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Rechtsprechung

Aktenzeichen: III-3 RVs 43/10 OLG Hamm

Leitsatz: Keine Aufhebung eines wegen vermeintlich unzulässig eingeschränkter Berufung umfassend neu verhandelten Urteils ohne Beschwer des Angeklagten
Hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung der Staatsanwaltschaft verkannt und trotz eingetretener horizontaler Teilrechtskraft eine neue umfassende Hauptverhandlung zur Schuld- und Straffrage durchgeführt, bedarf es auf die Revision des Angeklagten der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache dann nicht, wenn der Angeklagte durch die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht beschwert ist.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsbeschränkung, Teilrechtskraft, neue Hauptverhandlung, Beschwer des Angeklagten

Normen: StPO 318

Beschluss:


________________________________________
In pp.
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.06.2010 beschlossen:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Mit Urteil vom 07.12.2009 verhängte das Amtsgericht Detmold wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten gegen den geständigen Angeklagten und ordnete eine Sperrfrist von zwei Jahren für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis an.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe setzte das Amtsgericht zur Bewährung aus.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Detmold Berufung eingelegt und diese unter Beschränkung des Rechtsmittels auf das Strafmaß und insoweit auf den Ausspruch zur Strafaussetzung zur Bewährung damit begründet, letzterer sei im Hinblick auf die zahlreichen Vorbelastungen des Angeklagten sowie die Tatbegehung während einer laufenden Bewährungszeit zu Unrecht erfolgt.
In der anberaumten Berufungshauptverhandlung am 24.03.2010 erteilte der Vorsitzende der Strafkammer den Hinweis, dass die Beschränkung unwirksam sei, da im angefochtenen Urteil von einer tatmehrheitlichen statt von einer tateinheitlichen Tatverwirklichung ausgegangen worden sei, und führte im Anschluss eine vollständige Beweisaufnahme zur Schuld- und Straffrage durch.
Mit Urteil vom selben Tag verhängte die erste kleine Strafkammer II des Landgerichts Bielefeld wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten gegen den Angeklagten und setzte eine Sperrfrist von noch einem Jahr und neun Monaten fest.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts - insbesondere die unterbliebene Strafaussetzung zur Bewährung - rügt.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
A.
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, da das Berufungsgericht zu Unrecht von einer Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen ist.
Dieser Rechtsfehler führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da der Angeklagte durch diesen nicht beschwert ist.
1.
Aufgrund einer zulässigen nicht auf einen bestimmten Beschwerdepunkt beschränkten Revision hat das Revisionsgericht unabhängig von einer entsprechenden Verfahrensrüge und zunächst auch ohne Rücksicht auf eine Beschwer des Revisionsführers von Amts wegen zu prüfen, ob das Berufungsgericht den ihm durch eine Berufungsbeschränkung gesteckten Rahmen für seine Entscheidung eingehalten hat. Wenn im Verfahren infolge zulässiger Berufungsbeschränkung Teilrechtskraft eingetreten ist, muss dieses sowohl vom Berufungs- wie vom Revisionsgericht als Verfahrenshindernis beachtet werden. In Fällen, in denen die Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, darf sich das Berufungsgericht grundsätzlich über die Sperrwirkung des rechtskräftigen Schuldspruchs nicht hinwegsetzen. Es hat diesen seiner Entscheidung zugrunde zu legen und ist an die den Schuldspruch tragenden und näher kennzeichnenden Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden. Die bloße Fehlerhaftigkeit des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils bei der Anwendung gültiger Strafnormen macht eine Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß nicht unwirksam (OLG Oldenburg, NStZ-RR 2010, S. 56; OLG Hamm, BeckRS 2009, 29996; BayObLG, Beschl. v. 28.04.1988 – RReg 4 St 42/88). Eine fehlerhafte Subsumtion hindert die Beschränkung der Berufung gleichfalls nicht. Ebenso wenig steht der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung entgegen, dass das Erstgericht möglicherweise zu Unrecht Tatmehrheit statt Tateinheit angenommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 14.05.1996 - 1 StR 149/96; OLG Hamm, NZV 2008, S. 371; OLG Frankfurt,
NStZ-RR 2004, S. 74).
Die Verurteilung wegen tatmehrheitlicher statt tateinheitlicher Tatbestandsverwirklichung stand der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung hiernach nicht entgegen.
2.
Eine Unwirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch und hier die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung wäre danach allenfalls dann in Frage gekommen, wenn die Schuldfeststellungen des Amtsgerichts derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich gewesen wären, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung hätten bilden können (vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 31.03.2009 – 1 Ss 111/09; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2010, § 318 Rdn. 16 m.w.N.).
Dies ist nicht der Fall, da die Feststellungen des Erstgerichts zum Tatgeschehen eine ausreichende Grundlage im vorgenannten Sinne geboten haben.
Das Amtsgericht hat festgestellt:
"Der Angeklagte fuhr am 18.08.2009 gegen 0:25 Uhr mit einem Personenkraftwagen der Marke P mit dem Kennzeichen … von der P-Straße geradeaus auf den Q-Straße, bevor er etwas weiter links in die T-Straße einbog. Dort fuhr er erst an den Fahrbahnrand und dann zur Mitte. Da wurde der Angeklagte von der Polizei, denen das vorherige Schlangenlinienfahren des Angeklagten auffiel, angehalten. Zum Führen des Fahrzeugs war der Angeklagte, wie ihm bekannt war, nicht berechtigt, weil er zu diesem Zeitpunkt keine Fahrerlaubnis besaß.
Um 01:06 Uhr wurde ihm eine Blutprobe entnommen, die eine Blutalkoholkonzentration von 1,01 o/oo ergab. Ferner ergab die Untersuchung der ihm am 18.08.2009 um 01:05 Uhr entnommenen Blutprobe einen Konsum von Amphetaminen und Cannabinoiden.
Aufgrund seiner Alkoholisierung, der Einnahme von Drogen und seiner Fahrweise, indem er erst Richtung Fahrbahnrand und anschließend zur Mitte der Fahrbahn fuhr, war der Angeklagte nicht mehr in der Lage, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen. Diese Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte erkennen können und müssen."
Aufgrund der eingetretenen horizontalen Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils verbot sich folglich dem Grunde nach die Durchführung einer neuerlichen Hauptverhandlung auch zur Schuldfrage und die Verwertung der insoweit gewonnenen Erkenntnisse.
3.
Dieser Rechtsfehler führt indes nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung, da der Angeklagte im vorliegenden Fall durch die zu Unrecht angenommene Unwirksamkeit der Beschränkung nicht beschwert ist.
Grundsätzlich gilt, dass bei einer wirksamen Beschränkung, die das Berufungsgericht nicht beachtet oder irrtümlich für unwirksam gehalten hat, das erste Urteil teilweise rechtskräftig und in diesem Umfang nicht mehr Teil einer neuen Sachentscheidung sein darf. Das Revisionsgericht muss den richtigen Zustand wieder herstellen, also im Regelfall das Urteil teilweise aufheben (Hanack in: Löwe-Rosenberg, StPO; Stand: 01.11.1998, § 337 Rdn. 56).
In der Konsequenz wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung entsprechend dergestalt verfahren, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Ausgangsgerichts zurückverwiesen wird (vgl. insoweit zu einem nahezu identisch gelagerten Sachverhalt: OLG Hamm, NZV 2008, S. 371).
Zum Teil wird darauf abgestellt, dass von einer Aufhebung und Zurückverweisung abgesehen werden könne, wenn die Schuldaussprüche des ersten und zweiten Rechtszuges übereinstimmen oder wenn der Angeklagte Revision eingelegt hat und der Schuldspruch des zweiten Urteils für ihn günstiger ist (vgl. Hanack in: Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 337, Rdn. 56).
4.
Der (Teil-) Aufhebung und Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung bedarf es nur dann, wenn die Verkennung der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung zu einer Beschwer für den Angeklagten geführt hat (so bereits: Senat , Beschluss vom 26.04.2006, 3 Ss 34/06). Dies ist der Fall, wenn er durch die angegriffene Entscheidung in seinen Rechten und geschützten Interessen unmittelbar beeinträchtigt ist, wobei sich diese Beeinträchtigung aus dem Entscheidungsausspruch selbst ergeben muss (HK-StPO- Rautenberg, 4.A., § 296 StPO, Rn. 12 m.w.N.).
Eine Abweichung zwischen dem Urteil erster Instanz und dem Urteil der Berufungskammer besteht hier allein hinsichtlich der Würdigung des Konkurrenzverhältnisses.
Die zweitinstanzliche Verurteilung wegen tateinheitlicher Tatbestandsverwirklichung und damit die Verhängung einer Einzelstrafe ist indes nicht nachteiliger als die erstinstanzliche Verurteilung wegen zweier rechtlich selbstständiger Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe. Auch bei einer revisionsgerichtlichen Überprüfung besteht im Rahmen des § 354 StPO die Möglichkeit, ohne Verletzung des Verschlechterungsverbotes zu Lasten des allein revidierenden Angeklagten statt auf Tatmehrheit auf Tateinheit zu erkennen und die Gesamtstrafe als Einzelstrafe auf- rechtzuerhalten, wenn anzunehmen ist, dass der Tatrichter auf sie erkannt hätte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 354 Rdn. 22). Hier sind die vom Amtsgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe und die von der Berufungskammer verhängte Freiheitsstrafe mit jeweils sechs Monaten aber ebenfalls gleich hoch.
B.
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
1.
Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs des angefochtenen landgerichtlichen Urteils ist dem Senat wegen der vormals wirksamen Berufungsbeschränkung der Staatsanwaltschaft nur im verbleibenden, nicht rechtskräftigen Teil des Urteils und damit nur noch hinsichtlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung möglich. Bei wirksamer Berufungsbeschränkung, unabhängig davon, ob das Berufungsgericht diese zutreffend gewürdigt hat, darf das Revisionsgericht nämlich nur noch den angefochtenen Urteilsteil prüfen (Meyer-Goßner, a.a.O., § 352 Rdn. 4).
Die Beschränkung allein auf den Ausspruch der Strafaussetzung zur Bewährung war hier auch zulässig, da keine innere Abhängigkeit der Aussetzungsfrage von der gesamten Straffrage bestand und die Beschränkung zu keinen Widersprüchen zwischen den nicht angefochtenen Teilen des Urteils und der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts führen konnte (vgl. hierzu Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 16.03.2009 - 1 Ss 6/09; Meyer-Goßner, a.a.O., § 318 Rdn. 20 a jew. m.w.N.)
2.
Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung Stand.
Die strafzumessungsrechtliche Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Strafe zur Bewährung auszusetzen ist, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, diese zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht hat angesichts des dem Tatrichter bei der Prognoseentscheidung zustehenden Ermessensspielraums die Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen und allenfalls zu prüfen, ob der Tatrichter Rechtsbegriffe oder anerkannte Strafzwecke verkannt hat oder ob Ermessenfehler vorliegen (KG Berlin, Beschl. v. 01.09.2008 - (4) 1 Ss 207/08 (114/08); OLG Hamm, Beschl. v. 17.06.2008 - 4 Ss 224/08).
Eine derartige Fehlerhaftigkeit weist die angegriffene Entscheidung nicht auf, insbesondere gibt die Würdigung des Bewährungsversagens des Angeklagten keinen Anlass zu Beanstandungen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.




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