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aus ZAP Heft 18/2016, F. 9 S. 945

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Praktische Fragen zu Abstandsverstößen im verkehrsrechtlichen Mandat

Von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

I. Allgemeines

Neben der Geschwindigkeitsüberschreitung (vgl. dazu Burhoff ZAP F. 9, S. 877 ff.) und dem Rotlichtverstoß (vgl. Burhoff ZAP F. 9, S. 919 ff.) sind (Abstands-)Verstöße gegen § 4 StVO in der Praxis die mit am häufigsten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten. Für den Betroffenen sind auch diese Verstöße von großer Bedeutung, da bei einer erheblichen Abstandsunterschreitung nach Tabelle 2 BKatV ein Fahrverbot verhängt werden kann. Das gilt besonders für die Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstands auf der Bundesautobahn (BAB), wo häufig zu nah aufgefahren wird (s. allgemein zur Abstandsmessung Burhoff in: Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn 76 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff/Bearbeiter, OWi]; Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 93 ff.; Burhoff/Gieg, OWi, Rn 138 ff.; Burhoff in: Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn 86 ff. [im Folgenden Burhoff/Grün u.a.]).

Hinweise:

Wegen dieser besonderen Bedeutung von Verstößen gegen § 4 StVO ist es wie bei der Geschwindigkeitsüberschreitung und dem Rotlichtverstoß besondere Aufgabe des Verteidigers, auf „Schwach- bzw. Angriffspunkteim tatrichterlichen Urteil des Amtsrichters zu achten. Auf die wesentlich zu beachtenden Punkte weist dieser Beitrag hin.

Dabei wird ein „Prüfungsschema“ eingehalten, das der Verfasser auch als Rechtsbeschwerderichter verwendet hat. Mit einer Aufhebung des Urteils durch das OLG entgeht der Betroffene zwar möglicherweise nicht endgültig der Verurteilung wegen der ihm zur Last gelegten Abstandsunterschreitung. Aufhebung und Zurückverweisung führen jedoch dazu, dass zwischen Tat und endgültiger Verurteilung eine ggf. so lange Zeitspanne liegt, dass möglicherweise schon deshalb kein Fahrverbot mehr verhängt werden kann (vgl. dazu auch Burhoff/Deutscher, OWi, Rn 1444 ff.; wegen weiterer Nachweise s. Burhoff ZAP F. 9, S. 877).

II. Abstand nach der StVO

1. Bestimmung des erforderlichen Abstands

a) Sicherheitsabstand

Die StVO regelt nicht konkret, welcher Abstand zum Vordermann eingehalten werden muss. § 4 Abs. 1 StVO bestimmt nur, dass der Abstand von einem vorausfahrenden Fahrzeug i.d.R. so groß sein muss, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn plötzlich gebremst wird. In der Praxis wird der erforderliche Sicherheitsabstand i.d.R. mit der Anwendung einer „Faustregel“ bestimmt. Danach gilt als erforderlicher Sicherheitsabstand allgemein der „halbe Tachoabstand“. Hierbei handelt es sich allerdings nur um einen unverbindlichen Maßstab (AG Homburg/Saar DAR 1998, 31). Die obergerichtliche Rechtsprechung ermittelt den Sicherheitsabstand genauer. Nach der Rechtsprechung darf der Sicherheitsabstand zwischen zwei Kfz auf einer Schnellstraße den von dem nachfolgenden Kfz in 1,5 sec. zurückzulegenden Weg grundsätzlich nicht unterschreiten (vgl. u.a. OLG Düsseldorf VRS 74, 451; OLG Hamm VRS 55, 211; OLG Köln VRS 67, 286; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 83).

Hinweis:

Nach Nr. 12.5 ff., Tabelle 2 BKatV ist bei der Bemessung des Sicherheitsabstands im Rahmen der Bußgeldbemessung aber vom halben Tachowert auszugehen (BayObLG NJW 1988, 273 m.w.N.). Daran ist der Tatrichter gebunden.

Davon zu unterscheiden ist noch der gefährdende Abstand. Er liegt vor, wenn der Sicherheitsabstand geringer ist als die in 0,8 sec. durchfahrene Strecke (vgl. u.a. OLG Köln NZV 1992, 371 = VRS 83, 339).

b) Sonderfall: Lkw

In § 4 Abs. 3 StVO ist allerdings konkret bestimmt, dass Lastkraftwagen über 3,5 t oder Omnibusse, wenn eine höhere Geschwindigkeit als 50 km/h auf einer BAB gefahren wird, 50 m Mindestabstand einzuhalten haben. Auf eine konkrete Gefährdung wird dabei nicht abgestellt. Es handelt sich auch nicht nur um einen „Einscherabstand“, sondern um einen konkret bestimmten Sicherheitsabstand. Dieser Abstand ist daher auch auf Strecken einzuhalten, auf denen das Überholen verboten oder wegen einer durchgehenden Fahrstreifenbegrenzung faktisch nicht möglich ist. Die Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVO ist im Geltungsbereich des § 4 Abs. 3 StVO nicht anzuwenden (OLG Saarbrücken VRS 110, 369).

Hinweis:

Nach Auffassung des AG Lüdinghausen liegt ein Grenzfall des Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 StVO vor, wenn der Betroffene bei einer sich an die Untergrenze des § 4 Abs. 3 StVO annähernden Geschwindigkeit den für Pkw geltenden „Halben-Tacho-Abstands“ einhält (hier: Geschwindigkeit von 56 km/h; Abstand zum Vordermann: 37 m). In einem solchen Grenzfall könne dann bei einem Lkw-Fahrer eine Geldbuße unterhalb der Eintragungsgrenze für das Fahreignungsregister (FAER) festgesetzt werden (AG Lüdinghausen, Beschl. v. 20.6.2016 – 19 OWi-89 Js 891/16-87/16).

2. Nicht nur vorübergehende Abstandsunterschreitung

Für die Feststellung und die Bejahung eines bußgeldbewehrten Verstoßes gegen § 4 StVO müssen noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Erforderlich ist zunächst, dass der erforderliche Sicherheitsabstand zu irgendeinem Zeitpunkt der Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar unterschritten wurde (OLG Hamm zfs 2015, 711 = VRR 3/2015, 2 [Ls.] = VA 2015, 69; OLG Koblenz VRR 2007, 232 [Ls]; OLG Rostock VRR 2014, 473 = VA 2014, 209 = NZV 2015, 405 [Ls.]). Die Abstandsunterschreitung ist nicht nur auf „nicht nur ganz vorübergehende“ Unterschreitungen beschränkt (OLG Hamm a.a.O.; s. wohl auch OLG Hamm VA 2012, 209 = VRR 2013, 35 = NZV 2013, 203; VA 2013, 194 = VRR 2013, 432 = DAR 2013, 656).

Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es aber dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden kann (OLG Hamm VRR 2013, 35 = NZV 2013, 203 = VA 2012, 209; DAR 2013, 656 = VA 2013, 194 = VRR 2013, 432; zfs 2015, 711 = VA 2015, 69 = VRR 3/2015, 2 [Ls.]; dazu auch schon OLG Hamm NZV 1994, 70 = VRS 86, 362; OLG Koblenz zfs 2007, 589; VRR 2007, 322 [Ls]). Bei höheren Geschwindigkeiten ist insoweit eine Strecke von 250–300 m erforderlich (OLG Celle VRS 55, 448; OLG Düsseldorf NZV 1993, 242; DAR 2002, 464 = VRS 103, 305 = NZV 2002, 519; OLG Hamm a.a.O.; OLG Köln DAR 1983, 364; OLG Zweibrücken VRS 85, 217; AG Homburg/Saar DAR 1998, 31 = zfs 1997, 393; s. aber OLG Celle NZV 1991, 281). Das OLG Hamm hat jedoch vor einiger Zeit im Einzelfall auch schon eine Fahrstrecke von 150 m ausreichen lassen (OLG Hamm VRR 2013, 35 = VA 2012, 209 = NZV 2013, 203), das AG Lüdinghausen lehnt bei einer Fahrstrecke von nur 110–120 m einen Abstandsverstoß hingegen ab (AG Lüdinghausen VA 2013, 87 = NZV 2013, 203 = VRS 124, 165 = VRR 2013, 123 [Ls.]). Inzwischen sieht das OLG Hamm einen „nicht nur vorübergehenden Verstoß“ jedenfalls dann als gegeben an, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 sec. oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140 m betragen hat (VRR 2013, 432 = VA 2013, 194 = DAR 2013, 656; vgl. auch noch OLG Rostock VRR 2014, 473 = VA 2014, 209 = NZV 2015, 405 [Ls]).

Hinweis:

Das gilt im Fall des § 4 Abs. 3 StVO allerdings nicht für Lkw und Omnibusse (vgl. oben II. 1. b). Das Unterschreiten des hier vorgeschriebenen 50 m-Abstands ist vielmehr grundsätzlich auch dann bußgeldbewehrt, wenn es nur vorübergehend geschieht (OLG Zweibrücken NZV 1997, 283).

Darüber hinaus muss der zu geringe Abstand den Vordermann nicht konkret gefährdet haben (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 4 Rn 6 a.E. [im Folgenden kurz: Hentschel/König/Dauer, StVR). Ob eine konkrete Gefährdung vorliegt oder nicht, ist jeweils Tatfrage und erfordert die Berücksichtigung aller Umstände (Hentschel/König/Dauer/König, StVR, § 4 Rn 6 a.E.; vgl. auch OLG Hamm zfs 2015, 711 = VA 2015, 69 = VRR 3/2015, 2 [Ls.]). Kann sie festgestellt werden, kann neben dem Verstoß gegen § 4 StVO ggf. auch noch ein Verstoß gegen § 1 StVO gegeben sein.

III. Messverfahren

1. Allgemeines

Für die Feststellung, ob der erforderliche Sicherheitsabstand eingehalten worden ist, stehen in der Praxis verschiedene Messverfahren zur Verfügung. Die in der Praxis häufigsten Messverfahren sind die (stationären) Brücken-/Videoabstandsmessverfahren – wie VAMA (s.u. III. 3.), das fortentwickelt worden ist zum sog. VKS 3.01 (vgl. dazu u.a. OLG Dresden VRS 109, 196 = DAR 2005, 637 = VRR 2005, 315) –, die Messung mit dem (mobilen) Police-Pilot-System (s.u. III. 4.; vgl. zur Geschwindigkeitsüberschreitung Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 1171 ff.) und schließlich die Messung durch Polizeibeamte ohne technische Geräte (s.u. III. 5.).

Literaturhinweise:

Eingehend zu den verschiedenen Messverfahren: Burhoff/H.P. Grün/Böttger, OWi, Rn 93 ff.; Rebler VD 2013, 76 ff.; Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 353 ff.; zu Neuerungen Schmedding DAR 2010, 426; Löhle DAR 2016, 161; zum Beweisantrag bei Abstandsverstößen Meyer DAR 2011, 744.

In der Hauptverhandlung wird die von einem Messvorgang vorliegende Videoaufnahme im Wege des Augenscheins eingeführt (OLG Zweibrücken VRS 102, 102).

Auch bei der Abstandsmessung muss der Verteidiger die der Feststellung eines bußgeldbewehrten Verstoßes gegen § 4 StVO zugrunde liegende Messung überprüfen können. Dazu gehört auch der Zugriff auf die sog. Roh(mess)daten.

Hinweis:

Die Ausführungen zur Akteneinsicht u.a. gelten daher auch hier (vgl. dazu Burhoff ZAP F. 9, 877, 882; s. insb. dazu auch OLG Celle, Beschl. v. 16.6.2016 – 1 Ss OWi 96/16; OLG Düsseldorf NZV 2016, 140 = VRR 10/2015, 15 = StRR 2015, 396 = VA 2015, 194; OLG Jena NJW 2016, 1457 m. zust. Anm. Leitmeier = VA 2016, 88 = NStZ-RR 2016, 186 = DAR 2016, 399; OLG Saarbrücken VRR 4/2016, 18 = StRR 4/2016, 22 = VA 2016, 103; AG Mannheim DAR 2016, 95 [Freispruch, weil ausschließlich die Herstellerfirma Zugriff auf die Rohdaten hatte]; restriktiver OLG Bamberg DAR 2016, 337 = VA 2016, 104 m.w.N.; OLG Celle DAR 2012, 216 = VRR 2010, 151; OLG Frankfurt NStZ-RR 2013, 223 = StRR 2013, 230 = VRR 2013, 231; OLG Hamm VRR 2013, 194 m. abl. Anm. Burhoff = NStZ-RR 2013, 213 [Ls.]; OLG Oldenburg VRR 6/2016, 16; OLG Zweibrücken zfs 2012, 51 = DAR 2013, 38 = VRR 2013, 36 = VA 2013, 10 = StRR 2013, 37; Beschl. v. 15.4.2013 – 1 SsBs 14/12; vgl. auch König DAR 2016, 362, 371).

2. Zulässigkeit von Videomessungen

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 11.8.2009 zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Videomessungen im Straßenverkehr Stellung genommen (vgl. BVerfG NJW 2009, 3293 = VA 2009, 172 = VRR 2009, 355 = StRR 2009, 356 = zfs 2009, 589) und verdachtsunabhängige Videomessungen im Straßenverkehr als unzulässig angesehen.

Hinweis:

Die auf der Grundlage dieser Entscheidung im Wesentlichen zur Geschwindigkeitsmessung in der Rechtsprechung geführte Diskussion (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff/Grün u.a., § 3 Rn 5; Burhoff/Gieg, OWi, Rn 707 ff. und Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 721 ff.) gilt auch für Abstandsmessungen. Die Ausführungen bei Burhoff (ZAP F. 9, S. 878) gelten im Übrigen entsprechend.

3. Brücken-/Videoabstandsmessverfahren

a) Allgemeines

Bei diesen Messverfahren wird das Abstandsverhalten des zu überwachenden Fahrzeugs anhand durch Markierungen auf der Fahrbahn eingerichteter Messstrecken und anschließender Zeitmessungen zur Bestimmung von Geschwindigkeit und Abstand durchgeführt (zu Einzelheiten s. Burhoff/Grün u.a. § 1 Rn 353 ff.; Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 103 ff.). Die Brückenabstandsmessverfahren werden von der h.M. in der Rechtsprechung als ausreichend zuverlässig angesehen (vgl. OLG Düsseldorf DAR 1985, 87; Hentschel/König/Dauer/König, StVR, § 4 StVO Rn 15 m.w.N.). Das gilt auch für die Modifikation „VKS“ (vgl. dazu Burhoff/Grün u.a, a.a.O.; Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 130 ff.).

b) Standardisierte Messverfahren

Bei den (einfachen) Brücken-/Videoabstandsmessverfahren wird ein Abstandsverstoß lediglich anhand einer Videoaufzeichnung dokumentiert und nicht mit einer mittels geeichten Charaktergenerators generierten Zeitenmessung synchronisiert. Dieses Messverfahren ist – im Gegensatz zum VAMA- oder ViBrAM-Brückenabstandsmessverfahren (s.u.) – kein standardisiertes Messverfahren im Sinne der BGH-Rechtsprechung.

Bei diesen (Brückenabstandsmess-)Verfahren ist auf folgende mögliche Fehlerquelle zu achten (vgl. dazu auch Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 380 ff.): Von Bedeutung ist, dass sich eventuelle Abstandsveränderungen bei den beobachteten Fahrzeugen wohl nicht immer zweifelsfrei wahrnehmen lassen. Es ist also ohne weiteres möglich, dass der Abstand des gemessenen Fahrzeugs während der entscheidenden Strecke von 250–300 m (vgl. dazu u.a. OLG Düsseldorf DAR 2003, 464) durch Gaswegnehmen den Abstand vergrößert hat. Wegen der Fehlerquellen muss ein Sicherheitsabschlag gemacht werden. Die Rechtsprechung verlangt grundsätzlich einen 15 %igen Abzug von dem in 0,8 sec. zurückgelegten Fahrweg der Kfz (BayObLG VRS 59, 264; OLG Düsseldorf VRS 64, 376; s. aber OLG Celle VRS 58, 264 [unterliegt der freien Beweiswürdigung]).

Hinweis:

Der BGH hat über die Zuverlässigkeit dieses Abstandsmessverfahrens (noch) nicht entschieden. Nach seiner Auffassung muss diese Frage allein der Tatrichter beurteilen (BGH DAR 1983, 56; ähnlich OLG Hamm VRS 106, 466).

Das OLG Stuttgart und das OLG Bamberg sehen das Verfahren ViBrAM-BAMAS inzwischen aber als standardisiertes Verfahren an (OLG Bamberg VA 2012, 101 = VRR 2012, 163 [Ls.] = DAR 2012, 268; OLG Stuttgart DAR 2007, 657 = VRS 113, 224 = VRR 2007, 475). Das bedeutet, dass der Tatrichter im Urteil i.d.R. nur das angewendete Messverfahren (ViBrAM-BAMAS), die Geschwindigkeit des Betroffenen sowie die Länge des Abstands zwischen den Fahrzeugen des Betroffenen und des Vorausfahrenden feststellen muss. Toleranzen brauchen weder zur Geschwindigkeit noch zum Abstand mitgeteilt zu werden (wegen der Feststellungen im Übrigen s. OLG Stuttgart a.a.O.).

Bei den (stationären) Brücken-/Videoabstandsmessverfahren wird die jeweilige Messsituation unter Verwendung einer bzw. mehrerer Videokameras aufgezeichnet. Hier nur so viel: Der auflaufende Verkehr wird von einer Autobahnbrücke aus mit zwei Videokameras auf einem gemeinsamen Videoband aufgezeichnet, wobei die erste Videokamera den Fernbereich (ca. 100 m bis meist über 500 m) aufnimmt und eine zweite Kamera den für die Messung maßgeblichen Nahbereich (ca. 30 bis 100 m) aufzeichnet. Auf dem Band wird das Datum der Aufnahme, die Tatzeit (als Echtzeit) und die Messzeit (eine fiktive geeichte Zeit) eingeblendet. Die Messzeit wird unter Verwendung des geeichten Charaktergenerators ermittelt. Aus dem Videofilm, welcher mittels der beiden Kameras und des Charaktergenerators erstellt wird, werden im Rahmen der Videoauswertung zur Berechnung von Geschwindigkeit und Abstand Einzelbilder („Videoprints“) ausgedruckt, welche die Einfahrt des Fahrzeugs in bzw. die Ausfahrt aus dem 50 m langen Messbereich wiedergeben. Der Messbereich wird hierbei durch im Nahbereich aufgebrachte Fahrbahnmarkierungen definiert. Die erste überfahrene Linie ist 90 m vom Kamerastandpunkt entfernt und 1,0 m breit, die zweite Linie ist 40 m entfernt und 0,5 m breit. Zur Zeitmessung dient eine Videoaufzeichnung, in die der Charaktergenerator laufend eine Zeitinformation einblendet, die für jedes Videohalbbild um den zeitlichen Abstand der Halbbilder (jeweils um 0,02 sec.) aktualisiert wird. Die Videokameras sind dabei so aufzustellen, dass das Überfahren der Linien detailliert erkennbar ist.

Literaturhinweis:

Zur Funktionsweise des Videoabstandsmessverfahrens – VAMA – oder seiner Weiterentwicklung VKS s. die eingehenden Ausführungen bei Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 380 ff., 483 ff.; eingehend auch Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 110 ff.; Krumm DAR 2007, 129; OLG Bamberg VRR 2013, 111 = zfs 2013, 290 = VA 2013, 30.

Auch diese Messverfahren sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung als geeignet zur Abstandsmessung und als zuverlässig anerkannt worden (grundlegend OLG Hamm NZV 1994, 120; DAR 1996, 382; OLG Dresden VRS 109, 196 = VRR 2005, 315 = DAR 2005, 637 zu „VKS“; AG Landstuhl DV 2016, 190; Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 110 ff. m.w.N.; Krumm DAR 2005, 55). Die Rechtsprechung verlangt nur in geringem Maße Toleranzabzüge: Bis zu einer Geschwindigkeit von 154 km/h ist kein Sicherheitsabschlag auf den im Nahbereich ermittelten Abstand erforderlich (vgl. Burhoff/H.-P. Grün u.a./Böttger, OWi, Rn 98 ff. m.w.N.). Für den Fernbereich reicht die Inaugenscheinnahme des vorliegenden Videofilms aus.

Hinweise:

Bei den Messverfahren handelt es sich um sog. standardisierte Messverfahren im Sinne der BGH-Rechtsprechung (s. dazu OLG Bamberg VA 2012, 101 = VRR 2012, 163 = DAR 2012, 268; OLG Dresden VRS 109, 196 = VRR 2005, 315 = DAR 2005, 637; AG Landstuhl DV 2016, 190; AG Recklinghausen StRR 2010, 403 [Ls.]; vgl. auch noch OLG Bamberg VRR 2013, 111 = VA 2013, 30 = zfs 2013, 290). Es ist daher ausreichend, wenn im Urteil nur ein Hinweis auf das Messverfahren erfolgt (OLG Hamm DAR 1996, 382 bei Burhoff). Dieses muss selbst nicht mehr näher beschrieben werden (OLG Dresden a.a.O.; vgl. auch Burhoff/Gieg, OWi, Rn 166 ff. m.w.N.).

Wird die Abstandsmessung mit einer anderen Videokamera betrieben, als sie die zum Tatzeitpunkt geltende Bauartzulassung vorsieht, handelt es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren (für das Dista-4-Verfahren: OLG Jena VRS 115, 431).

Das VAMA-Verfahren ist/war in der Diskussion (vgl. dazu Wietschorke NZV 2007, 346; Burhoff VRR 2007, 329 = VA 2007, 167). In der Vergangenheit war man davon ausgegangen, dass die angezeigte Zeit in dem sich in dem Gerät befindenden Charaktergenerator mit der Videostoppuhr CG-P50E, der zwischen Kamera und Videorekorder geschaltet wird, gebildet und das Videobild eingeblendet wird. Der Sachverständige Wietschorke hatte durch einen Versuch nachgewiesen, dass in dem Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät JVC/Piller CG-P50E keine Uhr eingebaut ist, welche zur Einblendung der Zeit in dem Videobild führt. Die Videostoppuhr CG-P50E misst nicht wirklich die Zeit, sondern nur die Bilder pro Sekunde, die die Kamera aufgenommen hat. Aufgrund dieser Feststellungen war die Frage aufgetaucht, ob das Verfahren noch als standardisiertes Messverfahren angesehen werden kann (vgl. dazu auch Burhoff a.a.O.).

Zu dieser Thematik liegt aber inzwischen Rechtsprechung vor. Das OLG Bamberg (DAR 2008, 98 = VRR 2008, 73 = VA 2008, 52) sieht das Verfahren nicht mehr als standardisiertes Messverfahren an und verlangt zu den bisher schon erforderlichen Feststellungen zusätzliche Feststellungen, und zwar die Bezeichnung der die Abstandsmessung durchführenden Polizeidienststelle sowie die Bezeichnung des bei der Messung konkret eingesetzten Charaktergenerators nach seiner Geräteidentifikations-Nummer. Demgegenüber hat aber das AG Lüdinghausen (VA 2008, 34 = VRR 2008, 77 = NZV 2008, 109 = DAR 2008, 160) allein den Einsatz von „PAL-Kameras“ ausreichen lassen und die Standardisierung des Messverfahrens weiterhin angenommen. Das AG Lüdinghausen (a.a.O.) hat sich jedoch – ebenso wie das OLG Bamberg (a.a.O.) – nicht der dazu in der Literatur vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach zusätzlich zu den sonst zu berücksichtigenden Toleranzen ein weiterer Abzug von 10 % als erforderlich angesehen worden ist (vgl. Burhoff a.a.O.).

Hinweis:

Jedenfalls sollte der Verteidiger nach wie vor einen höheren Sicherheitsabschlag geltend machen. Zudem muss er darauf achten, dass das Messsystem mit einer PAL-Kamera betrieben wird, da diese jetzt auch von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vorgeschrieben wird. Denn diese hat inzwischen am 5.7.2007 durch einen (neuen) Zulassungsnachtrag die alte Rechtslage wieder hergestellt. Dieser beschreibt nunmehr den verwendeten Charaktergenerator CG-P50E der Firma Piller in seiner Funktion richtig – nicht als „innere Uhr“ – und setzt den Einsatz von „PAL“-Kameras voraus (zu allem auch Burhoff/Grün u.a., § 1 Rn 586 ff.).

Bei einer Abstandsmessung mit dem Generator und Timer JVC/Piller, Typ CG-P50E – ist aber keine zusätzliche Eichung über die PTB-Zulassung hinaus erforderlich (AG Landstuhl VA 2011, 161).

4. Police-Pilot-System

Bei der Messung mit dem „Police-Pilot-System“ (PPS) und anderen handelt es sich ebenfalls um ein Videomessverfahren, allerdings um ein mobiles, bei dem die Messung i.d.R. aus dem fahrenden Polizeifahrzeug erfolgt und mit dem im Übrigen auch Geschwindigkeitsüberschreitungen gemessen werden (zum Einsatz von PPS Burhoff VA 2001, 59; Burhoff/H.-P. Grün/Böttger, OWi, Rn 106 ff. m.w.N.). Bei der Abstandsmessung werden Streckenlänge und Geschwindigkeit gemessen und die Verkehrssituation wird auf einem Videoband aufgezeichnet.

Die Messung mit PPS u.a. ist inzwischen als zuverlässig anerkannt (vgl. OLG Celle VRS 81, 210; OLG Düsseldorf VA 2000, 49; OLG Hamm zfs 2009, 470; DAR 2009, 156 = VRR 2009, 195). Das Gericht ist dann bei der Feststellung von Abständen nicht auf Schätzungen von Polizeibeamten angewiesen, sondern diese können, sofern geeignete Fixpunkte vorhanden sind, zuverlässig berechnet und die Ergebnisse vom Gericht durch Augenschein des Videobands überprüft werden (OLG Celle a.a.O.).

Das PPS ist allerdings für Abstandsmessungen kein standardisiertes Messverfahren (OLG Celle VRS 81, 210; OLG Hamm zfs 2009, 470; DAR 2009, 156 = VRR 2009, 195; OLG Jena DAR 2011, 413 = VRS 119, 366). Die Abstände werden – anders als die Geschwindigkeiten – nicht elektronisch gemessen, sondern unter Auswertung des Videobands errechnet. Deshalb genügt nicht die Bezeichnung des Verfahrens, sondern die Auswertung und Berechnung müssen, um eine Überprüfung zu ermöglichen, in den Urteilsgründen verständlich und widerspruchsfrei dargelegt werden (vgl. OLG Celle a.a.O.; OLG Düsseldorf VRS 99, 133, 135; OLG Hamm a.a.O. und auch schon VA 2003, 107).

5. Abstandsmessung ohne technische Geräte

a) Allgemeines

Grundsätzlich ist auch eine Messung des eingehaltenen Abstands nur durch Polizeibeamte ohne technische Geräte zulässig und möglich (vgl. auch Krumm NZV 2004, 374). Dies geschieht meist dadurch, dass die Polizeibeamten durch Beobachtung die Unterschreitung des erforderlichen Abstands feststellen, und zwar entweder durch Nachfahren auf einem anderen Fahrstreifen (OLG Düsseldorf DAR 2000, 80) oder auch durch Vorausfahren. In diesem Fall wird der Abstand zum nachfolgenden Fahrzeug durch Umschauen oder durch den Innenspiegel festgestellt (BayObLG zfs 1997, 20; OLG Celle NZV 1993, 490; OLG Köln VRS 60, 62).

Diese Methode ist in der Rechtsprechung ebenfalls als grundsätzlich zuverlässig anerkannt. Es sind allerdings dieselben Fehler möglich wie bei der Geschwindigkeitsmessung durch Vorausfahren oder Nachfahren, weshalb hier ebenso hohe Anforderungen an die Feststellungen gestellt werden wie der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren (vgl. dazu OLG Düsseldorf DAR 2014, 335 = VRR 2014, 191 = VA 2014, 47). Im Übrigen muss zwischen Nachfahren und Vorausfahren unterschieden werden.

b) Nachfahren

Für das Nachfahren auf einem anderen Fahrstreifen geht die Rechtsprechung davon aus, dass erfahrene Polizeibeamte bei längerer gleich bleibender Messstrecke einen auffällig verkürzten Abstand des Vorausfahrenden zu dessen Vordermann ausreichend schätzen können (OLG Düsseldorf DAR 2000, 80 m.w.N.). Für ungeübte Polizeibeamte gilt das nicht unbedingt (OLG Düsseldorf a.a.O.). Auch ist eine Beobachtung aus 100 m Entfernung nicht ausreichend (OLG Hamm NStZ-RR 1997, 379). Auch gegen Schätzungen bei Nachfahren auf demselben Fahrstreifen bestehen Bedenken (OLG Düsseldorf VRS 103, 305 = NZV 2002, 519). Eine festgestellte Länge der überprüften Fahrstrecke von 600 m und ein Abstand des Überwachungsfahrzeugs von ca. 40 m zum Vorausfahrenden sind allerdings ausreichend (vgl. auch OLG Düsseldorf VRS 56, 57, 58; 64, 376, 379).

c) Vorausfahren

Die Feststellungen des zu geringen Abstands aus einem vorausfahrenden Fahrzeug sieht die Rechtsprechung als Tatfrage an. Sie geht davon aus, dass sichere Beobachtungen kaum möglich sein werden (BayObLG zfs 1997, 20; OLG Bremen, Beschl. v. 24.9.2015 – 1 SsBs 67/15 [anschließende Rekonstruktion auf der Standspur]; OLG Celle NZV 1993, 490; AG Lüdinghausen DAR 2008, 655 = VRR 2009, 71 = NZV 2009, 159). Das gilt vornehmlich bei Dunkelheit (OLG Celle NZV 1993, 490). Jedenfalls dürfen sich Schätzfehler nicht zu Lasten des Betroffenen auswirken (OLG Hamm DAR 1996, 382 bei Burhoff).

Hinweis:

Wegen der erheblichen Fehlerquellen ist ggf. ein großer Sicherheitsabschlag zu machen. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf reichen 33,3 % nicht aus (OLG Düsseldorf VRS 68, 229).

IV. Anforderungen an das tatrichterliche Urteil

Die Anforderungen an das tatrichterliche Urteil sind nicht bei allen Messverfahren gleich, sondern je nach dem verwendeten Messverfahren unterschiedlich (zum Urteil s. Burhoff/Gieg, OWi, Rn 147 ff.).

1. Feststellungen beim Video-Abstands-Messverfahren

Nur das Video-Abstands-Messverfahren bzw. das Nachfolgeverfahren VKS sind (teilweise) standardisierte Messverfahren im Sinne der o.a. Rechtsprechung des BGH und zwar hinsichtlich der ermittelten Zeitwerte, nicht hingegen hinsichtlich der ermittelten Geschwindigkeiten (vgl. OLG Bamberg DAR 2012, 268 = VA 2012, 101). Für dieses gilt somit die Rechtsprechung des BGH (vgl. allgemein zu standardisierten Messverfahren BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321; Krumm DAR 2005, 55; Burhoff/Gieg, OWi, Rn 161 ff. m.w.N.; vgl. zum Begriff des standardisierten Messverfahrens auch noch Burhoff ZAP F. 9, S. 877, 879 ff. m.w.N.). Die tatsächlichen Feststellungen sind daher ausreichend – diese Feststellungen sind aber auch erforderlich – wenn zur Messmethode (nur) mitgeteilt wird, welches Messverfahren angewandt worden ist. Außerdem muss der zu berücksichtigende Toleranzwert dargelegt werden (vgl. BGH a.a.O.; OLG Bamberg NZV 2010, 369 = zfs 2009, 594 = VRR 2009, 323 = VA 2009, 157; OLG Düsseldorf DAR 1994, 248, OLG Hamm NZV 1995, 118 = VRS 88, 307; DAR 1998, 281 = VRS 95, 293; OLG Köln NZV 1994, 78 = VRS 86, 316 [jeweils zur Geschwindigkeitsüberschreitung]). Diese Angaben sind auch erforderlich, wenn der Betroffene den Verkehrsverstoß einräumt bzw. der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen beschränkt worden ist (s. OLG Hamm NZV 2002, 101; 2002, 282; 2002, 381; a.A. OLG Köln NZV 2003, 100, jew. m.w.N.).

Hinweis:

Der Tatrichter muss sich darüber hinaus nur dann von der Zuverlässigkeit der konkreten Messung überzeugen, wenn auch konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind (OLG Koblenz VA 2002, 156; s.a. zur Geschwindigkeitsüberschreitung schon BayObLG DAR 1996, 411, OLG Hamm NStZ 1990, 546; DAR 2000, 129; OLG Saarbrücken NStZ 1996, 207).

Auch bei der Abstandsmessung muss also insoweit der Verteidiger tätig werden. Denn wenn in der Tatsacheninstanz keine Messfehler geltend gemacht bzw. behauptet werden, dann besteht für den Amtsrichter insoweit auch keine sich aus § 244 Abs. 2 StPO ergebende Aufklärungspflicht und dann kann später auch nicht in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit der Aufklärungsrüge in diesem Bereich ein Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht geltend gemacht werden. Deshalb muss schon beim Amtsgericht zu Besonderheiten, also Fehlern der Messung, vorgetragen werden.

2. Feststellungen bei den sonstigen Verfahren

a) Allgemeine Feststellungen

Bei den übrigen Messverfahren handelt es sich nicht um standardisierte Messverfahren (vgl. Burhoff VA 2003, 165; OLG Hamm VA 2003, 107; zfs 2009, 470; DAR 2009, 156 = VRR 2009, 195). Demgemäß sind folgende (allgemeine) Feststellungen erforderlich (vgl. auch Burhoff/Gieg, OWi, Rn 161 ff.): Der Tatrichter muss zunächst mitteilen, nach welchem Verfahren Abstand und Geschwindigkeit gemessen worden sind (vgl. u.a. OLG Hamm VA 2003, 107; zfs 2009, 470; DAR 2009, 156 = VRR 2009, 195). Die tatsächlichen Grundlagen der Geschwindigkeitsfeststellung müssen mitgeteilt werden (vgl. u.a. OLG Köln DAR 1983, 364). Die nicht nur ganz vorübergehende Unterschreitung des Abstands muss dargelegt werden und warum dieser zu gering war (OLG Hamm VRS 51, 302; OLG Koblenz zfs 2007, 589; Burhoff VA 2003, 165). Da die Unterschreitung des Sicherheitsabstands grundsätzlich nur ordnungswidrig ist, wenn sie nicht nur ganz vorübergehend geschieht, müssen daher i.d.R. auch Feststellungen dazu getroffen werden, dass der Abstand während des Messvorgangs keine wesentlichen Veränderungen durch Abbremsen des vorausfahrenden oder Einscheren eines anderen Fahrzeugs erfahren hat (vgl. OLG Köln VRS 66, 463, 465). Geringfügige, nach der Lebenserfahrung regelmäßig auftretende, mit keinem der eingesetzten Messverfahren exakt fassbare und deshalb nie ausschließbare Abstandsschwankungen sind unbeachtlich (OLG Koblenz VA 2000, 156). Bei einer beträchtlichen Unterschreitung des Sicherheitsabstands i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 StVO können allerdings im Einzelfall nähere Feststellungen dazu entbehrlich sein, dass sich der Abstand zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem vorausfahrenden Fahrzeug nicht wesentlich verändert hat (vgl. auch OLG Oldenburg VRS 67, 54).

Hinweis:

Benannt werden muss schließlich das Messergebnis, und zwar sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeit als auch hinsichtlich des Abstands. Es müssen endlich Angaben zum Toleranzabzug enthalten sein.

b) Besonderheiten der einzelnen Messverfahren

Literaturhinweis:

Zu den Besonderheiten der einzelnen Messverfahren s. eingehend Burhoff/Gieg, OWi, Rn 161 ff.

aa) Police-Pilot-System

Das PPS ist für die Abstandsmessung kein standardisiertes Messverfahren (OLG Celle VRS 81, 210; OLG Düsseldorf VRR 99, 133, 135; OLG Hamm VA 2003, 107; zfs 2009, 470; DAR 2009, 156 = VRR 2009, 195), da es den Tatrichter nur in die Lage versetzt, die Beobachtungen der Polizeibeamten im Wege des Augenscheinbeweises unmittelbar und in Anwesenheit der Prozessbeteiligten im Gerichtssaal nachzuvollziehen, insbesondere also Abstände zwischen Fahrzeugen anhand der bei der Videoprojektion erkennbaren Fixpunkte zuverlässig zu berechnen. Da die Abstände – anders als die Geschwindigkeiten – nicht elektronisch gemessen, sondern unter Auswertung des Videobands errechnet werden, genügt im Urteil daher nicht die Bezeichnung des Verfahrens. Vielmehr müssen die Auswertung und die Berechnung, um eine Überprüfung zu ermöglichen, in den Urteilsgründen verständlich und widerspruchsfrei dargelegt werden (OLG Hamm a.a.O.).

bb) Abstandsmessung durch Nachfahren

Bei einer durch Nachfahren festgestellten Abstandsunterschreitung gilt:

· Das Urteil muss erkennen lassen, ob es sich um ein Vorausfahren oder Nachfahren gehandelt hat.

· Es muss sich aus dem tatrichterlichen Urteil ergeben, über welche Strecke sich das Messfahrzeug schräg versetzt auf dem rechten Fahrbahnstreifen hinter dem Fahrzeug des Betroffenen befunden hat (OLG Düsseldorf VRS 103, 305 = NZV 2002, 519; OLG Hamm VA 2001, 58; VRS 110, 281 = zfs 2006, 351 = DAR 2006, 338; vgl. dazu Krumm NZV 2004, 377 und Burhoff/Gieg, OWi, Rn 182).

· Festgestellt werden muss, ob der eingesetzte Polizeibeamte in der Abstandsmessung geübt bzw. geschult ist/war.

Hinweis:

Der Amtsrichter muss sich von den Fähigkeiten der Polizeibeamten hinsichtlich Abstandsschätzungen im fließenden Verkehr „in hinreichendem Maße“ überzeugen (OLG Hamm VRS 110, 281 = zfs 2006, 351 = DAR 2006, 338). Dazu muss der Richter den Polizisten befragen, über welche Erfahrungen er diesbezüglich verfügt und welche Schulungen, aber auch Nachschulungen, er bereits absolviert hat (OLG Düsseldorf, VRS 103, 305 = NZV 2002, 519; zu „alten“ Schulungsnachweisen für die Geschwindigkeitsüberschreitung s. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.7.2014 – 1 RBs 50/14, insoweit nicht in OLG Düsseldorf VRR 2014, 392 = VA 2014, 1934). Dazu sind dann auch im Urteil Feststellungen zu treffen (OLG Düsseldorf a.a.O.; zu Schulungsnachweisen Golder VRR 2012, 377).

  • Die Witterungssituation/Tageszeit ist darzulegen, damit ggf. erhöhte Darlegungsanforderungen bei Feststellungen zur Nachtzeit festgestellt werden können.
  • Festgestellt werden muss die ununterbrochene Beobachtung der Abstandsstrecke und der Geschwindigkeit, was insbesondere bei allein fahrendem Polizeibeamten schwierig ist (Burhoff/Gieg, OWi, Rn 127 ff.).
  • Angegeben werden muss die abgelesene Geschwindigkeit; erforderlich sind weiter Angaben hinsichtlich der Eichung bzw. Justierung des Tachometers des Polizeifahrzeugs; fehlen diese, ist von fehlender Eichung/Justierung mit höheren Toleranzabzügen auszugehen.
  • Schließlich ist die Messstrecke, der Abstand des zu messenden Fahrzeugs von der Abstandsstrecke und die Abstandsstrecke selbst (bei Nachfahren) bzw. die Messstrecke und der Abstand (bei Vorausfahren) festzustellen.

Hinweis:

Für eine Abstandsmessung zur Nachtzeit gelten die Ausführungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung zur Nachtzeit entsprechend (s. dazu Burhoff ZAP F. 9, S. 879, 885 f.).

cc) Abstandsmessung durch Vorausfahren

Bei der Abstandsmessung aus einem vorausfahrendem Fahrzeug kann zur Feststellung des zu geringen Abstands das Beobachten durch die Heckscheibe mittels des Innenspiegels und/oder das Umschauen ausreichen (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 24.9.2015 – 1 SsBs 67/15 für eine anschließende Rekonstruktion auf der Standspur). Allerdings sind besondere Anforderungen an diese verhältnismäßig unsicheren Messmethoden zu stellen (vgl. dazu OLG Bremen a.a.O.; OLG Hamm VA 2001, 58; AG Lüdinghausen DAR 2008, 655 = VRR 2009, 71 = NZV 2009, 159):

  • Voraussetzung ist eine ununterbrochene Beobachtung durch erfahrene Polizisten und
  • eine genaue Messung von Zeit und Strecke (OLG Koblenz VRS 71, 66).
  • Die besondere Sachkunde der beobachtenden Personen muss im Urteil dargelegt werden (OLG Bremen a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.).
  • Wegen der erheblichen Fehlerquellen ist ggf. ein großer Sicherheitsabschlag zu machen. Nach OLG Düsseldorf reichen 33,3 % nicht aus (VRS 68, 229).

3. Vorsatz/Fahrlässigkeit

Bei einem Abstandsverstoß sind jedenfalls dann besondere Ausführungen zur Schuldform in den Urteilsgründen unerlässlich, wenn das Tatgericht von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgeht. Nach der Rechtsprechung setzt eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Nichteinhaltung des Mindestabstands eine Auseinandersetzung mit den kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen in den Urteilsgründen voraus und kann i.d.R. nicht allein mit dem Ausmaß der Abstandsunterschreitung begründet werden. Anderenfalls wäre in allen vergleichbaren Fällen immer Vorsatz anzunehmen, wenn auch ab einer gewissen Gefährdungsgrenze ein (bedingt) vorsätzliches Verhalten in der Tat nahe liegen wird (BayObLGSt 1991, 54, 55; DAR 2002, 133; OLG Bamberg DAR 2010, 708 = zfs 2011, 50 = VRR 2010, 472; OLG Hamm DAR 2006, 338 = VRS 110, 281 = zfs 2006, 351).

Hinweise:

Macht der Betroffene geltend, die Abstandsunterschreitung sei durch das gefahrvolle Auffahren des Führers des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht worden, ist das regelmäßig unbeachtlich, wenn auf der sog. Beobachtungsstrecke ein plötzliches Abbremsen oder ein unerwarteter Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugführers auszuschließen ist (OLG Bamberg NJW 2015, 1320 = OLG Bamberg VA 2015, 83).

Der Fahrlässigkeitsvorwurf kann im Übrigen nicht damit begründet werden, dass der Kraftfahrer durch den Abgleich seiner Position mit den Fahrbahnmarkierungen seinen Abstand hätte erkennen können und müssen; das ist zumindest dann unzulässig, wenn keine speziellen Kenntnisse des betroffenen Kraftfahrers festgestellt sind (OLG Oldenburg VA 2015, 119 = VRS 128, 94).

V. Fahrverbotsfragen

Auch bei Abstandsverstößen stellen sich die allgemeinen Fahrverbotsfragen, also insbesondere die nach dem Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot (zu den Regelfahrverboten bei Abstandsverstößen s. die Tabelle 2 zu § 4 Abs. 1 Nr. 2 BKatV; zum Absehen vom Fahrverbot/zu den Fahrverbotsfragen Burhoff/Deutscher, OWi, Rn 1341 ff.). Auch hier gilt: Von einem verwirkten Regelfahrverbot kann nicht allein mit der Begründung abgesehen, dass der die Fahrverbotsanordnung indizierende untere Tabellengrenzwert (sog. Fahrverbotsschwelle) nur knapp unterschritten wurde (OLG Bamberg VA 2012, 82 = VRR 2012, 148 = DAR 2012, 152; s. auch schon OLG Bamberg VA 2007, 220 = VRR 2008, 36 = DAR 2008, 152 = zfs 2007, 707; OLG Köln VRS 105, 296; OLG Hamm VA 2009, 173 = VRR 2009, 430). Das AG Landstuhl hat im Übrigen aber bei einem Abstandsverstoß, für den ein anderer Kraftfahrer durch seine Fahrweise mitverantwortlich war, von einem Fahrverbot abgesehen, weil der Betroffene bei schlechter Bildqualität seine Fahrereigenschaft sofort eingeräumt hatte (Urt. v. 22.2.2016 – 2 OWi 4286 Js 14527/15).


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