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aus ZAP Heft 7/2014, F. 22 R, S. 829 ff.

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Verfahrenstipps und Hinweise für Strafverteidiger (I/2014)

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

Inhaltsverzeichnis

I. Ausblick auf die 18. Legislaturperiode
II. Ermittlungsverfahren
  1. Pflichtverteidigerbestellung
  2. Belehrungsfragen
    a) Stärke des Tatverdachts
    b) Zeitpunkt des Widerspruchs
III. Hauptverhandlung
  1. Terminsverlegung
  2. Verständigungsfragen (§§ 243, 257c StPO)
IV. Rechtsmittelverfahren
V. Gebührenfragen/ Übergangsrecht zum 2. KostRMoG
  1. Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren (§ 17 Nr. 10a RVG)
  2. Einstellung des Strafverfahrens/Abgabe an die Verwaltungsbehörde (Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG

I. Ausblick auf die 18. Legislaturperiode

Nachdem ich in der vorherigen Ausgabe der Verfahrenstipps einen „Rückblick“ auf das gemacht habe, was die schwarz/gelbe Koalition in der 17. Legislaturperiode im Strafverfahren geändert bzw. nicht geändert hat (vgl. dazu ZAP F. 22 R, S. 815), soll in dieser Ausgabe vorangestellt werden, was sich die neue schwarz/rote Koalition (GroKo) für die nächsten vier Jahre im Straf- und Strafverfahrensrecht auf die To-Do-Liste geschrieben hat. Die Zusammenstellung basiert auf dem umfassenden Beitrag von Arnoldi in StRR 2014, 54 ff. (vgl. auch Koalitionsvertrag 2013 S. 144 bis 147). Geplant/vorgesehen sind:

  • Materielles Recht
    • –   Rassistische, fremdenfeindliche oder sonstiger menschenverachtender Tatmotive sollen zukünftig bei der konkreten Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt werden können.
    • –   Das strafrechtliche Fahrverbot (§ 44 StGB) soll zukünftig zur Hauptstrafe erhoben werden; zudem soll die verkehrsrechtliche Anknüpfung entfallen lassen.
    • –   Nachdem die in § 66b StGB geregelte nachträgliche Sicherungsverwahrung mit Wirkung vom 1. 1. 2011 im Wesentlichen abgeschafft worden ist, soll die Möglichkeit der nachträglichen Therapieunterbringung durch Änderung des ThUG geschaffen werden.
    • –   Für die längerfristige Observation von entlassenen Sicherungsverwahrten soll – wahrscheinlich im Recht der Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) – eine gesetzliche Grundlage installiert werden.
    • Das Recht der Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB) soll vereinfacht werden.
    • Geplant ist eine Überarbeitung der Vorschriften zur Kinderpornographie (s. etwa § 184b StGB).
    • Der Schutz von Stalking-Opfern (§ 238 StGB) soll verbessert werden.
    • Die Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen soll unter Strafe gestellt werden (vgl. dazu den sog. „Kassenarzt-Beschluss“ des BGH in BGHSt 57, 202 = StRR 2012, 390).
    • Im Bereich der Cyberkriminalität soll u.a. der Straftatbestand der Datenhehlerei eingeführt werden.
  • Verfahrensrecht
    • Zur Bestimmung der BAK soll auf körperliche Eingriffe (§ 81a StPO) zugunsten moderner Messmethoden verzichtet werden.
    • Bei Massengentests sollen – anders als nach bisheriger Rechtslage (vgl. dazu BGHSt 58, 84 = StRR 2013, 140) – „Beinahetreffer“ verwertet werden dürfen.
    • Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung soll präzisiert werden (vgl. dazu BGHSt 51, 211 = StRR 2007, 27 und Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 2068 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]).
    • Die Vorratsdatenspeicherung, also die Speicherung einer Vielzahl von Daten von Telefongesprächen, SMS, E-Mails u.a. für mehrere Monate zum Zwecke der Strafverfolgung, soll endlich geregelt werden.
    • Die Regelungen zur Verständigung (u.a. § 257c StPO) sollen evaluiert werden
    • Die Möglichkeit der Übertragung der Verhandlung in einen anderen Saal (sog. erweiterte Saalöffentlichkeit) soll geprüft werden.
Hinweis

Eine in meinen Augen – zumindest teilweise – ambitioniertes Programm, dass an der ein oder anderen Stellen sicherlich erheblichen Zündstoff in sich birgt. So ist jetzt schon abzusehen, dass es um die Frage der Vorratsdatenspeicherung heftigen Streit geben wird. Das SPD-geführte BMJ hat nämlich angekündigt, mit der Vorlage eines Gesetzesentwurfes zu warten, bis der EuGH über die Rechtmäßigkeit der „Vorratsdatenrichtlinie“ entschieden hat. Das ist auf heftigen Widerspruch des CDU-geführten BMI gestoßen.

Im Übrigen: Man darf gespannt sein, was die „GroKo“ von den geplanten Vorhaben verwirklicht. In vier Jahren wird es ein Rückblick zeigen.

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II. Ermittlungsverfahren

1. Pflichtverteidigerbestellung

In den Verfahrenstipps III/2013 (vgl. ZAP F. 22 R, S. 815, 816 f.) hatte ich über den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.03.2013 – Ss 24/13, JurionRS 2013, 38364 – berichtet. Dieses hatte auf der Grundlage des § 140 Abs. 2 StPO eine Pflichtverteidigerbestellung wegen „Schwere der Tat“ bei einer Straferwartung um ein Jahr als i.d.R. erforderlich angesehen. Dabei hatte das OLG nicht allein auf die im Verfahren drohende Freiheitsstrafe abgestellt, sondern in die Abwägung auch schwerwiegende mittelbare Nachteile, die der Angeklagte infolge der Verurteilung zu gewärtigen habe und die die Bestellung eines Verteidigers geboten erscheinen lassen könnten, einbezogen. In die Abwägung hatte es u.a. auch den drohenden Widerruf einer Bewährung in anderer Sache hingewiesen. Auf der gleichen Linie liegt der inzwischen bekannt gewordene OLG Nürnberg, Beschl. v. 16. 1. 2014 -

2 OLG 8 Ss 259/13, JurionRS 2014, 10193). Dieses hat in dem umfangreich begründeten und lesenswerten Beschluss einen Fall der „Schwere der Tat“ und der deshalb notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 2 StPO als i.d.R. bereits dann gegeben angesehen, wenn der Angeklagte in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden ist, nur er Berufung eingelegt hat und für den Fall seiner rechtskräftigen Verurteilung mit dem Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von acht Monaten rechnen muss, die insgesamt drohende Freiheitsstrafe somit ein Jahr beträgt. (zu den nur“ mittelbar schweren Folgen die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff, EV, Rn. 2194).

Hinweis

Die Entscheidung des OLG Nürnberg ist zwar für das Berufungsverfahren ergangen. Die Argumentation des OLG hat aber auch für das erstinstanzliche Verfahren Bedeutung.

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2. Belehrungsfragen

Belehrungsfragen und/oder Fehler bei der Belehrung haben in der Praxis ggf. erhebliche Auswirkungen. Werden nämlich bei der Belehrung des Beschuldigten vor seiner Vernehmung Fehler gemacht, können diese dazu führen, dass die vom Beschuldigten gemachten Angaben unverwertbar sind, weil sie einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Das kann im Verfahren dann entscheidend für einen für den Beschuldigten positiven Ausgang sien. Und das gilt nicht nur im Straf-, sondern auch im Bußgeldverfahren für die (erste) Belehrung des Betroffenen (vgl. zur Belehrung im Strafverfahren eingehend Burhoff, EV, Rn. 2360 ff.; im Bußgeldverfahren Gübner in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., 2012, Rn. 315 ff.). In dem Zusammenhang ist hinzuweisen auf zwei (ober)gerichtliche Beschlüsse. Diese behandeln beide (ähnliche) Fallgestaltungen aus dem Verkehrsstrafrecht und zeigen damit, dass die Problematik der „richtigen Belehrung“ nicht nur in Kapitalstrafsachen von Bedeutung ist, sondern gerade auch in den alltäglichen „Feld-, Wald- und Wiesenfällen“.

a) Stärke des Tatverdachts

Hinzuweisen ist dazu zunächst auf den OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2013 - 2 OLG Ss 113/13, StRR 2014, 105 = VRR 2014, 107 ) , dem ein Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) zugrunde lag. Mit dem Pkw des Angeklagten war ein Verkehrsunfall verursacht worden. Der Fahrer hatte sich nach dem Verkehrsunfall unerlaubt entfernt. Der Angeklagte wird dann von der Polizei als der Halter des Pkw ermittelt und kurze Zeit nach dem Verkehrsunfall von einem Polizeibeamten aufgesucht. Dieser schildert dem Angeklagten worum es geht, nämlich um einen angeblichen Unfall seines Fahrzeugs, und fragt ihn, wer soeben mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Der Angeklagte räumt daraufhin die Fahrereigenschaft ein. In der Hauptverhandlung lässt sich der Angeklagte dann nicht zur Sache ein. Das AG vernimmt den Polizeibeamten und stellt aufgrund seiner Angaben die Fahrereigenschaft des Angeklagten zum Unfallzeitpunkt fest.

Das OLG Nürnberg (a.a.O.) beanstandet das als rechtsfehlerhaft. Der Angeklagte sei bereits Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewesen (vgl. zum Beschuldigtenbegriff BGHSt 10, 8; 38, 214; Burhoff, EV, Rn. 668 ff. m.w.N. ). Bedeutsam dafür sei die Stärke des Tatverdachts, den der Polizeibeamte gegenüber dem Befragten hege. Hierbei habe der Beamte zwar einen Beurteilungsspielraum, den er freilich nicht mit dem Ziel missbrauchen dürfe, den Zeitpunkt der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglichst weit hinauszuschieben (BGHSt 38, 214). Auf der Grundlage hat es das OLG als ermessensfehlerhaft angesehen, dass der Polizeibeamte den Angeklagten vor der Befragung nicht als Beschuldigten behandelt und entsprechend belehrt hat. Der mögliche Täter sei nicht mehr nur in einer nicht näher bestimmten Personengruppe zu suchen gewesen sondern der Tatverdacht hatte sich nach der Ermittlung des Angeklagten als Fahrzeughalter bereits auf ihn verdichtet, auch wenn grundsätzlich auch andere Personen als Nutzer des Fahrzeugs des Angeklagten in Betracht kommen konnten (LG Koblenz NZV 2002, 422; AG Bayreuth NZV 2003, 202; StPO, Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Einleitung Rn. 78 [im Folgenden kurz: Meyer/Goßner]). Bei der Ausübung des Ermessens sei auch der gesetzliche Schutzzweck des § 136 Abs. 1 StPO zu berücksichtigen, dass durch die Belehrung gegenüber dem Beschuldigten eindeutig klargestellt werden soll, dass es ihm freisteht, keine Angaben zu machen. Dieses Belehrungsgebot wolle sicherstellen, dass der Beschuldigte vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht bewahrt werde, zu der er möglicherweise durch die Konfrontation mit dem amtlichen Auskunftsverlangen veranlasst werden könnte (BGHSt 42, 139). Dieser Schutzzweck werde im vorliegenden Fall nur dann gewahrt, wenn der Halter des Kraftfahrzeugs vor seiner Befragung entsprechend belehrt werde.

Hinweis

Der Verteidiger hatte dann in der Hauptverhandlung alles richtig gemacht und der Verwertung der Angaben des Beschuldigten bei der „informellen Befragung“ widersprochen (vgl. BGHSt 38, 214; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl., 2013, Rn. Rn. 3491 [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]).

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b) Zeitpunkt des Widerspruchs

Ähnlich war die Konstellation in dem in einem Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) ergangenen Beschluss des LG Saarbrücken (Beschl. v. 27. 5. 2013 – 6 Qs 61/13, StRR 2014, 109 = VRR 2014, 108). Da war nach der Trunkenheitsfahrt ebenfalls die Fahrereigenschaft des Beschuldigten fraglich. Der Beschuldigte war ebenfalls nicht während der Fahrt angehalten worden, sondern hatte seine Fahrereigenschaft gegenüber ermittelnden Polizeibeamten erst im Wege einer informellen Befragung beim erstmaligen Antreffen in seiner Wohnung eingeräumt Nach erfolgter Belehrung machte der Beschuldigte dann keine Angaben mehr. Die Angaben des Beschuldigten aus der informellen Befragung hat das AG bei seiner Entscheidung über einen § 111a-Antrag der Staatsanwaltschaft zugrunde gelegt.

Das LG Saarbrücken hat die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) aufgehoben. Die Angaben des Beschuldigten seien nämlich wegen eines Verstoßes gegen die aus den §§ 136 Abs. 1, 163 a Abs. 4 StPO folgende Belehrungsverpflichtung der Ermittlungspersonen u.a. über das Schweigerecht des Beschuldigten unverwertbar. Im Einzelfall sei die Frage der „Belehrungsschwelle“, also der Situation, in der eine Belehrung spätestens erforderlich werde, nicht immer einfach zu beantworten. Im Zweifel werde einer frühzeitigen Belehrung der Vorzug zu geben sein (vgl. dazu AG Bayreuth NZV 2003, 202, das bei der Suche nach einem zuvor unbekannten Fahrer, dem ein Delikt als Führer eines Kraftfahrzeuges zur Last fällt, eine Belehrung des Halters nach § 136 Abs. 1 StPO für „zwingend“ hält, „weil aufgrund der Haltereigenschaft die Fahrzeugführereigenschaft nahe liegt und sich daher der Beschuldigtenkreis derart verdichtet hat, dass der Halter zum Zeitpunkt der Befragung bereits als potentieller Täter in Betracht kommt“; vgl. aber auch OLG Zweibrücken StRR 2010, 468 = VRR 2010, 420 = zfs 2010, 589, wonach nicht jeder unbestimmte Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft begründet. Hier hat das LG Saarbrücken (a.a.O.) eine Belehrungspflicht bejaht. Aufmerksam geworden auf den Pkw des Beschuldigten war die Polizei durch die Angaben einer Zeugin, die von Rotlichtverstößen eines Pkw und auch von „Schlangenlinienfahren“ berichtet hatte. Als Halter des Pkw war der Beschuldigte ermittelt worden. Die Polizeibeamten fanden das Fahrzeug an der Halteranschrift mit dem von der Zeugin durchgegebenen Kennzeichen vor. An der Motorhaube und dem Auspuff war keine Wärme feststellbar, wobei die Außentemperatur -1 °C betrug. Nach zweimaligem Klopfen öffnete der Beschuldigte und wurde ohne weiteren Hinweis auf den Anlass der Befragung befragt, ob er der Halter des Fahrzeuges sei, was er bejahte. Dann wurde er weiter befragt, ob er gerade mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Auch diese Frage bejahte der Beschuldigte. Erst nachdem die Beamten in die Wohnung eingelassen wurden und sodann äußere Hinweise auf eine Alkoholisierung des Beschuldigten wahrnehmen, wurde der Beschuldigte gem. § 136 StPO belehrt. Das LG Saarbrücken verlangt bei diesem Ablauf eine Belehrung, nachdem der Beschuldigte bestätigte, der Halter des Fahrzeugs zu sein. Zum Zeitpunkt der Befragung habe für die Beamten aufgrund der ihnen bekannten Schilderungen der Zeugin festgestanden, dass zumindest ein Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit wegen durch den begangenen Rotlichtverstoßes vorlag. Eine Belehrungspflicht über das Schweigerecht habe daher bereits, bevor die Beamten die Alkoholisierung des Beschuldigten wahrnehmen konnten, bestanden, denn auch im Ordnungswidrigkeitsverfahren müsse sich niemand selbst belasten.

Hinweis

Der Beschluss, der der h.M. entspricht (vgl. die Nachweise oben bei OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2013 - 2 OLG Ss 113/13, StRR 2014, 107 = VRR 2014, 105), ist insofern von Interesse, weil er beweist, dass sich ein „früher Widerspruch“ gegen die Verwertung kontaminierte Beweismittel im Ermittlungsverfahren lohnen kann. Denn dann muss, wenn es um die Frage des Erlasses oder der Aufrechterhaltung von Zwangsmaßnahmen geht, geprüft werden, ob die für deren Erlass erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Hier also die Voraussetzungen des § 69 StGB. Ist das nicht der Fall kann die Maßnahme nicht erlasse bzw. nicht aufrechterhalten werden (vgl. dazu auch Burhoff, HV, Rn. 3504).

Bemerkenswert in dem Zusammenhang allerdings: Der Ermittlungsrichter hatte dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung nach § 111a StPO entsprochen, ohne überhaupt auf die Frage der Verwertbarkeit der Angaben des Beschuldigten einzugehen.

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III. Hauptverhandlung

1. Terminsverlegung

Terminsverlegungsfragen haben in der Praxis immer wieder große Bedeutung. Dies vor allem deshalb, weil sie häufig mit dem Recht des Angeklagten auf den „Verteidiger des Vertrauens“ korrespondieren (vgl. Burhoff, HV, Rn. 2653 ff.). Sie sind zudem immer wieder auch „streitbehaftet“, weil die Tat-/Instanzgerichte Terminsverlegungsanträge des Verteidigers nicht selten ohne oder zumindest ohne nachvollziehbare Begründung ablehnen. Die Problematik wird jetzt noch einmal durch den LG Braunschweig, Beschl. v. 8. 1. 2014 - 13 Qs 4/14JurionRS 2014, 10080) in den Focus gerückt. Da hatte das AG mit Verfügung vom 20.11.2013 Termin zur Hauptverhandlung für den 14. 1. 2014 anberaumt. Die Ladung zu diesem Termin war dem Verteidiger spätestens am 5. 12. 2013 zugegangen. Mit Schreiben vom selben Tag hat er Verteidiger unter Hinweis auf anderweitig wahrzunehmende Termine die Verlegung des Hauptverhandlungstermins beantragt. Dies hat das AG mit Schreiben vom 23. 12. 2013 abgelehnt. Der hiergegen am 27.12.2013 eingelegten Beschwerde des Verteidigers hatte beim LG Erfolg.

Hinweis

Grds. ist die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung im Hinblick auf § 305 Abs. 1 StPO nicht anfechtbar (vgl. Meyer-Goßner, § 213 Rn. 8 m.w.N.; Burhoff, EV, Rn. 2787 m.w.N.; Burhoff, HV, Rn. 2657 ff. m.w.N.). Ausnahmsweise ist die Beschwerde jedoch dann statthaft, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessenausübung getroffene Entscheidung für die Verfahrensbeteiligten eine besondere selbstständige Beschwer bewirkt, weil sie zum Beispiel – wie hier - unschwer vermeidbar das Recht des Angeklagten beeinträchtigt, sich des Beistandes eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung evident ist.

Letzteres hat das LG (a.a.O.) bejaht, weil das AG das ihm eingeräumte Ermessen evident fehlerhaft ausgeübt habe. Die Beschwerde sei deshalb auch begründet. Auch wenn der Verteidiger weder einen Anspruch auf Terminverlegung noch auf vorherige Terminabsprache habe (§ 213 StPO), laufe der verfügende Richter dennoch Gefahr, prozessordnungswidrig zu handeln, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl seines Verteidigers dadurch eingeschränkt werde, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen könne, ohne dass er Einfluss auf die Terminierung hatte nehmen können. Dies gelte zumindest dann, wenn dem Interesse des Angeklagten auf Verteidigung durch einen Verteidiger seines Vertrauens der Vorrang vor dem Beschleunigungsgebot zu gewähren sei. Das LG weist hier darauf hin, dass das AG bei seiner Ermessensausübung hätte berücksichtigen müssen, dass dem Angeklagten ein Diebstahl im besonders schweren Fall gemäß §§ 242, 243 StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten vorgeworfen werde. Zur Durchführung der Hauptverhandlung würden, wie aus der Anklage und der Terminsverfügung des AG ersichtlich sei, insgesamt 8 Zeugen benötigt. Aufgrund der zu erwartenden Rechtsfolge und des Umfangs der Beweisaufnahme liege ein gesteigertes Interesse des Angeklagten an einer Verteidigung durch einen Verteidiger seines Vertrauens vor. Demgegenüber müsse das Beschleunigungsgebot hier zurücktreten. Entscheidungen, wie z.B. über Untersuchungshaft, Führerscheinentzug, Beschlagnahme etc., die eine besondere Beschleunigung des Verfahrens gebieten, seien nicht zu treffen. Ein Ausweichtermin sei seitens des Verteidigers in 3 Monaten angeboten worden. Dies stelle bei dem vorliegenden Verfahren keinen mit dem Grundsatz des Beschleunigungsgebotes nicht mehr zu vereinbarenden Zeitverzug dar. Eine Rücksprache des Gerichts mit dem Verteidiger, bei der ggf. ein auch früherer Verhandlungstermin hätte vereinbart werden können, sei nicht erfolgt. Nach allem stelle sich die Maßnahme des Vorsitzenden, den Termin bestehen zu lassen, als rechtwidrig dar.

Hinweis

Die Ausführungen des LG wird man wohl dahin verstehen müssen: Vorherige Terminsabsprache ist erforderlich bzw. über einen Terminsverlegungswunsch muss man miteinander reden. Und wenn das (Amts)Gericht das nicht tut, handelt es ggf. "prozessordnungswidrig". Liegt aber die Gefahr eines prozessordnungswidrigen Handels nahe, dann dürften die Vorschriften der §§ 24 ff. StPO, also die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr weit sein.

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2. Verständigungsfragen (§§ 243, 257c StPO)

Wenn man im Moment die obergerichtliche Rechtsprechung zu § 257c StPO verfolgt, stellt man m.E. sehr schnell fest, dass zu dieser Vorschrift und zu den sie flankierenden Vorschriften ein wahrer Rechtsprechungsmarathon in der Rechtsprechung des BGH, aber auch in der der OLG losgetreten ist. Ausgangspunkt ist sicherlich die Entscheidung des BVerfG v. 19. 3. 2013 (StraFo 2013, 153 = StRR 2013, 179 m. Anm. Deutscher; vgl. dazu auch ZAP F. 22 R, S. 809), die die Obergerichte derzeit umsetzen. Wenn man eine Tendenz aus der vorliegenden Rechtsprechung ableiten will, kann man m.E. erkennen/ableiten, dass die Obergerichte die Verständigung/Absprache nicht wollen und es den Instanzgerichten schwer machen, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.

Ich kann hier nicht im Einzelnen über die vielen Entscheidungen der letzten Zeit berichten. Das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Daher hier im Moment nur ein Überblick zu § 257c StPO und zu den dazu gehörenden Vorschriften. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinzuweisen ist auf:

  • BGH, Beschl. v. 3. 9. 2013 (5 StR 318/13, StraFo 2013, 473 = NStZ 2013, 671 = StV 2013, 714), der sich noch einmal zur Frage, Strafobergrenze ja oder nein, verhält und zugleich auch zur Verfahrensrüge in diesen Fällen (vgl. auch unten IV).
  • BGH, Beschl. v. 29.11.2013 (1 StR 200/13, NJW-Spezial 2014, 58) der sich mit den Auswirkungen gescheiterter Verständigungsgespräche befasst, dabei grundsätzlich aber bejaht, dass über das bloße Ergebnis hinaus deren Inhalt ähnlich wie der Inhalt nicht gescheiterter Gespräche bekannt zu geben und zu protokollieren ist.
  • BGH, Beschl. v. 2. 10. 2013 (1 StR 386/13, JurionRS 2013, 48668), der die Zulässigkeit außerhalb der Hauptverhandlung geführter Gespräche über eine Abtrennung und die Frage behandelt, wer daran teilnehmen muss.
  • BGH, Beschl. v. 17. 9. 2013 (1 StR 443/10,  JurionRS 2013, 46442): Der Widerruf der Bestellung eines Verteidigers ist nicht stets dann begründet, wenn der Angeklagte als Grund anführt, der Pflichtverteidiger habe gegen seinen ausdrücklich geäußerten Wunsch in der Hauptverhandlung an einer Verständigung mitgewirkt. So liegt es jedenfalls dann, wenn der Angeklagte im Revisionsverfahren zur Begründung der Revision noch vortragen lässt, sowohl der Pflichtverteidiger als auch er selbst hätten dem Verständigungsvorschlag des Gerichts seinerzeit ausdrücklich zugestimmt; und sich sodann von diesem Pflichtverteidiger weiter verteidigen lässt.
  • BGH, Beschl. v. 24. 9. 2013 (2 StR 267/13, JurionRS 2013, 50725, für BGHSt vorgesehen) mit dem Leitsatz: „Wenn Verteidigung und Staatsanwaltschaft in Gegenwart der für die Entscheidung zuständigen Richter Anträge zur Strafart und Strafhöhe nach Teileinstellung des Verfahrens und Ablegung eines Geständnisses erörtern, im Anschluss daran das Gericht nach dem Vortrag eines Formalgeständnisses auf eine – an sich vorgesehene – Beweisaufnahme verzichtet, den übereinstimmenden Anträgen folgt und der Angeklagte Rechtsmittelverzicht erklärt, ist in der Regel von einer konkludent geschlossenen Urteilsabsprache auszugehen, die dem Zweck dient, die Anforderungen und Rechtswirkungen einer Verständigung rechtswidrig zu umgehen. Bloßes Schweigen der Richter bei einem Verständigungsgespräch oder die Erklärung, das Gericht trete den Vorschlägen nicht bei, stehen dem nicht entgegen. Ein Rechtsmittelverzicht ist unwirksam, wenn dem Urteil eine informelle Verständigung vorausgegangen ist“.
  • OLG München, Urt. v. 9. 1. 2014 (4 StRR 261/13, JurionRS 2014, 10081) mit dem Leitsatz: “Scheitern Verständigungsgespräche sind vom Gericht eingegangene „einseitige Verpflichtungen“ gegenüber dem Angeklagten gesetzwidrig und führen zur Aufhebung des auf einer solchen Verpflichtung beruhenden Strafurteils, weil nur so die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Revisionsgerichte zur Kontrolle von Verständigungen im Strafverfahren effektiv umgesetzt werden können. “
  • OLG Celle, Urt. v. 18. 12. 2013 (31 Ss 35/13, JurionRS 2013, 52133) mit dem Leitsatz: „Da die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 212 StPO nur vom „Gericht“ geführte Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten erfasst, fallen hierunter in Verfahren vor einer großen Strafkammer nur solche Gespräche, an denen entweder alle Berufsrichter teilgenommen haben oder in denen die Strafkammer sich – nach außen deutlich – durch eines ihrer Mitglieder aufgrund entsprechender Beratung geäußert hat.”
Hinweis

Interessant in dem Zusammenhang der OLG Naumburg, Beschl. v. 4. 12. 2013 - 2 Ss 151/13 (StRR 2014, 70 = StraFo 2014, 21 = NStZ 2014, 116 m. abl. Anm. Wenske). Das geht davon aus, dass dann, wenn eine Verständigung i.S. von § 257 c StPO zustande kommen soll, die Rechtslage schwierig i.S. des § 140 Abs. 2 StPO ist, weil ein Angeklagter sich bei der Erörterung einer solchen Verfahrensweise in der Regel nicht selbst wirksam verteidigen kann. Deshalb sei die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich.

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IV. Rechtsmittelverfahren

Ich habe schon seit längerem nicht mehr über die Rechtsprechung der Revisionsgerichte zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge berichtet (vgl. zuletzt ZAP F. 22 R, S. 737 ff.). Obwohl: Wenn man die revisionsgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage verfolgt, hat man schon den Eindruck, dass das Lesen/Auswerten entsprechender Zusammenstellungen, Aufsätze und Überblicke bei manchem Verteidiger dringend notwendig ist. Denn immer wieder scheitern Verfahrensrügen an den (strengen) Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Und das nicht nur, weil die Revisionsgerichte an dieser Stelle die Hürden hoch stellen. Sondern teilweise eben leider auch, weil Verteidiger offenbar nicht in der Lage sind, die erhobenen Verfahrensrügen entsprechend den Anforderungen der Revisionsgerichte zu begründen. Teilweise werden erschreckende Fehler gemacht bzw. sind erschreckende Lücken erkennbar (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 12. 3. 2013 – 2 StR 34/12, NStZ-RR 2013, 5 und 222; zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge s. auch Junker in: Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2013, Teil 1 Rn. 2783 ff. m.w.N.).

Hinweis

Und: Der Verteidiger sollte neben der Verfahrensrüge immer auch die (allgemeine ) Sachrüge erheben. Denn die Unzulässigkeit der Verfahrensrügen führt, wenn die Sachrüge nicht er-hoben ist, zur Unzulässigkeit der Revision insgesamt (vgl. u.a. BGH NStZ 2010, 97 m.w.N.).

Sachverhalt

Begründung

Rüge ermessensmissbräuchlicher Verfahrenstrennung (§ 2 StPO)

Es muss vorgetragen werden, was dem LG bei der Abtrennung zur Dauer der zur Begründung der Abtrennung krankheitsbedingten Verhinderung des Verteidigers des Angeklagten bekannt war (BGH, Urt. v. 6. 8. 2013 – 1 StR 201/13, JurionRS 2013, 43813 = NStZ-RR 2013, 352).

Es wird die fehlerhafte Bescheidung eines Ablehnungsgesuchs (§§ 24 ff. StPO) gerügt.

Es ist Vortrag zu den dienstlichen Stellungnahmen gem. § 26 Abs. 3 StPO erforderlich (BGH, Urt. v. 6. 8. 2013 – 1 StR 201/13, JurionRS 2013, 43813 = NStZ-RR 2013, 352)

Die Verfahrensrüge macht geltend, ein Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht verworfen worden (§§ 24 ff. StPO).

In der Revisionsbegründung muss der Inhalt eines vom Verteidiger. verlesenen Antrags, der zu der beanstandeten Reaktion des Richter geführt haben soll, mitgeteilt werden (BGH, Beschl. v. 7. 5. 2013 – 4 StR 475/13; ähnlich BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – 5 StR 432/11, StV 2012, 587).

Mit der Verfahrensrüge wird die die Verwertung erhobener Telekommunikationsverkehrsdaten beanstandet (§ 100h StPO).

Es muss u.a. mitgeteilt werden, ob die aufgrund des Beschlusses des AG übermittelten Verkehrsdaten von den Mobilfunkbetreibern allein nach § 113a TKG oder für eigene Zwecke gemäß §§ 96 ff. TKG gespeichert waren. Es darf nämlich nicht offen bleiben, ob für die rechtliche Zulässigkeit der Datenübermittlung die einschränkenden Voraussetzungen maßgeblich waren, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 121, 1 ff., 391 f.) für die vorläufige weitere Anwendung der Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung festgelegt hatte (BGH Beschl. v. 15. 1. 2013 – 4 StR 385/12, JurionRS 2013, 10356).

Mit der Rüge wird die Verwertung von aus Wohnungsdurchsuchungen stammenden Erkenntnisse beanstandet, weil bei Anordnung der Durchsuchungen der Richtervorbehalt nicht beachtet worden sei (§ 105 Abs. 1 S.tz 1 StPO, Art. 13 Abs. 2 GG).

Nicht zulässig erhoben, wenn nicht deutlich wird, von welchem tatsächlichen Geschehensablauf der Durchsuchungen die Revisionen ausgehen (BGH, Beschl. v. 20.12.2012, 3 StR 407/12, JurionRS 2012, 35888).

Es wird ein Verstoß gegen § 218 StPO geltend gemacht.

Zum notwendigen Vorbringen bei der Rüge eines Verstoßes gegen § 218 StPO gehört, dass der Verteidiger nicht auf anderem Wege noch vor der Verhandlung Kenntnis von dem Termin erlangt hat (OLG Celle, Beschl. v. 2. 4. 2012 - 322 SsBs 84/12, NZV 2012, 351 = VRS 123, 80 = StV 2012, 588).

Die Revision macht geltend, ein in der Hauptverhandlung vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache angebrachter Besetzungseinwand (§ 222b Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 338 Nr. 1b StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.

Ausreichend begründet, wenn die Seite des Hauptverhandlungsprotokolls, die diesen Vortrag belegt, ausdrücklich genannt. ist. Es muss nicht noch das Hauptverhandlungsprotokoll beigefügt werden BGH, Beschl. v. 22. 1. 2013 – 1 StR 557/12, JurionRS 2013, 10693).

Mit der Revision wird eine Verletzung des § 243 Abs. 4 S. 2 StPO gerügt.

Die Begründung muss bestimmt behaupten und konkret darlegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Zur konkreten Darlegung der Form gehört auch die exakte ‑ regelmäßig namentliche - Benennung der Gesprächsteilnehmer (OLG Celle, Beschl. v. 18.12.2013 - 31 Ss 35/13, JurionRS 2013, 52133; ähnlich KG, Beschl. v. 26. 8. 2013 – (4) 161 Ss 129/13, JurionRS 2013, 45724).

Es wird die unzulässige Ablehnung von vom Revisionsführer gestellter Beweisanträge auf Vernehmung vorn Zeugen gerügt (§ 244 StPO).

Die Beweisanträge und die entsprechenden Ablehnungsbeschlüsse des Gerichts müssen vollständig wiedergegeben werden, und zwar entweder durch wörtliche oder inhaltliche Wiedergabe oder durch die Einfügung von Abschriften oder Ablichtungen (BGH, Beschl. v. 12. 3. 2013 – 2 StR 34/12, NStZ-RR 2013, 5 und 222).

Mit der Verfahrensrüge wird die unzulässige Ablehnung eines Beweisantrages – gerichtet auf die Vernehmung zweier Zeugen – geltend gemacht (§ 244 StPO)

Der Antrag muss vollständig mitgeteilt werden, nämlich mit seiner Begründung. Darüber hinaus muss der Vortrag die erforderliche Angabe ladungsfähiger Anschriften der Zeugen oder auch nur deren unmittelbarer Auffindbarkeit durch das Gericht enthalten(BGH, Beschl. 23. 10 2013- 5 StR 313/13,  JurionRS 2013, 48043; v vgl. auch noch (vgl. BGH, Beschl. v. 9. 5. 2000 – 4 StR 115/00; Beschl. v. 8. 5. 2003 – 5 StR 120/03, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40).

Mit der Verfahrensrüge werden die fehlende Ordnungsmäßigkeit der psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten durch den bestellten Sachverständigen sowie inhaltliche Mängel des – nach dem Revisionsvortrag allein von einem Weiterbildungsassistenten erarbeiteten – vorbereitenden schriftlichen Sachverständigengutachtens geltend ge macht (§ 244 StPO)

Das Sachverständigengutachten ist vollständig vorzulegen (BGH, Beschl. v. 9. 1. 2014 – 5 StR 539/13, JurionRS 2014, 10150).

Es wird die Aufklärungsrüge erhoben (§ 244 StPO).

Eine zulässig erhobene Aufklärungsrüge setzt voraus, dass der Revisionsführer eine bestimmte Beweistatsache, ein bestimmtes Beweismittel und die Umstände angibt, aufgrund derer sich der Tatrichter zu der vermissten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen (BGH, Beschl. v. 12. 3. 2013 – 2 StR 34/12, NStZ-RR 2013, 5 und 222).

Es wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, das Gericht habe in der Hauptverhandlung eine von der Verteidigung beabsichtigte Beweisantragstellung (§ 244 StPO) durch „Nichtzulassung“ vereitelt und die Protokollierung des Antrags entgegen § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO verweigert.

Die damit erhobene Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung setzt, sofern das Protokoll über das behauptete Verfahrensgeschehen keine Auskunft gibt, für ihre Zulässigkeit Darlegungen zum Wegfall der Beweiskraft des Protokolls voraus, aus denen sich entweder die offenkundige Fehlerhaftigkeit des Protokolls oder aber der Nachweis einer bewussten gerichtlichen Falschprotokollierung ergibt (OLG Bamberg, Beschl. v. 19. 3. 2013 - 2 Ss OWi 199/13, JurionRS 2013, 33021, NJW 2013, 1251 = VRR 2013, 471 = StRR 2013, 162).

Rüge eines Verstoßes gegen § 252 StPO im Hinblick auf die Verwertung einer Handy-

Unzulässig, wenn nicht vorgetragen wird, ob der Angehörige des Angeklagten in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht oder Entsprechendes eindeutig und bestimmt vorher erklärt hat bzw. die zur Entscheidung über die Verweigerung des Zeugnisses befugten Vertreter solches für ihn getan haben. Zudem darf nicht offen bleiben unter welchen Umständen die Handy-Videoaufnahme in den Besitz der Strafverfolgungsbehörden gelangt ist (BGH, Beschl. v. 8. 8. 2013 – 1 StR 306/12, JurionRS 2013,. 43136 = NStZ 2013, 725; vgl. auch noch BGH, NStZ 2013, 247 m.w.N.).

Es wird vom Angeklagten die Rüge der Verletzung des § 257c StPO dadurch erhoben, dass das Verständigungsgespräch in Abwesenheit des Angeklagten stattgefunden hat.

Die Rüge ist unzulässig, wenn nicht vorgetragen wird, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen das behauptete Rechtsgespräch zwischen der Strafkammer, dem Staatsanwalt und dem Verteidiger in seiner Abwesenheit stattgefunden haben soll. Das ist erforderlich, um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob ein Rechtsverstoß überhaupt in Betracht kommt (BGH, Beschl. v. 1. 10. 2013 – 1 StR 425/13)

Die Revision macht geltend, bei der im Laufe der Hauptverhandlung zustande gekommenen Verständigung (§ 257c StPO), sei der Angeklagte "nicht in der nach § 257c Abs. 4 StPO gebotenen Weise belehrt worden".

So unzulässig, weil nicht erkennbar ist, was damit gemeint ist. § 257c Abs. 4 StPO begründet keine eigenständige Belehrungspflicht (BGH, Beschl. v. 24. 7. 2013 – 1 StR 234/13, JurionRS 2013, 44878 = NStZ 2013, 727)

Es wird ein Verstoß gegen § 257c StPO dadurch gerügt, dass beanstandet wird, dem Angeklagten sei durch die Strafkammer ein Geständnis „vorgegeben“ worden.

In der Begründung muss zum Inhalt der vom Angeklagten nach den Vorschlägen des Gerichts abgegebenen Erklärung vortragen werden, wenn es sich ausweislich der Urteilsgründe nicht lediglich um ein sogenanntes „Formalgeständnis“ handelt (BGH, Beschl. v. 8. 8. 2013 - 5 StR 312/13, JurionRS 2013, 42811).

Im Bußgeldverfahren wird mit der Rechtsbeschwerde eine vom Bußgeldbescheid abweichende rechtliche Würdigung im Urteil sowie eine Erhöhung der Geldbuße - jeweils ohne vorherigen rechtlichen Hinweis – gerügt (§ 265 StPO).

Es ist erforderlich, dass der Inhalt des Bußgeldbescheids und auch die die ihm beigefügte Rechtsmittelbelehrung mitgeteilt wird (OLG Stuttgart VRR 2013, 203).

Die Verfahrensrüge bezieht sich auf Video- und Bilddateien (§§ 261, 267 StPO).

Die zu den Video- und Bilddateien gefertigten polizeilichen Inhaltsprotokolle müssen mitgeteilt werden (BGH, Beschl. v. 29. 12. 2012 – 5 StR 522/12, JurionRS 2012, 28923).

Es soll gerügt werden, dass das Berufungsgericht den Begriff der genügenden Entschuldigung i.S. des § 329 Abs. 1 StPO verkannt hat, weil dazu Sinneswahrnehmungen, wie der optische Eindruck des Angeklagten, im Zusammenhang mit dem verbalen Entschuldigungsvorbringen herangezogen worden sind.

Für die Zulässigkeit der Erhebung der darauf bezogenen Rüge der Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO ist dann eine so umfassende Beschreibung des Eindrucks erforderlich, dass das Revisionsgericht anhand dessen überprüfen kann, ob sich das Tatgericht zu weiteren Nachforschungen hätte gedrängt sehen müssen (KG, Beschl. v. 28. 10. 2013 - (4) 161 Ss 198/13, JurionRS 2013, 51585).

Die Revision will die Unzulässigkeit der öffentlichen Zustellung der Ladung desjenigen Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung geltend machen, der bereits zu einer früheren Hauptverhandlung nach allgemeinen Vorschriften geladen werden konnte (§ 329 Abs. 1 StPO).

Die Revision muss mitteilen, dass die neuerliche Ladung des Angeklagte im Inland hätte bewirkt werden können. Die inländische Anschrift ist anzugeben (KG, Beschl. v. 5. 4. 2013 - (4) 161 Ss 78/13, JurionRS 2013, JurionRS 2013, 37118).

Es wird geltend gemacht, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR § 329 Abs. 1 S. 1 StPO konventionsfreundlich dahin ausgelegt werden muss, dass die Vertretung des Angeklagten über die bisherigen Ausnahmefälle hinaus in der Berufungshauptverhandlung generell für zulässig erachtet werden müsste.

Die Revisionsbegründung muss mitteilen, dass der Verteidiger während der Hauptverhandlung vor dem LG über eine wirksame, von dem Angeklagten erteilte schriftliche Vertretungsvollmacht verfügte und diese dem Gericht nachgewiesen hätte. Das gilt auch für den Pflichtverteidiger (OLG Celle, NStZ 2013, 615 = NStZ-RR 2014, 18).

Die Verfahrensrüge wird darauf gestützt, dass an einem Tag ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des notwendigen Verteidigers stattgefunden habe (§ 338 Nr. 5 StPO).

Es reicht nicht aus, wenn zwar mitgeteilt, dass eine Verfahrensabtrennung erfolgt sei, nicht aber, ob die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ausgesetzt oder fortgesetzt worden ist. Denn im Falle einer erfolgten Aussetzung bedeutete dies den Abbruch der Verhandlung mit der Folge, dass später eine völlig neue, selbständige Hauptverhandlung stattfinden muss (BGH, Urt. v. 6. 8. 2013 – 1 StR 201/13, JurionRS 2013, 43813 = NStZ-RR 2013, 352)

Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 6 StPO

 

Der Verhandlungsgegenstandes während der angeblichen Öffentlichkeitsbeschränkung muss präzise mitgeteilt werden (BGH, Beschl. v. 8. 1. 2014 – 5 StR 614/13, JurionRS 2014, 10145)

Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO durch Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages

 

Es ist die vollständige Mitteilung der Verfahrenstatsachen, wie u.a. Terminsverlegungsantrag und hierauf ergangene Vorsitzendenverfügung erforderlich (BGH, Beschl. v. 8. 1. 2014 – 5 StR 614/13; JurionRS 2014, 10145)

Mit der Verfahrensrüge wird geltend macht, dass die Darlegungen des Landgerichts zur Verzögerung des Verfahrens durch die Nichteinholung eines kinderneurologischen Gutachtens im Ermittlungsverfahren nicht die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und neun Monaten tragen.

Der Inhalt der in der Revisionsbegründungsschrift erwähnten rechtsmedizinischen Gutachten ist mitzuteilen (BGH, Urt. v. 23. 10. 2013 – 2 StR 392/13, JurionRS 2013, 48663

Es wird eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung behauptet.

Drängt sich nach den Urteilsgründen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht auf, sind in der Revisionsbegründung die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensverstoß belegen, so detailliert darzulegen, dass dem Revisionsgericht eine entsprechende Nachprüfung allein anhand der Revisionsrechtfertigung möglich ist. Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnittes führt nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (KG, Beschl. v. 24. 9. 2013 - (4) 121 Ss 136/13 (170/13), JurionRS 2013, 48070).

Es wird eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung behauptet.

Auch wenn die Anforderungen an die Darlegung der den Mangel enthaltenden Tatsachen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines mehrere Jahre dauernden Verfahrens nicht überspannt werden dürfen, ist vom Beschwerdeführer zu erwarten, dass er einen realistischen Überblick über den tatsächlichen Ablauf des Strafverfahrens gibt (OLG Hamm, Urt. v. 10.10.2013 - 1 RVs 40/13, JurionRS 2013, 47553 = StRR 2013, 443 [Ls.]).

Es wird die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gerügt (§ 169 GVG).

Für die Zulässigkeit der Rüge einer Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bedarf es nicht der Darlegung, dass sich tatsächlich jemand vom Besuch der Hauptverhandlung hat abhalten lassen (OLG Celle, Beschl. v. 1. 5. 2012 - 322 SsBs 131/12, StraFo 2012, 270 = VRR 2012, 283 (Ls.) = StRR 2012, 282 (Ls.).

Verfahrensrüge der Verletzung des Beweisverwendungsverbots aus § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO.

Erforderlich ist Vortrag dazu, eine aufgrund der Verpflichtung aus § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO erteilte Auskunft sei ohne Zustimmung des Angeklagten verwendet worden (OLG Celle, Beschl. v. 19. 12. 2012 - 32 Ss 164/12,  StV 2013, 555).

Im Bußgeldverfahren wird geltend gemacht, die Verwaltungsbehörde habe als sog. große kreisfreie Stadt durch die Messung an einem bestimmten Ort gegen § 48 Abs. 2 Satz 2 OBG NRW oder die hierzu ergangene Verwaltungsvorschrift verstoßen

Zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge bedarf es einer detaillierten Beschreibung der Örtlichkeiten an der Messstelle und darüber hinaus einer Darstellung des Verfahrens, in dem die Stadtverwaltung die Messstelle bestimmt hat (OLG Hamm, Beschl. v. 21. 2. 2012 - 3 RBs 399/11, JurionRS 2012, 12510).

Hinweis

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Begründung der Rechtsbeschwerde (§§ 79 ff. OWiG) im Bußgeldverfahren. Auch hier gelten die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Das gilt insbesondere auch für die mit der nicht ausreichende Akteneinsicht im Bußgeldverfahren (§ 147 StPO) geltend gemacht werden soll. Hier sind die OLG sehr streng. Sie verlangen umfangreichen Vortrag,

  • so z.B. auch, was der Verteidiger noch während des Laufs der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist getan hat, um noch Akteneinsicht zu erlangen (OLG Bamberg VA 2013, 14; OLG Celle VRR 2013, 192 = StRR 2013, 196, jew. m. abl. Anm. Deutscher; OLG Hamm VRR 2012, 434 = VA 2012, 196; VA 2013, 32 = VRR 2013, 79; OLG Stuttgart VA 2013, 32).
  • Das OLG Hamm (VRR 2012, 434 = NStZ-RR 2013, 53 [Ls.]) verlangt u.a. auch Vortrag dazu, was der Verteidiger alles unternommen hat, um die Bedienungsanleitung einsehen zu können (ähnlich OLG Celle VA 2013, 141 = StRR 2013, 299 = VRR 2013, 351 = zfs 2013, 652 [erforderlich ist u.a. der rechtzeitige Versuch, die Bedienungsanleitung vom Hersteller zu erlangen]). Dazu soll auch Vortrag gehören, warum der Verteidiger nicht am Terminstag der Hauptverhandlung noch bei der Verwaltungsbehörde, die ihren Sitz am Gerichtsort hat, Einsicht genommen hat. Allein die wiederholte Aufforderung an die Bußgeldstelle, die Bedienungsanleitung zur Verfügung zu stellen, genüge für diese Bemühungen angesichts des Umstandes, dass die Bedienungsanleitung kein Unikat darstellt, nicht (OLG Celle, VRR 2013, 192 = StRR 2013, 196, jew. m. abl. Anm. Deutscher; vgl. auch noch OLG Frankfurt am Main, VRR 2013, 230 = NStZ-RR 2013, 223).

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V. Gebührenfragen/ Übergangsrecht zum 2. KostRMoG

Ich habe inzwischen an verschiedenen Stellen über das 2. KostRMoG v. 23.07.2013. (BGBl 2013, S. 2586) und die sich daraus für die Abrechnung in Straf- und Bußgeldverfahren (Teil 4 und 5 VV RVG) ergebenden Änderungen berichtet (vgl. dazu ZAP F. 24, S. 1369; Burhoff RVGreport 2013, 330; ders., StraFo 2013, 397; VRR 2013, 287 = StRR 2013, 284; die Beiträge stehen bei Burhoff-online zum kostenfreien Download bereit). Nun gibt es erste Entscheidungen, die sich mit den Änderungen des 2. KostRMoG v. 23.07.2013. (BGBl 2013, S. 2586) befassen. Es überrascht nicht, dass es dabei um Fragen der Anwendbarkeit von Neuerungen Änderungen durch das 2. KostRMoG in sog. Altfällen geht (zum Übergangsrecht s. meine Ausführungen in den o.a. Beiträgen.

1. Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren (§ 17 Nr. 10a RVG)

Von Bedeutung ist zunächst der LG Hildesheim, Beschl. v. 23. 9. 2013 (22 Qs 7/13, JurionRS 2013, 52509), der sich mit der Änderung des § 17 RVG a.F. und der Neuregelung in § 17 Nr. 10a RVG befasst. § 17 Nr. 10a RVG bestimmt jetzt, dass im Strafverfahren vorbereitendes Verfahren und gerichtliches Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Somit kann nach der Anm. zu Nr. 7002 VV RVG die Postentgeltpauschale zweimal geltend gemacht werden. Die Frage, die sich u.a. auch wegen dieser Änderung durch das 2. KostRMoG stellt: Handelt es sich um eine “richtige” Gesetzesänderung oder handelt es sich “nur” um eine Klarstellung der bisherigen Gesetzeslage. Geht man von letzterem aus, dann kommt es auf die Übergangsregelung des § 60 RVG nicht an, sondern die Klarstellungen finden auch in Altfällen Anwendung. Geht man hingegen von einer Gesetzesänderung aus, dann gilt diese Neuerung erst in den Fällen, in denen dem Rechtsanwalt der unbedingte Auftrag ab 1. 8. 2013 erteilt worden ist. Das LG Hildesheim (a.a.O.) geht von einer Gesetzesänderung aus und begründet das mit der bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG in dieser Frage h.M. (vgl. dazu Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, [demnächst 4. Aufl. 2014]).

Hinweis

Soweit ersichtlich ist der Beschluss des LG der erste, der sich mit dieser Übergangsproblematik auseinander setzt (vgl. dazu u.a. Burhoff RVGreport 2013, 330, 337) und sie im Sinne einer „echten Gesetzesänderung“ löst. Damit ist § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG anwendbar. Die Lösung ist angesichts des Streits, der in der Frage zu der früheren Fassung der §§ 16 ff. RVG geführt worden ist, sicherlich vertretbar. Man kann es aber auch anders sehen, wie z.B. die Gebührenreferenten der RAK (vgl. RVGreport 2013, 260; s. auch noch Burhoff, a.a.O.).

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2. Einstellung des Strafverfahrens/Abgabe an die Verwaltungsbehörde (Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG

Ebenfalls mit einer Übergangsproblematik befasst sich eine weitere amtsgerichtliche Entscheidung. Im AG Wiesbaden, Urt. v. 27.12.2013 (93 C 3942/13, AGS 2014, 64) ging es um die Auswirkungen der Änderungen in Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG auf Altfälle. Der Rechtsanwalt war dort vor dem 1. 8. 2013 Verteidiger des Beschuldigten im Strafverfahren gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte das Strafverfahren eingestellt und an die Ordnungsbehörde abgegeben. Der Rechtsanwalt hatte der Rechtsschutzversicherung des Mandanten auch die Gebühr Nr. 4141 VV RVG in Rechnung gestellt. Die Rechtsschutzversicherung hat diese nicht gezahlt. Die dazu erhobene Freistellungsklage des Mandanten hatte keinen Erfolg.

Das AG Wiesbaden (a.a.O.) geht von der Fortgeltung der Rechtsprechung des BGH zu Nr. 4141 VV RVG (vgl. RVGreport 2010, 70 = StRR 2010, 109) in Altfällen aus. Danach ist die Gebühren Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG nicht angefallen, wenn nach Einstellung des Strafverfahrens gem. §170 Abs. 2 StPO eine Abgabe an die Ordnungsbehörde gem. § 43 OWiG erfolgte. Diese Rechtsprechung gelte in Altfällen fort. Die mit dem 2. KostRMoG erfolgte Änderung des Wortlauts des Gebührentatbestands und die damit einhergehende Änderung in der Sache ändere nichts daran, dass diese Rechtsprechung des BGH unter den Voraussetzungen vor der Änderung richtig war und daher auch bis zur erfolgten Änderung Anwendung finden müsse.

Hinweis

Die vom AG herangezogene Entscheidung des BGH In RVGreport 2010, 70 = StRR 2010, 109 ist durch das 2. KostRMoG v. 23.07.2013 (BGBl 2013, S. 2586) überholt, nachdem in Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG das Wort „Verfahren“ durch „Strafverfahren“ ersetzt worden ist (vgl. dazu Burhoff RVGreport 2013, 330, 335; ders., VRR 2013, 287 = StRR 2013, 284). Allerdings stellt sich die Frage, ob die Neuregelung, wovon das AG ausgeht, in Altfällen nicht anwendbar ist (zur Übergangsregelung s. Burhoff RVGreport 2013, 330, 337). Das wäre nur der Fall, wenn man von einer Gesetzesänderung ausgeht. Nimmt man hingegen eine bloße Klarstellung an, dann wäre/ist die Neuregelung auch in Altfällen anwendbar (vgl. dazu RVGreport 2013, 260). Die Frage wird die Rechtsprechung noch klären müssen.

Zudem: Die Gerichte werden sich auch mit der Frage befassen müssen, ob nicht im Hinblick auf den klaren gesetzgeberischen Willen im 2. KostRMoG v. 23.07.2013. (BGBl 2013, S. 2586) und der deutlichen Absage an die Rechtsprechung des BGH die Ansicht überhaupt aufrecht erhalten werden kann oder ob nicht – auch im Hinblick auf die anders lautende h.M. in der Rechtsprechung vor der Entscheidung des BGH – eine Abkehr von dieser Rechtsprechung überfällig ist. Man muss ja nicht immer an alten, zudem auch noch falschen Zöpfen festhalten.

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