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aus ZAP F. 22 R, S. 703

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Rechtsprechungsübersicht zum Strafrecht 2010/2011

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

Inhalt

I. Qualifikationsmerkmale, insbesondere „gefährliches Werkzeug“

II. Zueignungsdelikte

1. Bandendiebstahl (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)

2. Raubqualifikation bei konkreter Lebensgefährdung des Opfers (§ 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB)

III. Verkehrsstraftaten

1. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)

a) Begriff des Unfallortes

b) Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB)

2. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr/Straßenverkehrsgefährdung (§§ 315b, 315c StGB)

3. Trunkenheits-/Drogenfahrten

a) Allgemeine Feststellungen bei §§ 315c, 316 StGB

b) Rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1 b, 316 StGB)

Inhaltsverzeichnis

I. Qualifikationsmerkmale, insbesondere „gefährliches Werkzeug“

In der Praxis spielen sog. Qualifikationsmerkmale, wie z.B. der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ als Qualifikationsmerkmal bei der Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) , eine erhebliche Rolle. Dies gilt nicht nur bei der Körperverletzung, sondern auch bei anderen Tatbeständen, wie z.B. beim  Raub (§§ 249 ff. StGB) oder bei der Vergewaltigung (§§ 176 ff. StGB).   Wegen der mit der Annahme eines Qualifikationsmerkmals einhergehenden erhöhten Strafdrohung sind die damit zusammenhängenden Fragen von erheblicher Bedeutung. Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf folgende Rechtsprechung der letzten Zeit (vgl. zur Rspr. aus früheren Jahren Schneider StRR 2007, 289 ff.):

  • Keine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), wenn der Angeklagte dem vor einem Computer sitzenden Geschädigten ein etwa 1 m langes Elektrokabel locker um den Hals legte, ohne es zuzuziehen und ohne dass das Kabel mit dem Hals des Opfers in Berührung kam, so dass der Geschädigte, der das Kabel dem Täter aus der Hand riss und dem es weiter gelang den Täter aus dem Zimmer zu drängen und in einen anderen Raum zu flüchten, Todesängste erlebte, eine Beklemmung verspürte und noch geraume Zeit nach der Tat an Angstzuständen litt. Die Tat ist nicht "mittels" eines gefährlichen Werkzeuges i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen, denn das Tatmittel muss unmittelbar auf den Körper des Tatopfers einwirken (vgl. auch BGH NStZ 2007, 405). Daran fehlt es, wenn das Tatmittel, wie hier das Kabel zwar mit dem Körper des Tatopfers in Berührung kommt, es jedoch als bloße "Requisite" bei der Inszenierung einer scheinbar lebensbedrohlichen Situation seine Wirkung nicht unmittelbar körperlich, sondern psychisch vermittelt (BGH StraFo 2010, 202 = NStZ-RR 2010, 205 = NStZ 2010, 512). Auch ein fahrendes Fahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, kann als gefährliches Werkzeug i. S. des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen sein(BGH NStZ 2007, 405). Stürzt ein Polizeibeamter nach einer Rangelei mit einem Fahrzeugführer im Fahrzeuginneren aus dem Fahrzeug, nachdem der Fahrer das Fahrzeug rückwärts in Gang gesetzt hatte, so dass es gegen eine Böschung stieß, wird das Fahrzeug aber nicht als gefährliches Werkzeug gegen das Opfer eingesetzt (BGH, a.a.O.).
  • Auch dann, wenn das körperliche Wohlbefinden der Geschädigten dadurch beeinträchtigt, dass ihr Reißzwecken unter ihre Fersen geklebten werden und sie stundenlang gezwungen war, auf den vorderen Fußballen zu stehen, liegt keine mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangene gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) vor (vgl. BGH, Beschl. v. 19. 10. 2010 4 StR 264/10, StraFo 2011, 104). Der BGH (a.a.O.) verweist darauf, dass das körperliche Wohlbefinden der Geschädigten nicht unmittelbar durch die unter ihre Fersen geklebten Reißzwecken erheblich beeinträchtigt wurde, sondern dadurch, dass sie stundenlang gezwungen war, auf den vorderen Fußballen zu stehen.
  • Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für die Frage, ob der Schuh am Fuß des Täters als ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen ist, auf die Umstände des Einzelfalles an, unter anderem auf die Beschaffenheit des Schuhes sowie auf die Frage, mit welcher Heftigkeit und gegen welchen Körperteil mit dem beschuhten Fuß getreten wird (vgl. BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 Werkzeug). Ein Straßenschuh von üblicher Beschaffenheit ist regelmäßig als gefährliches Werkzeug anzusehen, wenn damit einem Menschen gegen den Kopf getreten wird. Das gilt jedenfalls für Tritte in das Gesicht des Opfers. Entsprechendes ist anzunehmen, wenn der Täter feste Turnschuhe der heute üblichen Art trägt (BGH, Beschl. v. 15. 9. 2010 – 2 StR 395/10, NStZ-RR 2011, 33).
  • Ein Überfall ist nicht schon dann hinterlistig (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB), wenn der Täter für den Angriff auf das Opfer nur ein Überraschungsmoment ausnutzt (vgl. BGH NStZ 2005, 97). Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 77 f.; Beschl. v. 15. 9. 2010 – 2 StR 395/10, NStZ-RR 2011, 33; BGH 4 StR 465/10 – Beschl. v. 19. 10. 2010, JurionRS 2010, 27569). Dies ist etwa auch dann der Fall, wenn der Täter dem Opfer mit vorgetäuschter Friedfertigkeit entgegentritt oder sich vor dem Opfer verbirgt und ihm auflauert oder sich anschleicht, hingegen genügt es nicht, wenn der Täter für den Angriff auf das Opfer das Moment der Überraschung ausnutzt, etwa indem er plötzlich von hinten angreift (BGH, Beschl. v. 30. 10. 2008 - 3 StR 334/08 - NStZ-RR 2009, 77 = StraFo 2009, 80 = StV 2009, 187 [Ls.]; vgl. auch noch BGH, Beschl. v. 8. 5. 2007 - 4 StR 173/07, StraFo 2007, 341 = StV 2007, 634 = NStZ 2007, 702).

Tipp/Hinweis:

Geht das Gericht von einer gefährlichen Körperverletzung durch Verübung eines hinterlistigen Überfalls aus, darf es bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten nicht berücksichtigen, dass er bei der Tatplanung und -ausführung die Dunkelheit sowie die Vereinzelung der Geschädigten ausgenutzt habe.

  • Ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein solches, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen; diese Merkmale müssen vom Vorsatz des Täters umfasst sein (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 224 Rn. 9, 13). Das bedeutet, dass das tatrichterliche Urteil Feststellungen zu den Vorstellungen des Angeklagten über die möglichen Folgen seines Handelns enthalten muss. Der Angeklagte muss damit gerechnet und es gebilligt haben, dass das von ihm verwendete Mittel (hier: Reizgas) - so wie er es verwendete – geeignet ist/war, das Tatopfer überhaupt und dazu erheblich zu verletzen. Das versteht sich nicht von selbst, wenn der Angeklagte kein Vorkehrungen gegen Einwirkungen des Gases auf die eigene getroffen hat und die Tatfolgen "relativ geringfügig" geblieben sind (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2010 – 3 StR 338/10, NStZ-RR 2010, 364 = NStZ-RR 2011, 34).
  • Fasst ein Täter seinem Opfer im Verlauf einer Rangelei mit einer Hand an die linke Halsseite und drückt während einer kurzen Zeit mit zwei Fingern dergestalt dagegen, dass der ausgeübte Druck zwar zwei dicht beieinander liegende Hämatome verursacht, dabei aber zu gering ist, um eine Halsschlagader zu verschließen oder eine Unterbrechung der Luftzufuhr zu bewirken, so macht er sich nicht wegen gefährlicher Körperverletzung im Sinne einer lebensgefährdenden Behandlung (§ 224  Abs. 1 Nr. 5 StGB) strafbar. Zwar kann festes Würgen am Hals geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen; es reicht hierfür jedoch nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hämatomen führt (BGH, Beschl. v. 28. 9. 2010 - 4 StR 442/10, NStZ-RR 2011, 11 = NStZ 2011, 90). Ebenso wenig reicht wenig bloße Atemnot. Von maßgeblicher Bedeutung sind Dauer und Stärke der Einwirkung, die abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden. Hierfür können bedeutsame Umstände etwa das Abschnüren der Halsschlagader, der Bruch des Kehlkopfknorpels oder massive Würgemerkmale sein (BGH, Beschl. v. 8. 5. 2007 – 3 StR 341/07, StV 2008, 301 = NStZ-RR 2008, 304).
  • Verbrühen mit heißem Kaffee ist keine Beibringung eines anderen gesundheitsschädlichen Stoffes i.S. einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn das Verbrühen mit heißem Kaffee mit einer bloß kurzer thermischer Einwirkung auf eine relativ unempfindliche Region der Haut (hier: Gießen des Kaffees aus einer Thermoskanne über den Kopf) ohne Tiefenausdehnung eines Hautdefektes einhergeht  keine Beibringung eines anderen gesundheitsschädlichen Stoffes im Sinne einer gefährlichen Körperverletzung dar (OLG Dresden, Beschl. v. 29. 6. 2009 - 2 Ss 288/09, NStZ-RR 2009, 337).
  • Eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung ( § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) setzt nicht voraus, dass die Behandlung des Opfers durch den Täter das Leben des Opfers konkret gefährdet hat. Ausreichend ist vielmehr, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls generell hierzu geeignet ist. In diesem Zusammenhang kann auch ein wuchtig gegen den Kopf des Verletzten geführter Kopfstoß lebensgefährlich sein (OLG Hamm, Beschl. v. 11. 6. 2008 - 2 Ss 60/08, NStZ-RR 2009, 15).  Auch das Verdrehen des Kopfes des an Osteoporose leidenden Tatopfers, „bis es knackte“ kann das Merkmal der lebensgefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllen (inzidenter BGH, Beschl. v. 9. 3. 2007 - 2 StR 63/07, JurionRS 2007, 12398; vgl. auch noch BGH NStZ 2004, 618; 2005, 156, 157; NStZ-RR 2005, 44; Fischer, a.a.O., § 224 Rdn. 12 m.w.N.).
  • Ein Taschenmesser ist grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB; dies gilt unabhängig davon, ob der Dieb es allgemein für den Einsatz gegen Menschen vorgesehen hat (BGHSt 52, 257 = StV 2008, 411 = NStZ 2008, 512 = StRR 2008, 391). Das OLG Stuttgart geht davon aus, dass ein Einbruchswerkzeug (Schraubendreher) nur dann ein "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB ist, wenn es objektiv geeignet ist, eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen. Insoweit müsse sein Gebrauch drohen. Ob dies der Fall sei, sei unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich der inneren Haltung des Täters zur Verwendung des Werkzeuges festzustellen (OLG Stuttgart NJW 2009, 2756 = StraFo 2009, 297 = StV 2009, 531).
  •  Jedenfalls dann, wenn der Täter das während des Diebstahls in der Hosentasche mitgeführte Multifunktionswerkzeug "Schweizer Offiziersmesser" kurz vor der Tat in dessen Funktion als Messer benutzt hat, führt er ein "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB bei sich (KG, Beschl. v. 17. 4. 2008 - (2) 1 Ss 394/07 (42/07), StraFo 2008, 340 = StV 2008, 473).
  • Die Umschreibung einer Tatwaffe nur als „dicker Ast“ ist für die Annahme eines gefährlichen Werkzeuges als Qualifikationsmerkmal unzureichend (für §§ 250 Abs. 1 Nr. 1b, 253, 255 StGB; OLG Köln, Beschl. v. 15. 12. 2009 - 83 Ss 87/09, StV 2010, 636). Denn entscheidend ist, dass bei entsprechender Verwendungsabsicht das Werkzeug geeignet ist, möglichem Widerstand gewaltsam zu begegnen. Diese Eignung kann bei einem "dickeren Ast" nicht ohne weiteres und ohne nähere Beschreibung seiner Beschaffenheit unterstellt werden, sondern hängt vielmehr u.a. von dessen Länge, der Stärke und der Konsistenz ab.
  • Der Begriff der schweren körperlichen Misshandlung nach § 250 Abs. 3 Buchst. a StGB ist aus § 176a Abs. 4  Nr. 1 StGB (§ 175 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB a.F) übernommen. Auf seine Auslegung kann zurückgegriffen werden. Danach ist zur Annahme einer schweren körperlichen Misshandlung nicht der Eintritt einer schweren Folge im Sinne von § 226 StGB oder einer schweren Gesundheitsschädigung im Sinne von § 239 Abs. 3 Nr. 2 StGB erforderlich. Es ist jedoch vorauszusetzen, dass die körperliche Integrität des Opfers entweder mit erheblichen Folgen für die Gesundheit oder aber in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt wird (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 175; zuletzt Beschl. v. 15. 9. 2010 – 2 StR 395/10, NStZ-RR 2011, 33).

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II. Zueignungsdelikte

1. Bandendiebstahl (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)

Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Bande i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer noch unbestimmten Zahl von Diebstählen verbunden haben (BGHSt 46, 321, 325 = NJW 2001, 2266). Erforderlich ist ferner eine – ausdrücklich oder konkludent getroffene – Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (BGHSt 50, 160, 164 = NJW 2005, 2629). Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich alle Bandenmitglieder persönlich miteinander verabreden oder einander kennen (BGH, a.a.O.; vgl. auch Fischer, a.a.O., § 244 Rdn. 36). Auf der Grundlage hat dem BGH im Beschl. v. 16. 3. 2010 (4 StR 497/09, wistra 2010, 347) für die Annahme, dass mehrere Angeklagte Kraftfahrzeugdiebstähle als Mitglieder einer Bande i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB aufgeführt hatten, dass das LG in den Urteilsgründen lediglich festgestellt hatte, dass die Angeklagten in „Gruppen“ untereinander kooperierten, indem sie sich auf der Grundlage der vorgesehenen arbeitsteiligen Beschaffung von Kraftfahrzeugen „austauschten und unterstützten“, in ihren Bereichen jedoch „jeweils eigenständig“ tätig waren. Der BGH moniert, dass nähere Feststellungen zur Art der Kooperation, insbesondere zu Einzelheiten der gegenseitigen Unterstützung, nicht getroffen worden waren. Schon im Hinblick darauf, dass die „Gruppen“ ihre jeweilige Tätigkeit eigenständig entfalteten und auf unterschiedliche Fahrzeugarten spezialisiert waren, hätte es nach Auffassung des BGH genauerer Feststellungen dazu bedurft, ob alle Beteiligten organisatorisch in eine (einheitliche) Bande eingebunden waren.

Tipp/Hinweis:

Zudem ist immer darauf zu achten, dass die jeweilige Tat auch unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangen worden sein muss. Allein die Bandenmitgliedschaft des Angeklagten reicht für eine Verurteilung wegen eines Bandendiebstahls nicht aus BGHSt 46, 321, 333 f. = NJW 2001, 2266). 

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2. Raubqualifikation bei konkreter Lebensgefährdung des Opfers (§ 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB)

In ZAP F. 22 R, S. 651 ist über das das BGH-Urt. v. 25. 3. 2009 ( 5 StR 31/09, BGHSt 53, 234 = NJW 2009, 3041 = StRR 2009, 308) berichtet, wonach eine Qualifikation des Raubes (oder einer räuberischen Erpressung) nach § 250 Abs. 3 Nr. 2a StGB auch noch im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung in Betracht kommen kann (siehe dazu Fischer, a.a.O., § 250 Rn. 14 und 26). Zum anderen hatte der BGH in dieser Entscheidung für den besagten Qualifikationstatbestand klargestellt, dass im Zeitpunkt der Verletzungshandlung (aber noch) eine Beutesicherungsabsicht vorliegen muss und ein schlichter räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Raub bzw. einer räuberischen Erpressung und einer unmittelbar nachfolgenden Misshandlung nicht genügt (dazu auch Krawczyk StRR 2010, 49, 53). Das hat der BGH im Beschl. v. 8. 4. 2010 (2 StR 17/10; BGHSt 55, 79 = NJW 2010, 1892 = StRR 2010, 392  m. Anm. Krawczyk) auf den – bis dahin noch nicht entschiedenen – Fall der Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB ausgedehnt. Er sieht keinen Grund die Qualifikationstatbestände unterschiedlich zu behandeln.

Tipp/Hinweis:

Entscheidend für die Annahme der Qualifikation ist, ob eine vom Täter begangene Verletzungshandlung in der Weise mit einem Raub oder einer räuberischen Erpressung verknüpft ist, dass es dem Täter im Zeitpunkt ihrer Vornahme (noch) um die Erlangung oder – nach Vollendung – um die Sicherung der Beute geht. Ein Anhaltspunkt, der gegen das Vorliegen einer Beutesicherungsabsicht spricht, ist ein vollständiges Erlangen der Beute vor dem Zeitpunkt der Verletzungshandlung (so in BGHSt 53, 234 = NJW 2009, 3041 = StRR 2009, 308), weil es dann keiner Gewaltanwendung zur Beutesicherung mehr bedarf. Ein weiterer Anhaltspunkt ist der Fehlschlag des versuchten Raubes bzw. der versuchten räuberischen Erpressung, weil es keine Beute gibt, deren Sicherung der Täter noch beabsichtigen könnte. Erfolgt die Verletzungshandlung nach dem Fehlschlag des Versuchs, spricht alles dafür, dass es dem Täter einzig um seine Flucht geht.

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III. Verkehrsstraftaten

1. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)

a) Begriff des Unfallortes

Das BVerfG hatte in Zusammenhang mit der Strafbarkeit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) in seiner Entscheidung v. 19. 3. 2007 (BVerfG NJW 2007, 1666 = StRR 2007, 109 = VRR 2007, 232 = NZV 2007, 368 m. Anm. Laschewski NZV 2007, 444) die Auffassung vertreten, dass die ständige Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte, wonach auch das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort als „berechtigtes oder entschuldigtes" Entfernen im Sinne von § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB gelten konnte (vgl. dazu die Nachw. bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 142 Rn. 52; Burhoff in Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 5. Auflage, 2011, Teil 6 Rn. 356 ff.), gegen das Analogieverbot verstoße. Nach Auffassung des BVerfG ist in dem Zusammenhang auch der Begriff des Unfallorts konkretisierungsfähig und - bedürftig. Diese Entscheidung hat dann in der Folgezeit zu einem Streit in der Rechtsprechung der OLG geführt (vgl. dazu ZAP F 22 R, S. 651, 653 und OLG Düsseldorf NZV 2008, 107 = DAR 2008, 154 = VRR 2008, 109 m. krit. Anm.- Blum NZV 2008, 495 einerseits sowie OLG Hamburg VA 2009, 106 = NZV 2009, 301 = VRR 2009, 270 = DAR 2009, 404). Das OLG Düsseldorf (a.a.O.) war auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) der Auffassung, dass die Vorschrift des § 142 Abs. 1 StGB - anders als § 142 Abs. 2 StGB - keinen abgeschlossenen Sachverhalt des Sich-Entfernt-Habens voraussetze und sich Entfernens-Vorsatz grds. bis zur Beendigung der Tat durch ein erfolgreiches Sich-Entfernt-Haben gebildet werden könne. Demgegenüber war das OLG Hamburg (a.a.O.) der Auffassung, dass es auf den Unfallort ankomme. Das sei die Stelle, an der sich das schädigende Ereignis zugetragen habe, einschließlich der unmittelbaren Umgebung, in der die beteiligten Fahrzeuge zum Halten gekommen sind bzw. hätten kommen können und in der die Unfallbeteiligten für feststellungsbereite Personen noch als warte- und auskunftspflichtig zu erkennen sind.

Inzwischen hat der BGH (vgl. Beschl. v. 15. 11. 2010 – 4 StR 413/10, StRR 2011, 27 = VRR 2011, 28 = VA 2011, 31 = StV 2011, 160) zu der Problematik Stellung genommen und ausgeführt: Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals vom Unfall erfahren hat, erfülle nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. auch BGHSt 28, 129, 131 = NJW 1979, 434). Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB scheide aus, da das un­vorsätzliche Verlassen des Unfallorts nicht vom Wortlaut der Norm erfasst werde (vgl. aber BVerfG, a.a.O.). Anders als das OLG Düsseldorf (a.a.O.) sieht der BGH – so die ausdrückliche Formulierung - keine Veranlassung, die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Unfallorts zu modifizieren, um auf diese Weise Fälle strafrechtlich zu erfassen, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich dennoch weiter entfernt.

Tipp/Hinweis:

Die Auffassung des BGH ist zu begrüßen, denn nur diese Auslegung ist mit dem Wortlaut der Norm vereinbar. Diese stellt nur das vorsätzliche Entfernen vom Unfallort unter Strafe, nicht aber auch das vorsätzliche Verlassen eines wie auch immer zu bestimmenden „raum-zeitlichen Zusammenhangs“ außerhalb des Unfallortes. Zwar mag durch die Entscheidung des BVerfG (a.a.O.) zur Nichtanwendbarkeit des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB bei nachträglicher Kenntnis vom Unfall eine gefühlte Strafbarkeitslücke entstanden sein. Wie der BGH zutreffend ausführt, ist das aber kein Grund, den gewachsenen Begriff des Unfallorts zu modifizieren, sprich: zu erweitern. Das ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers.

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b) Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB)

Liegt der dringende Tatverdacht einer Katalogtat nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor, ist der Beschuldigte i.d.R. als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen und wird ihm i.d.R. die Fahrerlaubnis (vorläufig) entzogen. Die gesetzliche Vermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist jedoch widerlegbar. Dazu hat das LG Köln auf folgende Umstände abgestellt (vgl. Beschl. v. 20.10.2010, 103 Qs 86/09, VRR 2010, 110 = VA 2010, 65): Der Beschuldigte war ca. 20 Minuten nach dem Unfallereignis freiwillig zur Unfallstel­le zurückkehrt und hatte die erforderlichen Feststellungen ermöglicht. Die Anwendung der Vorschrift des § 142 Abs. 4 StGB scheiterte nach Auffassung des LG Köln (a.a.O.) nur daran, dass der Sachschaden nicht unerheblich gewesen sei und es sich um einen Unfall im fließenden Verkehr gehandelt habe. Die freiwillige nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen ließ aber aus der Sicht der Kammer den seiner generellen Natur nach schwe­ren Verstoß in einem weniger gefährlichen Licht erscheinen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat die Kammer dann schließlich auch noch berücksichtigt, dass von einem einmaligen Augenblicksversagen auszugehen gewesen sein dürfte, da weder der Bun­deszentralregisterauszug des Beschuldigten noch der Auszug aus dem Verkehrszentralregister vom Eintragungen aufweisen. Zu­dem ist eine besondere psychische Belastungssituation des Beschuldigten zur Tatzeit in den Blick genommen worden.

Tipp/Hinweis:

In dem Zusammenhang ist dann auch noch einmal ein Hinweis auf die Entscheidung des LG Gera angebracht (NZV 2006, 105 = DAR 2006, 107). Dieses ist noch einen Schritt weiter gegangen als das LG Köln und hat in einem vergleichbaren Fall die Vorschrift des § 142 Abs. 4 StGB analog angewendet.

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2. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr/Straßenverkehrsgefährdung (§§ 315b, 315c StGB)

Durch eine Entscheidung ist des BGH ist auch an einer anderen Stelle ein in Rechtsprechung und Literatur in der letzten Zeit schwelender Streit entschieden worden, und zwar der hinsichtlich der Wertgrenze für den drohenden bedeutenden Schaden i.S. der §§ 315b, 315 c StGB. Seit einiger Zeit mehrten sich nämlich die Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die dafür plädierten, die bislang in der Rechtsprechung des BGH geltende Grenze von 750 € für den drohenden bedeutenden Schaden i.S. des § 315b StGB – Entsprechendes gilt für die Straßenverkehrsgefährdung des § 315c StGB  - auf 1.300 € anzuheben und damit an den „bedeutenden Fremdschaden“ i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB anzugleichen (vgl. Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., Vorbem. zu §§ 306 ff. Rn. 15; Fischer, a.a.O., § 315 Rn. 16a; Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 315c StGB Rn. 7; MünchKomm-StGB/Barnickel § 315 Rn. 69: ca. 850 € für Januar 2006; in der Rechtsprechung OLG Jena OLGSt StGB § 315c Nr. 16; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 185, 186; a.A. hingegen König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 95; SSW-StGB/Ernemann § 315c Rn. 25; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 315c Rn. 24). Zu der Frage hat dann inzwischen der 4. Strafsenat des BGH Stellung genommen. Nach dem Sachverhalt war der Angeklagte vom LG u.a. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 316b StGB) verurteilt worden. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte u.a. vier Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) und die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen hatte. Dabei waren an den Fahrzeugen der Unfallgegner Schäden in Höhe von 1.062,11 €, 792,30 €, 800 € bzw. 885,84 € verursacht worden; dass ein darüber hinausgehender Sachschaden oder sogar ein Personenschaden konkret gedroht haben, hatte das LG in keinem dieser Fälle festgestellt. Das LG war von der (bisherigen) Rechtsprechung des BGH ausgegangen, wonach die Wertgrenze für die Annahme der drohenden bedeutenden Gefährdung/des drohenden bedeutenden Schadens bei mindestens 750 € liegt (vgl. u.a. BGHSt 48, 119, 121; DAR 2008, 487 = VRR 2008, 312 = StRR 2008, 353 = VA 2008, 143; NZV 2010, 261 = VA 2010, 83 = VRR 2010, 150).

Der BGH hat die Revision des Angeklagten verworfen (vgl. Beschl. v. 28. 9. 2010 – 4 StR 245/10, VRR 2011, 70 = VA 2011, 47= StRR 2011, 112).  In der Verwerfungsentscheidung hat der BGH ausdrücklich ausgeführt, dass er für eine Anhebung der Wertgrenze keinen Anlass sieht. Der BGH begründet seine Auffassung mit den unterschiedliche Schutzzwecken der Vorschriften. Der Schadensbegriff des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sei nach dem Normzweck des § 142 StGB zu bestimmen, der dem Interesse der Unfallbeteiligten an der Aufklärung der Unfallursachen zur Klarstellung der privatrechtlichen Verantwortlichkeit und damit an der Sicherung bzw. Abwehr zivilrechtlicher Ersatzansprüche diene. Maßgeblich sei daher nicht der reine Sachschaden, sondern der Geldbetrag, der erforderlich sei, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Deswegen seien neben den Reparaturkosten auch Bergungs- und Abschleppkosten einzubeziehen. Bei §§ 315b, 315c StGB sei demgegenüber allein auf den (drohenden) Schaden an der Sache selbst abzustellen, wobei der Wert der Sache nach deren Verkehrswert, die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen ist (vgl. BGH DAR 2008, 487 = VRR 2008, 312 = StRR 2008, 353 = VA 2008, 143). Die Vorschriften bezweckten den Schutz des Allgemeininteresses an der Sicherheit des Straßenverkehrs, der in ihnen verwirklichte Schutz auch des Einzelnen sei nur eine Nebenwirkung (vgl. BGH 27, 40; BGH NStZ-RR 1999, 120). Das Schwergewicht der Vorwerfbarkeit liege dementsprechend - ungeachtet der Ausgestaltung der Straftatbestände als Erfolgsdelikte - in der besonderen Gefährlichkeit der Tathandlung für die Allgemeinheit und damit im Handlungsunrecht; der Erfolgsunwert - der Niederschlag der abstrakten Gefährdung in einer konkreten Gefahr für Individualrechtsgüter - habe lediglich strafbarkeitsbegrenzende Funktion, der auch die weitere Einschränkung des bedeutenden Wertes diene. Insofern rechtfertigt der Schutzzweck der §§ 315b, 315c StGB die Bestimmung eines niedrigeren Grenzwertes als bei § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auch losgelöst von der unterschiedlichen Berechnungsgrundlage (zur Abhängigkeit verschiedener Wertgrenzen vom jeweiligen Normzweck vgl. BGHSt 48, 14).

Tipp/Hinweis:

Der BGH (Beschl. v. 28. 9. 2010 – 4 StR 245/10, VRR 2011, 70 = VA 2011, 47= StRR 2011, 112) hat die in den letzten Jahren eingetretene wirtschaftliche Entwicklung nicht übersehen. Aber auch die gebot nach seiner Auffassung eine Anhebung des Grenzwertes für Sachwert und Schadenshöhe nicht. Bei der Wertgrenze handele es sich zwar um eine veränderliche Größe, die maßgeblich von der Entwicklung der Preise und Einkommen abhängig ist. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, komme eine Anhebung der Wertgrenze aber nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht. Eine derartige Veränderung hat der BGH (a.a.O.) verneint.

Damit bleibt also alles beim Alten. Ein drohender bedeutender Schaden i.S. der §§ 315c, 315 StGB liegt nicht erst bei 1.300 €, sondern schon bei 750 vor.

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3. Trunkenheits-/Drogenfahrten

a) Allgemeine Feststellungen bei §§ 315c, 316 StGB

Die Frage der ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen spielen bei Verurteilungen wegen eines Verstoßes gegen §§ 315c, 316 StGB eine erhebliche Rolle. Das gilt auch für den Angeklagten. Denn der im Fall einer Aufhebung der tatrichterlichen Entscheidung im Revisionsverfahren eintretende „Zeitgewinn“ kann entscheidende Auswirkungen auf die (weitere) Entziehung der Fahrerlaubnis haben. In dem Zusammenhang ist beispielhaft hinzuweisen auf die Rechtsprechung des OLG Köln (83 Ss 51/09, VRR 2009, 390 = StV 2010, 527; zuletzt Beschl. v. 21. 12.  2010, III- 1 RVs 220/10, VA 2011, 51 = DAR 2011, 151; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 20. 2. 2011 - III-3 RVs 104/10, StRR 2011, 198 = VRR 2011, 191 zu den Anforderungen an die Feststellungen zur inneren Tatseite), dass sich in letzter Zeit mehrfach zu den Anforderungen an die Feststellungen im amtsrichterlichen Urteil geäußert hat. Dann müssen – so das OLG - die tatrichterlichen Urteilsgründen Angaben zum Anlass und zur Dauer der Fahrt sowie zur Fahrstrecke machen, und mitteilen, unter welchen Umständen es zur Alkoholaufnahme gekommen ist. Der Tatrichter sei schon im Falle der Verurteilung wegen einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt verpflichtet, neben der Höhe der BAK und der Schuldform weitere Umstände festzustellen, die geeignet sind, den Schuldumfang näher zu bestimmen und einzugrenzen (BayObLG VRS 93, 108 = NZV 1997, 244 = NStZ 1997; OLG Karlsruhe VRS 79, 199, 200; OLG Köln StV 2001, 355). Dazu zählen insbesondere die Umstände der Alkoholaufnahme, wie z.B. Trinken in Fahrbereitschaft, sowie der Anlass und die Gegebenheiten der Fahrt (BayObLG VRS 97, 359, 360 = NZV 1999, 483). Für das Ausmaß der abstrakten Gefahr und den Schuldumfang kommt es weniger auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration - den Grad der Fahruntüchtigkeit - als auf die Fahrweise, die Art (Verkehrsverhältnisse) und Länge der zurückgelegten Strecke an (BayObLG VRS 93, 108 = NZV 1997, 244 = NStZ 1997; OLG Karlsruhe, a.a.O. und VRS 81, 19, 20; Fischer, a.a.O., § 316 Rn. 54). Wichtige Kriterien sind mithin Dauer und Länge der bereits zurückgelegten und noch beabsichtigten Fahrstrecke, Verkehrsbedeutung der befahrenen Straßen sowie der private oder beruflich bedingte Anlass der Fahrt. Bedeutsam kann ferner sein, ob der Angeklagte aus eigenem Antrieb handelte oder von Dritten verleitet wurde, ob ihm bewusste oder unbewusste Fahrlässigkeit anzulasten ist und ob er sich in ausgeglichener Gemütsverfassung oder einer Ausnahmesituation befand (BayObLG VRS 93, 108; OLG Köln StV 2001, 355). Auch polizeilich festgestellte Auffälligkeiten des Angeklagten am Kontrollort oder bei der Blutentnahme können von Bedeutung sein (BayObLG DAR 2004, 282). Diese Grundsätze gelten - so das OLG Köln - erst recht, wenn es infolge der trunkenheitsbedingten Fahruntüchtigkeit zu einem Verkehrsunfall gekommen sei (83 Ss 51/09, VRR 2009, 390 = StV 2010, 527).

Tipp/Hinweis:

Interessant für die Frage der Strafzumessung, wozu ja auch die Frage der Länge einer ggf. nach § 69a StGB festzusetzenden Sperrfrist gehört, ist der deutliche Hinweis des OLG, dass Feststellungen zu den von ihm erwähnten bzw. wenigstens zu einigen nach Lage des Einzelfalles besonders bedeutsamen Umständen im Allgemeinen zur näheren Bestimmung des Schuldgehalts der Tat als Grundlage für eine sachgerechte Rechtsfolgenbemessung erforderlich sind. In dem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass viele der Angabe, die das OLG Köln fordert, häufig nur über die Einlassung des Angeklagten ihren Weg ins Verfahren und in das Urteil finden. Der Angeklagte macht sich zum Beweismittel gegen sich selbst. Deshalb kann es sich vielfach empfehlen zu schweigen. Das AG muss sich dann mit der Frage auseinandersetzten, ob die entsprechenden Angaben durch Vernehmung von Zeugen, wie z.B. Polizeibeamte, beschafft werden können, oder ob das nur mit einem unverhältnismäßigem Aufwand zu erledigen wäre. Ist Letzteres der Fall, so muss der Tatrichter das im Urteil hinreichend klar stellen.

Und, was für die Strafzumessung von Bedeutung ist: In einem solchen Fall ist für die Strafzumessung ein entsprechend geringer Schuldumfang ohne wesentliche Besonderheiten zugrunde zu legen. Darauf hat das OLG Köln ausdrücklich hingewiesen (OLG Köln VRR 2009, 390; vgl. auch noch OLG Köln StV 2001, 355).

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b) Rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1 b, 316 StGB)

Die für die Erfüllung der Tatbestände der §§ 315c Abs. 1 Nr. 1b, 316 StGB erforderliche Fahrunsicherheit kann nicht nur durch Alkohol verursacht worden sein, sondern auch durch andere Rauschmittel/Drogen verursacht werden. Allerdings gibt es einen der alkoholischen Beeinträchtigung entsprechenden messbaren Grenzwert für eine Fahruntauglichkeit infolge Drogenkonsums nach derzeitigen medizinischen Erkenntnissen nicht. Das bedeutet, dass in diesen Fällen anhand von Indizien auf eine Beeinträchtigung des Täters geschlossen werden muss, die dem Tatbestand des § 316abs. 1 bzw. des § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB genügt. Insoweit reicht aber nicht jeder Umstand aus. Von (relativer) Fahruntauglichkeit nach Konsum von Betäubungsmitteln lässt sich vielmehr erst dann sprechen, wenn Umstände erkennbar sind, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Konsument in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist (vgl. BGHSt 31, 42, 44 ff.; 44, 219; DAR 2008, 390 = NZV 2008, 528 m. krit. Anm. König NZV 2008, 492 = StRR 2008, 319; BGH NStZ 2009, 290 = StV 2009, 360 = StRR 2009, 192 = VRR 2009, 180; OLG Köln NJW 1990, 2945, 2946; OLG Düsseldorf NZV 1999, 174, 175; OLG Zweibrücken VRS 105, 125 = BA 2003, 321; DAR 2004, 409, OLG Hamm VA 2007, 183 = StRR 2007, 355 = VRR 2007, 394; Beschl. v. 3. 4. 2003, 4 Ss 158/03; Beschl. v. 30. 3. 2010, III-3 RVs 7/10, VRR 2010, 234 = zfs 2010, 407 = DAR 2010, 396 = StRR 2010, 305 m. krit. Anm. Brüntrup und v. 29. 6. 2010 – III 3 RVs 45/10, StRR 2010, 394 = VRR 2010, 390; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28. 10. 2010 – Ss 104/10, VRR 2010, 470 = VA 2011, 10; AG Hermeskeil DAR 2008, 222; AG Bielefeld VA 2008, 141 für Amphetamin-Genuss; vgl. dazu auch Krumm NZV 2009, 215).

Tipp/Hinweis:

Die verkehrsspezifischen Untauglichkeitsindizien müssen also nicht lediglich eine allgemeine Drogenenthemmung erkennen lassen, sondern sich unmittelbar auf die Beeinträchtigung der Fahreignung beziehen (vgl. vor allem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28. 10. 2010 – Ss 104/10, VRR 2010, 470 = VA 2011, 10 = StRR 2011, 72 = DAR 2011, 95 m. abl. Anm. König).

Mit der Problematik haben sich in der letzten Zeit einige OLG beschäftigen müssen. Exemplarisch ist insoweit der Beschl. des OLG Saarbrücken v. 28. 10. 2010 (Ss 104/10, VRR 2010, 470 = VA 2011, 10 = StRR 2011, 72 = DAR 2011, 95 m. deutlich abl. Anm. König; vgl. auch noch OLG Hamm, Beschl. v. 29. 6. 2010 –3 RVs 45/10, StRR 2010, 394 = VRR 2010, 390), der einen kleinen Grundkurs zu den Beweisanzeichen und zur (möglichen) Gegenargumentation enthält. Das AG hatte den Angeklagten wegen einer fahrlässigen „Drogenfahrt“ infolge Genuss von Cannabis verurteilt. Das OLG Saarbrücken (a.a.O.)  hat auf die Revision hin das Urteil aufgehoben. In seiner Entscheidung setzt sich das OLG dann in der lesenswerten Entscheidung mit den vom AG angenommen Beweisanzeichen für die Fahrunsicherheit auseinander und führt z.B. aus: Die vom AG festgestellten wässrig glänzenden und ge­röteten Augen könnten zwar ebenso wie die von dem die Blutprobe entnehmenden Arzt festgestellte Verlangsamung der Pupillenreaktion bei Lichteinfall Anzeichen für den stattgefundenen Drogenkonsum sein. Daraus seien aber - ohne Feststellung einer konkreten Beeinträchtigung der Sehfähigkeit — keine hinreichenden Schlüsse auf die Fahrtüchtigkeit zu ziehen. Es hätte deshalb der Prüfung bedurft, wie sich die Sehbehinderung konkret bei dem Angeklagten auf seine Fahrtüchtigkeit ausgewirkt und wie sie sich für ihn bemerkbar gemacht habe (vgl. auch BGH VRR 2009, 188 = StRR 2009, 192 = VA 2009, 105). Auch für andere von dem einschreitenden Polizeibeamten beschriebenen psycho-physischen Leistungsmerkmale des Angeklagten (schläfriger Eindruck", „Konzentrationsstörungen", „verzögerte Reaktionen", „verwaschene Aussprache" und „schleppender Gang") gibt das OLG andere mögliche Gründe als Drogenkonsum vor.

Tipp/Hinweis:

Das OLG Saarbrücken (a.a.O.) hat sich auch noch mit einem Sachverständigengutachten, das vom AG eingeholt worden war, auseinandergesetzt. Dieser war aus naturwissen­schaftlicher Sicht von drogenbedingter Fahruntüchtigkeit ausgegangen. Das OLG (a.a.O.) weist darauf hin, dass das, was der Sachverständige zu den Beeinträchtigungen aufgrund des festgestellten Drogenkonsums des Angeklagten ausgeführt habe, sich in einer allgemeinen Beschreibung der Auswirkungen des Konsums von Cannabis erschöpfe. Daraus lasse sich - auch im Zusammenhang mit der mitgeteilten Blutwirkstoffkonzentration - ein verlässlicher Schluss auf die („relative") Fahruntüchtig­keit gerade nicht ziehen. Auch das ist ein Punkt, der von den Tatgerichten und auch den Sachverständigen häufig falsch gesehen wird.

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