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Rechtsprechung

Aktenzeichen: (2) 4 Ausl A 117/09 OLG Hamm

Leitsatz: Die familiäre und persönliche Situation des Verfolgten ist grundsätzlich nicht geeignet, die Unzulässigkeit seiner Auslieferung nach § 73 IRG zu begründen, auch wenn er im Bundesgebiet lebt, verheiratet ist und hier erwerbstätig ist.

Senat: 2

Gegenstand: Auslieferungsverfahren

Stichworte:

Normen: IRG 83

Beschluss:

In pp.
hate der 2. Strafsenat des OLG Hamm am 08.06.2010 beschlossen:
Die Auslieferung des Verfolgten nach Italien zum Zwecke der Strafverfolgung ist zulässig, soweit ihm in dem Europäischen Haftbefehl des Untersuchungsrichters bei dem Landgericht Catania vom 12. Juni 2009 (Aktenzeichen: 3290/09 R.G. GIP) die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird.
Gründe:
I.
Die italienischen Behörden betreiben gegen den Verfolgten die Auslieferung u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Mit Beschluss vom 18. August 2009 hat der Senat zwar die förmliche Auslieferungshaft angeordnet, den Haftbefehl jedoch unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats Bezug genommen.
II.
Anlässlich seiner richterlichen Anhörung durch das Amtsgericht Gelsenkirchen am 18. Juli 2009 hat der Verfolgte erklärt, mit seiner Auslieferung nach Italien nicht einverstanden zu sein, und mit näherer Begründung, ergänzt durch Schriftsatz seines Beistandes u.a. vom 12. April 2010 Einwendungen gegen die Auslieferung nach Italien erhoben. Hierzu hat er u.a. angeführt, er lebe seit fast vier Jahren mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen drei schulpflichtigen Kindern in Deutschland, sei hier als Koch erwerbstätig und verfüge hier über feste soziale Beziehungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den anwaltlichen Schriftsatz und den protokollierten Vortrag des Verfolgten Bezug genommen.
Das fehlende Einverständnis des Verfolgten zur vereinfachten Auslieferung macht eine Entscheidung des Senats über die Zulässigkeit der Auslieferung erforderlich. Die Auslieferung des Verfolgten ist für zulässig zu erklären, soweit dessen Auslieferung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung begehrt wird.
1)
Der übermittelte Europäische Haftbefehl entspricht den Voraussetzungen des § 83 a IRG. Die erforderlichen Auslieferungsunterlagen liegen damit vollständig vor und entsprechen den Vorgaben des § 83 a Abs. 1 Nr. 1 - 6 IRG.
Bewilligungshindernisse sind nicht ersichtlich. Bewilligungshindernisse im Sinne des § 83 b Abs. 1 u. 2 IRG liegen auch nicht vor, so dass die Voraussetzungen für die Feststellung der Zulässigkeit der Auslieferung vorliegen, zumal es sich bei der dem vorbezeichneten Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegenden Tat nach Art. 73, 74 Abs. 1, 2 D.P.R. 309/90, im Europäischen Haftbefehl als Straftat der Vereinigung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 erster Spiegelstrich des Rahmenbeschlusses des Europäischen Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 13.06.2002 (AbI. EG Nr. L 190 S. 1) qualifiziert, somit um eine Katalogtat handelt, die beiderseitige Strafbarkeit mithin nicht zu prüfen ist.
Die dem Verfolgten zur Last gelegte Tat – Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – ist entgegen den Ausführungen des Beistand in seinem Schriftsatz vom 12. April 2010 hinreichend konkretisiert. Den Angaben der italienischen Behörden ist zu entnehmen, dass es sich um eine Vereinigung handelte, die auf eine gewisse Dauer angelegt war und einen gemeinsamen Zweck verfolgte. Die Beiträge der einzelnen Mitglieder sind klar umrissen. Dem Verfolgten kam die Aufgabe zu, die Betäubungsmittel zu lagern.
Die dem Verfolgten zur Last gelegte Straftat ist nach deutschem - unabhängig von der hier anwendbaren Strafvorschrift - sowie nach italienischem Recht im Höchstmaß mit einer Strafe von mindestens einem Jahr bedroht. Der Verfolgte besitzt nach den Erkenntnissen der deutschen Behörden ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit (§ 2 IRG).
b)
Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 10 Abs.2 IRG, die Anlass zur Prüfung geben könnten, ob der Verfolgte des ihm zur Last gelegten Sachverhalts hinreichend verdächtig erscheint, bestehen nicht.
c)
Gründe, nach denen die Auslieferung nach § 73 IRG unzulässig sein könnte, sind nicht ersichtlich.
Auch die familiäre Situation des Verfolgten rechtfertigt unter dem Blickwinkel des in Art. 6 GG verankerten Schutzes der Familie die Unzulässigkeit der Auslieferung nicht (siehe Senatsbeschluss vom 23.11.1999 - (2) 4 AusI. 21/99 (95/99) - in NStZ- RR 2000, 158). Die familiäre und persönliche Situation des Verfolgten ist nicht geeignet, die Unzulässigkeit seiner Auslieferung nach § 73 IRG zu begründen, auch wenn er im Bundesgebiet lebt, verheiratet ist und hier erwerbstätig ist. Nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (siehe zum Beispiel: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. Juli 1979 — 2 AK 8/79 —; GA 1987, 30; OLG Hamburg, Beschluss vom 31. Mai 1979 — AusI. 5/79; OLG München, Beschluss vom 18. März 1985 - OLG AusI. 25/85 -‚ in E/L U 106, 5. 357 f.; OLG Schomburg NStZ 1999, 359 f.; OLG Köln, Beschluss vom 15. Februar 2005 - AusI 10/05 - 8/05 -; OLG München, Beschluss vom 18. März 1985 - OLG AusI. 25/85), der sich auch der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. November 1999 — (2) 4 AusI. 21/99 (95/99), abgedruckt in: NStZ-RR 2000, 158; vom 19. Januar 2004 - (2) 4 AusI. A 34/2003 (5/04); vom 7. Januar 2004 - (2) 4 AusI. 74/2003 (161/03) - vom 21. Dezember 2006 - (2) 4 AusI. A 25/06 (313/06)), ist bei Beeinträchtigungen des Familienlebens nämlich eine Abwägung durchzuführen, inwieweit die familiären Belange des Verfolgten auch nach deutschem Recht eine Strafvollstreckung nicht hindern würden. Diese Auffassung wurde auch durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. m.w.N. BVerfG, Beschl. vom 01.12.2003 - 2 BvR 879/03 -). Ihr liegt die Überlegung zu Grunde, dass auch die nach nationalem Recht zulässige Durchführung eines Strafverfahrens und die in ihm ausgesprochene Sanktion zwingend das Familienleben beeinträchtigen. Sodann kann aber für die Abwägung bei der Auslieferung prinzipiell und vorliegend erst recht nichts anderes gelten: Wenn und soweit die familiären Belange des Verfolgten auch nach deutschem Recht die Strafverfolgung nicht hindern, die regelmäßig zu vielgestaltigen Beeinträchtigungen des Familienlebens führen, ist auch die auslieferungsrechtliche Abwägung zu Art. 6 Abs. 1 GG nicht gegenteilig vorzunehmen, sofern die eintretenden Beeinträchtigungen - was regelmäßig und auch vorliegend der Fall ist - im Wesentlichen denen vergleichbar sind, die bei einer Verfolgung in Deutschland entstehen könnten.
d) Insbesondere ist auch kein Hindernis nach § 83 b Abs. 2 lit. a) IRG gegeben. Danach kann die Bewilligung der Auslieferung eines Ausländers, der im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zum Zwecke der Strafverfolgung abgelehnt werden, wenn die Auslieferung eines Deutschen gemäß § 80 Abs. 1 und 2 IRG nicht zulässig wäre. Hier ist von einem "gewöhnlichen Aufenthalt" des Verfolgten im Inland, der sich seit fast vier Jahren im Bundesgebiet aufhält, nicht auszugehen. Zwar fällt der legale Aufenthaltsort eines Ausländers in Deutschland, der gemäß den Bestimmungen des deutschen Rechts, namentlich des Melderechts besteht (vergleiche dazu: OLG Dresden, Beschluss vom 05. Oktober 2006 - OLG 34 AusI 46/06), im Grundsatz darunter. Allerdings kann nicht jeder Aufenthalt für die Annahme eines "gewöhnlichen Aufenthalts" im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift herangezogen werden. Dies gilt insbesondere, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass zwischen der Einreise in das Bundesgebiet und der Strafverfolgung ein Zusammenhang besteht, was hier angesichts des mitgeteilten Tatzeitraums (März 2007) und der Einreise im September 2007 anzunehmen ist. Schließlich steht hinter der gesetzgeberischen Zielsetzung der Gedanke, dass der Verfolgte die Möglichkeit erhalten soll, wieder ins Inland zurückzukehren, weil er zu diesem Staat Bindungen aufgebaut hat, so dass seine Resozialisierungschancen durch eine Rückkehr erhöht werden können, wobei insbesondere das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle spielt (vergleiche dazu: EuGH, EUGRZ 2008, 607, 610; OLG Dresden, Beschluss vom 05. Oktober 2006 — OLG 34 AusI 46/06). Dies ist indes dann nicht der Fall, wenn die Einreise in das Bundesgebiet von der Zielsetzung getragen ist, der Strafverfolgung im Heimatland zu entgehen. Dies ist vorliegend zu besorgen, so dass keine engen Bindungen an Deutschland festzustellen sind, die die Annahme recht-fertigen, dass die Resozialisierungschancen des Verfolgten durch eine Rückkehr nach Deutschland ( zur Strafvollstreckung im Verurteilungsfall) wesentlich erhöht würden.
III.
Hinsichtlich des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verbleibt es bei den Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 18. August 2009, dass nämlich die Sachverhaltsschilderung nicht ausreichend ist. Auch die neuerlich seitens der italienischen Behörden übersandten Unterlagen rechtfertigen eine andere Beurteilung nicht.




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