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aus ZAP-Heft 21/2008, F. 24, S. 1137

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Vergütung des Verteidigers im OWi-Verfahren - Teil 1: Allgemeine Fragen

von RiOLG a.D. Detlef Burhoff, Münster

Inhaltsverzeichnis

I.    Geltungsbereich des Teil 5 VV RVG

     1.   Persönlich

     2.   Sachlich

II.    Angelegenheiten

     1.   Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren

     2.   Strafverfahren und sich anschließende Bußgeldverfahren

III.   Allgemeine Struktur der Gebühren im OWi-Verfahren

     1.   Verfahrensabschnitte

     2.   Pauschalgebühren

     3.   Gebühren im Bußgeldverfahren

     4.   Zuschläge

IV.  Anknüpfung der Gebühren an die Höhe der Geldbuße

     1.   Allgemeines

     2.   Anwendung der Regelung im Einzelnen

V.  Bemessung der Rahmengebühren

     1.   Allgemeines

     2.   Berücksichtigung allgemeiner Kriterien

     3.   Konkrete Bemessung der Rahmengebühr

Inhaltsverzeichnis

In der täglichen Praxis spielt die Verteidigung im Bußgeldverfahren eine nicht unerhebliche Rolle. Dabei stehen die straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren sicherlich im Vordergrund. Diese machen häufig relativ viel Arbeit und sind nicht selten auch schwierig. Andererseits sind gerade diese Verfahren durch die BRAGO Strukturreform vom Gesetzgeber in Teil 5 VV RVG durch die Anknüpfung der Höhe der anwaltlichen Gebühren an die Höhe der Geldbuße gebührenrechtlich benachteiligt worden. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass der Rechtsanwalt sich insbesondere über die Vergütung im OWi-Verfahren informiert, um hier nicht noch mehr gebührenrechtliche Nachteile zu erleiden. Die nachfolgenden Ausführungen wollen dazu einen ersten Überblick geben. Dargestellt werden die wichtigsten mit der anwaltlichen Vergütung im OWi-Verfahren zusammenhängenden Fragen nach Teil 5 VV RVG. Dabei beschränkt sich dieser Beitrag auf allgemeine Fragen. Ein zweiter Teil wird sich mit den besonderen Fragen der Abrechnung beschäftigen. Zur Vertiefung wird verwiesen auf Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., 2007 (im Folgenden kurz: Burhoff/Bearbeiter), auf Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., 2007, auf Schneider/Wolf, RVG, 3. Aufl., 2006 (im Folgenden kurz: AnwKomm/Bearbeiter, Paragraf oder Nr. VV Rn.), und auf Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl., 2008 (im Folgenden kurz: Gerold/Schmidt-Bearbeiter, Paragraf oder Nr. VV ).

Inhaltsverzeichnis

I. Geltungsbereich des Teil 5 VV RVG

1. Persönlich

Teil 5 VV RVG regelt die Vergütung des Rechtsanwalts sowohl als (Wahl-)Verteidiger sowie als Vertreter eines Einziehungs- und Nebenbeteiligten bzw. als Pflichtverteidiger des Betroffenen als auch als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen in einem Verfahren, in dem sich die Gebühren nach Teil 5 VV RVG bestimmen. Im Einzelnen:

Mit Verteidiger meint das RVG den Vollverteidiger, also denjenigen Rechtsanwalt, dem die Verteidigung als Ganzes übertragen ist. Er erhält seine Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG. Sind dem Rechtsanwalt nur Einzeltätigkeiten übertragen, wird seine Tätigkeit nach Teil 5 Abschnitt 2 VV RVG vergütet (vgl. dazu die Komm. zu Nr. 5200 VV bei Burhoff/Burhoff und bei Gerold/Schmidt-Burhoff). Hat der Betroffene im Bußgeldverfahren einen Pflichtverteidiger (vgl. § 60 OWiG), was in der Praxis nicht häufig der Fall sein dürfte, erhält dieser seine Vergütung ebenfalls nach Teil 5 VV (zum Pflichtverteidiger in straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren s. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 1567 ff.). Auch in Teil 5 VV RVG ist in Vorb. 5 Abs. 1 VV RVG ausdrücklich geregelt, dass der Rechtsanwalt auch als Beistand eines Zeugen oder Sachverständigen die Gebühren wie ein Verteidiger erhält, und zwar entweder die des Vollverteidigers oder die des Pflichtverteidigers, wenn er beigeordnet worden ist (vgl. § 46 OWiG; § 68b StPO).

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2. Sachlich

Im RVG ist der Begriff der „Bußgeldsache“ nicht ausdrücklich definiert. Gemeint sind damit alle Verfahren, die sich verfahrensmäßig nach dem OWiG richten. Die Abgrenzung zum Strafverfahren (vgl. zum Begriff insoweit Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 VV Rn. 7) richtet sich danach, in welcher Richtung ermittelt wird. Liegt also materiell-rechtlich eine Straftat vor, wird diese jedoch nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt, richtet sich die anwaltliche Vergütung nach Teil 5 VV RVG. Ermitteln die Ermittlungsbehörden hingegen wegen einer Straftat, obwohl tatsächlich nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, ist für die anwaltliche Vergütung Teil 4 VV RVG maßgebend. Steht nicht fest, ob wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat ermittelt wird, so wird im Zweifel auch wegen einer Straftat ermittelt, so dass (zunächst) Teil 4 VV RVG anzuwenden ist (Burhoff/Burhoff, Vorb. 5 Rn. 4).

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II. Begriff der Angelegenheiten

1. Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren

Das RVG regelt die mit dem Begriff der „Angelegenheit“ zusammenhängenden Fragen, die früher über die gesamte BRAGO verteilt waren, in den §§ 15 ff. RVG. Es ist allerdings nicht ausdrücklich geregelt (worden), ob im Strafverfahren das vorbereitende und das gerichtliche Verfahren dieselbe Angelegenheit i.S. des § 16 RVG sind oder, ob es sich um verschiedene Angelegenheiten i.S. des § 17 RVG handelt. Entsprechendes gilt für das Bußgeldverfahren. Auch hier ergibt sich aus dem RVG nicht unmittelbar, ob das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind.

Hinweis:

Bedeutung hat diese Frage hinsichtlich der Anfalls der Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: Geht man von verschiedenen Angelegenheiten aus, dann kann der Verteidiger zweimal die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG abrechnen.

Die Frage, ob es sich um dieselbe Angelegenheit oder um unterschiedliche Angelegenheit handelt, ist in Rspr. und Literatur umstritten (vgl. für dieselbe Angelegenheit LG Hamburg AGS 2006, 503; LG Koblenz AGS 2006, 174; AG Lüdinghausen, Beschl. v. 15.01.2007 - 10 OWi 89 Js 1679/06 [140/06]; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 17 Rn. 60.; für verschiedene Angelegenheiten u.a. AG Detmold zfs 2007, 405; AG Düsseldorf VRR 2006, 399; AG Hamburg-St.Georg AGS 2006, 423 = JurBüro 2006, 359 = VRR 2006, 400; AG Nauen zfs 2007, 407; AG Saarbrücken RVGprof. 2007, 118; Schneider, in: Hansens/Braun/Schneider, Teil 15 Rn. 274; AnwKomm-RVG/N. Schneider, VV Vorb. 5.1.2 Rn. 7 und VV 7001-7002, Rn. 33; N. Schneider, AGS 2005, 7; Burhoff/Burhoff, RVG, ABC-Teil: Angelegenheiten (§§ 15 ff.), Rn. 17; Gerold/Schmidt-Burhoff, Einleitung Teil 5 Abschnitt 1 VV Rn. 3; vgl. dazu auch ochBurhoff RVGreport 2007, 161; ders., Renopraxis 2008, 2; für das Strafverfahren s. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff/Burhoff, ABC-Teil: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn. 17 ff.). In der Frage dürfte die Auffassung, die für unterschiedliche Angelegenheiten plädiert, die stärkeren Argumente - gesonderte Verfahrensabschnitte, gesonderte Gebühren, - für ihre Ansicht haben.

Hinweis:

Nach Zurückverweisung des Verfahrens durch das Rechtmittelgericht steht dem Rechtsanwalt allerdings eine weitere Auslagenpauschale zu. Das Verfahren nach Zurückverweisung bildet nämlich nach § 21 Abs. 1 RVG einen neuen Rechtszug, in dem alle Gebühren noch einmal entstehen (LG Dresden AGS 2006, 169).

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2. Strafverfahren und sich anschließendes Bußgeldverfahren

Ausdrücklich geregelt ist in § 17 Nr. 10 RVG die zur BRAGO bis zum Schluss immer noch bestehende Streitfrage, ob das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und das nach dessen Einstellung sich ggf. anschließende Bußgeldverfahren eine oder verschiedene Angelegenheiten sind, dahin, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt (vgl. wegen der Lit.- und Rspr.-Nachw. zum alten Recht Gebauer/Schneider (Hrsg.), BRAGO, § 105 Rn. 91 ff.). Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt auf jeden Fall durch die Einstellung des Strafverfahrens auch die Gebühr Nr. 4141 Ziff. 1 VV RVG verdient. Denn die Angelegenheit "Strafverfahren" ist endgültig eingestellt. Das das Verfahren als Bußgeldverfahren, also in einer neuen gebührenrechtlichen Angelegenheit, fortgesetzt wird, hat auf das Entstehen dieser Gebühr keinen Einfluss (s. das Beispiel bei Burhoff/Burhoff, Vorb. 5 VV Rn. 22; s. auch Burhoff RVGreport 2004, 380; ders., RVGreport 2007, 161; N.Schneider AGS 2005, 7 sowie LG Osnabrück RVGprofessionell 2008, 7; AG Gelnhausen AGS 2007, 453; AG Hannover AGS 2006, 235; AG Köln AGS 2006, 234 = JurBüro 2007, 83 = zfs 2006, 646; AG Bad Kreuznach, Urt. v. 5. 5. 2006, 2 C 1747/05; AG Nürnberg, zfs 2006, 345 [für § 84 Abs. 2 BRAGO]; AG Regensburg AGS 2006, 125 = StraFo 2006, 88 = RVGreport 2007, 225; AG Saarbrücken AGS 2007, 306 = RVGprofessionell 2007, 118; AG Nettetal AGS 2007, 404; a.A. AG München RVGprofessionell 2006, 203 = JurBüro 2007, 84; Urt. v. 28.09.2007, 141 C 18336/07; AG Osnabrück RVGprofessionell 2008, 52).

Der umgekehrte Fall - zunächst OWi-Verfahren und sich dann anschließendes Strafverfahren -, der ebenfalls streitig war, wird vom RVG nicht geregelt. Er ist aber mit der zur BRAGO insoweit wohl schon h.M. ebenso zu behandeln (s. auch Schneider/Mock , Das neue Gebührenrecht für Anwälte, § 26 Rn. 13). Das gilt vor allem auch deshalb, weil in § 17 Nr. 10 RVG für den anderen Fall eine ausdrückliche Regelung vorliegt und kein Grund ersichtlich ist, warum die beiden Fällen unterschiedlich behandelt werden sollten (Burhoff/Burhoff, Vorbem. 5 VV Rn. 24). Zudem wäre die Anrechnungsregelung hinsichtlich der im OWi-Verfahren entstandenen Grundgebühr in Anm. 2 zu Nr. 4100 VV RVG sonst nicht verständlich.

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III. Allgemeine Struktur der Gebühren im OWi-Verfahren

1. Verfahrensabschnitte

Das Bußgeldverfahren ist nach dem RVG nicht mehr wie früher über § 105 BRAGO gebührenrechtlich nur an das Strafverfahren angebunden. Vielmehr ist in Teil 5 VV RVG eine eigenständige Regelung der Gebühren erfolgt. Die Gebühren in Bußgeldsachen sind in Teil 5 VV RVG jedoch weitgehend ähnlich gestaltet wie die in Strafsachen. Teil 5 VV RVG enthält zwei Abschnitte: Abschnitt 1 regelt in vier Unterabschnitten die allgemeinen Gebühren des Verteidigers sowie die Gebühren im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, im gerichtlichen Verfahren des ersten Rechtszugs und im Verfahren über die Rechtsbeschwerde und schließlich sog. zusätzliche Gebühren des Verteidigers. In Abschnitt 2 sind die Einzeltätigkeiten des Rechtsanwalts, der nicht Verteidiger oder Vertreter ist, in der Nr. 5200 VV RVG geregelt. Einen besonderen Unterabschnitte für das Wiederaufnahmeverfahren gibt es nicht, anders als im Strafverfahren in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV RVG, nicht. Die Gebühren für das Wiederaufnahmeverfahren richten sich vielmehr gem. Vorbem. 5.1.3 Abs. 2 VV RVG nach Unterabschnitt 3 (Verfahren vor dem AG).

Hinweis:

Das RVG kennt in Bußgeldsachen anders als in Strafsachen nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG auch keine (besonderen) Gebühren für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Strafvollstreckung . Diese sind ggf. über Nr. 5200 VV RVG als Einzeltätigkeit abzurechnen (Burhoff/Burhoff, Nr. 5200 VV Rn. 7; Gerold/Schmidt-Burhoff, Einleitung Teil 5 VV Rn. 22). Auf diese Tätigkeit ist nicht etwa Teil 4 Abschnitt 2 VV entsprechend anwendbar; die dort enthaltenen Gebührenvorschriften gelten nur für das Strafverfahren. Eine analoge Anwendung ist nicht möglich.

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2. Pauschalgebühren

Die Gebühren, die der Rechtsanwalt, der nach Teil 5 VV RVG abrechnet, erhält, haben - wie früher in der BRAGO - Pauschalgebührencharakter. Durch die Gebühren wird also die gesamte von dem Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeit abgegolten (vgl. Vorb. 5.1 Abs. 1 VV RVG; s. wegen der Einzelh. Gerold/Schmidt-Burhoff, VV Vorb. 4.1 Rn. 4 und Burhoff/Burhoff A. Einführung, Rn. 35 ff.). Der Wahlverteidiger erhält Betragsrahmengebühren, deren Höhe abhängig ist vom Verfahrensabschnitt und ggf. von der Höhe der Geldbuße (vgl. wegen der Einzelh. IV). Die Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts sind als Festgebühren ausgebildet. Sie basieren auf den Wahlanwaltsgebühren. Grundlage der Gebühren ist die Mittelgebühr eines Wahlanwalts. Davon erhält der gerichtlich bestellte Rechtsanwalt 80 % (so ausdrücklich BT-Drucks. 15/1971, S. 220).

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3. Gebühren im Bußgeldverfahren

Der Rechtsanwalt kann im OWi-Verfahren - ebenso wie im Strafverfahren grds. nur die Verfahrens - und die Terminsgebühr verdienen. Zusätzlich entsteht noch die Grundgebühr der Nr. 5100 VV RVG). Auch in Bußgeldsachen sind für (Vernehmungs-)Termine außerhalb der Hauptverhandlung Terminsgebühren vorgesehen. Entstehen können diese im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nicht nur für gerichtliche Vernehmungstermine (vgl. die Nrn. 5102, 5104, 5106 VV RVG i.V.m. Vorbem. 5 Abs. 3 VV RVG), sondern nach Vorbem. 5.1.2 Abs. 2 VV RVG auch für Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde. Im gerichtlichen Verfahren entstehen die Terminsgebühren für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, und zwar nach Vorbem. 5.1.3 VV RVG auch für solche außerhalb der HV (wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, Vorb. 5.1.2 VV Rn. 11; Gerold/Schmidt-Burhoff, VV Vorb. 5.1.2 Rn. 7 f.). Auch im OWi-Verfahren entsteht bei einem "geplatzten Termin eine Terminsgebühr (s. Vorbem. 5 Abs. 3 S. 2 VV RVG; vgl. dazu Burhoff/Burhoff, Vorbem. 5 VV Rn. 36; Vorbem. 4 VV Rn. 77 ff.).

Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrensgebühr „für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“. Diese Formulierung entspricht teilweise der im früheren § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zur Geschäftsgebühr. Durch die Verfahrensgebühr wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt und jeweiligen Rechtszug abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind (BT-Dr. 15/1971, S. 279).

Eine besondere Gebühr ist die in Nr. 5100 VV RVG enthaltene Grundgebühr. Diese honoriert „die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall“. Mit der Grundgebühr wird nach Nr. 5100 Anm. 1 VV RVG die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten werden (allgemein zum Abgeltungsbereich der Grundgebühr Burhoff/Burhoff, Nr. 4100 VV Rn. 19 ff. m.w.N.). Nach der Gesetzesbegründung ist damit der Arbeitsaufwand gemeint, der einmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht. Das ist einmal das erste Gespräch mit dem Mandanten (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 281 zu Nr. 4100 VV RVG). Von der Gebühr abgegolten wird nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung aber nur das erste Gespräch des Rechtsanwalts mit seinem Mandanten, in dem er im Zweifel nur pauschal und überschlägig beraten wird. Weitere sich anschließende Gespräche, die dem konkreten Aufbau einer Verteidigungsstrategie dienen, werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der für den sich anschließenden Verfahrensabschnitt entstehenden Verfahrensgebühr abgegolten. Abgegolten wird von der Gebühr auch die Beschaffung der erforderlichen Informationen (BT-Dr. 15/1971, S. 281 zu Nr. 4100 VV RVG). Auch hier ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur die erste Informationsbeschaffung gemeint. Unter Informationsbeschaffung sind alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu verstehen, die darauf gerichtet sind, ihm - über das Gespräch mit dem Mandanten hinaus - Informationen zu dem an ihn angetragenen Rechtsfall zu verschaffen. Das ist insbesondere eine erste Akteneinsicht nach § 147 StPO. Weitere, im Verlauf sich anschließender Verfahrensabschnitte durchgeführte Akteneinsichten werden aber nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von den jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten. Darüber hinaus werden sämtliche übrige Tätigkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, von der Grundgebühr erfasst (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, a.a.O.).

Nicht erfasst wird von der Verfahrensgebühr auch die Teilnahme an (gerichtlichen) Terminen. Dafür entstehen die Terminsgebühren. Zu deren Abgeltungsbereich gehört auch die damit zusammenhängende (konkrete) Vorbereitung und Nachbereitung des jeweiligen Termins (OLG Jena StV 2006, 204 = RVGreport 2006, 423 = JurBüro 2005, 476; OLG Hamm AGS 2006, 498 = JurBüro 2006, 591; Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 VV Rn. 39 m.w.N.).

Eine besondere Form der Verfahrensgebühr ist schließlich die sog. Befriedungsgebühr der Nr. 5115 VV RVG, in der das RVG weitgehend die Regelung der früheren § 84 Abs. 2 BRAGO i.V.m. § 105 Abs. 2 BRAGO übernommen hat. Danach erhält der Rechtsanwalt eine zusätzliche Verfahrensgebühr, wenn das Verfahren unter seiner Mitwirkung eingestellt worden ist. Die Gebühr entsteht im Übrigen (jetzt) auch, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen wird (vgl. Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 4 VV RVG) oder, wenn der Bußgeldbescheid nach Einspruch von der Verwaltungsbehörde zurückgenommen und gegen einen neuen Bußgeldbescheid nicht erneut Einspruch eingelegt wird (vgl. Nr. 5115 Abs. 1 Ziff. 3 VV RVG). Schließlich führt auch das Einverständnis mit dem Beschlussverfahren des § 72 StPO nach Nr. 5115 Abs. 1 Ziff. 5 VV RVG zur zusätzliche Gebühr.

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4. Zuschläge

Vorbem. 5 VV RVG enthält - anders als Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG für das Strafverfahren - keine Regelung für Gebühren mit Zuschlag für den Fall, dass sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet. Der Rechtsanwalt erhält also im OWi-Verfahren anders als noch nach der BRAGO über die Verweisung des § 105 auf § 83 Abs. 3 BRAGO keine erhöhten Gebühren, wenn der Mandant inhaftiert ist. Eine entsprechende Anwendung der strafverfahrensrechtlichen Zuschlagsregelungen auf das Bußgeldverfahren scheidet wegen der eigenständigen Regelung in Teil 5 VV RVG aus. Der Umstand der Inhaftierung muss daher nun bei der Bemessung der konkreten Gebühr nach § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden (zur Bemessung der Rahmengebühr allgemein s. bei ).

Hinweis:

Entfallen ist auch der in den §§ 105, 88 Satz 3 BRAGO enthaltene 25 %- Zuschlag , wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausgeübt hat, die sich auf das Fahrverbot erstreckt. Die entsprechenden Tätigkeiten können ebenfalls nur innerhalb des Gebührenrahmens bei der Bestimmung der konkreten Gebühr ( § 14 Abs. 1 RVG) berücksichtigt werden (vgl. für die vergleichbare Problematik im Strafverfahren bei Entziehung der Fahrerlaubnis OLG Koblenz RVGreport 2006, 192 = AGS 2006, 236; AG Nordhorn AGS 2006, 238; Burhoff RVGreport 2006, 191; Volpert VRR 2006, 238).

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IV. Anknüpfung der Gebühren an die Höhe der Geldbuße

1. Allgemeines

Die Gebühren für die Tätigkeit in Ordnungswidrigkeiten-Sachen werden der Höhe nach von der Höhe der Geldbuße des Bußgeldverfahrens abhängig . Hintergrund dieser durch das RVG eingeführten Regelung ist die Überlegung des Gesetzgebers, dass insbesondere die anwaltlichen Gebühren bei Bagatellgeldbußen als zu hoch angesehen worden sind (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 230). Deshalb ist eine Dreiteilung der Gebühren vorgenommen worden. Dazu gilt (vgl. a. Burhoff/Burhoff, Vorb. 5.1 VV Rn. 11 ff.; Gerold/Schmidt-Burhoff, VV Vorb. 5.1 Rn. 5 ff.).

Vorgesehen sind drei Stufen: Stufe 1: Geldbuße weniger als 40 €, Stufe 2: Geldbuße von 40 € bis 5.000 €, Stufe 3: Geldbuße von mehr als 5.000 €. Diese Stufen finden Anwendung sowohl im "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" ( Nrn. 5101 ff. VV RVG) als auch im „Gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug" (Nrn. 5107 ff. VV RVG). Sie gelten für alle dort ggf. anfallenden Verfahrens - und Terminsgebühren.

Hinweis:

Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und die Vergütung im „Verfahren über die Rechtsbeschwerde" (Nr. 5113 VV RVG) sind von der Höhe der Geldbuße unabhängig. Das bedeutet, dass bei der Bemessung dieser Gebühren, die Höhe der Geldbuße auch nicht über § 14 RVG Bedeutung erlangt. Denn der Umstand, dass der Gesetzgeber diese Gebühren eingeführt hat, ohne sie von der Höhe der Geldbuße abhängig zu machen, zeigt, da es andere geldbußenabhängige Gebühren gibt, deutlich, dass bei der Bemessung dieser Gebühren die Höhe der Geldbuße eben keine Rolle spielen soll.

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2. Anwendung der Regelung im Einzelnen

Welche Geldbuße für die Bemessung der Gebühren maßgebend ist, regelt Vorbem. 5.1 Abs. 2 VV RVG regelt. Der Grundsatz ist in Satz 1 enthalten. Nach dessen Wortlaut ist Anknüpfungspunkt die zum Zeitpunkt des Entstehens der anwaltlichen Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße. Anknüpfungspunkt ist also nicht etwa die später oder sogar bei Abschluss des Verfahrens letztlich rechtskräftig festgesetzte Geldbuße. Spätere Änderungen hinsichtlich der Gebührenhöhe in einem Verfahrensabschnitt sind daher für die Höhe der anwaltlichen Vergütung ohne Belang. Wird der Rechtsanwalt mit der Verteidigung beauftragt, nachdem ein Bußgeldbescheid erlassen wurde, ist die darin festgesetzte Geldbuße zugrunde zu legen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 230). Vorbem. 5 Abs. 1 S. 2, 3 VV RVG regelt den Fall, dass eine Geldbuße noch nicht festgesetzt ist. Das ist immer dann der Fall, wenn der Rechtsanwalt mit der Verteidigung des Betroffenen bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt worden ist. Dann richtet sich die Höhe der anwaltlichen Gebühren nach der in der konkreten Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße. Ist die Geldbuße als Mindest- und Höchstbetrag angedroht, ist der mittlere Betrag maßgebend. Sind in einer Rechtsvorschrift Regelsätze bestimmt, sind diese maßgebend. Das gilt also z.B. in den Fällen der Geldbuße nach der straßenverkehrsrechtlichen BKatV (wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, Vorbem. 5. 1 VV Rn. 19 ff.). Mehrere Geldbußen werden nach Vorbem. 5.1 Abs. 2 S. 4 VV RVG zusammengerechnet.

Beispiel: (weitere Beispiele bei Burhoff/Burhoff, Vorbem. 5.1 VV Rn. 24 ff.; Burhoff RVGprofessionell 2004, 121; ders. RVGreport 2004, 380):

Dem Betroffenen wird eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Er soll die Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 21 km/h überschritten haben. Es wird gegen ihn nach der lfd. Nr. 11.3.4 der Tabelle 1 zur BKatV eine Geldbuße i.H.v. 50 € festgesetzt. Der Betroffene legt Einspruch ein. Die Akten werden dem AG vorgelegt. Dort wird Hauptverhandlung anberaumt. Der Betroffene beauftragt nun Rechtsanwalt R mit seiner Verteidigung. In der HV stellt sich heraus, dass das Messgerät, mit dem die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit gemessen worden ist, zum Vorfallszeitpunkt nicht mehr gültig geeicht war. Der Amtsrichter nimmt daher einen höheren Sicherheitsabschlag vor. Es ergibt sich für den Betroffenen nun nur noch eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 20 km/h. Demgemäß verhängt das AG nach der lfd. Nr. 11.3.3 der Tabelle 1 zur BKatV nur eine Geldbuße von 35 €. Der Betroffene lässt das amtsgerichtliche Urteil rechtskräftig werden.

Lösung: Die Gebühren von Rechtsanwalt R, der erst nach Eingang der Akten, also nur im gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist (vgl. Vorbem. 5.1.2 VV RVG), richten sich nach folgender Stufe:

  • ·Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG ist unabhängig von der Höhe der Geldbuße.
  • Maßgebend für die Höhe der Verfahrens - und Terminsgebühr im gerichtlichen Verfahren ist die Stufe 2 (von 40 € bis 5.000 €), obwohl letztlich nur eine Geldbuße von 35 € verhängt worden ist. Das hat jedoch auf die maßgebliche Stufe keinen Einfluss. Es kommt auf die "zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße" und nicht auf die rechtskräftig festgesetzte Geldbuße an. Zum Zeitpunkt des Entstehens der gerichtlichen Verfahrensgebühr bzw. der gerichtlichen Terminsgebühr, die mit Aufruf der Sache entsteht (Burhoff/Burhoff, Nr. 5108 VV Rn. 6 i.V.m. Nr. 4106 VV Rn. 8 ff.), betrug die "zuletzt festgesetzte Geldbuße" aber noch 50 €. Die 35 € sind erst im Urteil festgesetzt worden. Zu dem Zeitpunkt waren Verfahrens- und Terminsgebühr bereits entstanden waren.

Hinweis:

Eine während des Abgeltungsbereichs der Gebühr eingetretene Erhöhung der Geldbuße, die zum Überschreiten der Grenze zur nächsten Stufe führt, wird von der Regelung in Vorbem. 5.1 Abs. 2 VV RVG nicht erfasst. Hier bleibt nur die Möglichkeit, diesen Umstand beim Wahlanwalt über § 14 Abs. 1 RVG im Rahmen der Bemessung der konkreten Gebühren zu berücksichtigen (Burhoff/Burhoff, Vorb. 5.1 VV Rn. 27; Gerold/Schmidt-Burhoff, VV Vorb. 5.1 Rn. 8; a.A. AnwKomm/N.Schneider Vor VV 5107 ff. Rn. 8 [entsprechende Anwendung der Vorb. 5.1 Abs. 2 S. 2). Deshalb ist für die gerichtlichen Gebühren in diesen Fällen i.d.R. dann mehr als nur die Mittelgebühr angemessen. Angemessen dürfte es sein, die Mittelgebühr um mindestens 30 % zu überschreiten. Beim Pflichtverteidiger besteht diese Möglichkeit allerdings nicht.

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V. Bemessung der Rahmengebühren im OWi-Verfahren

1. Allgemeines

Auch im OWi-Verfahren erhält der /Verteidiger für seine Tätigkeit als Wahlanwalt Rahmengebühren. Die Bemessung der konkreten Gebühr innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens richtet sich nach § 14 Abs. 1 RVG. (Allgemeine) Grundlage der Bestimmung der angemessenen Gebühr sind die in § 14 Abs. 1 RVG aufgeführten Kriterien. Die Aufzählung ist allerdings nicht abschließend. Auch andere Umstände können bei der Bestimmung der Gebühr berücksichtigt werden. Diese anderen Kriterien stehen dann gleichwertig neben den in § 14 Abs. 1 RVG erwähnten (Burhoff/Burhoff, ABC-Teil: Rahmengebühren [§ 14], Rn. 7 ff. m.w.N.; a.A. AnwKomm/Rick, § 14 Rn. 23).

Die Regelungen im RVG lassen deutlich erkennen, dass die vom Rechtsanwalt aufgewendete Zeit angemessen(er) honoriert werden soll. Das wird für das Strafverfahren z.B. durch die Einführung der sog. Längenzuschläge zur Hauptverhandlungsterminsgebühr, u.a. in den Nrn. 4110, 4111 VV RVG, sowie auch durch die Terminsgebühr auch für den "geplatzten Termin" deutlich (vgl. Vorbem. 5 Abs. 3 S. 2 VV RVG). Der Rechtsanwalt muss daher bei der Bemessung der konkreten Gebühr innerhalb des Rahmens insbesondere mit der von ihm aufgewendeten Zeit argumentieren.

Hinweis:

Es empfiehlt sich, die im Laufe des Mandats aufgewendete Zeit in einem Vergütungsblatt festzuhalten, damit keine der für den Mandanten erbrachten Tätigkeiten verloren geht (s. auch Enders JurBüro 2005, 460; zum Muster eines "Vergütungsblatts" s. Burhoff/Burhoff , ABC-Teil: Rahmengebühren [§ 14], Rn. 60 ff. m.w.N.).

Bei der Bemessung der konkreten Gebühr sind vom Verteidiger die nachstehend aufgeführten Kriterien zugrunde zu legen und zu bestimmen, welche Gebühr seine Tätigkeit angemessen entlohnt. Die Bestimmung wird (nur) vom „billigem Ermessen" und dem Betragsrahmen begrenzt (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, ABC-Teil, Rahmengebühren [§ 14], Rn. 46 ff.). Auszugehen ist von der Mittelgebühr (s. auch unten  und KG StV 2006, 198 = AGS 2006, 278 = RVGreport 2007, 180 für das Strafverfahren). Inzwischen wird von den Gerichten die ständige Rechtsprechung wohl aller Obergerichte zu § 12 Abs. 1 S. 2 BRAGO fortgeführt worden, wonach Unbilligkeit nur angenommen wurde, wenn die Gebührenbestimmung um 20% oder mehr von der Gebühr abweicht, die sich unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Bemessungsgrundlagen ergibt (KG, a.a.O.; OLG Hamm StraFo 2007, 218 = Rpfleger 2007, 426 = JurBüro 2007, 309 = StV 2007, 476 (Ls.); OLG Koblenz, Beschl. v. 10. 9. 2007 - 1 Ws 191/07, www.burhoff.de; OLG Köln AGS 2008, 32; AGS 2008, 76; LG Saarbrücken AGS 2005, 245; AG Bensheim NZV 2008, 108).

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2. Berücksichtigung allgemeiner Kriterien

Allgemeine Erwägungen bleiben bei der Bestimmung der konkreten Gebühr unberücksichtigt (Burhoff/Burhoff, ABC-Teil: Rahmengebühren [§ 14], Rn. 11 ff. m.w.N.; AnwKomm/Rick, § 14 Rn. 26). Das gilt auch für die Bemessung der Gebühren in Bußgeldsachen nach Teil 5 VV RVG. Insoweit galt schon zu § 105 BRAGO, dass die Gebühren nicht deshalb niedriger bemessen werden durften, weil es sich generell um Angelegenheiten von geringerer Bedeutung handelt (vgl. Gebauer/Schneider (Hrsg.), BRAGO, § 105 Rn. 137 ff. m.w.N.). Das gilt, nachdem durch das RVG für die anwaltliche Vergütung in Bußgeldsachen in Teil 5 VV RVG eigenständige Gebühren geschaffen worden sind und die Verknüpfung mit den Gebühren für das Strafverfahren weggefallen ist, erst recht (vgl. auch Burhoff/Burhoff, Vorbemerkung 5 VV Rn. 21, 39 ff.; Gerold/Schmidt-Burhoff, Einleitung Vorb. Teil 5 VV Rn. 15 ff.). Es sind in Teil 5 VV RVG eigene Gebührentatbestände mit eigenen - zum Teil niedrigeren - Gebührenrahmen enthalten, die nicht mit dem Argument „Angelegenheit von geringerer Bedeutung" noch weiter abgesenkt werden dürfen. Insoweit würde gegen ein "gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot " verstoßen.

Das gilt auch insoweit, als zur Bemessung der konkreten Gebühr maßgeblich an die Höhe der Geldbuße angeknüpft wird. Diese ist bereits Kriterium für die Anknüpfung, aus welcher Stufe des Teil 5 VV RVG sich die anwaltlichen Gebühren berechnen. Die Höhe der Geldbuße darf dann nicht noch einmal herangezogen werden, um innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühr (noch weiter) abzusenken. Auch der Hinweis auf den weiten Rahmen insbesondere in der Stufe 2 (Geldbuße von 40 € bis 5.000 €) ist unberechtigt. Das gilt insbesondere für die Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten. Denn gerade bei Verkehrsordnungswidrigkeiten wird die Mehrzahl der Geldbußen im unteren Bereich festgesetzt. Insoweit handelt es sich also um die durchschnittlichen Fälle handelt. Alles andere verschiebt und verkennt im Bereich des straßenverkehrsrechtlichen OWi-Rechts das Gesamtgefüge. Deshalb ist auch in OWi-Sachen grds. von der Mittelgebühr auszugehen (s. auch Burhoff RVGreport 2007, 262; ders. VRR 2005, 333; eingehend Burhoff/Burhoff, Vorbemerkung 5 VV Rn. 39 ff. mit „Rechtsprechungs-ABC“; Jungbauer DAR 2007, 56; Leipold, Anwaltsvergütung in Strafsachen, Rn. 495; s. dazu aus der Rspr. u.a. LG Kiel zfs 2007, 106; LG Stralsund zfs 2006, 407; AG Altenburg RVGreport 2006, 182, AG Chemnitz AGS 2006, 113; AG Darmstadt AGS 2006, 212 = zfs 2006, 169 = RVGreport 2007, 220; AG Frankenthal RVGreport 2005, 271 = VRR 2005, 280 = AGS 2005, das die Mittelgebühr zumindest immer dann gewähren will, wenn es im Verfahren um die Verhängung eines Fahrverbotes geht oder dem Betroffenen Punkte im VZR drohen; AG München RVGreport 2005, 381 = AGS 2005, 430; AG Pinneberg AGS 2005, 552; AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181 = AGS 2006, 126; AG Saarlouis RVGreport 2006, 182 = AGS 2006, 126; AG Viechtach, RVGreport 2006, 341; AGS 2007, 83; a.A. Pfeiffer DAR 2006, 653; LG Dortmund RVGreport 2005, 465; LG Deggendorf RVGreport 2006, 341; LG Göttingen VRR 2006, 239; )€

Im Einzelnen gilt:

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3. Konkrete Bemessung der Rahmengebühr

Wegen der allgemeinen Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG im Einzelnen wird verwiesen auf Burhoff/Burhoff, ABC-Teil: Rahmengebühren [§ 14] Rn. 13 ff. (s. i.Ü. a. Gerold/Schmidt-Mayer, § 14 Rn. 15 ff.; Enders JurBüro 2004, 459). Insoweit gilt i.Ü.

  • Mit „Umfang der anwaltlichen Tätigkeit " ist in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG vor allem der zeitliche Aufwand gemeint, den der Rechtsanwalt/Verteidiger auf die Führung des Mandats verwendet hat. Dazu zählen nicht nur die Zeiten, die der Verteidiger faktisch an bzw. in der Sache gearbeitet hat, sondern auch der nutzlos erbrachte Aufwand. Dass das RVG den nutzlos erbrachten Aufwand auch im OWi-Verfahren auf jeden Fall berücksichtigen will, ergibt sich aus Vorbem. 5 Abs. 3 S. 2 VV RVG und der dort bestimmten Terminsgebühr für einen "geplatzten Termin" (Burhoff/Burhoff, Vorb. 4 VV Rn. 77 ff., Vorb. 5 VV Rn. 36).
  • Bei der „Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit" geht es um die qualitativen Anforderungen an die Arbeit des Verteidigers in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, ABC-Teil, Rahmengebühren [§ 14], Rn. 19 ff.; Enders JurBüro 2004, 516). Die Schwierigkeit muss allerdings nicht erheblich sein. Es reicht bei der Anwendung von § 14 Abs. 1 RVG aus, wenn die Sache etwas verwickelter als üblich ist. Müsste die Schwierigkeit nämlich erheblich über dem Normalfall liegen (so AnwKomm/Rick, § 14 Rn. 33), wäre damit bereits die grds. Voraussetzung für die Anwendung der §§ 42, 51 RVG und die Gewährung einer Pauschvergütung/Pauschgebühr gegeben. Das ist für die Berücksichtigung der "Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit" im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG jedoch nach dem Wortlaut nicht Voraussetzung.
  • Bei der Bewertung der Bedeutung der Angelegenheit ist auf die individuelle Bedeutung für den Mandanten abzustellen (Römermann in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 31). Die Bedeutung für den Verteidiger ist ebenso unerheblich wie die Bedeutung für die Allgemeinheit. Die individuelle Bedeutung für den Verteidiger erlangt ggf. nur darüber Gewicht, dass sie sich in einem besonderen Zeitaufwand niedergeschlagen hat (vgl. OLG Hamm Rpfleger 2002, 480 = AGS 2002, 230 = AnwBl. 2002, 664 = JurBüro 2002, 419; s. i.Ü. Burhoff/Burhoff, ABC-Teil, Rahmengebühren [§ 14], Rn. 24 ff.). Hier ist in den straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren die Frage des drohenden Fahrverbots/der Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister anzusiedeln (vgl. dazu z.B. AG Altenburg RVGreport 2006, 182 = AGS 2006, 128; AG Viechtach RVGreport 2005, 420 = AGS 2006, 239; w.Nachw. bei Burhoff/Burhoff, Vorbemerkung 5 VV Rn. 58; s. aber a. LG Hannover RVGreport 200 8, ; das unzutreffend davon ausgeht, dass der mit einer Verurteilung verbundenen Eintragung in das Ver­kehrszentralregister und der damit möglicherweise drohenden Entziehung der Fahr­erlaubnis bei Erreichen der Punktegrenze keine Bedeutung beizumessen sei, weil die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegend auf die Voreintragungen aus früheren Verfahren und nicht auf die dem Betroffenen im jeweils vorliegenden Verfahren vorgeworfene Ordnungs­widrigkeit zurückzuführen sei).
  • Von Bedeutung sind schließlich auch die Vermögens - und Einkommensverhältnisse des Mandanten. Auszugehen ist von den durchschnittlichen Vermögensverhältnissen in der BRD. Das bedeutet, dass der übliche Hausrat und ein kleineres Sparguthaben auf jeden Fall als "normal" anzusehen sind. Demgegenüber rechtfertigen überdurchschnittliche Vermögensverhältnisse des Mandanten (z.B. umfangreicher [unbelasteter] Grund- und Aktienbesitz) eine Erhöhung der Gebühren. Unterdurchschnittliche Vermögensverhältnisse führen hingegen zu einer Gebührenminderung (zu allem Onderka RVGprofessionell 2004, 57). Auszugehen ist auch von den durchschnittlichen (Einkommens-)Verhältnissen in Deutschland. Diese können auf www.destatis.de, der Homepage des Statistischen Bundesamtes abgefragt werden.
  • Ausdrücklich erwähnt wird in § 14 Abs. 1 S. 3 RVG schließlich noch das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts/Verteidigers. Berücksichtigt wird danach aber auch in Ordnungswidrigkeiten-Sachen nicht nur ein besonderes Haftungsrisiko, sondern, da der Rechtsanwalt als Verteidiger für seine Tätigkeit (Betrags-)Rahmengebühren erhält, jedes Haftungsrisiko (wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, ABC-Teil, Rahmengebühren [§ 14], Rn. 31 ff.). In dem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass gerade Verkehrsordnungswidrigkeitensachen für den Rechtsanwalt ein erhebliches Haftungsrisiko haben können. Die Verhängung eines Fahrverbotes kann entscheidende Auswirkung auf die beruflichen Verhältnisse des Mandanten haben. Auch die Frage, ob ggf. Punkte im VZR einzutragen sind, kann erhebliche Auswirkungen für den Mandanten haben.

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In straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldsachen kann es über diese allgemeinen Kriterien hinaus insbesondere ankommen auf (vgl. dazu auch Burhoff/Burhoff, Vorb. 5 VV Rn. 39 ff. mit Checkliste und Rechtsprechungs-ABC; ders., RVGreport 2007, 252; ders., VRR 2006, 333; ; AnwKomm/N. Schneider, vor VV Teil 5 Rn. 52 ff. m.w.N.):

  • Mandant ist auf Fahrerlaubnis beruflich angewiesen (vgl. u.a. LG Kiel zfs 2007, 106 m. zust. Anm. Hansens = AGS 2007, 140; AG Frankfurt zfs 1992, 209; AG Viechtach AGS 2007, 83; LG Kiel),
  • allgemein: ein Fahrverbot droht (LG Kiel, Beschl. v. 11.01.2006 - 46 Qs-OWi 31/05 [Taxifahrer]; AG Chemnitz AGS 2005, 431; AG Frankenthal VRR 2005, 280 = RVGreport 2005, 271 = AGS 2005, 292; AG München AGS 2005, 430 = RVGreport 2005, 381; AG Frankfurt/M., a.a.O.),
  • mehrere Verkehrsordnungswidrigkeiten ,
  • (hoher) Sachschaden ,
  • Entzug der Fahrerlaubnis droht wegen eines " beharrlichen Verstoßes ", da bereits mehrere Voreintragungen vorliegen (AG München, a.a.O.),
  • umfangreiche Vorbereitung der HV , z.B. durch Gespräche mit Sachverständigen oder wegen der Vorbereitung von Beweisanträgen (AG Pinneberg AGS 2005, 552; AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181 = AGS 2006, 126),
  • Auswertung von Sachverständigengutachten, z.B. zur Täteridentifizierung ,
  • schwierige Verjährungsfragen .

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