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Ich bedanke mich bei der Schriftleitung des "StraFo" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus dem "StraFo 2002, 213" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.


(Hinweis: (Zur besseren Lesbarkeit im Internet sind die Fußnoten des Originalbeitrags in Klammerzusätze umgewandelt worden; der darin enthaltene Text ist hier in roter Schrift gesetzt.)


Änderungen durch die BRAGO-Strukturreform im Bereich der anwaltlichen Vergütung in Strafsachen

RiOLG Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm

(Dem Beitrag liegt ein Referat zugrunde, das ich am 16.11. 2001 im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung der Strafverteidigervereinigung Sachsen/Sachsen-Anhalt e.V. in Dresden und am 25.1. 2002 im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung der Strafverteidigervereinigung Nordrhein-Westfalen e.V. in Bielefeld gehalten habe. Der Vortragsstil wurde beibehalten, der Inhalt an die weitere Entwicklung angepasst )


Inhaltsverzeichnis

I. Entwicklung
II. Leitlinien des Entwurfs zur ,,BRAGO-Strukturreform"
1. Allgemeines
2. Allgemeine Philosophie der Entwürfe
III. Änderungen im strafverfahrensrechtlichen Bereich
1. Allgemeines
a) Erhebliche Änderungen in der Gebührenstruktur
b) Gleiche Gebührentatbestände beim Wahl- und Pflichtverteidiger
2. Neue Gebührenstruktur
a) Erstinstanzliche Verfahren
aa) Ermittlungsverfahren
bb) Gerichtliches Verfahren
b) Rechtsmittelverfahren
3. Erfassung bislang nicht honorierter Tätigkeiten
a) Honorierung der Tätigkeit als Beistand
b) Gebühren in der Strafvollstreckung
4. Bessere Honorierung bislang nicht ausreichend honorierter Tätigkeiten
a) Wiederaufnahmeverfahren
b) Anrechnungsregelung
5. Änderungen im Bereich der Pauschvergütung
a) Pauschvergütung für den Pflichtverteidiger (§ 49 RVG)
aa) Allgemeines
bb) Anspruch auf Vorschuss
b) Pauschgebühr für den Wahlanwalt (§ 40 RVG)
IV. Bußgeldverfahren
1. Allgemeines
2. Dreiteilung der Gebühren
V. Beispiele
VI. Ausblick

Inhaltsverzeichnis

I. Entwicklung

BRAGO ade, denn bald kommt nun wirklich das RVG, oder die BRAGO-Strukturreform steht bevor. Etwa so lässt sich -- umgangssprachlich -- das Ergebnis der Tätigkeit einer Expertenkommission, die von Januar bis August 2001 im BMJ getagt hat, zusammenfassen. Diese Expertenkommission hat den Entwurf eines Gesetzes erarbeitet, nach dem sich alle, die mit Rechtsanwaltsgebühren zu tun haben, im Jahr 2003 von der guten alten BRAGO werden verabschieden müssen. Denn zum 1.7. 2003 soll das neue Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) die seit den fünfziger Jahren in ihrer Struktur nur wenig veränderte BRAGO ablösen. Das ist auch erklärtes Ziel der Bundesministerin der Justiz Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin und ihres Hauses. Dieses Ziel ist eingebettet in die große Kostenstrukturreform, die durch Änderungen u.a. auch im GKG und später in der KostenO zu einer Vereinfachung des allgemein als zu kompliziert angesehenen Kostenrechts führen soll.

Als wesentlichen Teil dieser Kostenstrukturreform hatte die Bundesministerin der Justiz im Dezember 2000 die Expertenkommission ,,BRAGO-Strukturreform" eingesetzt, in der Vertreter der Anwaltschaft, der Länder, der Richterschaft, darunter der Verfasser, und des Bundesministeriums der Justiz mitgewirkt haben. Grundlage ihrer Beratungen waren Vorschläge des Ausschusses Gebührenrecht/Gebührenstruktur des Deutschen Anwaltvereins, die im sog. DAV-Entwurf zu einer BRAGO-Strukturreform zusammengefasst waren (siehe dazu die Beilage zum AnwBl Mai/1998). Die Kommission hat am 29.8. 2001 den ,,Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte" vorgelegt, den die Ministerin am 19.10. 2001 der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Inzwischen ist auch im parlamentarischen Raum Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Am 17.4. 2002 hat die FDP-Fraktion ihren ,,Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte" (BT-Drucks.14/8818) eingebracht (Im Folgenden kurz: FDP-Entwurf) . Die Regierungsfraktionen haben am 14.5. 2002 nachgezogen und den ,,Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechtsanwaltsvergütungsrechts" (BT-Drucks. 14/9037) eingebracht (Im Folgenden kurz: Regierungsentwurf ). Diese Entwürfe sind auf "meiner Homepage www.burhoff.de unter der Rubrik ,,BRAGO-Strukturreform" eingestellt. Man findet sie auch auf der Homepage des BMJ unter der Adresse www.bmj.bund.de unter ,,Gesetzesvorhaben" oder auf der Homepage des DAV unter www.dav.de. Jeder Interessierte kann dort nachlesen, was sich bei den Anwaltsgebühren tun wird oder tun soll. Es besteht die Möglichkeit zum Download.

Sicherlich ist es noch zu früh, jetzt schon über alle Einzelheiten dieser Entwürfe zu berichten. Es ist aber dennoch gewiss nicht zu früh, jetzt in einem Überblick zumindest schon über die Leitlinien und die wesentlichen Neuregelungen zu berichten, um die Tendenzen, die im Hinblick auf die anwaltliche Vergütung bestehen, deutlich zu machen. Dabei liegt an dieser Stelle naturgemäß der Schwerpunkt auf den Auswirkungen des Entwurfs auf die Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit in Strafverfahren und auf den dort geplanten Änderungen und Neuerungen. Allerdings sollen die übrigen Änderungen zumindest auch kurz vorgestellt werden.

Grundlage dieses Berichts ist der Entwurf der Expertenkommission. Dieser ist nämlich Ausgangspunkt der beiden Fraktionsentwürfe gewesen. Im hier interessierenden strafverfahrensrechtlichen Bereich unterscheidet sich der FDP-Entwurf von dem der Expertenkommission allerdings nur hinsichtlich der Gebührenhöhe, da die FDP hier -- ebenso wie in allen anderen Bereichen -- (noch) wesentlich höhere Gebührensätze vorgeschlagen hat als die Expertenkommission. Dieser Entwurf kann daher m.E. hier vernachlässigt werden. Der Regierungsentwurf bringt in einigen Punkten Änderungen gegenüber dem Entwurf der Expertenkommission. Auf diese werde ich hinweisen. Er schlägt zum Teil auch andere -- teils höhere, teils niedrigere -- Gebührensätze als der Entwurf der Expertenkommission vor.

Inhaltsverzeichnis

II. Leitlinien des Entwurfs zur ,,BRAGO-Strukturreform"

1. Allgemeines

Bei der Tätigkeit der Experten-Kommission haben zwei Überlegungen im Vordergrund gestanden: Zunächst war von Bedeutung, dass die Struktur der seit fast fünfzig Jahren nur wenig veränderten BRAGO auf der Prämisse beruht, dass Anwälte in erster Linie als Prozessvertreter tätig sind. Die Regelungen über die Gebühren für gerichtliche Tätigkeiten stehen daher derzeit in der BRAGO im Mittelpunkt. Das Bild des Anwalts hat sich in den vergangenen Jahren jedoch erheblich gewandelt. Heute werden mehr als 70% aller Fälle, die an Anwälte herangetragen werden, von diesen außergerichtlich erledigt. Der so genannten vorsorgenden Rechtspflege kommt immer mehr Bedeutung zu. Im Strafverfahren zeigt sich das deutlich daran, dass immer mehr Verteidiger möglichst frühzeitig im Ermittlungsverfahren tätig und dort auch von Ermittlungsbehörden eingebunden werden. Dieser -- außergerichtliche -- Tätigkeitsbereich, der außerhalb des Strafverfahrens bisher von § 118 BRAGO abgedeckt wird, bildet häufig den Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit. Dieses gewandelte Anwaltsbild soll nach den Vorstellungen der Kommission im RVG, die von den Regierungsfraktionen übernommen worden sind (Vgl. S.56f. BT-Drucks.14/9037 ), seinen Niederschlag finden.

Zum anderen war Grundlage der Überlegungen, dass die letzte Anpassung/Erhöhung der Anwaltsgebühren mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 zum 1.7. 1994 erfolgt ist. Seit dieser Zeit sind die Kosten der Anwaltsbüros aber in nicht unerheblichem Maß gestiegen und haben sich die Einkommen in anderen Bereichen deutlich stärker fortentwickelt als die Einkommen der Rechtsanwälte. Es war daher Absicht der Kommission, mit den von ihr vorgeschlagenen strukturellen Änderungen auch die anwaltlichen Einkommen entsprechend der Einkommensentwicklung vergleichbarer Berufe zu erhöhen. Strukturelle Änderungen bieten zudem -- anders als die in der Vergangenheit üblichen linearen Erhöhungen -- die Möglichkeit, Gebühren und Entschädigungen besser und entsprechend der Entwicklung der Verfahrensordnungen praxisnäher zu gestalten. Das zeigt sich insbesondere im strafverfahrensrechtlichen Bereich des Entwurfs. Gerade hier sind nämlich von der Kommission deutliche Einkommensverbesserungen in Form von Gebühren- bzw. Vergütungserhöhungen für Verteidiger und Pflichtverteidiger vorgeschlagen worden, die die Entwürfe der Fraktionen übernommen haben (siehe die Beispiele unter V ).

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2. Allgemeine Philosophie der Entwürfe

Bevor die Auswirkungen der geplanten Neuregelungen auf die strafverfahrensrechtlichen Gebührenregelungen vorgestellt werden, lohnt sich m.E. ein kurzer Blick auf die darüber hinaus gehenden Änderungen, zumal Rechtsanwälte ja nicht nur als Verteidiger, sondern häufig auch in anderen Bereichen tätig sind. Genügen muss hier aber eine schlagwortartige Darstellung.

Wo liegen nun die (großen) Leitlinien und Ziele, die mit dem Experten-Entwurf erreicht werden sollen? Diese lassen sich im Wesentlichen unter sieben Einzelpunkten zusammenfassen. Dies sind:

1. Vereinfachung, Transparenz und Angleichung des RVG an den Aufbau der übrigen Kostengesetze

Das RVG soll schon durch seinen äußeren Aufbau transparenter und damit, insbesondere auch für den rechtsuchenden Bürger, anwenderfreundlicher gestaltet werden. Dies soll insbesondere dadurch erreicht werden, dass sämtliche Gebührentatbestände nicht mehr in dem Gesetz selbst, verteilt auf verschiedene Paragrafen, sondern in einer Anlage, dem Vergütungsverzeichnis (VV), abschließend geregelt werden. Dabei soll auf Verweisungen zwischen den Gebührentatbeständen, soweit dies möglich und sinnvoll ist, verzichtet werden, auch wenn hierdurch der Gesamttext länger wird. Diese Regelungstechnik entspricht u.a. der Regelung im GKG.

Eine Vereinfachung gegenüber dem geltenden Recht streben die Entwürfe auch durch Änderungen der Gebührenstruktur an. Insoweit soll in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten und in ähnlichen Verfahren die Beweisgebühr wegfallen. Vorgesehen sind lediglich noch zwei Gebührentypen: eine Verfahrensgebühr, die im Regelfall einen Gebührensatz von 1,5 erhalten soll, und eine Terminsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,0. Damit verdient der Rechtsanwalt in einem Verfahren, das bis zur mündlichen Verhandlung fortgeführt wird, künftig anstelle von bisher bis zu drei Gebühren 2,5 Gebühren, die jedoch regelmäßig anfallen, während nach geltendem Recht die Beweisgebühr nur anfällt, wenn Beweis erhoben wurde.

Mit der Zusammenfassung aller Vorschriften, die die Abgrenzung der Angelegenheiten regeln, soll die Rechtsanwendung erleichtert werden. Die entsprechenden Vorschriften waren bisher über zahlreiche Vorschriften der BRAGO verteilt.

2. Erfassung bisher nicht geregelter anwaltlicher Tätigkeiten

Der Kommissionsentwurf und auch die Fraktionsentwürfe erfassen bisher nicht geregelte anwaltliche Tätigkeiten, und zwar:

In § 32 RVG (Die Benennung der Paragrafen und Ziffern des Vergütungsverzeichnisses erfolgt entsprechend der Benennung im Entwurf der Regierungsfraktionen (BT-Drucks.14/9037 ) findet demnächst erstmals die Tätigkeit als Mediator ausdrückliche Erwähnung im anwaltlichen Vergütungsrecht. Danach soll die Mediation so behandelt werden wie die Beratung.

Das geltende Recht enthält derzeit keine ausdrückliche Regelung über die Gebühren für die Hilfeleistungen in Steuersachen. § 33 des Entwurfs sieht vor, für diese Tätigkeiten auf die entsprechenden Vorschriften der Steuerberatergebührenverordnung, nämlich die §§ 23 bis 39, zu verweisen.

Der Entwurf regelt erstmalig ausdrücklich die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen. Für diese Tätigkeit soll der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie ein Verfahrensbevollmächtigter in dem entsprechenden Verfahren erhalten.

3. Leistungsorientiertere Vergütungsregelungen

Unter dieses Stichwort fallen in erster Linie Verbesserungen der anwaltlichen Vergütung durch strukturelle Änderungen. Im Einzelnen:

Erhebliche Veränderungen der Gebührenstruktur gegenüber dem geltenden Recht sind gerade im Bereich des Strafverfahrens vorgesehen. Dabei stehen die Verbesserung der Honorierung im Ermittlungsverfahren und die Verbesserung der Honorierung des Pflichtverteidigers im Vordergrund. Eine deutliche Verbesserung wird auch im Bereich des Wiederaufnahmeverfahrens angestrebt (siehe. dazu unten unter III. 4a ).

In Einzelfällen werden aber auch Gebührenreduzierungen vorgeschlagen. Künftig sollen z.B. die Bußgeldsachen von den Strafsachen abgekoppelt werden, wenngleich die Regelungen eine vergleichbare Struktur erhalten sollen (siehe dazu unten IV ). Auch die Erstberatungsgebühr ist gesenkt worden. Sie soll in Zukunft nur noch -- unabhängig davon, wie die Beratung überhaupt honoriert wird -- höchstens 200 € betragen.

4. Entschlackung der BRAGO

Die neuen Vorschriften werden für alle gerichtlichen Verfahren aller Gerichtsbarkeiten mit Ausnahme der Strafsachen, der Bußgeldsachen und einiger besonderer Verfahren, für die eigene Gebührentatbestände vorgesehen sind, gelten. Grundsätzlich sollen dabei immer nur zwei Gebührentypen in Betracht kommen: die Verfahrensgebühr bzw. Geschäftsgebühr und die Terminsgebühr. Der unterschiedlichen Gewichtung der verschiedenen Verfahren und dem unterschiedlichen Aufwand, der in den verschiedenen Verfahren vom Anwalt zu erbringen ist, wird dadurch Rechnung getragen werden, dass diese Gebührentypen für die Verfahren in unterschiedlicher Höhe entstehen.

5. Förderung der außergerichtlichen Erledigung

Von besonderer Bedeutung war für die Kommission die Förderung der außergerichtlichen Erledigung. Das hat sie dadurch unterstrichen, dass die (neue) Einigungsgebühr als erste Nummer1000 in das VV eingestellt worden ist, was der Regierungsentwurf übernommen hat. Diese Gebühr wird die derzeit geltende Vergleichsgebühr ersetzen und diese gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr (§ 23 BRAGO) nämlich durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzt, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits honorieren. Einzige Ausnahme soll sein, dass in dem Vertrag ein Anspruch vollständig anerkannt oder auf einen Anspruch vollständig verzichtet wird. Die Bedeutung der außergerichtlichen Erledigung wird zudem durch die ausdrückliche Erwähnung der Tätigkeit des Mediators in § 32 des RVG-Entwurfs herausgestellt.

6. Gebühren in Familiensachen

Die mit dem Entwurf des RVG vorgeschlagene neue Gebührenstruktur (Verfahrensgebühr von 1,5 und Terminsgebühr von 1,0) führt in diesem Bereich zu einer Gebührenreduzierung, die allerdings durch Erhöhungen im Bereich der isolierten Verfahren kompensiert wird.

7. Anpassung der Gebührenhöhe an die wirtschaftliche Entwicklung

Die o.a. vorgeschlagenen strukturellen Änderungen sowie zahlreiche weitere Einzeländerungen sollen zu einer Verbesserung der Einnahmen des Anwalts führen. Das genaue Ausmaß der Mehreinnahmen hatte die Kommission offen lassen müssen; es war zudem auch nicht ihre Aufgabe, über das genaue Maß der Anhebung der Anwaltsgebühren zu entscheiden. Nach dem Regierungsentwurf werden die Änderungen zu einer Verbesserung der Einkommen der Anwaltschaft um 12% führen, wobei die aufgrund der Preisentwicklung über höhere Streitwerte gestiegenen Gebühreneinnahmen mit 14% seit 1994 berücksichtigt sind (S. S. 63 BT-Drucks.14/9037 ). Der Schwerpunkt der Einnahmeverbesserung soll im Bereich des Strafverfahrens liegen. Der Regierungsentwurf geht hier von Einnahmeverbesserungen in Höhe von 30% aus (S. S.112 BT-Drucks.14/9037 ).

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III. Änderungen im strafverfahrensrechtlichen Bereich

Welche konkreten Auswirkungen haben nun der Expertenentwurf und/oder der Regierungsentwurf auf die Honorierung der Tätigkeiten des Strafverteidigers? Allgemein wird man diese Frage m.E. damit beantworten können, dass gerade in diesem Bereich sich das Anliegen der Kommission, zu leistungsorientierteren Vergütungsregelungen zu gelangen, für die Verteidiger, insbesondere für Pflichtverteidiger, günstig auswirkt. Das beweisen m.E. anschaulich die Beispiele unter V . Im Einzelnen:

1. Allgemeines

a) Erhebliche Änderungen in der Gebührenstruktur

Der Entwurf sieht gerade im Bereich des Strafverfahrens erhebliche Veränderungen der Gebührenstruktur gegenüber dem geltenden Recht vor. Dabei stehen die Verbesserung der anwaltlichen Honorierung im Ermittlungsverfahren und eine verbesserte Honorierung des Pflichtverteidigers im Vordergrund. Dem liegt eine andere Sicht vom Strafverfahren zugrunde. Insbesondere Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Ermittlungsverfahren sind im bisherigen System der BRAGO nämlich nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt. Das entspricht einer überkommenen Sicht vom Strafverfahren, die das Hauptgewicht auf die Verteidigung in der Hauptverhandlung legte. Das moderne Verständnis von Verteidigung im Strafverfahren geht jedoch davon aus, dass durch das Ermittlungsverfahren bereits das zukünftige Hauptverfahren entscheidend mitbestimmt wird. Damit hat das Ermittlungsverfahren erheblich an Bedeutung für das Schicksal des Beschuldigten gewonnen. Der Entwurf berücksichtigt daher die der Hauptverhandlung vorausgehenden Verfahrensabschnitte grundsätzlich entsprechend ihrem Umfang und ihrer Bedeutung für das Strafverfahren stärker. Die Neuregelungen sehen deshalb ein strukturell wesentlich geändertes Gebührensystem vor, das besser als bisher die BRAGO an die einzelnen Verfahrensabschnitte angepasst ist und vor allem die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Ermittlungsverfahren stärker berücksichtigt. Daneben sollen weitere Tätigkeiten des Verteidigers, die derzeit nicht oder nur unzureichend honoriert werden, in Zukunft gebührenrechtlich angemessen Berücksichtigung finden.

Damit will der Entwurf (natürlich) auch die geplante Reform des Strafprozesses, die unter anderem eine stärkere Einbindung der Verteidigung in einem möglichst frühen Verfahrensstadium zum Ziel hat, weil bereits im Ermittlungsverfahren Weichenstellungen für den weiteren Verfahrensgang erfolgen (Vgl. Eckpunkte der Regierungskoalition in StV 2001, 314 ) unterstützen. Die vom Entwurf vorgeschlagene Gebührenstruktur ist daher so gestaltet worden, dass es dem Anwalt auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens möglich sein soll(te), einem Strafverfahren durch entsprechendes Engagement zu einem zügigen Abschluss zu verhelfen. Das geltende Recht sieht für diesen Verfahrensbereich lediglich eine Rahmengebühr vor, die nach der Zuständigkeit des Gerichts gestaffelt ist. Künftig soll der Rechtsanwalt bereits im Ermittlungsverfahren bis zu drei verschiedene Gebühren erhalten können.

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b) Gleiche Gebührentatbestände beim Wahl- und Pflichtverteidiger

Die Neuregelung unterscheidet hinsichtlich des Gebührentatbestandes auch nicht mehr zwischen den Gebühren des Wahlverteidigers (bisher §§ 83 ff. BRAGO) und denen des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts (bisher in §§ 97 ff. BRAGO). Die Neuregelung sieht die Gebührentatbestände vielmehr in gleicher Weise für den Wahlverteidiger wie für den gerichtlich bestellten Verteidiger vor. Diese sind aber nach wie vor der Höhe nach unterschiedlich.

Die Gebühren des Wahlanwalts sind weiterhin als Rahmengebühren vorgesehen (siehe die Nr. 4100 ff. des VV). Die Gebührenrahmen sind der geänderten Struktur des RVG angepasst. Die Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts sind -- wie bisher in § 97 BRAGO -- als Festgebühren vorgesehen. Sie basieren auf den Wahlanwaltsgebühren. Anders als bisher in § 97 BRAGO ist aber nicht mehr das Vierfache bzw. Fünffache der Mindestgebühren zugrunde gelegt. Vielmehr ist Grundlage der vorgeschlagenen Gebühren die Mittelgebühr eines Wahlanwalts. Davon soll der gerichtlich bestellte Rechtsanwalt in Zukunft 80% erhalten. Die in § 97 Abs. 1 S.1 BRAGO enthaltene Begrenzung der Pflichtverteidigergebühren auf die Hälfte der Höchstgebühr des Wahlanwalts wurde damit entbehrlich. Die Anbindung der gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers an die Mittelgebühr eines Wahlanwalts, die zu einer höheren gesetzlichen Vergütung des Pflichtverteidigers führt, entspricht nach Ansicht der Kommission der Forderung nach einer sachgerechten Verteidigung des Beschuldigten und dem Umstand, dass dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des BVerfG durch die Übernahme einer Pflichtverteidigung kein ungerechtfertigtes Sonderopfer auferlegt werden darf (BVerfGE 68, 237 ). Sie verdeutlicht zudem, dass Pflichtverteidigung eben nicht Verteidigung zweiter Klasse ist bzw. sein darf/soll.

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2. Neue Gebührenstruktur

a) Erstinstanzliche Verfahren

aa) Ermittlungsverfahren

Neu ist die Einführung einer Grundgebühr (Nr. 4100 VV), die in Höhe von 30 bis 300 (Angegeben sind jeweils die für Wahlverteidiger vorgesehenen Gebührensätze ).für die Information anfällt. Diese steht dem Verteidiger auch dann zu, wenn er nicht schon im Ermittlungsverfahren, sondern erst in einem späteren Verfahrensabschnitt erstmalig tätig geworden ist. Er erhält sie einmal für die (erstmalige) Einarbeitung in die Sache.

Daneben soll der Rechtsanwalt für das Ermittlungsverfahren eine Verfahrensgebühr in Höhe von 30 bis 250 € erhalten (Nr. 4105 VV). Diese soll ihm für das Betreiben des Geschäfts, also z.B. für die Vorbereitung der Hauptverhandlung, zustehen. Durch diese Gebühr werden alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Eine vergleichbare Gebühr enthält die BRAGO bisher nicht. Die entsprechenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts werden bislang durch die Gebühr nach § 83 BRAGO, die sog. Hauptverhandlungsgebühr, mit erfasst. Die Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr ermöglicht es nach Ansicht der Kommission ebenso wie die Einführung einer Grundgebühr, den Umfang der verschiedenen Tätigkeiten des Rechtsanwalts besser als derzeit aufwandsbezogen zu berücksichtigen.

Neu gegenüber dem geltenden Recht ist auch, dass in gleicher Höhe wie die Verfahrensgebühr -- ggf. schon im "Ermittlungsverfahren -- eine so genannte Terminsgebühr vorgesehen ist (Nr. 4102, 4103 VV). Diese (neue) Terminsgebühr in Höhe von 30 bis 200 € soll der Rechtsanwalt für jeden Tag erhalten, an dem ein polizeilicher, staatsanwaltschaftlicher oder richterlicher Vernehmungstermin stattfindet, ferner für Verhandlungen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs sowie für einen Sühnetermin nach § 380 StPO (Nr. 4103 VV). Auch für die Teilnahme an Terminen, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird, erhält er in Zukunft eine Terminsgebühr (Nr. 4102 VV), allerdings im vorbereitenden Verfahren und in jeder Instanz für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen nur einmal. Diese Terminsgebühr beträgt 30 bis 312,50 €. An dieser Stelle weicht der Regierungsentwurf vom Kommissionsentwurf ab. Dieser hatte eine Begrenzung der Terminsgebühr für die Hafttermine nicht vorgesehen (vgl. die Nr. 4102 des Kommissionsentwurfs). Trotz dieser Änderung kann im Ermittlungsverfahren der Rechtsanwalt damit aber künftig bis zum Abschluss des vorbereitenden Verfahrens (Eingang der Anklageschrift bei Gericht) bereits bis zu drei verschiedene Gebühren -- Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr -- erhalten. Alle Gebühren werden auch mit Zuschlag gewährt, wenn sich der Mandant in Untersuchungshaft befindet (vgl. z.B. Nr. 4101 VV; zum Zuschlag näher unten bb ).

Diese Terminsgebühren entstehen im Übrigen nicht nur im Ermittlungsverfahren, sondern in allen Fällen, in denen -- auch später -- die genannten Termine stattfinden. Jede der vorgeschlagenen Gebühren soll als Festgebühr schließlich im Übrigen auch für die Pflichtverteidiger anfallen, so dass deren wirtschaftliche Situation ebenfalls erheblich verbessert wird.

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bb) Gerichtliches Verfahren

Auch im gerichtlichen Verfahren erhält der Rechtsanwalt zunächst eine Verfahrensgebühr (s. Nr. 4107, 4113, 4119 VV). Deren Rahmen ist gegenüber der derzeitigen Regelung in § 83 BRAGO jedoch gesenkt worden. Das ist Folge der von der Neuregelung vorgenommenen Aufteilung der Hauptverhandlungsgebühr des § 83 BRAGO in die Verfahrens- und Terminsgebühr.

Diese Aufteilung wird aber nicht zu Mindereinnahmen des Verteidigers führen, da er neben der Verfahrensgebühr für seine Tätigkeit in der Hauptverhandlung auch die jeweilige Terminsgebühr erhält. Sie soll wie nach geltendem Recht für jeden Tag der Hauptverhandlung entstehen. Daneben erhält der Rechtsanwalt -- anders als bisher -- auch noch während des gerichtlichen Verfahrens seine Teilnahme an (zusätzlichen) Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung und an Haftterminen -- ebenso wie im Ermittlungsverfahren -- vergütet (Nr. 4102, 4103 VV). Die Terminsgebühr erhält der Verteidiger in Zukunft auch, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber nicht stattfindet, z.B. weil die Richterbank wegen eines fehlenden Schöffen nicht ordnungsgemäß besetzt ist. Auf ein ,,Verhandeln" kommt es nicht mehr an (Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 2).

Beibehalten hat der Entwurf die Abhängigkeit der Höhe der Gebühr im gerichtlichen Verfahren von der Ordnung des Gerichts, bei dem der Rechtsanwalt tätig wird. Damit wird wie schon bislang die Schwierigkeit und Bedeutung des jeweiligen Verfahrens bei der Bemessung der anwaltlichen Gebühren angemessen berücksichtigt werden können. Der Entwurf hat allerdings die Verfahren vor der Staatsschutzkammer und der großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer (§§ 74a und 74c GVG) in den Katalog der Verfahren aufgenommen, für die der höchste Gebührenrahmen gelten soll. Damit werden sie, was wohl schon lange überfällig war, den Schwurgerichtsverfahren gleichgestellt werden (vgl. Nr. 4119).

Beibehalten hat der Entwurf auch die Gewährung eines 25%igen Zuschlags auf die Gebühren, wenn sich der Mandant in Untersuchungshaft befindet (Vorbemerkung 4 Abs. 4). Dieser ist jedoch -- anders als derzeit in § 83 Abs. 3 BRAGO vorgesehen -- in Zukunft immer zu gewähren, wenn sich der Mandant in Untersuchungshaft befindet, und nicht nur, wenn der Gebührenrahmen nicht ausreicht. Entfallen ist allerdings der Zuschlag für den Fall, dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis erstreckt (bisher § 88 S. 3 BRAGO). Für den Verteidiger günstig ist das Aufgeben der Unterscheidung zwischen dem ersten und den folgenden Hauptverhandlungstagen. Der Verteidiger erhält in Zukunft nämlich die Terminsgebühr (ggf. mit (Haft-) Zuschlag) nicht mehr nur für den ersten Hauptverhandlungstag, sondern auch für alle folgenden.

Neu ist auch der von der Kommission bei der Terminsgebühr vorgeschlagene und vom Regierungsentwurf übernommene Verlängerungszuschlag für die gesetzliche Gebühr des Pflichtverteidigers. Dauert die Hauptverhandlung mehr als 5 Stunden, wird ein Zuschlag von z.B. beim AG 92 € gewährt (vgl. Nr. 4111 VV). Dauert die Hauptverhandlung sogar mehr als 8 Stunden, beläuft sich der Zuschlag auf das Doppelte, also z.B. beim LG auf 184 € (Nr. 4112 VV). Bei den Gerichten höherer Ordnung werden höhere Zuschläge gezahlt. Dieser Zuschlag soll allerdings nur dem Pflichtverteidiger zustehen. Von einer Ausdehnung der Regelung auf den Wahlverteidiger sehen die Entwürfe ab. Diesem steht eine Rahmengebühr zu. Er kann also innerhalb des vorgesehenen Rahmens die angemessene Gebühr bestimmen und muss, wenn der Rahmen nicht ausreichen sollte, eine Honorarvereinbarung mit seinem Mandanten treffen.

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b) Rechtsmittelverfahren

Die erwähnten Gebühren entstehen auch in den Rechtsmittelverfahren (vgl. die Nr. 4125 ff. und 4141 ff. VV). Die dort entstehenden Gebühren sind nämlich strukturell ebenso gegliedert wie die für das erstinstanzliche Verfahren. Der Verteidiger erhält also für das Betreiben des Geschäfts die Verfahrensgebühr und für jeden Hauptverhandlungstag eine Terminsgebühr. Diese steht ihm ggf. mit (Haft-)Zuschlag zu. Entfallen ist für das Revisionsverfahren die Unterscheidung zwischen Revisionen in Verfahren vor dem BGH und vor dem OLG. Die Gebührenhöhe ist jetzt vielmehr gleich.
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3. Erfassung bislang nicht honorierter Tätigkeiten

a) Honorierung der Tätigkeit als Beistand

Neu ist, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. Damit wird die für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten und für Streitigkeiten vor Gerichten der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit im Entwurf vorgesehene Regelung für das Strafverfahren übernommen (vgl. Vorbemerkung 4 Abs. 1). Damit werden erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden (Zum derzeitigen Stand der Rechtsprechung Burhoff StraFo 2001, 119 m.w.N. ). Die vorgesehene Gleichstellung mit dem Verteidiger erscheint sachgerecht, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum bieten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts als Wahlbeistand Rechnung zu tragen. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält die Gebühren des Pflichtverteidigers.

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b) Gebühren in der Strafvollstreckung

Alle Entwürfe schlagen vor, die Gebühren des Rechtsanwalts als Verteidiger in der Strafvollstreckung zu regeln. Eine solche Regelung ist neu. Nach geltendem Recht wird die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Strafvollstreckungsverfahren durch eine Gebühr nach § 91 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BRAGO honoriert. Dies hat in der Praxis zu allgemein beklagten unangemessenen Gebühren geführt, insbesondere wenn es im Zusammenhang mit der Entlassung des Verurteilten zu mündlichen Anhörungen gekommen ist, an denen der Verteidiger teilgenommen hat. Dies hat sich in "besonderem Maße bei dem gerichtlich bestellten Rechtsanwalt ausgewirkt. Der manchmal hohe Zeitaufwand des beigeordneten Rechtsanwalts, der anders als der Wahlanwalt nicht die Möglichkeit hat, eine Honorarvereinbarung zu treffen, konnte nur durch die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO honoriert werden. Dazu musste wegen einer fehlenden besonderen Gebührenregelung auf § 91 BRAGO zurückgegriffen werden (Vgl. z.B. OLG Hamm StV 1996, 618 = JurBüro 1996, 641; s. auch OLG Celle StV 2002, 89 mit Anm. der StV-Redaktion ). Um in Zukunft (auch) in Strafvollstreckungssachen eine angemessene Verteidigung bzw. Vertretung der Verurteilten sicherzustellen, sieht der Regierungsentwurf nun in den Nummern 4200 ff. VV besondere ,,Gebühren in der Strafvollstreckung" vor. Diese sollen entstehen in einem Verfahren über die Erledigung oder Aussetzung der Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 463 Abs. 3 StPO) oder in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 463 Abs. 3 StPO), in den Verfahren über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 57a StGB). Darüber hinaus sollen die Gebühren auch in dem im Abschnitt ,,Strafvollstreckung" der StPO geregelten Verfahren auf Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung oder auf Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten Maßregel der Besserung und Sicherung gelten.

Die vorgeschlagenen Gebührentatbestände entsprechen der neuen Struktur der strafverfahrensrechtlichen Gebühren, da ebenso wie für die anderen gerichtlichen Verfahren eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr vorgeschlagen wird (vgl. Nr. 4200 bzw. 4202 VV). Eine Grundgebühr ist allerdings nicht vorgesehen.

Die Gebührentatbestände sollen auch für den gerichtlich bestellten Rechtsanwalt/Pflichtverteidiger gelten. Befindet sich der Mandant in Haft, erhält der Verteidiger einen (Haft-)Zuschlag auf die Gebühr. Die Verfahrensgebühr soll nach Nr. 4200 ff. für den Wahlverteidiger 50 bis 560 € und für den Pflichtverteidiger 244 € betragen.

Bemerkenswert ist, dass in diesen Verfahren der Rechtsanwalt im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache die Gebühren besonders erhalten soll (Vorbemerkung 4.2). Die insoweit erbrachten Tätigkeiten sind also nicht wie sonst das strafrechtliche Beschwerdeverfahren durch den Pauschgebührencharakter der Gebühren im Ausgangsverfahren mit abgegolten. Diese Regelung wird nicht nur der Bedeutung der aufgeführten Verfahren für den Mandanten und der Tragweite der zu treffenden Entscheidungen gerecht. Sie berücksichtigt zudem auch, dass häufig in der Beschwerdeinstanz vom Verteidiger erheblicher Zeitaufwand erbracht werden muss.

Ist der Rechtsanwalt nicht Verteidiger, erhält er seine Tätigkeit in der Strafvollstreckung demnächst auch vergütet. Die Verfahren nach den §§ 57a und 67e StGB sowie sonstige Tätigkeiten in der Strafvollstreckung sind im Entwurf jetzt ausdrücklich als ,,Einzeltätigkeiten" erwähnt (vgl. Nr. 4300 Ziffer3 VV). Damit ist der derzeit in Rechtsprechung und Literatur zu § 91 BRAGO bestehende Streit (Vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 274 m.w.N. aus der Rechtsprechung ), nach welcher Vorschrift die entsprechenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts, der nicht Verteidiger ist, vergütet werden, (endlich) erledigt.

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4. Bessere Honorierung bislang nicht ausreichend honorierter Tätigkeiten

a) Wiederaufnahmeverfahren

Einen wesentlichen Schwachpunkt bildete im bisherigen Gebührenrecht die Regelung der Gebühren für das Wiederaufnahmeverfahren. Nach § 90 BRAGO erhält der Rechtsanwalt für das gesamte Wiederaufnahmeverfahren nämlich nur eine Gebühr in Höhe der Gebühr für den ersten Hauptverhandlungstag im ersten Rechtszug. Das ist ebenfalls allgemein als völlig unzureichend angesehen worden und hat dazu geführt, dass Rechtsanwälte (wirtschaftlich) kaum in der Lage waren, Wiederaufnahmeverfahren zu führen. In diesem Bereich sieht der Entwurf nun eine deutliche Verbesserung durch gesonderte Gebühren für die jeweiligen Abschnitte des Wiederaufnahmeverfahrens vor.

Vorgesehen ist zunächst eine Geschäftsgebühr für die Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags (Nr. 4137 VV). Sie soll das Betreiben des Geschäfts im Wiederaufnahmeverfahren und die für die Stellung des Antrags erforderlichen Tätigkeiten abdecken. Diese Gebühr soll der Rechtsanwalt auch erhalten, wenn er von der Stellung eines Wiederaufnahmeantrags abrät. Dies entspricht der Regelung in § 90 Abs. 1 S.2 BRAGO.

Im Verfahren über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags erhält der Rechtsanwalt sodann eine Verfahrensgebühr (Nr. 4138 VV). Diese deckt die Fertigung und Stellung des Wiederaufnahmeantrags bis zur gerichtlichen Entscheidung nach § 368 Abs. 1 StPO ab. Für das sich anschließende weitere Verfahren bis zur Entscheidung über die Begründetheit des Antrags nach § 370 StPO ist eine (weitere) Verfahrensgebühr vorgesehen (Nr. 4139 VV). Schließlich ist für das im Wiederaufnahmeverfahren ggf. stattfindende Beschwerdeverfahren noch eine eigene Gebühr vorgesehen (Nr. 4140 VV). Fallen im Wiederaufnahmeverfahren gerichtliche Termine an, entsteht dafür die Terminsgebühr (Nr. 4141 VV).

Die Höhe der Gebühren richtet sich nach der Höhe der Verfahrensgebühr der ersten Instanz. Dies entspricht der Regelung in § 90 Abs. 2 BRAGO, wonach sich der Gebührenrahmen nach der Ordnung des Gerichts, das im ersten Rechtszug entschieden hat, richtet. Die Gebühr wird bei Inhaftierung des Mandanten zuzüglich des (Haft-)Zuschlags gewährt. Außerdem wird ggf. eine Zusatzgebühr wegen langer Dauer des Termins gewährt. Das folgt aus der Verweisung wegen der Höhe der Gebühr auf die Verfahrens- bzw. Terminsgebühr für die erste Instanz.

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b) Anrechnungsregelung

Die bisherige Anrechnungsregelung in § 101 BRAGO sah die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen ,,auf die von der Staatskasse zu zahlenden Gebühren" vor. Diese Regelung ist allgemein als zu weit angesehen worden (Vgl. u.a. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15.Aufl., § 101 BRAGO Rn.3 ). Bei der Bemessung dieser Pauschvergütung gab es dann häufig Probleme mit der Annäherung an die Wahlverteidigerhöchstgebühr oder deren Überschreiten, weil sie z.B. die Anrechnung von (nicht verbrauchten) Zahlungen, die für bestimmte Verfahrensabschnitte geleistet wurden, auf andere Verfahrensabschnitte zuließ. § 56 Abs. 3 RVG macht dieser Anrechnungsmöglichkeit in Zukunft ein Ende. Dort wird demnächst ausdrücklich geregelt, dass für bestimmte Verfahrensabschnitte erhaltene Zahlungen auch nur auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen sind. Ein Vorschuss für das vorbereitende Verfahren wird also nicht auch auf die Gebühren für die Hauptverhandlung angerechnet. Das ist eine sachgerechte und damit zu begrüßende Klarstellung.

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5. Änderungen im Bereich der Pauschvergütung

a) Pauschvergütung für den Pflichtverteidiger (§ 49 RVG)

aa) Allgemeines

Die derzeit dem Pflichtverteidiger nach § 99 BRAGO ggf. zustehende Pauschvergütung (Vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261 und StraFo 2001, 119 sowie ZAP F.24 S.625 ff ) ist in Zukunft in § 49 RVG geregelt. Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung entsprach inhaltlich dem geltenden § 99 BRAGO. Sie sah die Bewilligung einer Pauschvergütung für den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt, in der Regel ist dies der Pflichtverteidiger, vor. Der Regierungsentwurf hat hier eine Änderung gebracht. Danach soll in Zukunft eine Pauschvergütung nur noch dann gewährt werden, wenn die ,,in Teil 4 oder 5 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs und der Schwierigkeit nicht zumutbar sind".

Mit dieser Änderung gegenüber dem Kommissionsentwurf soll der Ausnahmecharakter, den die Pauschvergütung in Zukunft hat bzw. haben soll (Vgl. S.84f. BT-Drucks.14/9037 ), zum Ausdruck gebracht werden. Insoweit war allerdings auch schon die Expertenkommission in ihrem Entwurf davon ausgegangen, dass der praktische Anwendungsbereich der Vorschrift in Zukunft gegenüber dem derzeitigen § 99 BRAGO eingeschränkt sein würde. In das Vergütungsverzeichnis zum RVG werden nämlich neue Gebührentatbestände aufgenommen werden, bei denen die zugrunde liegenden Tätigkeiten in der Vergangenheit häufig von den OLG bei der Bewilligung einer Pauschvergütung berücksichtigt worden sind. Das gilt z.B. für die Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren oder für die Teilnahme an Haftprüfungsterminen. Da für diese Tätigkeiten dem Pflichtverteidiger in Zukunft ein gesetzlicher Gebührenanspruch zusteht, werden sie nur noch in Ausnahmefällen (auch) bei der Bewilligung einer Pauschvergütung Berücksichtigung finden können. Das könnte z.B. bei außergewöhnlich langen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren der Fall sein. Zudem sieht das Vergütungsverzeichnis für den Pflichtverteidiger für mehr als 5 bzw. mehr als 8 Stunden dauernde Hauptverhandlungstermine Zuschläge zu den (Haupt-)Verhandlungsgebühren/Terminsgebühren vor. Damit steht die Dauer der Hauptverhandlungstermine als Zeitmoment, das bislang von den OLG u.a. wesentlich für die Bewilligung einer Pauschvergütung war, wohl in der Tat nur noch in beschränktem Maße zur Verfügung. Zu der Frage, wann dem Pflichtverteidiger überhaupt noch eine Pauschvergütung zusteht und wie die von ihm erbrachten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, wird es im Zweifel nach In-Kraft-Treten des RVG eine umfangreiche oberlandesgerichtliche Rechtsprechung geben.

Kommissions- und Regierungsentwurf haben aber die Pauschvergütungsregelung des § 49 RVG trotz des zu erwartenden eingeschränkten praktischen Anwendungsbereichs weiterhin für erforderlich gehalten. Es lassen sich nämlich nicht alle von den OLG bei der Gewährung einer Pauschvergütung herangezogenen Umstände durch entsprechende gesetzliche Regelungen berücksichtigen. § 49 RVG erfasst daher in Zukunft insbesondere vor allem also noch die Fälle, in denen der Pflichtverteidiger im Ermittlungsverfahren in weit überdurchschnittlichem Ausmaß tätig geworden ist, so z.B. beim Studium besonders umfangreicher Akten und Beiakten oder bei umfangreichen sonstigen Tätigkeiten, die im Vergütungsverzeichnis nicht im Einzelnen geregelt werden und vielfach auch nicht geregelt werden können. Der Pauschvergütungsregelung bedarf es zudem auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG. Danach darf die Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers, der geringere Gebühren als der Wahlverteidiger erhält, nicht zu einem Sonderopfer führen (Vgl. u.a. BVerfG 68, 237 ff.; s. auch BVerfG AGS 2001, 63 ).

Vorgeschlagen werden von den Entwürfen in § 49 RVG allerdings auch Neuregelungen bzw. Klarstellungen, um in Rechtsprechung und Literatur bestehende Meinungsstreite zu beseitigen. § 49 Abs. 1 S.1 RVG-E stellt jetzt klar, dass die Pauschvergütung entweder für das ganze Verfahren oder, wenn nur einzelne Verfahrensabschnitte ,,besonders umfangreich" oder ,,besonders schwierig" gewesen sind, für diese einzelnen Verfahrensabschnitte gewährt wird. Wird nur für einen Verfahrensabschnitt eine Pauschvergütung gewährt, sind die Gebühren des Vergütungsverzeichnisses, an deren Stelle die Pauschvergütung treten soll, zu bezeichnen. Diese Fassung der Vorschrift soll den in Rechtsprechung und Literatur zur bisherigen Fassung des § 99 Abs. 1 BRAGO bestehenden Streit beseitigen, ob und inwieweit eine Pauschvergütung für einzelne Verfahrensteile festgesetzt werden kann. Geklärt ist durch eine weitere Neuregelung auch der Streit in Rechtsprechung und Literatur, ob die vom Pflichtverteidiger vor seiner Beiordnung als Wahlverteidiger für den Mandanten erbrachten Tätigkeiten bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen sind (Zum Streit in Rechtsprechung und Literatur zur derzeitigen Rechtslage siehe die Nachweise bei Burhoff StraFo 2001, 120; siehe aber auch die neue Rechtsprechung des OLG Hamm in Rpfleger 2001, 450 = NStZ 2001, 498 m.w.N. ). Es wird jetzt ausdrücklich klargestellt, dass diese in Zukunft auf jeden Fall Berücksichtigung finden müssen (§ 49 Abs. 1 S.3 in Verbindung mit § 46 Abs. 5 RVG). Die Pauschvergütung kann im Übrigen nach § 49 Abs. 5 RVG auch nach Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden.

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bb) Anspruch auf Vorschuss

Neu ist, dass dem Pflichtverteidiger in Zukunft ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Vorschusses auf die Pauschvergütung zustehen soll (§ 49 Abs. 1 S.4 RVG). Dies soll jetzt gesetzlich ausdrücklich normiert werden. Eine entsprechende Regelung gibt es derzeit nicht (Zum Stand der Rechtsprechung zur derzeitigen Rechtslage siehe Burhoff StraFo 1999, 267 und StraFo 2001, 121 m.w.N. ). Durch sie werden die unter den OLG in der Frage, ob überhaupt ein Vorschuss gewährt werden kann und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, bestehenden Differenzen beigelegt. Die Regelung ist insbesondere für besonders langwierige Verfahren, in denen die Rechtskraft häufig erst nach mehreren Jahren eintritt und die Pflichtverteidiger erst dann die Festsetzung einer Pauschvergütung beantragen können, von Bedeutung und zu begrüßen.

Der Kommissionsentwurf hatte allerdings keine Kriterien für die Gewährung des Vorschusses festgelegt, sondern allein die Möglichkeit der Bewilligung eines ,,angemessenen Vorschusses" vorgesehen. Der Regierungsentwurf macht die Gewährung eines Vorschusses davon abhängig, dass dem Pflichtverteidiger ,,insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Die Begründung geht davon aus, dass die Pauschgebühr ,,deutlich" über den gesetzlichen Gebühren liegen muss (S. S. 85 BT-Drucks.14/9037 ). Die Neuregelung dürfte insgesamt dazu führen, dass sich die Gewährung eines Vorschusses in Zukunft nicht mehr -- wie bisher�-- nur auf Ausnahmefälle beschränkt. Dem steht entgegen, dass der Pflichtverteidiger nun einen gesetzlichen Anspruch auf einen Vorschuss hat.

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b) Pauschgebühr für den Wahlanwalt (§ 40 RVG)

In § 40 wird zudem eine Pauschgebühr für den Wahlanwalt vorgeschlagen. Eine dieser Regelung vergleichbare Bestimmung gab es in der BRAGO bislang ebenfalls nicht. Nach dem Entwurf soll in Verfahren, in denen die in Teil 4 oder 5 des VV bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs und der Schwierigkeit nicht zumutbar sind, für den Wahlanwalt auf Antrag durch das OLG eine Pauschgebühr für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte festgestellt werden können. Nach Auffassung der Experten-Kommission ist diese Regelung, die der des zukünftigen § 49 RVG nachgebildet ist, auch für die Tätigkeit des Wahlverteidigers sachgerecht. Sie erlaubt nämlich, in den genannten besonderen Verfahren auch den erhöhten Arbeitsaufwand des (Wahl-)Verteidigers angemessen zu berücksichtigen. Sie führt außerdem dazu, dass die Erstattung vereinbarter Honorare, die höher als die gesetzlichen Gebühren sind, in Zukunft teilweise möglich wird. Das war nach der Rechtsprechung (Vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45.Aufl. 2001, § 464a Rn.11 ) zu § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO bisher nicht der Fall.

Übernommen wird für die Voraussetzungen zur Feststellung dieser Pauschgebühr die Terminologie des § 99 BRAGO/§ 49 RVG. Zu der Frage, wann entsprechende Verfahren vorliegen, gibt es umfangreiche oberlandesgerichtliche Rechtsprechung (Vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261 ff. und StraFo 2001, 119 ff. sowie ZAP F 24, S.625 ff. ) bzw. wird es sie geben, die in Zukunft auf § 40 RVG entsprechend anwendbar sein wird. Die Pauschgebühr soll entweder für das ganze Verfahren oder für nur einzelne Verfahrensabschnitte festgestellt werden. Wird nur für einen Verfahrensabschnitt eine Pauschgebühr festgestellt, sind nach dem vorgeschlagenen § 40 Abs. 1 S.2 RVG die Gebühren des Vergütungsverzeichnisses, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen (Vgl. die Nachweise bei Burhoff StraFo 1999, 264 ).

Der Höhe nach darf die festzustellende Gebühr das Doppelte der Höchstbeträge des Vergütungsverzeichnisses nicht übersteigen. Darüber hinausgehende Vergütungen muss der Verteidiger mit seinem Mandanten vereinbaren.

Anders als in § 49 RVG für den Pflichtverteidiger vorgesehen ( vgl. dazu III, 5a ), soll diese Pauschgebühr nicht festgesetzt, sondern nur der Höhe nach festgestellt werden. Die Entscheidung soll also kein Vollstreckungstitel sein. Die Festsetzung der Vergütung unter Einschluss der Auslagen soll nach den allgemeinen Vorschriften in den darin vorgesehenen Verfahren erfolgen. Das Verfahren vor dem OLG beschränkt sich allein auf die Feststellung der Pauschgebühr. Einwendungen, die z.B. den Grund der Vergütungsforderung betreffen, sollen in diesem Verfahren nicht geprüft werden. Damit soll verhindert werden, dass solche Rechtsfragen für die Pauschgebühr anders beurteilt werden als in einem Vergütungsprozess wegen der noch offenen Gebühren und der Auslagen.

Die Pauschgebühr wird auf Antrag festgestellt werden. Diesen kann der Verteidiger erst nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens stellen, weil erst zu diesem Zeitpunkt feststeht, wer an dem Feststellungsverfahren beteiligt werden muss. Diejenigen, die von der Feststellung der Pauschgebühr betroffen sein können, sind zu dem Antrag nämlich zu hören. Über den Antrag entscheidet das OLG, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszuges gehört. Die Entscheidungszuständigkeit wird damit ebenso geregelt werden wie bei der Pauschgebühr des gerichtlich bestellten Rechtsanwalts nach § 49 Abs. 2 RVG. Dort ist ebenfalls -- wie bisher in § 99 Abs. 2 BRAGO -- die Zuständigkeit des OLG vorgesehen. Damit kann es in einem Verfahren nicht zu divergierenden Entscheidungen hinsichtlich der Frage des ,,besonderen Umfangs" oder der ,,besonderen Schwierigkeit" beim Wahlverteidiger und beim gerichtlich bestellten Rechtsanwalt kommen. Dass der Beschluss des OLG unanfechtbar sein soll, entspricht der geltenden Regelung für die Pauschvergütung des Pflichtverteidigers in § 99 BRAGO.

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IV. Bußgeldverfahren

1. Allgemeines

Die von der Kommission für das Bußgeldverfahren vorgeschlagene Gebührenstruktur entspricht im Wesentlichen der für das Strafverfahren. Der Verteidiger erhält also z.B. eine Grundgebühr (Nr. 5100 VV) unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt er tätig geworden ist. Im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erhält der Verteidiger Verfahrens- und ggf. Terminsgebühr für die Teilnahme an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde (Vorbemerkung 5.1.2. Abs. 2 und Nr. 5102, 5104 VV). Im gerichtlichen Verfahren können ebenfalls Verfahrens- und Terminsgebühr für jeden Hauptverhandlungstag entstehen (Nr. 5107 ff. VV).

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2. Dreiteilung der Gebühren

Neu ist allerdings der Vorschlag, in allen Entwürfen für Bußgeldsachen -- wie in Strafsachen -- eine Dreiteilung der Gebühren nach der Bedeutung der Verfahren einzuführen. Die Dreiteilung der Gebühren wird allerdings nur für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und für das gerichtliche Verfahren vorgeschlagen. Für die Rechtsbeschwerde bleibt es bei einem einheitlichen Gebührensatz.

Hintergrund dieses Vorschlags ist der Umstand, dass bisher die Gebühren in Bußgeldsachen bei der Festsetzung von niedrigen Geldbußen häufig als zu hoch angesehen worden sind. Deshalb sollen Bußgeldverfahren in Zukunft bei einer Geldbuße von weniger als 40,00 (Punktegrenze für Eintragungen in das Verkehrszentralregister) niedriger als nach geltendem Recht entgolten werden. Für Bußgeldverfahren mit darüber liegenden Geldbußen von 40 bis 5.000 soll in etwa das derzeitige Niveau bei"behalten werden. Bußgeldverfahren mit Geldbußen über 5.000 und damit entsprechend hoher Bedeutung für den Betroffenen und in der Regel hohem anwaltlichem Aufwand sollen dagegen besser vergütet werden.

Die Gebühren werden von Expertenkommission und Regierungsentwurf in unterschiedlicher Höhe vorgeschlagen. Der Regierungsentwurf schlägt im Bereich der niedrigen Geldbußen geringere Gebührenhöhen vor, in den anderen Bereichen hingegen höhere. Entfallen ist allerdings auch hier der derzeitige Zuschlag, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit für den Betroffenen ausübt, die sich auf ein Fahrverbot erstreckt (§§ 105, 88 BRAGO).

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V. Beispiele

In einer Anlage zum Vergütungsverzeichnis hat sowohl die Experten-Kommission als auch der Regierungsentwurf in einigen Praxisbeispielen errechnet, welche Auswirkungen die Strukturänderungen auf die Gebührenhöhe im strafverfahrensrechtlichen Bereich haben werden. Allgemein ging die Kommission davon aus, dass die Vorschläge des Entwurfs für Wahlverteidiger zu Mehreinnahmen in einer Größenordnung von durchschnittlich 30% führen werden. Dieses Erhöhungsvolumen hat der Regierungsentwurf weitgehend übernommen. Die Erhöhungen bei den Pflichtverteidigerhonoraren werden dem entsprechen bzw. teilweise -- wie die u.a. Beispiele anschaulich zeigen -- darüber hinausgehen. Einige der Kommissionsbeispiele sind nachfolgend dargestellt, wegen der übrigen muss -- schon aus Platzgründen -- auf den Kommissionsentwurf verwiesen werden (Die Tabellen lassen sich an dieser Stelle aus technischen Gründen schlecht darstellen. Daher verweise ich insoweit auf den in der Rubrik "BRAGO-Strukturreform/RVG" zum Download zur Verfügung stehenden Gesetzesentwurf )

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VI. Ausblick

Mit der Veröffentlichung des Kommissionsentwurfs durch das BMJ ist im Herbst 2001 die Diskussion über die Reform der BRAGO eröffnet worden (Vgl. dazu u.a. Burhoff ZAP-Heft 21, Aktuell Seite 1308 ff.; Ebert BRAK-Mitt 2001, 284 ff.; Scherff DieKanzlei 11/2001, 3 ). Mit dem Einbringen des FDP-Entwurfs hat der Reform-Zug, der nach Vorlage des Kommissionsentwurfs ein wenig an Fahrt verloren zu haben schien, erheblich Geschwindigkeit aufgenommen, die nun von den Regierungsfraktionen übernommen worden ist. Welches Ergebnis diese Fahrt haben wird, ist derzeit offen.

Nachdem nun aber (auch) die Regierungskoalitionen einen Entwurf eingebracht haben, kann man jedoch davon ausgehen, dass der Zug auf dem Weg zu seinem Ziel nicht entgleist. Man kann auch davon ausgehen, dass die geplante Änderung der BRAGO, die nach nunmehr sieben Jahren, zumindest was die Anhebung der Anwaltsgebühren angeht, überfällig ist, nun zum 1.7. 2003 kommt. Dazu ist abschließend festzustellen: Wird der vorliegende Regierungs-Entwurf in dieser Form, insbesondere auch mit den vorgeschlagenen Gebührenhöhen, Gesetz, können die Verteidiger, insbesondere im Fall der Pflichtverteidigung, m.E. im Großen und Ganzen zufrieden sein. Denn die durch die Änderung der Gebührenstruktur und die Anhebung der Gebühren eintretenden Erhöhungen waren, wie die o.a. Beispiele anschaulich belegen, beträchtlich.

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