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aus RVGreport 2006, 81

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport " auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Die Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistands im Strafverfahren

von RiOLG Detlef Burhoff, Münster

Vor kurzem hat das OLG Oldenburg entschieden, dass das Tätigwerden des Rechtsanwalts als nach § 68b StPO beigeordneter Vernehmungsbeistand als Einzeltätigkeit anzusehen ist, mit der Folge, dass die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG zu erfolgen hat (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 20. 12. 2005, 1 Ws 600/05, RVGreport 2006,    ). Mit dieser Ansicht hat das OLG Oldenburg der von mir (vgl. dazu RVGreport 2005, 458; so auch Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Vorbem. 4.3 Rn. 16) und im Übrigen auch vom KG (vgl. RVGreport 2005, 341; KG, Beschl. v. 4. 11. 2005, 4 Ws 61/05) und wohl auch von N.Schneider (N.Schneider AnwKomm, 2. Aufl., Vorbem. 4 Rn. 4) vertretenen Auffassung ausdrücklich eine Absage erteilt. Die dafür angeführten Gründe überzeugen m.E. aber nicht.

I. Begriff der Angelegenheit

Zutreffend ist allerdings der Ansatz des OLG Oldenburg, dass es für die Frage, ob die Tätigkeit als Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abgerechnet wird, auf den dem Rechtsanwalt erteilten Auftrag oder den Umfang der gerichtlichen Beiordnung ankommt (so auch OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB). Das OLG zieht daraus dann jedoch nicht die richtigen Schlüsse.

Das OLG hat nicht klar genug herausgearbeitet, was eigentlich die Angelegenheit im Sinne der § 15 ff. RVG ist, in der der Rechtsanwalt tätig wird. Ist das das Strafverfahren, in dem der Mandant nur als Zeuge vernommen werden soll, oder ist es (nur) die Beistandleistung bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung? M.E. ist es die konkrete Beistandleistung bei der Vernehmung, auf die bezieht sich der Auftrag bzw. die gerichtliche Beiordnung. Mehr Tätigkeit wird von dem Rechtsanwalt nicht erwartet. Geht man aber zutreffend davon aus, dann ist der Rechtsanwalt insoweit "voller Vertreter", auf den dann mit Sicherheit Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzuwenden ist. Die Anwendung von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG scheidet aufgrund der Subsidiaritätsklausel in Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV RVG aus (ähnlich OLG Schleswig, a.a.O.). Es ist eine besondere Eigenart der Tätigkeit des Zeugenbeistands, dass dieser nur eingeschränkt tätig wird. Diese auf die Beistandsleistung eingeschränkte Tätigkeit führt aber nicht dazu, dass es sich dabei um eine "Einzeltätigkeit" i.S. des Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG handelt.

II. Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses

M.E. stützt auch der Hinweis des OLG Oldenburg auf den Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses, wonach der Rechtsanwalt nur "für die "Dauer der Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung" beigeordnet war, die Auffassung des OLG nicht. Denn auch damit lässt sich die Annahme einer Einzeltätigkeit nicht begründen. Übersehen wird zunächst, dass nach allgemeiner Meinung der Rechtsanwalt grds. immer als voller Vertreter tätig wird und die Einzeltätigkeit eine Ausnahme darstellt (OLG Schleswig, a.a.O.; s. auch KG NStZ-RR 2005, 327 = JurBüro 2005, 536). Zudem würde es, wenn die Auffassung des OLG Oldenburg zutreffend wäre, überhaupt keine Abrechnung der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG geben, da der Rechtsanwalt - entsprechend dem Gesetzeswortlaut - immer nur "für die Dauer der Vernehmung des Zeugen ......" beigeordnet wird. Der Gesetzeswortlaut wird im Beiordnungsbeschluss auch lediglich wiederholt, ohne dass damit gebührenrechtliche Folgen beabsichtigt sind. Abgesehen davon, dass es sich bei diesem Beschlusstenor also nur um die Wiederholung des Gesetzeswortlautes handelt, wird m.E. in der Argumentation übersehen, dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand eben nicht auf die bloße Beistandsleistung beschränkt. Vielmehr umfasst die Beiordnung auch ein Vorgespräch mit dem Zeugen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 68b Rn. 5), ohne dass eine sachgerechte Beistandsleistung gar nicht denkbar wäre. Das bedeutet, dass auch schon von daher es sich bei der Tätigkeit eben nicht ausschließlich um die Beistandsleitung in Form einer Einzeltätigkeit handelt.

III. Widerspruch zur gesetzgeberischen Intention

Die Auffassung des OLG Oldenburg widerspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Dieser hat mit der Aufnahme des Zeugenbeistands in den Katalog der Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG den Zeugenbeistand dem Verteidiger gleichstellen wollen (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 145 f., 220). Durch die Formulierung in der Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG sollte - entgegen der Auffassung des OLG Oldenburg - nicht nur verdeutlicht werden, dass die Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts aus allen Gebührentatbestände des Teil 4 VV RVG zu entnehmen ist. das folgt m.E. schon daraus, dass der Gesetzgeber in der Begründung ausdrücklich darauf hinweist, dass die für den Teil 3 VV RVG "vorgesehene Regelung auch für das Strafverfahren übernommen wird". Nach Teil 3 Abs. 1 VV RVG entstehen für den Zeugenbeistand aber "die gleichen Gebühren wie für einen Verfahrensbevollmächtigten". Wendet man das - so wie es die Gesetzesbegründung vorsieht - entsprechend auf Teil 4 VV RVG an, dann kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Zeugenbeistand ebenso wie der Verteidiger zu honorieren ist. Das gilt insbesondere auch, weil es in Teil 3 VV RVG keine den sich aus Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG entsprechenden Einzeltätigkeiten gibt. Damit kann dort die Diskussion um die Einordnung der anwaltlichen Tätigkeit überhaupt nicht entstehen, was wiederum dafür spricht, dass der Gesetzgeber sie auch für den Teil 4 VV RVG nicht vorgesehen hatte.

Das OLG Oldenburg argumentiert für die Anwendung des Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG zudem damit, dass die Anwendung des Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG "häufig zu einem extremen Missverhältnis von Leistung und Vergütung sowie zu einer nicht gerechtfertigten Gleichstellung der Vergütung des Rechtsanwalts, der die volle Strafverteidigung führt, mit der eines Anwalts, der lediglich während einer Zeugenvernehmung beistandleistend tätig wird", führe. Man kann sich, wenn man das liest, des Eindrucks nicht erwehren, dass auch fiskalische Gründe für die Anwendung des Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG maßgebend gewesen sind. Es war aber gerade Ziel der gesetzlichen Neuregelung, das Einkommen der in Strafverfahren Tätigen deutlich zu verbessern (vgl. dazu u.a. BT-Dr. 15/1971, S. 219 f.). Dazu gehörte auch die Aufnahme bislang nicht honorierter Tätigkeiten wie die des Zeugenbeistandes (BT-Dr. 15/1971, S. 145), der in Folge der erheblichen Anhebung der anwaltlichen Vergütung für die Tätigkeit im Strafverfahren dann eben auch um ein Vielfaches besser als nach der BRAGO honoriert werden sollte. Unzutreffend ist m.E. auch, von einem "extremen Missverhältnis von Leistung und Vergütung" zu sprechen. Dabei wird nämlich nicht genügend berücksichtigt, dass die Tätigkeit des Zeugenbeistands möglicherweise im Hinblick auf die konkrete Vernehmung umfangreicher sein kann als die des Verteidigers, der während der Vernehmung des Zeugen dem Angeklagten Beistand leistet. Gerade das rechtfertigt auch die Gleichstellung von Zeugenbeistand und Verteidiger.

IV. Erhebliche finanzielle Auswirkungen

Die Lösung der Streitfrage hat für den als Zeugenbeistand Tätigen erhebliche finanzielle Auswirkungen, wie folgender Vergleich zeigt.

Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG:

 

1. Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG

132,00 €

2. Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG

124,00 €

3. Terminsgebühr Nr. 4114 VV RVG

216,00 €

4. Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Summe

492,00 €

zuzüglich USt. (Nr. 7008 VV RVG)

 
   

Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG:

 

1. Verfahrensgebühr nach VV Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG

168,00 €

2. Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Summe:

188,00 €

zuzüglich USt. (Nr. 7008 VV RVG)

 

Dieser doch deutliche Unterschied macht vielleicht verständlich, warum man sich teilweise mit der Anwendung des Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG so schwer tut. Andererseits sollte er den (beigeordneten) Zeugenbeistand aber auch veranlassen, die Anwendung des Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG nicht einfach hinzunehmen, sondern unter Berufung auf die o.a. entgegenstehenden Meinungen Rechtsmittel gegen eine für ihn nachteilige Entscheidung einlegen.


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