch das (zweite) Ausscheren auf die linke Fahrspur als auch durch das anschließende nicht verkehrsbedingte Abbremsen seines Fahrzeuges. Ein derartiges Verkehrsverhalten wird aber nur dann von § 315 b StGB als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfasst, wenn der Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Fahrzeug dabei in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat. Er muss also in der Absicht gehandelt haben, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“. Überdies muss es ihm darauf ankommen, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Dabei kommt nach den neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeuges hinzu, dass das Fahrzeug mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz eingesetzt worden ist (vgl. BGH StV 2003, 338; BGH StV 2004, 136; BGH DAR 2006, 30).

Ein solcher Schädigungsvorsatz ist in den Feststellungen des Amtsgerichts nicht festgestellt. Er ergibt sich auch nicht zwingend aus dem im Urteil dargestellten Fahrverhalten des Angeklagten. Zwar hat der Angeklagte die Zeugin A. durch ein Fahrverhalten eindeutig vorschriftswidrig behindert. Die Feststellungen lassen aber nicht in einem ausreichenden Maße unter Berücksichtigung der Geschwindigkeit der Fahrzeuge, ihres konkreten Abstandes zueinander bei den Fahrmanövern des Angeklagten und der bestehenden Ausweichmöglichkeiten erkennen, dass der Angeklagte bewusst eine so kritische Situation für die Zeugin A. herbeigeführt hat und herbeiführen wollte, dass das Ausbleiben des Schadenseintritts nur noch ein glücklicher Zufall war, auf den der Angeklagte nicht mehr vertrauen konnte. Die derzeitigen Feststellungen, die insbesondere auch ausweisen, dass die Zeugin A. sowohl das (zweite) Ausscheren des Angeklagten auf die linke Fahrspur als auch seine anschließende Bremsung noch durch eine mäßig starke eigene Bremsung ihres Fahrzeugs und ein seitliches Ausweichen ausgleichen konnte, stützen allenfalls allein einen Gefährdungsvorsatz des Angeklagten, nicht aber einen Schädigungsvorsatz.


Die Feststellungen des Amtsgerichts rechtfertigen auch (noch) nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB, so dass die Verurteilung des Angeklagten auch nicht mit der Maßgabe einer entsprechenden Schuldspruchänderung aufrechterhalten werden konnte.
Denn die Feststellungen tragen noch nicht eine konkrete Gefahr für „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert“ i.S.v. § 315 c Abs. 1 StGB. Eine solche Gefahr liegt vor, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat. In dieser Situation muss die Sicherheit einer Person oder einer Sache so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Eine solche zugespitzte Gefahrenlage ist nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts anhand objektiver Kriterien wie etwa der Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge, des Abstandes zwischen ihnen und der Beschaffenheit ggfls. bestehender Ausweichmöglichkeiten zu ermitteln (vgl. OLG Hamm – 1. Strafsenat – in NZV 1991, 158; OLG Hamm – 4. Strafsenat – in NStZ-RR 2005, 245; OLG Hamm – 2. Strafsenat – in ZfS 2006, 49).

Die danach erforderliche Beschreibung des Fahrverhaltens des Angeklagten, aus der sich ergibt, dass es für die Zeugin A. „gerade noch einmal gut gegangen ist“, findet sich (noch) nicht in den Feststellungen des Amtgerichts. Die Beschreibung, dass die Zeugin beim Ausscheren des Angeklagten auf die linke Fahrspur „erneut abbremsen musste und hupte“ und „dass sie ausweichen musste, um einen Zusammenprall zu vermeiden, wobei sie der Leitplanke immer näher kam“ sowie die Beschreibung, dass sie bei dem nicht verkehrsbedingten Abbremsen des Angeklagten auf der linken Fahrspur „auch stark abbremsen musste, ohne dass es sich dabei um eine Vollbremsung handelte und die Reifen quietschten“, erfüllen diese Anforderungen nicht.


Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen dürfte sich der Angeklagte jedoch durch sein Fahrverhalten der Nötigung gemäß § 240 StGB schuldig gemacht haben. Dennoch hat der Senat den Schuldspruch nicht entsprechend geändert. Zum einen fehlt es insoweit an einem rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich der Angeklagte nach einem solchen Hinweis anders als geschehen verteidigt hätte, so dass das Urteil auf dem Mangel des Hinweises beruhte. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass die erneute Beweisaufnahme zu Feststellungen führt, die die Verurteilung des Angeklagten nach § 315 b Abs. 1 StGB oder § 315 c Abs. 1 StGB rechtfertigen.

Der aufgezeigte Mangel führt deshalb auf die Rüge materiellen Rechts zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen, die auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben wird.

Auf die erhobene Rüge formellen Rechts kam es deshalb nicht an. Der Senat weist aber darauf hin, dass die mit einer Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO begründete Aufklärungsrüge unzulässig ist, soweit mit ihr geltend gemacht wird, das Amtsgericht habe es unterlassen, den Zeuginnen A. und D. Widersprüche aus früheren Aussagen vorzuhalten. Denn mit der Aufklärungsrüge kann nicht geltend gemacht werden, der Beweisgehalt eines in der Hauptverhandlung erhobenen Beweismittels sei nicht ausgeschöpft worden, es sei denn, das Urteil gibt ausdrücklich zu erkennen, dass – bei einem Zeugen – Fragen und Vorhalte unterblieben sind (vgl. BGH NStZ 1997, 450 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall



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