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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws (L) 479/09 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Aussetzung der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: lebenslange Freiheitsstrafe, Aussetzung, Vollstreckung, Bewährung, Voraussetzungen

Normen: StGB 57a

Beschluss:

Strafvollstreckungssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.02.2010 beschlossen:

1.) Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2.) Die bedingte Entlassung des Verurteilten wird angeordnet.
3.) Der Zeitpunkt der Entlassung wird auf den 15.02.2011 festgesetzt.
4.) Die Justizvollzugsbehörde wird angewiesen, den Verurteilten unverzüglich in den offenen Vollzug zu verlegen.
5.) Die Erteilung von Auflagen und Weisungen sowie etwaige nach § 454a Abs. 2 StPO zu treffende Entscheidungen werden der zuständigen Strafvollstreckungskammer übertragen.
6.) Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
J..
Gegen den Verurteilten wird seit mehr als 21 Jahren eine lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt. Die Strafvollstreckungsgerichte haben es in der Vergangenheit wegen einer unklaren Gefährlichkeitsprognose mehrfach abgelehnt, den Betroffenen bedingt zu entlassen.
Der Verurteilte verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 28.06.1989. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Hannover hat den Betroffenen wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal hat in dem angefochtenen Beschluss vom 08.06.2009 die Feststellungen des Landgerichts Hannover zum Tatgeschehen zutreffend wie folgt zusammengefasst:
Der Angeklagte bewohnte gemeinsam mit seiner Freundin X. eine Wohnung in A., X-Straße. Frau X. arbeitete als Serviererin in einem Fitnesscenter. Ihre Arbeitszeit ging von Nachmittags bis spät in die Nacht, so dass sie meistens erst zwischen 2.00 und 3.00 Uhr Nachts nach Hause kam. Als der Angeklagte noch als Bäcker beschäftigt war, war dies der Zeitpunkt, an dem er zur Arbeit gehen musste. Wenn er von der Arbeit nach Hause kam, begann jedoch wieder die Arbeitszeit seiner Freundin. Die Arbeitszeiten der beiden waren so verschieden, dass sie sich bisweilen über mehrere Wochen kaum sahen. Der Angeklagte verbrachte daher seine Freizeit oft in Spielhallen. Ihm standen hierfür monatlich 700,00 DM zur Verfügung. Er überwies bis Ende September 1988 1.000,00 DM von seinem Einkommen als Bäcker in Höhe von 1.700,00 DM auf das Konto seiner Freundin, womit sein Anteil an Miete und Verpflegung abgedeckt war. Da dem Angeklagten jedoch die ihm zur Verfügung stehende Summe in Höhe von 700,00 DM nicht genügte, hob er monatlich zwischen 300,00 und 400,00 DM heimlich vom Konto seiner Freundin mit deren Scheckkarte ab. Nachdem der Angeklagte ab 1. Oktober 1988 arbeitslos war und keinerlei finanzielle Zuwendungen mehr erhielt, kam er vermehrt in Geldschwierigkeiten. Weil er weiter spielen wollte, musste er versuchen, sich irgendwo anders Geld zu beschaffen. Ihm war klar, dass er den von ihm bisher benötigten Betrag in Höhe von 1.000,00 DM nicht weiterhin unbemerkt vom Konto seiner Freundin abheben konnte. Ihm kam immer öfter der Gedanke, dass er jemand töten wollte, der viel Geld bei sich hat. Der Angeklagte träumte in den folgenden Tagen und Wochen auch oftmals, dass er einen Menschen umbringt und dann bei dem Getöteten viel Geld vorfindet.
Am Freitag, den 21.10., und Samstag, den 22.10.1988, war die Freundin des Angeklagten krankgeschrieben. Der Angeklagte und Frau X. verbrachten die Tage fast ausschließlich damit, dass sie sich im Bett aufhielten und Whisky mit Cola tranken. Nur der Angeklagte verließ jeweils zwei- oder dreimal am Tag die Wohnung, um seinen Hund auszuführen. In der Nacht vom Samstag zum Sonntag verließ der Angeklagte kurz nach Mitternacht mit seinem Hund erneut die Wohnung. Er führte seinen Hund in Höhe der N.-Straße auf einem Brachgelände aus. Der Angeklagte trug in seiner Lederjacke ein Pfadfindermesser bei sich. Dieses Messer hatte der Angeklagte drei oder vier Tage zuvor in seine Jacke gesteckt, weil er sein Vorhaben, einen Menschen zu töten, um an Geld zu kommen, bei einem dieser Spaziergänge mit dem Hund in die Tat umsetzen wollte. In dieser Nacht überquerte gegen 0.30 Uhr die 40-jährige Polin Y. das Brachgelände. Frau Y. war auf dem Weg von der Haltestelle Y2 zu ihrer Wohnung in der Z.-Straße. Den sehr dunklen Weg über das Brachgelände hatte Frau Y. genommen, weil er eine erhebliche Abkürzung für ihren Heimweg bedeutete.
Als der Angeklagte Frau Y. begegnete, ließ er sie zunächst vorbeigehen und folgte ihr dann. Er war nunmehr fest entschlossen, diese Frau zu töten, um an Geld zu kommen und ging deshalb hinter ihr her. Kurz bevor er Frau Y. erreicht hatte, nahm er sein Messer in die Hand. Er umfasste die Frau mit der linken Hand von hinten am Hals und hielt sie fest. Mit direktem Tötungsvorsatz stieß er Frau Y. das Messer zunächst einmal in den Rücken. Nachdem der Angeklagte das Messer wieder herausgezogen hatte, riss er die Frau zu Boden. Frau Y. kam auf dem Bauch zu liegen, und der Angeklagte stach weiterhin mit direktem Tötungsvorsatz mehrfach in den Rücken der Frau. Da Frau Y. noch Lebenszeichen von sich gab, nahm der Angeklagte die Hundeleine, legte sie ihr um den Hals und zog zu. Auch hierbei handelte der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz. Der Angeklagte zog mit beiden Händen an den Enden der Leine und zählte dabei bis 50. Als der Angeklagte danach merkte, dass die Frau immer noch lebte, drehte er sie um und stieß ihr mit direktem Tötungsvorsatz das Messer in die Brust genau in Richtung des Herzens. Danach stach er Frau Y. noch mehrfach mit dem Messer in den Hals.
Als Frau Y. tot war, nahm der Angeklagte ihre Handtasche und plünderte sie. Er entnahm der Handtasche ein Portemonnaie mit wenig Kleingeld, die Pässe der Angeklagten, eine Scheckkarte und ein Schreiben mit der Geheimnummer für diese Scheckkarte. Andere Gegenstände, die er nicht gebrauchen konnte, ließ der Angeklagte in der Tasche oder warf sie weg, z.B. einen Spiegel und einen Kugelschreiber. Anschließend versuchte er, das Portemonnaie von Frau Y. anzustecken, weil er befürchtete, dass man darauf seine Fingerabdrücke sichern könnte. Weiterhin nahm er Frau Y. eine Armbanduhr vom Arm und Riss ihr zwei Kettchen vom Hals. Anschließend zerrte er die Getötete in ein Gebüsch und bedeckte sie dort mit Zweigen. Da die Getötete dabei ihre Schuhe verloren hatte, sammelte der Angeklagte diese auf und warf sie in verschiedene Richtungen weg. Anschließend ging er nach Hause.
Zu Hause wusch er sich seine blutigen Hände und zog seine mit Blut beschmierte Kleidung aus.
Bereits gegen 4.00 Uhr verließ der Angeklagte erneut die Wohnung und fuhr mit dem Fahrrad zu einer Bank am P.-Platz. Er hatte die Scheckkarte von Frau Y. und ihre Geheimnummer dabei und wollte an einem Geldautomaten Geld vom Konto der Frau abheben. Da der Automat jedoch bis 6.00 Uhr morgens gesperrt war, ließ er sich nur einen Kontoauszug ausdrucken, aus dem sich ergab, dass auf dem Konto ungefähr 4.000,00 DM gutgeschrieben waren. Der Angeklagte fuhr weiter zum Hauptbahnhof, um dort Geld abzuheben. An einem Geldautomaten im Hauptbahnhof konnte er sein Vorhaben nicht durchführen, da die Karte für diesen Automat nicht zugelassen war, ein weiterer Automat gegenüber dem Hauptbahnhof war außer Betrieb. Der Angeklagte fuhr deshalb zunächst wieder nach Hause, um noch etwas zu schlafen. Kurz vor 6.00 Uhr fuhr er erneut mit dem Fahrrad zur Bank am P.-Platz und hob vom Konto von Frau Y. einmal 900,00 und einmal 100,00 DM ab. Der Angeklagte wusste, dass er mit dieser Karte nur einen Betrag in Höhe von 1.000,00 DM pro Tag abheben konnte. Als der Angeklagte am nächsten Tag erneut versuchte, mit der Karte Geld abzuheben, wurde die Karte eingezogen. Das Geld verspielte der Angeklagte in den nächsten zwei Tagen an verschiedenen Spielautomaten.
Am 26.10.1988 rief der Angeklagte gegen 1.50 Uhr bei der Kriminalpolizei an und erklärte, dass er der Täter sei und sich nunmehr stellen wolle. Zwischen dem Angeklagten und der Polizei wurde noch für diese Nacht am Tatort ein Treffen vereinbart, wo der Angeklagte kurze Zeit später festgenommen werden konnte.
Frau Y. war durch Verbluten nach innen und außen bei tiefgehenden Rückenstichverletzungen verstorben.
Bei der Obduktion waren u.a. folgende Befunde erhoben:
4 Rückenstichverletzungen, wobei die oberste bereits nach 4 cm im Zwischenrippenraum endete, die zweitoberste in den Bauchraum eingetreten war mit Verletzung des oberen Poles der linken Niere und die zwei untersten in gleicher Weise in das Nierenlager hineinreichten mit weitgehender Durchtrennung der linken Niere. 4 Halsstichverletzungen, davon die oberste in den Halswirbelkanal eindringend und Halsmark fast vollständig durchsetzend, die übrigen mit Durchsetzung sowohl der Luft- als auch der Speiseröhre zum Teil mit Durchsetzung der Halsvene und der Halsarterie links. Eine tiefgehende Bruststichverletzung rechts in den rechten Lungenmittellappen eindringend. Eine oberflächliche Bruststichverletzung rechts nahe dem Rippenbogen.
Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hat sich der Verurteilte des Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub schuldig gemacht.
Der Angeklagte hat Frau B mit direktem Vorsatz heimtückisch, aus Habgier und um eine andere Straftat zu ermöglichen, getötet (§ 211 StGB). Durch dieselbe Handlung hat er mit Gewalt gegen Frau B dieser die Handtasche mit diversen Papieren und Bargeld sowie zwei Goldketten in der Absicht weggenommen, sich diese Gegenstände rechtswidrig zuzueignen und dabei ein Mittel bei sich geführt, um den Widerstand seines Opfers mit Gewalt zu überwinden (§§ 249, 250 Abs.1 Nr. 2 StGB)
Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts war die Fähigkeit des Verurteilten, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, zur Tatzeit weder erheblich vermindert noch gar ausgeschlossen (§§ 20, 21 StGB).
Von der durch dieses Urteil verhängten Freiheitsstrafe sind seit dem 25.10.2003 15 Jahre und seit dem 25.10.2006 die festgesetzte Mindestverbüßungsdauer von 18 Jahren verbüßt.
Der Verurteilte hat sich in der Haft stets beanstandungsfrei geführt. Nachdem er psychotherapeutischen Gesprächen zunächst zwiespältig gegenüberstand, führte der Verurteilte seit 1997 in der Haftanstalt über einige Jahre hinweg psychotherapeutische Einzelgespräche mit der Anstaltspsychologin J.. Einem Wechsel in eine sozial-therapeutische Anstalt stand er stets ablehnend gegenüber.
Gleichwohl war es bei dem Verurteilten zu einem beginnenden Prozess der Nachreifung und auch Verantwortungsübernahme gekommen. In diesem Prozess war jedoch zwischenzeitlich eine Stagnation eingetreten. So hat er nach dem Ergebnis der psychiatrischen Begutachtung durch die sachverständige Ärztin Frau N.. bis in die Gegenwart keine wirklich vertiefte Einsicht in sein Störungspotential entwickeln können. Es fehlt weiterhin an einer bedeutsamen Gefährdungseinsicht in Restrisiken. Der Verurteilte ist nicht in der Lage, eine tiefergehende Kommunikation zur Tat zu führen. Er ist eine im Inneren wenig autonom entwickelte Persönlichkeit mit einer Tendenz zur symbiotischen Beziehungsgestaltung und einer Neigung zu oberflächlich angepasstem konfliktvermeidendem Verhalten geblieben.
Zum Verlauf der Begutachtungen im Einzelnen:
Im Jahre 1999 wurde der Betroffene von der Sachverständigen Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie N. mit Blick auf die Frage einer Erstbeurlaubung sowie weitergehender Lockerungen begutachtet. Die Sachverständige N. hat ausgeführt, dass die Gefährlichkeit des Verurteilten unmittelbar mit der hypothetischen Konstellation ähnlicher persönlicher Verhaltensweisen zusammenhänge, wie sie vor dem unmittelbaren Tatgeschehen bestanden habe. Solange seine Beziehungswünsche phantasiert und symbiotisch blieben, sei die Gefahr gegeben, dass er sich über einen längeren Zeitraum wiederum eine schwierige Beziehung suchen würde, ohne dies erkennen zu können, mit der Folge eines erneuten sozialen Abstiegs mit Alkohol und weiteren Problematiken, wodurch er erneut für Straftaten anfällig wäre.
Eine weitere Begutachtung durch die Sachverständige N. erfolgte im Jahre 2002 ebenfalls zur Frage der Erstbeurlaubung. Die Sachverständige kam nunmehr zu dem Ergebnis, dass der Verurteilte trotz nicht ausreichender Tataufarbeitung eine erneute, ähnlich gelagerte Straftat als Folge eines länger währenden Beziehungskonflikts mit ambivalenten aggressiven Problemfeldern begehen könnte, wobei jedoch zusätzliche Aspekte sozialer Isolation hinzukommen müssten. Da dem Verurteilten aber seine Neigung zu pathologischer Beziehungsgestaltung zunehmend deutlich werde, erscheine die Gefahr für eine ähnlich gelagerte Beziehung deutlich reduziert. Insofern könne bei insgesamt reduziertem Gefahrenpotential aus psychiatrischer Sicht verantwortet werden, den Verurteilten zu beurlauben und später in den offenen Vollzug zu verlegen.
In der Folgezeit wurden dem Verurteilten zunehmend Vollzugslockerungen gewährt. Ab 2004 wurde er sodann in den offenen Vollzug verlegt, den er ebenso wie die bis dahin gewährten Vollzugslockerungen im Wesentlichen beanstandungsfrei bewältigte.
Mit Schriftsatz seines damaligen Verteidigers vom 22.02.2006 beantragte der Verurteilte die bedingte Aussetzung des Strafrestes, die die Justizvollzugsanstalt Bochum-Langendreer in ihrer Stellungnahme vom 19.04.2006 aufgrund der positiven Entwicklung des Verurteilten befürwortete.
Der von der Strafvollstreckungskammer zu der Frage der Gefährlichkeitsprognose hinsichtlich des Verurteilten beauftragte Sachverständige Dr. L. kam in seinem Gutachten vom 08.05.2006 zu dem Ergebnis, dass die Frage der Wahrscheinlichkeit bezüglich einer einschlägigen Rückfalltat nicht so eindeutig wie wünschenswert zu beantworten sei, da die Auseinandersetzung mit der Straftat und damit die Einsicht in die Täterpersönlichkeit (Hintergründe für die vorsätzliche Tötung) unbefriedigend sei und die berufliche und partnerschaftliche soziale Situation ungewiss sei. Auch wenn insgesamt die positiven Faktoren für ein zukünftiges Leben ohne gravierende Straftaten überwögen, dürfte eine weitere Bewährung im offenen Vollzug in Verbindung mit der Förderung der beruflichen Integration sowie der Einflussnahme auf die Gestaltung der Partnerschaft (ggbfs. durch Paargespräche) die prognostische Sicherheit erhöhen. Die Vorbereitung der Entlassung über ein Übergangshaus würde auch deutlich werden lassen, ob unter nahezu freiheitlichen Bedingungen die Abstinenz von Alkohol und Glücksspiel gelänge.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat daraufhin unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. den Antrag auf bedingte Entlassung mit Beschluss vom 31.08.2006 zurückgewiesen, wobei sie bei weiterer Bewährung des Verurteilten im offenen Vollzug die bedingte Entlassung zu einem späteren Zeitpunkt für möglich ansah.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 05.12.2006 als unbegründet verworfen.
Am 23.03.2007 hat der Verurteilte erneut einen Antrag auf bedingte Aussetzung der Reststrafe gestellt, der von der Justizvollzugsanstalt Remscheid, in die der Verurteilte zwischenzeitlich verlegt worden war, in ihrer Stellungnahme vom 30.03.2007 wegen der intensiven Mitarbeit des Verurteilten am Vollzugsziel und erfolgreicher Umschulungsmaßnahmen wiederum befürwortet wurde.
Das von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal eingeholte Gutachten zur Gefährlichkeitsprognose der Sachverständigen Dipl.-Psychologin K. vom 27.07.2007 kam zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Gesamtbefundlage keine Hinweise darauf ergebe, die psychologischerseits die Einschätzung zuließen, dass die von dem Verurteilten durch sein Tötungsdelikt zutage getretene Gefährlichkeit hinreichend reduziert sei. Behandlungs- und Stützungsmaßnahmen, die im Falle einer Strafaussetzung in Form von Auflagen eine hinreichende Reduzierung bzw. Abschwächung der personengebundenen kriminogenen Gefährdungen des Verurteilten durch äußere Einflussnahme oder Korsettierungen erwarten lassen könnten, könnten sachverständigerseits nicht aufgezeigt werden. Dieser Einschätzung lag zugrunde, dass der Verurteilte bei unauffälliger Persönlichkeitsentwicklung und Anpassungsfähigkeit bereits in der Kindheit und Jugend Affekt- und Beziehungsstörungen entwickelt habe, die bis zum Zeitpunkt der Begutachtung in Form psychostruktureller Defizite mit erhöhter Gefährdung für süchtiges und gewalttätiges Ausagieren bestünden. Eine vertiefte Einsicht in sein Störungsbild sei nicht zu belegen. Die Bereitschaft, sich intensiv und erfolgreich mit der Tat auseinanderzusetzen, sei nicht erkennbar. Postdeliktisch seien weder kriminogen relevante Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur noch der Aufbau entsprechender Hemmungsstrukturen erkennbar; der Verurteilte sei weiterhin auf narzisstisch wirkende Selbstüberhöhung angewiesen und lehne jegliche therapeutische Hilfestellung ab. Insgesamt sei davon auszugehen, dass seine Gefährlichkeit weiter fortbestehe.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer vom 04.12.2007 nahm der Verurteilte seinen Antrag auf bedingte Entlassung zurück.
Am 20.12.2007 wurde der Verurteilte in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt. Angesichts der beiden psychologischen Gutachten der Sachverständigen Dr. L. und K. sowie des damit verbundenen unklaren Entlassungszeitpunktes und der damit einhergehenden Perspektivlosigkeit des Gefangenen war ihm von der Vollzugskonferenz die Eignung für den offenen Vollzug aberkannt worden.
Im Anschluss an die Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug nahm der Verurteilte mit der Dipl.-Psychologin J. der Justizvollzugsanstalt die Therapiegespräche wieder auf, die er bereits seit etwa 1997 bis 2004 geführt hatte und die nach seiner Verlegung in den offenen Vollzug unterbrochen worden waren.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.06.2008 beantragte der Verurteilte erneut die bedingte Entlassung aus der Strafhaft, der die Justizvollzugsanstalt Remscheid nunmehr zum einen unter Verweis auf das Gutachten der Sachverständigen K. widersprach, zum anderen, weil der Verurteilte die Durchführung einer von der Justizvollzugsanstalt für erforderlich erachteten Sozialtherapie verweigerte. Der Verurteilte müsse zunächst messbare therapeutische Fortschritte in den Gesprächen mit der Dipl.-Psychologin J. machen und sodann eine neue Phase der Bewährung in Lockerungen und im offenen Vollzug durchlaufen.
Das von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal zur Frage der fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten eingeholte Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie N. vom 06.02.2009 beschrieb den Verurteilten als weiterhin wenig problembewusste, im Inneren wenig autonom entwickelte Persönlichkeit mit einer Tendenz zur symbiotischen Beziehungsgestaltung und einer Neigung zu oberflächlich angepasstem konfliktvermeidendem Verhalten. Hinsichtlich des 1989 von ihm begangenen Tötungsdeliktes seien aufgrund seiner Unfähigkeit und seiner Abwehrhaltung sehr viele Fragen der Motivation, der Handlungsrelevanz und der Hintergründe offen, so dass die Frage der weiter bestehenden Gefährlichkeit bei allen erkennbaren positiven Faktoren wie beruflicher Zukunftsperspektive, beanstandungsfreiem Vollzugsverhalten sowie Versuchen der Tatauseinandersetzung nicht sicher genug beantwortet werden könnten, um eine positive Entlassungsprognose auszusprechen. Ein erneuter Einstieg in Lockerungen, eine erneute Verlegung und Erprobung im offenen Vollzug mit Begleitung der relevanten zukunftsperspektivischen und risikorelevanten Variablen sowie eine Erarbeitung sinnvoller rückfallprophylaktischer Strategien, ggf. mit externer psychotherapeutischer Hilfe, sei allerdings sinnvoll und auch zu verantworten.
Parallel zu dem Verfahren über die bedingte Entlassung beantragte der Verurteilte im März 2009 im Hinblick auf das Gutachten der Sachverständigen N. die Rückverlegung in den offenen Vollzug, die von dem psychologischen Dienst der Justizvollzugsanstalt Remscheid mit Stellungnahme vom 23.03.2009 uneingeschränkt befürwortet wurde.
Zu einer Rückverlegung des Verurteilten in den offenen Vollzug ist es in der Folgezeit bis heute nicht gekommen, da das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen als zuständige Aufsichtsbehörde seine Zustimmung verweigerte. Das dagegen von dem Verurteilten angestrengte Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz ist bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal seit längerer Zeit anhängig und noch nicht abgeschlossen.
Mit Beschluss vom 08.06.2009 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal unter Berufung auf die gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen N. vom 06.02.2009 die bedingte Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt, weil die aufgezeigten und problematischen Persönlichkeitsanteile keine Bewertung der Risikofaktoren als bereits hinnehmbare Restrisiken zuließen. In Übereinstimmung mit der Sachverständigen sah die Strafvollstreckungskammer im Hinblick auf die lange beanstandungsfrei durchgestandene Haftzeit unabhängig von fortbestehenden Verdrängungsmechanismen die Notwendigkeit, dem Verurteilten als verhaltenstherapeutischen Ansatz die Möglichkeit zu geben, durch die erneute Gewährung von Lockerungen und die Verlegung in den offenen Vollzug die noch nicht genügend entwickelten, aber erforderlichen rückfallprophylaktischen Strategien pragmatisch und konkret unter Berücksichtigung der gegenwärtig bestehenden Paarbeziehung zu erarbeiten und zu vertiefen.
Gegen diesen ihm am 15.06.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 16.06.2009. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Verurteilte durch die Gespräche mit der Anstaltspsychologin J. und die dabei erfolgte Tataufarbeitung sehr wohl die geforderte Entwicklung und Einsichtsfähigkeit vollzogen habe. Bereits durch den reibungslosen Verlauf im offenen Vollzug über vier Jahre habe er bewiesen, dass er keine Gefahr mehr darstelle. Er sei lediglich aufgrund einer neuen Wertung durch die Sachverständige K., und nicht etwa durch das Hinzutreten neuer objektiver Tatsachen oder von Fehlverhalten, in den geschlossenen Vollzug rückverlegt worden. Hierzu habe die Justizvollzugsanstalt in ihrer Stellungnahme vom 23.03.2009 vermerkt, dass sich der Verurteilte trotz der für ihn mit überwiegend negativen Konsequenzen verbundenen Rückverlegung konstruktiv in den geschlossenen Vollzug eingefügt habe, er erneut Therapiegespräche aufgenommen habe und sich seine Entwicklung hinsichtlich Hilfekompetenz und Offenheit auf weitere Personen erweitert habe, und dass insbesondere diese Faktoren als stabilisierende und konstruktive Protektivfaktoren beschrieben werden könnten.
Der Verurteilte sei sofort zu entlassen. Eine weitere Erprobungsphase widerspreche dem verfassungsmäßigen Freiheitsanspruch des Verurteilten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
Der Senat hat einen schriftlichen Therapiebericht der Anstaltspsychologin J. eingeholt sowie anschließend eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen N. hierzu.
Die Anstaltspsychologin J. attestierte in ihrem Bericht vom 20.10.2009 dem Verurteilten eine verbesserte Selbstwahrnehmungsfähigkeit und daraus resultierend auch die verbesserte Fähigkeit, mit anderen Menschen und insbesondere Frauen umgehen zu können. Auch habe der Verurteilte nunmehr Zugang zu der von ihm begangenen Tat gefunden, könne aber nach wie vor nicht den unmittelbaren Auslöser für die Tatbegehung benennen.
Die Sachverständige N. sah in ihrer Stellungnahme vom 17.11.2009 trotz der in dem Bericht der Anstaltspsychologin J. geschilderten Persönlichkeitsnachreifung, die bislang in sämtlichen vorangegangenen Begutachtungen nicht in diesem Ausmaß erkennbar geworden sei, keine hinreichende Grundlage, ihre Beurteilung aus dem Gutachten vom 06.02.2009 zu ändern. Zwar habe der Verurteilte nunmehr den Tatablauf beschrieben; zu einer Tataufarbeitung im engeren Sinne gehöre allerdings auch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit Tatauslösern, Tatablauf, Nachtatverhalten, Motiven und Gefühlen und eben auch die Erarbeitung rückfallprophylaktischer Strategien. Insoweit sei jedoch noch eine weitere therapeutische Bearbeitung erforderlich.
Der Senat hat die Anstaltspsychologin J. sowie die Sachverständige N. am 26.01.2010 angehört.
II.
Die sofortige Beschwerde hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.
Nach § 57 a StGB i. V. m. § 57 Abs. 1 Ziffer 2 StGB wird die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur dann zur Bewährung ausgesetzt, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Bei der Entscheidung sind die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sein Verhalten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
Die Regelung des § 57 a StGB über die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe konkretisiert eine Forderung der Menschenwürde in der Strafvollstreckung (vgl. BVerfGE 45, 187, 245). Sie schafft einen Ausgleich zwischen dem Resozialisierungsanspruch und dem Freiheitsgrundrecht des zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten einerseits und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit andererseits (vgl. BVerfGE 117, 71). Für den besonders intensiven Eingriff eines möglicherweise lebenslangen Freiheitsentzuges ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen insbesondere aus dem Übermaßverbot. Dieses verlangt, dass das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor unter Umständen zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen zu einem gerechten und vertretbaren Ausgleich gebracht wird (vgl. BVerfGE 117, 71, 97). Das Übermaßverbot stellt zunächst materielle Anforderungen an die Prognoseentscheidung. Je länger der Freiheitsentzug dauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für dessen Verhältnismäßigkeit. Der nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs stößt jedoch dort an Grenzen, wo es im Hinblick auf die Art der von dem Betroffenen drohenden Gefahren, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Betroffenen in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 117, 71, 97 f). Die im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zu treffende Prognose betrifft die Verantwortbarkeit der Aussetzung mit Rücksicht auf unter Umständen zu erwartende Rückfalltaten. Je höherwertige Rechtsgüter in Gefahr sind, desto geringer muss das Rückfallrisiko sein. Bei Straftaten, die wie der Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit besonders hoch zu veranschlagen. Wegen der Art der im Versagensfall zu befürchtenden Taten kommt eine bedingte Entlassung aus der lebenslangen Freiheitsstrafe nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht (vgl. BVerfGE 117, 71, 99). Die besonders hohe Wertschätzung des Lebens rechtfertigt die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht nur in den Fällen, in denen eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten positiv festgestellt werden kann, sondern auch dann, wenn nach Erfüllung des verfassungsrechtlichen Gebots ausreichender richterlicher Sachaufklärung eine günstige Gefährlichkeitsprognose nicht gestellt werden kann, weil verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. BVerfGE 117, 71, 100 f).
Darüber hinaus begründet das Übermaßverbot verfahrensrechtliche Anforderungen. Sie betreffen vor allem das Verfahren zur Wahrheitserforschung und damit insbesondere die Feststellung der der Aussetzungsentscheidung zugrunde liegenden Prognosebasis. Denn es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf ausreichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben (vgl. BVerfGE 117, 71, 102, 105). Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben sowohl dem Sicherheitsaspekt als auch dem hohen Wert der Freiheit des Verurteilten Rechnung zu tragen. Sie steigen mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzuges, mit der auch die verfassungsrechtliche Kontrolldichte zunimmt. Vor allem wenn die bisherige Dauer der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe die Mindestverbüßungszeit übersteigt und eine besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung nicht mehr gebietet, gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner Persönlichkeit zunehmendes Gewicht für die Anforderungen, die an die für eine zutreffende Prognoseentscheidung erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind. Das Vollstreckungsgericht hat sich daher auch von Verfassungs wegen um eine möglichst breite Tatsachenbasis für seine Prognoseentscheidung zu bemühen und alle prognoserelevanten Umstände besonders sorgfältig zu klären (BVerfGE 117, 71, 107 m. w. N..)
Vollzugslockerungen haben für die im Aussetzungsverfahren zu treffende Prognoseentscheidung besondere Bedeutung. Die - gerichtlich überprüfbare (§ 109 Abs. 1, § 116 Abs. 1 StVollzG) - Entscheidung über Lockerungen ist der Leitung der Anstalt als Vollzugsbehörde zugewiesen (§ 11, § 15 Abs. 1, § 156 Abs. 2 Satz 2 StVollzG). Sie betrifft zunächst den Vollzugsalltag des Gefangenen und regelt die Form des Freiheitsentzuges. Darin erschöpft sich ihre Bedeutung allerdings nicht. Die Entscheidung der Vollzugsbehörde wirkt sich vielmehr auch auf die - den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG unterliegende - Prognoseentscheidung der Gerichte im Aussetzungsverfahren aus.
Für den Richter im Aussetzungsverfahren erweitert und stabilisiert sich die Basis der prognostischen Beurteilung, wenn dem Gefangenen zuvor Vollzugslockerungen gewährt worden sind. Gerade das Verhalten eines Gefangenen anlässlich solcher Belastungserprobungen stellt einen geeigneten Indikator für die künftige Legalbewährung dar (vgl. BVerfGE 109, 133, 165 f; 117, 71, 119). Er erhält Gelegenheit, sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens der Vollzugslockerungen zu bewähren; sein hierbei an den Tag gelegtes Verhalten ist "Verhalten im Vollzug", das der Richter bei der Prognoseentscheidung zu berücksichtigen hat (vgl. § 57a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB). Darüber hinaus machen es Vollzugslockerungen dem Gefangenen - insbesondere nach langem Freiheitsentzug - möglich, wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich seine Lebensverhältnisse und die von einer Aussetzung der Strafvollstreckung zu erwartenden Wirkungen günstiger oder ungünstiger dar. Folglich werden die Chancen, dass das Gericht, das über die Aussetzung zu entscheiden hat, zu einer zutreffenden Prognoseentscheidung gelangt, durch vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert und umgekehrt durch deren Versagung verschlechtert (vgl. BVerfGE 117, 71 , 91, 92, 108 m.w.N..)
Dieser Umstand begründet besondere Prüfungspflichten der Gerichte im Aussetzungsverfahren.
Will das Gericht die Ablehnung der Aussetzung (auch) auf die fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen stützen, darf es sich nicht mit dem Umstand einer - von der Vollzugsbehörde verantworteten - begrenzten Tatsachengrundlage abfinden. Es hat von Verfassungs wegen selbstständig zu klären, ob die Begrenzung der Prognosebasis zu rechtfertigen ist, weil die Versagung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruht(e). Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG ist alleine der zuständige Richter zur Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung berufen; er muss die vollständige Verantwortung für die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung übernehmen können (vgl. BVerfGE 22, 311, 318 f; 86, 288, 328). Dies ist nur dann gewährleistet, wenn dieser Richter die (Prognose)Basis seiner Entscheidung eigenständig klärt und diese Aufgabe nicht Dritten überlässt. Vor allem verbietet es sich, dass die Exekutive, d. h. die Vollzugsbehörde einschließlich der Aufsichtsbehörde, über eine - ungeprüfte, möglicherweise rechtswidrige - Einflussnahme auf die Tatsachengrundlage der richterlichen Entscheidung über den Freiheitsentzug deren Inhalt und Ergebnis faktisch vorwegnimmt (vgl. BVerfGE 10, 302, 310).
Das zur Entscheidung über die Aussetzung berufene Gericht muss daher die Rechtmäßigkeit der bisherigen Versagung von Lockerungen eigenständig prüfen. Maßstab der Prüfung ist, ob die Vollzugsbehörde bei der Versagung von Lockerungen die unbestimmten Rechtsbegriffe der Befürchtung von Flucht oder Missbrauch der Lockerungen zu Straftaten (§ 11 Abs. 2 StVollzG) richtig ausgelegt und angewandt, alle relevanten Tatsachen zutreffend angenommen und den Sachverhalt vollständig ermittelt hat. Bei seiner Prüfung hat das Gericht im Aussetzungsverfahren zu beachten, dass der Versagungsgrund der Flucht- oder Missbrauchsgefahr zwar geeignet ist, einen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - prognostischen Beurteilungsspielraum zu eröffnen, in dessen Rahmen die Vollzugsbehörde mehrere Entscheidungen treffen kann, die gleichermaßen rechtlich vertretbar sind, dass allerdings das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen diesem Beurteilungsspielraum auch Grenzen zieht: Die Vollzugsbehörde muss bei einem Gefangenen, dessen Entlassung nur noch von einer positiven Kriminalprognose des Richters abhängt, beachten, dass sie dem Gefangenen, soweit vertretbar, eine Bewährung zu ermöglichen und ihn auf eine Entlassung vorzubereiten hat, damit dessen grundrechtlich garantierter Freiheitsanspruch durch den Richterentscheid (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG) zeitgerecht realisiert werden kann (vgl. BVerfGE 117, 71, 108).
Die Rechtmäßigkeit der Versagung von Lockerungen haben die Gerichte im Aussetzungsverfahren auch dann zu prüfen, wenn die Frage – wie hier - Gegenstand gerichtlicher Überprüfung im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz war bzw. noch ist. Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG vertraut die zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung erforderliche Aufklärung des Sachverhalts dem im konkreten Verfahren zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung berufenen Richter an. Im Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe ist dies gemäß § 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GVG die Strafvollstreckungskammer in der aus § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG ersichtlichen Besetzung. Daher hat das Bundesverfassungsgericht die eigenständige Prüfungspflicht der Gerichte im Aussetzungsverfahren unabhängig davon betont, ob beziehungsweise inwieweit sich die Gerichte im Lockerungsverfahren mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Versagung schon beschäftigt hatten (vgl. BVerfGE 117, 71,108).
Kommt das Gericht dieser Prüfungspflicht nicht oder nicht hinreichend nach, entspricht die auf fehlende Erprobung gestützte Ablehnung der bedingten Entlassung nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Entscheidung beruht dann auf unzureichender Sachaufklärung. Nur wenn sich herausstellt, dass die Nichtgewährung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruht(e), darf die fehlende Erprobung des Betroffenen bei der Prognose ohne Einschränkungen zu seinem Nachteil verwertet werden (vgl. BVerfG, NJW 1998, 2202, 2204) Die unberechtigte Versagung von Lockerungen begründet ein von der Exekutive zu verantwortendes Prognosedefizit. Sie darf nicht unbesehen zum Nachteil des Gefangenen gehen. Die Konsequenzen dieser Prognoseunsicherheit für die Aussetzungsentscheidung haben die Gerichte auf Grundlage einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles und vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Freiheitsanspruch des Gefangenen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit, das auch hier nach einem vertretbaren und gerechten Ausgleich verlangt, zu finden.
Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen verbietet eine generelle Folgenlosigkeit einer verfassungswidrigen Lockerungspraxis im Aussetzungsverfahren. Es wäre mit dem besonderen Gewicht der materiellen Freiheitsgarantie unter den grundgesetzlich geschützten Rechten, die auch in der verstärkten prozeduralen Sicherung durch den Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG zum Ausdruck kommt (vgl. BVerfGE 10, 302, 323) nicht zu vereinbaren, würde die Vollzugsbehörde die richterliche Entscheidung im Aussetzungsverfahren über eine Schmälerung der Entscheidungsgrundlage gleichsam zwangsläufig präjudizieren. Zwar muss sich eine rechtswidrige Versagung von Lockerungen über einen prognoserelevanten Zeitraum hinweg nicht in jedem Einzelfall unmittelbar auf die Prognoseentscheidung - im Sinne eines Verwertungsverbots - auswirken. Die von der Exekutive zu verantwortende Prognoseunsicherheit muss sich aber auf die im Aussetzungsverfahren zu treffende Entscheidung unmittelbar auswirken können. Dass der Gesetzgeber die Entscheidung über Lockerungen der Exekutive zugewiesen und zur gerichtlichen Kontrolle der Lockerungsentscheidung einen eigenen Rechtszug eingerichtet hat, vermag die Folgenlosigkeit einer rechtswidrigen Lockerungspraxis für die Aussetzungsentscheidung nicht zu begründen (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2009 – 2 BvR 2009/08). Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG in der Praxis weitgehend leerläuft. Er steht aber nicht zur Disposition des Gesetzgebers, sondern verpflichtet alle staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, dass er als Freiheitssicherung praktisch wirksam wird (vgl. BVerfGE 105, 239, 248).
Dem von Verfassungs wegen ohnehin hoch zu veranschlagenden Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit kommt vor dem Hintergrund des Mangels Erprobung bestehenden Prognosedefizits gesteigerte Bedeutung zu. Die Verwertbarkeit des Umstandes fehlender Erprobung bei der Entscheidung über die Aussetzung generell auszuschließen, würde ein Risiko auf die Allgemeinheit verlagern, das im Einzelfall erheblich sein kann. Dem hat das Bundesverfassungsgericht Rechnung getragen und seine Aussage, dass Vollzugslockerungen von Rechts wegen nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung sind (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 2002 - 2 BvR 461/02), im Kontext der lebenslangen Freiheitsstrafe um die Feststellung ergänzt, dass eine Erprobung in Lockerungen der (Entscheidung über die) Aussetzung des Strafrests in der Regel vorausgeht (vgl. BVerfGE 117, 71, 108). Bei langen Haftzeiten zeigt sich typischerweise in besonderem Maße die Notwendigkeit, in sorgfältig gestuftem Vorgehen durch Lockerungen die Resozialisierungsfähigkeit des Gefangenen zu testen und ihn schrittweise auf die Freiheit vorzubereiten (vgl. BVerfGE 117, 71, 108). Den in Freiheit nicht erprobten Gefangenen nach langen Jahren des Vollzugs unvorbereitet in die Freiheit zu entlassen, begründete für sich genommen einen erheblichen Risikofaktor für einen Rückfall.
Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses hat das Gericht im Aussetzungsverfahren zunächst die Pflicht, auf die Vollzugsbehörde einzuwirken. Ist diese bei der Entscheidung über Lockerungen dem grundrechtlich garantierten Freiheitsanspruch des Gefangenen nicht oder nicht hinreichend gerecht geworden, muss ihr das Gericht im Aussetzungsverfahren - unter Ausschöpfung seiner prozessualen Möglichkeiten - von Verfassungs wegen deutlich machen, dass Vollzugslockerungen geboten sind (vgl. BVerfGE 117, 71, 108 f; BVerfG, Beschluss vom 30.04.2009 – 2 BvR 2009/08).
Die Einwirkung der Vollstreckungsgerichte auf die Vollzugsbehörde muss aber wegen der besonderen Bedeutung der Vollzugslockerungen für die Prognosebasis der richterlichen Entscheidung effektiv sein. Dies haben die Gerichte bei ihrer Entscheidung, wie sie der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich machen, zu berücksichtigen. Hinweise an die Vollzugsbehörde sind deshalb nicht von vornherein ungeeignet. Die Gerichte haben aber stets zu prüfen, ob nicht im konkreten Fall Maßnahmen notwendig sind, die sich unmittelbarer auf die Aussetzungsentscheidung niederschlagen. Einen Gefangenen, dessen bedingte Entlassung nur noch von einer günstigen Prognose des Richters abhängt, - unter Umständen gar wiederkehrend - ohne greifbare Konsequenzen auf künftige Aussetzungsverfahren zu verweisen, in denen sich eine unverändert fortbestehende Prognoseunsicherheit stets aufs Neue zum Nachteil des Gefangenen auswirkt, wäre von Verfassungs wegen nicht hinnehmbar.
Im Sinne der von Verfassungs wegen gebotenen effektiven Durchsetzung des Freiheitsgrundrechts des Gefangenen hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Vollstreckungsgerichte im Aussetzungsverfahren ihre prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen haben, wenn es darum geht, der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich zu machen (vgl. BVerfGE 117, 71, 108). Das Bundesverfassungsgericht hat dabei ausdrücklich festgestellt, dass zu diesen - im Einzelfall zu prüfenden - Möglichkeiten auch ein Vorgehen auf der Grundlage von § 454a Abs. 1 StPO gehört (BVerfG NJW 1998, 2202; BVerfGE 117, 71, 108).
§ 454a Abs. 1 StPO ermöglicht es den Vollstreckungsgerichten, dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen über eine effektive Begrenzung der nachteiligen Folgen des Prognosedefizits praktische Wirksamkeit zu verleihen, ohne damit unverantwortbare Risiken auf die Allgemeinheit zu verlagern. Das Gericht kann nach dieser Vorschrift die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung anordnen, ohne dass dies zur sofortigen Freilassung des Betroffenen führt. Die Norm gestattet dem Gericht, den zukünftigen Entlassungszeitpunkt so festzulegen, dass der Vollzugsbehörde eine angemessene Erprobung des Verurteilten in Lockerungen möglich bleibt (vgl. BVerfG, NJW 1998, S. 2202, 2204). Ein Vorgehen nach § 454a Abs. 1 StPO stärkt das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten. Anders als die Gewährung von Lockerungen ist der Entlassungszeitpunkt kraft Gesetzes der Disposition der Vollzugsbehörde entzogen (vgl. § 16 StVollzG), so dass sich bei weiterer grundloser Versagung von Lockerungen das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen zum - vom Gericht im Aussetzungsverfahren festgelegten - Entlassungszeitpunkt sicher realisiert. Zwar verhindert das bisherige - von den Vollzugsbehörden zu verantwortende - Prognosedefizit vorerst eine Entlassung. Die nachteiligen Folgen des Prognosedefizits für das Freiheitsgrundrecht des Gefangenen werden aber wirksam beschränkt. Anders als bei bloßen Hinweisen der Gerichte im Aussetzungsverfahren ist sichergestellt, dass der Freiheitsentzug allenfalls bis zum Entlassungszeitpunkt auf einer rechtswidrigen Schmälerung der Prognosebasis seitens der Exekutive beruht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26. August 2005 - 2 Ws 202/05).
Eine unverantwortbare Risikoverlagerung zu Lasten der Allgemeinheit ist damit nicht verbunden. Das Vollstreckungsgericht kann den Entlassungszeitpunkt so wählen, dass der Vollzugsbehörde ein angemessener Zeitraum für eine aussagekräftige Erprobung zur Verfügung steht. Dieser Zeitraum ist von Gesetzes wegen nicht beschränkt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11. September 1991 - 1 Ws 297/91 -, NStZ 1992, S. 148). Dass damit eine unter Umständen weit in die Zukunft gerichtete Entlassungsentscheidung getroffen wird, kann im Einzelfall verantwortbar sein. Denn in der gesamten Zeit bis zur Entlassung des Gefangenen ist eine Korrektur der Aussetzungsentscheidung unter erleichterten Voraussetzungen möglich. Nach § 454a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 StPO kann das Vollstreckungsgericht - ungeachtet der Widerrufsmöglichkeit nach § 56f Abs. 1 StGB - die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes bis zur Entlassung des Betroffenen wieder aufheben, wenn die Strafaussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann (vgl. BVerfG, NJW 1994, 377 f; NJW 2001, 2247). Im vorliegenden Zusammenhang kommt - außer bei generell neuen prognoserelevanten Umständen, die sich auch auf die Gewährung von Lockerungen auswirken können - eine Aufhebung der Strafaussetzung primär bei gefährlichkeitsindizierender Nichtbewährung des Gefangenen in den dann erforderlichen Lockerungen in Betracht. Zudem kann der Verurteilte in der - sofort zu treffenden - Aussetzungsentscheidung einem engmaschigen Netz von Auflagen und Weisungen unterworfen und sogleich einem Bewährungshelfer unterstellt werden, der bereits in der Zeit bis zur Entlassung Kontakt zu dem Gefangenen aufnehmen und ihn im Erprobungszeitraum zusätzlich unterstützen kann. § 454a Abs. 1 StPO berücksichtigt die Regelung des § 56a Abs. 2 StGB, nach der die Bewährungszeit nicht erst mit dem tatsächlichen Entlassungszeitpunkt, sondern mit der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung beginnt. Schließlich wird das durch eine frühzeitige Aussetzungsentscheidung begründete Risiko durch die Verlängerung der - mit Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung beginnenden - Bewährungszeit kompensiert: Liegen zwischen Aussetzungsentscheidung und festgelegtem Entlassungszeitpunkt mindestens drei Monate, verlängert sich die Bewährungszeit um den dazwischen liegenden Zeitraum (§ 454a Abs. 1 StPO; vgl. dazu OLG Koblenz, Rpfleger 1994, 381 f).
Ausgehend von diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:
Es ist schon nicht frei von Beanstandungen, dass der Verurteilte infolge des Gutachtens der Sachverständigen K. in den geschlossen Vollzug rückverlegt worden ist. Es war nach Auffassung des Senats rechtsfehlerhaft, das Gutachten der Sachverständigen K., das ausdrücklich nur zur Gefährlichkeit des Verurteilten nach einer bedingten Entlassung Stellung genommen, sich aber nicht unmittelbar zu dessen Eignung für Vollzugslockerungen geäußert hat, als hinreichenden Anlass zu der Rückverlegung des Verurteilten in den geschlossenen Vollzug bewertet zu haben. Daran bestehen umso mehr Zweifel als sowohl die Sachverständige N. in ihrem Gutachten aus dem Jahre 2002 und der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten aus dem Jahre 2006 die (weitere) Bewährung des Verurteilten im offenen Vollzug ausdrücklich empfohlen und angeraten haben. Dass die Sachverständige K. ihr Gutachten auf einer breiteren oder besseren Tatsachengrundlage als die beiden vorgenannten Sachverständigen erstellt hat, lässt sich weder dem Gutachten selbst noch dem übrigen Akteninhalt entnehmen. Die Sachverständige K. hat lediglich aufgrund der von ihr durchgeführten Exploration eine andere Bewertung als die Sachverständigen N. und Dr. L. getroffen. Bereits dies hätte für die Vollstreckungsbehörde Anlass sein müssen, dieses Gutachten besonders kritisch zu hinterfragen. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass sich der Verurteilte bis dahin über einen Zeitraum von etwa drei Jahren im offenen Vollzug beanstandungsfrei geführt hatte (ein Umstand der nach Ausführungen der Sachverständigen N. im Anhörungstermin vom 26.01.2010 durch die Sachverständige K. nicht hinreichend gewürdigt worden ist) und die Vollstreckungsbehörde die Erkenntnisse aus diesem Gutachten offensichtlich nicht für derart schwerwiegend erachtete, den Verurteilten sofort in den geschlossenen Vollzug zurückzuverlegen, sondern mit dieser Entscheidung nahezu ein weiteres halbes Jahr zuwartete.
Eine unverzügliche Rückverlegung des Verurteilten in den offenen Vollzug wäre zudem spätestens nach Kenntniserlangung von dem Gutachten der Sachverständigen N. vom 06.02.2009 geboten gewesen, in dem diese Sachverständige erneut die Bewährung des Betroffenen im offenen Vollzug anriet, um im Hinblick auf eine Entlassungsprognose eine breitere Prognosegrundlage zu schaffen. Die Empfehlung dieses Gutachtens ist zudem von dem psychologischen Dienst der Justizvollzugsanstalt in der Stellungnahme vom 23.03.2009 geteilt worden, der ausgeführt hat, dass unter Berücksichtigung der Dittmann-Prognose-Faktorenliste mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass sich der Verurteilte unter den strukturierten vollzuglichen Bedingungen weiter bewähren werde und eine Missbrauchs- oder Fluchtgefahr psychologischerseits nicht zu begründen sei. In Übereinstimmung mit der Sachverständigen N. werde daher aus behandlerischer Sicht eine Rückverlegung empfohlen, um weitere Entwicklungsschritte anzustoßen, dem Verurteilten die Gelegenheit zu geben, seinen Selbstwert weiter zu festigen und ihm durch die Therapie weitere Reflektionsmöglichkeiten zu bieten, in denen er Situationen aus Alltag und Beziehung thematisieren könne. Die Sachverständige N. hat in der mündlichen Anhörung vom 26.01.2010 vor dem Senat ebenfalls nochmals ausdrücklich die erneute Erprobung im offenen Vollzug für erforderlich gehalten, um überprüfen zu können, "wie sich der Verurteilte hält" und ob er eine Arbeitsstelle (die er durch die von der Vollzugsbehörde in fehlerhafter Weise veranlasste Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug verloren hatte) und eine Wohnung findet. Der Verlegung in den offenen Vollzug stehe dabei nicht entgegen, dass bislang weder eine hinreichende Deliktaufarbeitung erfolgt sei und die Frage der Beziehungsfähigkeit des Verurteilten weiterhin offen sei. Zu diesen offenen Fragen könnte mehr gesagt werden, wenn der Verurteilte weiterhin im offenen Vollzug erprobt worden wäre. Gleiches gelte für die eher marginale Frage, wie sich der Alkoholkonsum des Verurteilten entwickelte. Bei einer (erneuten) Bewährung im offenen Vollzug würde der Verurteilte auch trotz fehlender Tataufarbeitung entlassen werden können, da diese allein aufgrund des Zeitablaufs wohl kaum noch erwartet werden könne. Die Anstaltspsychologin J. hat sowohl in ihrer Stellungnahme vom 20.10.2009 als auch in der Anhörung vor dem Senat ergänzend darauf hingewiesen, dass der Verurteilte hinsichtlich der Beziehungsfähigkeit aufgrund der Therapie bereits jetzt erhebliche Fortschritte gemacht habe. Die Beziehung zu seiner jetzigen Lebensgefährtin, die er während es offenen Vollzugs kennengelernt habe, habe eine andere Qualität als die früheren Beziehungen des Verurteilten. Insbesondere sei die Beziehung nicht beliebig und austauschbar. Aus der Tatsache, dass zwischen den Lebenspartnern (im positiven Sinne) Auseinandersetzungen über die Tat sowie die Angaben des Verurteilten hierzu stattfänden und die Lebenspartnerin sich überhaupt grundsätzlich an den Umständen und Hintergründen, die zu der Tat geführt haben, interessiert zeige, erweise sich, dass es sich bei der Beziehung nicht mehr – wie regelmäßig in den früheren Beziehungen – um eine rein symbiotische Beziehung handele.
Trotz der Empfehlungen der Sachverständigen N., Dr. L. und des psychologischen Dienstes der Justizvollzugsanstalt und der beanstandungsfreien Führung des Betroffenen im offenen Vollzug über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren wird dem Betroffenen von der Aufsichtsbehörde mit vor dem Hintergrund der sachverständigen Erkenntnisse offensichtlich nicht tragfähigen Gründen eine (erneute) Verlegung in den offenen Vollzug rechtswidrig verwehrt. Der von der rechtswidrigen Versagung von Lockerungen betroffene Zeitraum hat Prognoserelevanz. Eine Erprobung des Beschwerdeführers über diese lange Zeit hätte ohne jeden Zweifel aussagekräftige Erkenntnisse für die Prognoseentscheidung er-bracht und die bestehende Prognoseunsicherheit deutlich reduziert. Mit knapp zweieinhalb Jahren übersteigt die Dauer der möglicherweise rechtswidrigen Versagung sogar den von der Sachverständigen im Prognosegutachten in vergleichbaren Fällen für erforderlich gehaltenen entlassungsvorbereitenden Erprobungszeitraum von zwei Jahren. In jedem Fall hätte der Beschwerdeführer bei Absehen von der Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug die greifbare Chance gehabt, im vorliegenden Aussetzungsverfahren einen langen Zeitraum erfolgreicher Erprobung vorzuweisen. Dieser Umstand hätte in das Prognosegutachten der Sachverständigen N. einfließen können. Indem die Strafvollstreckungskammer die Ablehnungsentscheidung im Besonderen auf die fehlende Erprobung des Beschwerdeführers gestützt hat, war sie dagegen - ungeachtet des Stands des Verfahrens über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 Abs. 1 StVollzG - von Verfassungs wegen verpflichtet, die Tragfähigkeit der (bisherigen) Verweigerung von Lockerungen bzw. die Rückverlegung in den geschlossenen in eigener Verantwortung zu prüfen. Dies gilt auch deshalb, weil ohne eine solche Prüfung Verzögerungen im Lockerungsverfahren, die vom Gefangenen nicht zu vertreten sind, ohne sachlichen Grund zu seinem Nachteil auf das Aussetzungsverfahren durchschlagen könnten. Der vorliegende Fall belegt dies anschaulich. Das Lockerungsverfahren war im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung des Landgerichts ausschließlich aus in der Sphäre von Justizvollzugsanstalt und Aufsichtsbehörde liegenden Gründen unterbrochen worden, ohne dass hierfür eine tragfähige Grundlage bestand.
Der Senat hat daher von der oben aufgezeigten Möglichkeit des § 454a Abs. 1 StPO Gebrauch gemacht und die bedingte Entlassung des Verurteilten an geordnet. Der Senat hat allerdings den Entlassungszeitpunkt erst in einem Jahr bestimmt, um der Vollstreckungsbehörde zu ermöglichen, den Verurteilten zwischenzeitlich erneut im offenen Vollzug zu erproben. Der Zeitraum von einem Jahr erscheint dem Senat ausreichend, da der Verurteilte bereits eine erhebliche Zeit im offenen Vollzug verbracht, sich in der zurückliegenden Phase der Erprobung im offenen Vollzug beanstandungsfrei geführt hat und er ausweislich der Ausführungen der Sachverständigen N. und der Anstaltspsychologin J. im zwischenmenschlichen Bereich, insbesondere was seine Beziehungsfähigkeit zu Frauen angeht, bereits jetzt erhebliche Fortschritte gemacht hat.
Wenn sich der Verurteilte wiederum im offenen Vollzug bewährt, zu dessen Durchführung die Vollstreckungsbehörde aufgrund der vorliegenden Senatsentscheidung, durch die zugleich die Zustimmung der Aufsichtsbehörde ersetzt wird, und der Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht vom 30.04.2009 (2 BvR 2009/08) und 22.03.1998 (2 BvR 77/97) ohne jede Verzögerung verpflichtet ist, und sich den erforderlichen therapeutischen Maßnahmen, insbesondere zur Erlernung rückfallprophylaktischer Verhaltensweisen unterzieht, wird seiner Entlassung zu dem im Tenor bezeichneten Zeitpunkt nichts entgegenstehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 464 Abs. 1 StPO.




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