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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 RVs 31/2010 OLG Hamm

Leitsatz: Wenn ein wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln rechtskräftig Verurteilter später einen nicht entdeckten Rest aus einem Vorrat noch gewinnbringend veräußert, liegt kein Strafklageverbrauch vor.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafklageverbrauch, Btm-Verfahren

Normen: StPO 264

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 10. Februar 2010 hat der 2. Strafsenat des Oberlandes-gerichts Hamm am 22.06.2010 durch auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Die Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen lässt (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Angeklagten zur Last (§ 473 Abs. 1 StPO).

Zusatz:

Ergänzend zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Hamm in ihrer Stellungnahme vom 14. Mai 2010 merkt der Senat zu der allein problematischen Frage des Strafklageverbrauchs das Folgende an:

1. Das Landgericht Hagen hat mit der angefochtenen Entscheidung die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 29. September 2009, durch das er wegen illegalen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden war, verworfen. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils wurden am 06. Mai 2009 in Iserlohn-Lethmathe in dem von dem Angeklagten geführten Fahrzeug 49,04 g Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 35,8 Prozent und bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung in dem Briefkasten des Angeklagten weitere 23,25 g Kokaingemisch mit einer Wirkstoffkonzentration von 35,8 bzw. 30,2 Prozent aufgefunden. Zu dem Besitz dieser Betäubungsmittel, die insgesamt einer Menge von 25,32 g reinem Kokainhydrochlorid entsprach, hat der Angeklagte unwiderlegt angegeben, es habe sich um eine Restmenge aus seiner Verurteilung von 2001 gehandelt, die über Jahre in einem Gartengrundstück in Iserlohn vergraben gewesen sei. Er sei bei Umgrabungsarbeiten einige Zeit vor der Tat durch Zufall auf diese Restmenge gestoßen und habe beschlossen, diese Menge gewinnbringend zu veräußern. Zu diesem Zweck sei er am Vorfallstag nach Gronau gefahren, es sei jedoch gescheitert.

Bei der „Verurteilung von 2001“ handelt es sich um das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Hagen vom 25. Juni 2001 (44 KLs 591 Js 498/99 (28/2000), durch das der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen und wegen Überlassens einer halbautomatischen Selbstladewaffe und Ausübens der tatsächlichen Gewalt über diese in zwei Fällen verurteilt worden war. Nach den Urteilsfeststellungen erwarb der Angeklagte in der Zeit von Frühjahr 1998 bis Juli 1999 bei sechs Erwerbsvorgängen insgesamt ca. 850 g Kokain und ca. 500 g Amphetamin in Teilmengen von 100 – 250 g, die er nachfolgend in Mengen von 1-65 g (Kokain) bzw. 25-100 g (Amphetamin) verkaufte. In der Zeit vom 28. Mai 1998 bis zum 29. August 1999 setzte der Angeklagte so insgesamt 604 g Kokain und 550 g Amphetamin um. Den Rest verbrauchte er nicht ausschließbar für sich. Darüber hinaus veräußerte der Angeklagte, der über keine waffenrechtliche Erlaubnis verfügte, in zwei Fällen halbautomatische Selbstladewaffen mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm an einen gesondert Verfolgten und zwar zwischen September und Dezember 1998 eine Pistole, Kaliber 45, zum Preis von 1.200,- DM und in der Zeit von Anfang 1997 bis Dezember 1998 eine 9 mm-Pistole der Marke „CZ 75“ nebst Munition zu einem nicht näher bekannten Preis.

2. Das Landgericht Hagen ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs nicht vorliegt.

Strafklageverbrauch tritt durch eine frühere rechtskräftige Verurteilung derselben Tat im prozessualen Sinne ein (Beschluss des 4. Strafsenats des OLG Hamm vom 24. August 2004 in 4 Ss 320/04; Senatsbeschluss vom 17. März 2005 in 2 Ss 68/05). Die Tat im Sinne des § 264 StPO umfasst den ganzen, nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine Einheit bildenden geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll ( Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 264 Rn. 2 m.w.N.). Ob eine Tat im Sinne des § 264 StPO vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob zwischen den fraglichen Verhaltensweisen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung eine so enge innere Verknüpfung besteht, dass eine getrennte Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Das kann grundsätzlich auch bei einer Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB der Fall sein (Meyer-Goßner, a.a.O., § 264 Rdnr. 6a; Senatsbeschluss vom 17. März 2005 in 2 Ss 68/05).

Durch das frühere Urteil des Landgerichts Hagen vom 25. Juni 2001 ist das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs nicht eingetreten. Zwar handelte es sich ausweislich der Feststellungen bei den hier in Rede stehenden Betäubungsmitteln um eine vergraben gewesene Restmenge von Betäubungsmitteln, bezüglich derer der Angeklagte bereits mit dem Urteil vom 25. Juni 2001 verurteilt worden war. Ungeachtet der Annahme einer Bewertungseinheit zwischen dem Betäubungsmittelerwerbsvorgang und den späteren Verkaufsakten sowie der Frage, in welchem Verhältnis das dem Waffenrecht unterfallende Verhalten zu dem vom Betäubungsmittelstrafrecht erfassten Verhalten des Verurteilten steht, tritt in Fällen wie dem vorliegenden jedenfalls durch das rechtskräftige Urteil eine Zäsurwirkung ein, die zur Annahme einer neuen selbständigen prozessualen Tat führt.

Schon das Reichsgericht hat bei gewerbsmäßig bzw. bei fortgesetzt begangenen Taten den „klaren und einfachen“ Grundsatz gesehen, dass ein Urteil den „Schuldspruch nur auf die Feststellung von Ereignissen, die sich in der Vergangenheit zugetragen haben, und auf Zustände stützen kann, die in der Gegenwart bestehen. Alles, was nach der Verkündung des Urteils geschieht, kann von diesem nicht erfasst und nicht erledigt werden, sondern bleibt einer künftigen Strafverfolgung zugänglich“ (RGSt 66, 45, 48; OLG Karlsruhe, StV 1998, 28 m.w.N.). Dies hat der BGH mit der Erwägung bekräftigt, dass „das Urteil naturgemäß nur für bereits begangene, nicht für zukünftige Taten über den Strafanspruch des Staates entscheiden könne“ und in einer späteren Entscheidung (BGHSt 9, 324 f.) bei fortgesetzten Taten die Zäsurwirkung des Urteils mit der grundsätzlichen Erwägung bejaht, dass jede Verurteilung nur ein „in der Vergangenheit liegendes Tun erfassen“ könne (OLG Karlsruhe, a.a.O. m.w.N.). Diese Annahme hat gleichermaßen für solche Taten zu gelten, die sich trotz mehrerer Verhaltensweisen des Täters als eine einzige tatbestandliche Bewertungseinheit darstellen (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Namentlich ist eine solche Zäsurwirkung für Dauerdelikte wie etwa den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln oder Waffen anerkannt. Nichts anderes kann aber für das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gelten, bei dem im Wege der Bewertungseinheit mehrere auf den selben Güterumsatz gerichtete, zeitlich aber gestaffelte Teilakte zusammen gefasst werden. Denn der gerichtlichen Kognitionspflicht kann jedenfalls kein strafbares Verhalten unterfallen, welches dem Urteil zeitlich nachfolgt (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 in 1 StR 526/08 m.w.N.). Dementsprechend tritt ein Strafklageverbrauch dann nicht ein, wenn ein wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln rechtskräftig Verurteilter später den nicht entdeckten Rest aus dem Vorrat gewinnbringend veräußert (OLG Karlsruhe, a.a.O.; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rdnr. 881; Weber, BtMG, 3. Aufl., Vorbem. zu den §§ 29 ff. Rdnr. 559).



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